Wednesday, September 28, 2005

Three Kings, David O. Russell, 1999

Dieses seltsamerweise recht wenig beachtete Werk ist mit Sicherheit einer der besten Kriegsfilme der 90er, ich persönlich kenne zumindest keinen besseren. Eine Gruppe reservisten zieht, begleitet von Simpsons Figuren und Musik der Beach Boys los um einen Goldschatz zu heben und wird dabei von einer karrieregeilen Reporterin verfolgt. Das ganze präsentiert Russell in atemberaubendem Stil, blitzschnell geschnitten, oft stilisiert aber nie stilisieren. So erreicht er es, die Medienproduktionen, die Kriege heutzutage umgeben(und natürlich in anderer Form auch schon früher umgeben haben), aufzudecken ohne in Gefahr zu geraten, sein eigenes Werk zu einer ebensolchen Produktion zu degradieren (genau dies passiert Spielbergs Saving Private Ryan, der ja eigentlich auch von einer Publicity-Aktion handelt, nur hat man das spätestens nach dem ersten Drittel des Films bereits vergessen). So gelingt es Three Kings wenigstens teilweise eine neue Repräsentationsform anzudeuten, die der Kriegsfilm bitter nötig hat. Ansonsten ist politisch natürlich auch hier nicht alles sauber, das haben Kriegsfilme - und amerikanische vielleicht in besonderem Maße - nun mal an sich. In diesem Fall nervt nicht nur das Ende, welches trotz aller Ironie einiges von den Aussagen des Films zurücknimmt, sondern vor allem die Nähe zu pseudoliberalen Ideen des Mooreschen Typs, allerdings interessiert sich Russell im Gegensatz zu dem dicken Michael wirklich für die Araber, die von Bush Senior erst totgebombt und dann - soweit sie sich gegen Saddam aufgelehnt hatten - im Stich gelassen wurden. Tatsächlich wiegt hier, und das ist für den amerikanischen Kriegsfilm nun wirklich außergewöhnlich, das Leben einer irakischen Frau gleich viel wie das eines GIs. Doch ist es vor allem der Stil, der einerseits der Medienrealität der Gegenwart gerecht wird und andererseits aufzeigt, dass sich zwar die Bilder des Krieges gewandelt haben, nich jedoch der Krieg selbst (zumindest nicht auf höherer Ebene), der Three Kings zu einer kleinen Sensation im Mainstream macht.

Monday, September 26, 2005

Performance, Nicolas Roeg und Donald Cammell, 1970

Dieser seltsame 70er Jahre Mitternachtsklassiker mit James Fox und Mick Jagger (der hier eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Michael Jackson aufweist - wie mir gerade auffällt sind auch die Namen fast gleich) kommt sich stellenweise, vor allem gegen Ende, eindeutig zu wichtig vor. Die komplexen Thesen über Identitäten und Bilder, die allzu offensichtlich zur Diskussion gestellt werden, vertragen sich nicht mit dem manischen Stil, den der Film vor allem zu Beginn etabliert. Aber "Stil" ist eigentlich der falsche Ausdruck, denn die hervorstechende Eigenschaft der Ästhetik von Performance ist eben das Fehlen eines Systems, welches das Geschehen formal ordnet. Nicht alles ist wirr und extatisch, manche Sequenzen sind klassisch geschnitten, doch immer wieder bricht da Chaos in die Narration ein, nicht nur auf der Bildebene sondern auch auf der Tonspur, der sonst in vielen neueren Werken die Aufgabe zuzukommen scheint, die Kohärenz, die der Optik verloren gegangen ist, wieder herzustellen. Performance ist in den besten Momenten ein wildes Patchwork aus Personen, Farben, Formen und Tönen, dessen aufgelösten Strukturen allerdings allzuoft dazu benutzt werden, Themen zu verhandeln, die bei Regisseuren wie De Palma oder Bergman besser aufgehoben sind.
Doch nochmal zur Tonspur. Neben bizarrem Synthielärm finden sich in dem Film auch einige Musikstücke, die zeigen, dass es der weissen Rockmusik vielleicht doch möglich wäre, einen echten Beitrag zum Rhythm and Blues zu leisten. Nicht umsonst erreichten um 1970 Bands wie Black Sabbath, Deep Purple oder natürlich die Rolling Stones das Zenit ihres Schaffens mit Werken, die eine direktere Verbindung zu den schwarzen Vorbildern aufwiesen als alles davor und (vor allem) danach. Spätestens gegen Ende des Jahrzehnts hatten sich aber alle diese Ansätze durch die Zersplitterung der Szene in Punk, Metal, Prog und was weiss ich noch alles, verflüchtigt.

