Saturday, December 31, 2005

The Shawshank Redemption, Frank Darabont, 1994

So, zum Jahresabschluss noch mal ein richtiger Scheissfilm:
Laut Imdb der zweitbeste Film aller Zeiten und nun leider auch von mir gesehen: Frank Darabonts kitschig-manipulative, am Reissbrett zusammengehauene Gefängnisdrama The Shawshank Redemption, ein Film, der so widerlich ist, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich ihn überhaupt durchgestanden habe. Nicht nur die ideologische Funktion von Nostalgie läßt sich an diesem in den 50ern und 60ern situierten Dreck wunderbar ablesen, auch als Beispiel für eine besonders infame Taktik des postklassischen Qualitätsfilms ist er durchaus tauglich (wenn auch - weil zu doof - wahrscheinlich ein schlechteres Beispiel als etwa Garden State oder Sideways): diese Filme sind nicht mehr ganz so aufdringlich verzuckert, scheinen auf die eine oder andere Art (hier