Saturday, September 24, 2005

Phantom of the Opera, Arthur Lubin, 1943

Sicher bin ich nicht der erste dem aufgefallen ist, dass die Geschichte des verrückten Komponisten, der ein Opernhaus unsicher macht, den Subtext eines unterdrückten Klassenkampfs besitzt (ich kenne allerdings nur diese Version der Geschichte und weiss nicht, wie nah sie dem Roman ist). In dem Moment als Eric Claudin sein Werk gestohlen wird (oder er dies glaubt), wird auch sein Gesicht verätzt, d.h. er wird gleichzeitig enteignet und ausgestossen, verelendet. Folgerichtig verschwindet er in der nächsten Szene in der Kanalisation. Mit etwas Fantasie (vieleicht etwas zu viel Fantasie...) könnte man das Ende des Films als faschistische Lösung lesen: Das Hirn (Anatole) und die Hand (Raoul) werden durch das Herz (Christine) vereinigt und beseitigen die Gefahr für die herrschende Ordnung.
Die Universal Version dieser Geschichte wird farbenprächtig und in großartigen Dekors präsentiert, was die potentiell subversiven Elemente noch stärker zum Ausdruck bringt. Das Opernhaus als Stolz der Bourgeoise bedarf keiner weiteren Erläuterung, die Thematik setzt sich hier aber auf der nächsten Ebene fort, da Phantom of the Opera Beweis dafür ist, wie es Hollywood gelungen ist, auch das eigentlich proletarische, so gar nicht hochkulturelle Genre des Horrorfilms salonfähig zu machen. Arthur Lubins Werk ist genau so glattpoliert wie die Produktionen, die das Opernhaus im Film aufführt und so bedürfte es natürlich mehr als nur eines Claude Rains um das Verdrängte sichtbar zu machen.

Friday, September 23, 2005

xXx : State of the Union, Lee Tamahori, 2005

Lange kann das sowieso nicht mehr gutgehen, dass Hollywood Jahr für Jahr Dutzende von Blockbustern raushaut, deren Budget von dem Bruttoinlandsprodukt so manchen Entwicklungslandes nicht allzu weit entfernt sein dürfte. Sicher ist es nur eine von vielen Merkwürdigkeiten des Spätkapitalismus, aber doch eine sehr markante, wenn die großen Medienkonzerne Millionen über Millionen in Filme investieren, in denen Menschen Fledermauskostüme anziehen oder behaarte Zwerge einem Ring hinterher jagen. Der Zusammenbruch dieser Art von Filmschaffen ist wohl nur eine Frage der Zeit bzw. einer Handvoll richtiger Mißerfolge, denn auch Sony, Warner etc können nicht jeden Tag 40 bis 50 Millionen Dollar in den Sand setzen, wie dieses Jahr mit der Fortsetzung von xXx oder dem Top Gun Klon Stealth.
In State of the Union versucht sich der ehemalige NWA Frontmann Ice Cube wieder einmal im Actiongenre. In den frühen 90ern orientierte sich die Gangsterrap Legende teils in Richtung des militanten Flügels der Pro-Black Bewegung und nahm Songs mit Public Enemy auf, spätestens seit dem Beginn seiner Hollywoodlaufbahn jedoch ist sein Stand in der afroamerikanischen Community ziehmlich am Arsch. Und auch die Filmkarriere dürfte nach diesem James Bond Versuch gewaltig ins Schleudern geraten sein. Tatsächlich hat der Streifen seinen Misserfolg in vieler Hinsicht verdient. Was ein High Concept Blaxploitaiton Spass hätte werden können, scheitert schon am Soundtrack, denn anstatt sexy Soul-Tunes setzt es eine unschöne Mischung aus mittelmäßigem New-School Hip-Hop und grottigem New Metal. Und abgesehen davon, dass man Xzibit nun wirklich nicht vor eine Filmkamera treten lassen sollte, funktioniert die Verbindung zwischen Agentenquatsch, Ghettogehabe und Daueraction zumindest hier äußerst selten, vor allem der Endkampf ist dazu auch noch handwerklich schlecht gemacht.
Dennoch ist es ärgerlich, dass ausgerechnet dieser Blockbuster Verluste einfahren musste, denn erstens ist State of the Union zumindest auf der Handlungsebene so liberal wie ein Hollywoodfilm nur sein kann (ultrakonservativer Verteidigungsminister will liberalen Präsidenten wegputschen und kann nur von einer Spezialeinheit gestoppt werden, die fast ausschließlich aus Afroamerikanern besteht) und zweitens ist der Flop wohl zu einem großen Teil auf eine Redneck Kampange gegen die Ablösung des neuen WASP Helden Vin Diesel durch den angeblichen Rassisten Ice Cube (wer hier wirklich rassistisch ist, daran kann natürlich kein Zweifel bestehen) zurückzuführen und es ist zu erwarten, dass der Einzug schwarzer (oder auch anderer Nicht-Weisser) Hauptdarsteller und Regisseure in den Mainstreamfilm (eine der wenigen positiven Entwicklungen im Hollywoodfilm der letzten Jahre) sich nach diesem Desaster zumindest verlangsamen dürfte.

Monday, September 19, 2005

Deadlock, Roland Klick, 1970

Über den deutschen Film zu schimpfen, heisst meistens, nicht genau genug hinzuschauen, denn ganz hinten, in den letzten Winkeln unseres Landes finden sich immer wieder Perlen die für den schändlichen Müll, den die Mainstream und Nicht-ganz-Mainstream Produktionen von Eichinger bis Weingärtner entschädigen. So geschehen in letzter Zeit etwa bei Status Yo!, Jazzclub (ok, beides schon etwas länger her) und vor allem Die Reise ins Glück, letzterer sicherlich DAS Filmereigniss des bisherigen Jahres. Doch so etwas ist selten und diese Filme sind klare Ausnahmeerscheinungen: Status Yo! wurde ohne eine Mark Fördergeld in jahrelanger Kleinstarbeit gedreht und die anderen sind schlicht und einfach die Werke zweier Genies. Warum jedoch muss man in diesem Land so weit weg vom Mainstream, vom Festival- wie vom Popcornkino um eine Chance zu bekommen, zumindest halbwegs vernünftige Filme zu sehen (sicher, die Situation ist wahrscheinlich in allen Ländern in den Grundzügen ähnlich, jedoch scheint es mir in Deutschland doch besonders schlimm, in Frankreich etwa, das strukturell Deutschland in vielem ähnlich ist, zB was die zentrale Rolle von Fördergeldern anbetrifft entstehen immer noch Jahr für Jahr herausragende, provokative, vor allem progressive Werke)?
Doch nun zu Deadlock. In den 70ern schien es noch weit weniger schwer, inspirierendes Kino auch innerhalb des Systems zustande zu bringen, das zeigen nicht nur einige Werke des inzwischen hinlänglich gewürdigten Neuen Deutschen Films, sondern auch einige Versuche im Genrekino, welche sich leider nie zu einer kontinuierlichen Produktion ausweiten konnten (zumindest außerhalb des Sex/Pornofilms). Roland Klicks deutscher Italowestern gehört sicherlich zu den Highlights dieser Jahre. Vom psychedelischen Anfang bis zum dekonstruierten Showdown breitet der Regisseur ein Spektakel vor dem Zuschauer aus, welches den Vergleich mit den besten Arbeiten Leones und Corbuccis wahrlich nicht zu scheuen braucht. Die Schauspieler tun ein übriges dazu, Mario Adorf spielt endlich mal in einem Film, der ihn auch verdient und Marquard Bohm (der auch in Rote Sonne, einem weiteren Ausnahmefilm aus dieser Periode zu sehen ist) spielt die vielleicht coolste Figur, die jemals über deutsche Leinwände gelaufen ist. Deadlock weisst nicht nur (rückblickend vergeblich) dem deutschen Genrefilm eine Perspektive jenseits des Schulmädchenreports, sondern erlaubt auch einen Blick auf ein Land, das einige Jahre lang bereit schien, ausgetretene Pfade zu verlassen und etwas Neues zu wagen. Nicht nur im Kino war spätestens in den 80ern diese Hoffnung wieder verblasst (womit Deutschland natürlich auch nicht alleine steht).
Nachtrag Jahre später: der Anfang: auweia

The Unforgiven, John Huston, 1959

Das ekligste an diesem widerwärtigen Indianer-Western ist, dass er sich selbst scheints irgendwie für liberal hält; klar, Audrey Hepburn als Indianerin (mit netter Lacanscher Selbstkonstitution vor dem Spiegel), sowas sah man in den 50er Jahren nicht allzu oft, doch was der Film daraus macht, ist grauenhaft. Um die erfolgreiche Integration dieser einen Rassenfremden zu vollenden, sind 50 bis 100 Indianerleben kein allzu hoher Preis (die Liebe muss wieder mal als zusätzliche Motivation herhalten). Die Rothäute sind so böse, dass sie sogar Konzertflügel zerstören, das geht natürlich gar nicht. Selten offenbart ein Film rückblickend seine Ideologie offener als dieser, gerade weil er an manchen Stellen scheinbar liberal zu argumentieren scheint und eine "ernsthafte" Auseinandersetzung mit seinem Thema sucht.
Zusätzlich funktioniert der Film auch dramaturgisch nicht, alles geht entweder zu schnell oder zu langsam, die Figuren sind stets nur darauf beschränkt, ihre Funktion innerhalb dieses Blödsinns zu erläutern, selbst Westerngrössen wie Lilian Gish (die ich nie in einer dooferen Rolle gesehen habe) haben da keine Chance. Auch die manchmal wirklich grandiosen Cinemascope-Aufnahmen nützen nichts. The Unforgiven ist eine von vorne bis hinten unerträgliche Angelegenheit.
John Huston hat viele wunderbare Filme gedreht. Der hier gleicht aber gleich mehrere davon wieder aus.

Friday, September 16, 2005

Zatoichi in Desperation, Katsu Shintaro, 1972

Der 24. Zatoichi Film ist ein kleines Meisterwerk, das mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Nichts mehr ist hier zu spüren von den Italowestern Einflüssen der Serie, dem Abenteuerfilm im wilden Japan. Zatoichi in Desperation ist ein dreckiges, düsteres Werk, das die Genregrenzen weit hinter sich lässt. Ein Großteil des Films spielt in engen Räumen, der Bildkader ist unterteilt durch Wände, Schleier, Schränke usw, nie wird es möglich, die Lokalität genau zu fassen, auch die einzelnen Figuren sind selten ganz im Bild, mal ein Kopf, mal ein halber Körper, das wars. In diesen Räumen herrscht wirklich die titelgebende Verzweiflung, verbunden mit einer meist unterdrückten Sexualität die sich nur in Gewalt entladen kann. Zatoichi, an dessen Potenz durchaus Zweifel bestehen können, versucht andere Wege zu finden, zur Erfüllung zu gelangen, doch meist vergeblich.
Der zweite Handlungsort ist ein Küstenstreifen, der im Gegensatz zu den engen Häusern im ersten Teil des Films kaum Requisiten bietet. Doch auch hier finden sich keine Establishing Shots im klassischen Sinne, die Szenerie wird nicht in der Wirklichkeit festgeschrieben sondern bleibt im Nirgendwo. Dennoch wirkt der Wechsel befreiend, zumindest entsexualisierend (vielleicht findet sich hier irgendwo ein Weg zu einer menschlicheren Lust), die Gewaltentladungen finden endlich ein Ziel, da die Menschen sichtbar werden.
Zatoichi in Desperation ist ein verstörender, in jeder Hinsicht unerwarteter Film. Meist sind die letzten Fortsetzungen langer Filmserien nur noch Variationen ausgelutschter Motive, hier jedoch finden sich Bilder, die die Thematik transzendieren und zeigen, wie ein scheinbar überkonventionalisiertes Genre wie der Samurai-Film in der Hand eines mutigen Regisseurs immer wieder aufs neue überraschen kann.

Tuesday, September 13, 2005

Out 1: Spectre, Jacques Rivette, 1972

4 1/2 Stunden dauert Rivettes Meisterwerk und ist dabei keine Sekunde zu lang. 262 Minuten lang eröffnet sich ein Reigen aus Motiven, Personen, Ideen, Träumen und danach kann nichts bleiben wie es einmal war, soviel ist sicher.
Wenn Out 1: Spectre ein Thema hat, ist es wohl Sinnproduktion, bzw. die gleichzeitige Unmöglichkeit und Unvermeidbarkeit derselben. Die einzelnen Motive scheinen sich in den ersten zwei Dritteln des Films langsam zu größeren Mustern zu fügen, wobei die Fiktion den Zuschauer imitiert: wie dieser versuchen die Protagonisten (wie soll man sie sonst nennen?) ihre Umgebung zu strukturieren, wenn nicht zu erklären, so wenigstens zu dynamisieren. Doch selbst wenn dies gelingt, so nur für kurze Zeit, denn wie sich die Geheimbünde, Balzac-Zitate und Theaterproben untereinander und auf die Figuren beziehen, ist, wie das letzte Drittel des Films deutlich macht, eine Frage, die jeden Moment neu gestellt und jeweils unterschiedlich beantwortet werden muss. Nicht nur der improvisierte Produktionsverlauf des Films, auch seine narrative Struktur steht formalistischen Ansätzen diametral entgegen. Rivette erscheint als genaues Gegenstück der Kontrollregisseure von Eisenstein bis von Trier, konzentriert er sich doch auf die äußersten Ränder des Films, die zahlreichen Subtexte und Querverweise und lässt das Zentrum des Films offen nicht nur für seine Mitstreiter sondern auch für den Zuschauer. So lädt ausgerechnet dieser Film, der auf den ersten Blick so in sich selbst ruht wie kaum ein anderer , den Zuschauer zum Dialog ein. Er geht nicht auf dieses zu, sondern weicht zurück und fordert den Willigen auf, näherzutreten und einen der freien Plätze im Gefüge einzunehmen (und von diesen gibt es genug, personalisierte und nicht personalisierte).
Was bleibt nach dem Genuss dieses Meisterwerks? Zumindest zweierlei: erstens möchte ich die Hose der Erpresserin (cooler geht's nicht) und zweitens will ich irgendwann die 13-stündige Version sehen.

Friday, September 09, 2005

Rip-Off & Rip-Off 2, Andy Chukwu, 2004

Endlich habe ich (dank einem sehr coolen Afrikashop in Moabit) den Einstieg in die nigerianische Videoproduktion gefunden. Die beiden Rip-Off Filme zeigen ein afrikanisches Gangsterepos, welches zwar stark von amerikanischen Genreproduktionen beeinflusst zu sein scheint, aber doch ganz anders ist. Für Trash-Connoseure allerdings ist dieser Film keine allzu gute Wahl (obwohl es im nigerianischen Filmgeschäft da sicher auch genug gibt, das zeigen schon die Trailer vor den Filmen). Mieße Special Effects sucht man vergeblich und zumindest die Hauptdarsteller machen ihre Sache recht gut. Sicher werden Plotfaschisten in Sachen Continuity und Glaubwürdigkeit einiges auszusetzen haben und die Soundqualität ist teilweise unterirdisch, doch insgesamt wird deutlich, dass die Macher des Films keine Anfänger sind.
Was Rip-Off wirklich von der abend- (und morgen)ländischen Konkurrenz unterscheidet, ist, dass die einzelnen Codes, die den Film konstituieren, deutlicher unterschieden werden können. Beispielsweise werden exploitative Elemente, Genrekonventionen, narrative Zweckseinstellungen, künsterische Exzesse und die leider recht frauenfeindliche "Botschaft" nicht miteinander verflochten, sondern bleiben stets getrennt. Auch die Musik (der bizarrste Teil des Films, eine Mischung aus coolem Billigsynthie Sound und mießen, gecoverten Popsongs) fügt sich in dieses Schema. Aufgrund aprupter Wechsel bleibt sie stets im Vordergrund und damit lesbar. Natürlich hängt dies damit zusammen, dass der Film gegen meine Sehgewohnheiten verstößt, doch auch wenn man diesen Effekt abzieht, bleibt zu erkennen, dass die Regie kaum versucht, die einzelnen, disparaten Elemente zu integrieren (und das nicht aus Unfähigkeit, dazu ist der Film technisch zu gut), dies scheint das afrikanische Publikum nicht zu erwarten (oder zumindest nicht im selben Maße wie das Europäische oder Amerikanische).
Diese leichtere Lesbarkeit gibt dem Zuschauer natürlich in erster Linie Macht über den Film. Auch für Fans überkonventionalisierter Genreproduktionen, z.B. der Hammer-Studios oder Roger Cormans spielt wohl die Macht, die sie über ihre Favoriten stärker ausüben können als über zeitgenössische High-Concept Werke oder Qualitätsfilme, eine wichtige Rolle. Im Falle von Rip Off scheint mir, steht die Sache jedoch etwas anders, da die Kommunikation sich weiter fortsetzt als bei Corman & Co. Denn die Welt des Filmes ist höchst real, die (äußerst durchsichtigen) Gangsterinszenierungen werden immer wieder abgelöst von Bildern des realen Nigerias und Gesprächen, die direkt die Lebenssphäre der Zuschauer ansprechen können. Was diese Mischung aus Lesbarkeit und Rückkopplung in den Alltag konkret bedeutet sei dahingestellt, auf jeden Fall bietet sie etwas, das ich noch in keinem anderen Film gefunden habe.

Thursday, September 08, 2005

Jules et Jim, Francois Truffaut, 1962

Truffauts vielleicht bekanntestes Werk ist kein guter Film. All das Flattern und Flirren, Summen und Wabern mag anfangs betören, zumindest mir geht es aber spätestens in der zweiten Hälfte gehörig auf die Nerven, vor allem weil sich dahinter eine dumme Männerphantasie verbirgt, die in keiner Sekunde auch nur irgend etwas zu sagen hat. Alles umsonst, nichts bleibt von all den Worten, all den Bemühungen, große Bilder zu schaffen (Musikbilder, Frauenbilder), all den Episoden, die sinn- und zweckfrei aneinandergefügt werden. Zwischendrin der erste Weltkrieg und Bücherverbrennungen, falsche Menschen leben in einer echten Geschichte, das macht die Sache nicht besser. Das Problem ist nicht Privatismus (dagegen ist nichts zu sagen), sondern die Vorspiegelung von Privatismus, der keiner ist. Denn wer sich von der Geschichte distanziert, hat damit eine Entscheidung getroffen, die ihn wieder zu derselben in Beziehung setzt. Truffaut jedoch beschreibt Menschen, für die Kriege höchstens als Katalysatoren in Beziehungskrisen nützlich sein können und innerhalb des Films fast expressiven Charakter haben.
Erinnert hat mich Jules et Jim als Ganzes an Singing in the Rain, auch so ein guter schlechter Film, welcher viel Stoff gibt für jemanden, der auf den Trick hereinfällt, aber im Grunde hohl bleibt.
Nachtrag Jahre später: sehe ich inzwischen komplett anders. Als Artefakt aber nett

Wednesday, September 07, 2005

Into the Sun, Mink, 2005

Into the Sun ist einer von schätzungsweise 20 Filmen, welche Steven Seagal in den letzten 3 Jahren gedreht hat und die alle für den DVD-Markt produziert wurden. Regie führt dabei ein gewisser Mink, der seinen richtigen Namen aus gutem Grund für sich behält und sichtlich bemüht ist, den Stil der Neo-Yakuza Filme von Takashi Ishii und Takashi Miike zu kopieren. In diesem Fall bedeutet das viele durchgeknallte Gangsterjapaner und zwischen den Szenen unmotiviertes Cutting einmal quer durch Tokyo und zurück. Der Plot bleibt dabei natürlich den amerikanischen B-Film Konventionen entsprechend geradlinig von Anfang bis Ende, was die technischen Spielereien endgültig als Angebereien kennzeichnet (hinzu kommt, dass Mr. Mink kein Gespür für Framing, Montage oder sonst irgendwas hat und als biederer Fernsehregisseur bei weitem besser aufgehoben wäre).
Steven Seagal brilliert währenddessen in flüssigem Japanisch und klassischen Aikido, hat aber relativ wenig Mühe, die chinesisch-japanische Verschwörung auseinander zu nehmen, allerdins wird er am Ende doch rabiater und smarschiert sogar durch einen japanischen Steingarten , wo er vorher die Kultur des Landes stets respektierte. Wohl auf Seagals Einfluss ist es auch zurückzuführen, dass das Japan, welches der Film entwirft, japanischer wirkt, als das von Groß- bzw. Prestigeproduktionen a la Der letzte Samurai oder Lost in Translation. Was den Film natürlich auch nicht rettet.

Sunday, September 04, 2005

Land of the Dead, George Romero, 2005

George Romeros neues Werk funktioniert leider nicht allzu gut. Das hat zum einen technische Gründe. Die Bilder sind zu düster, die Endzeitatmosphäre ist zu gewöhnlich umgesetzt, die Orientierung an Vorbildern wie Mad Max wird zu deutlich. Auch gelingt es der Inszenierung nie, klassische Spannungsinszenierungen zu erweitern oder auch nur voll auszuschöpfen. Die Filmsprache wirkt veraltet, obwohl Romero immer wieder krampfhaft versucht, sich dem aktuellen Actionfilm anzupassen. Einzig die Goreszenen verraten die alte Klasse des Regisseurs und wirken gerade deshalb seltsam losgelöst aus dem Gesamtwerk. Die Bilder der in Gedärmen wühlenden Zombies besitzen immer noch dieselbe befreiende Kraft wie in Dawn of the Dead, allerdings finden sie in einem unpassenden ästhetischen Umfeld statt, was sie wie ungerichtete Energie erscheinen lässt. Eventuell liegt gerade hierin ein anarchisches Potential, welches dem Film auf lange Sicht doch eine stärkere Position geben könnte.
Das größere Problem findet sich auf der politischen Ebene. Romero baut eine holzschnittartige politische Parabel, die sich einfach nicht mit den tieferen sozialhistorischen Dimensionen, die ser Film eröffnet, verträgt. Dennis Hopper als George Bush, das Fiddlers Green als World Trade Center: all die offensichtlichen und wohl irgendwie aus Rechtfertigungsgründen (schließlich ist es ein Werk von Romero, dessen Reputation darauf beruht, dass er angeblich mehr als nur Filme über Zombies macht) hineingeschrieben wurden wirken eher unfreiwillig komisch als erhellend und vertragen sich nicht mit der B-Movie Ästhetik.
Zwar ist der Versuch, einen liberalen Horrorfilm zu drehen, durchaus ehrenwert, aber die tiefergehenden politischen Bezüge finden auf einer anderen Ebene statt. Wenn die Menschen aus Angst, sich in Zombies zu verwandeln, nach dem fatalen Biss selbst erschiessen erinnert dies an die amerikanischen Farmer, die ihre Töchter lieber erschossen, als sie den Indianern zu überlassen, oder an das Mädchen, welches in Birth of a Nation aus Angst vor einer Vergewaltigung durch einen Farbigen von einer Klippe springt. Auch das Feuerwerk , mit dessen Hilfe die Zombies ruhiggestellt werden, eröffnet Vergleichsmöglichkeiten von der amerikanischen Vergangenheit (Feuerwasser für die Rothäute) bis in die von Fernsehbildern konstruierte Gegenwart. Bei dem Versuch, mehr als nur einen Zombiefilm zu drehen, ist Romero diesmal leider über das Ziel hinausgeschossen. Land of the Dead ist überladen mit politischen Verweisen, die mit dem Holzhammer (kaum über Michael Moore Niveau) dem Publikum eingeprügelt werden und dabei die Diskurse, den der Film nebenbei eröffnet, meistens erstickt.
Nachtrag Jahre später: auch das sehe ich jetzt alles anders... toller Film, das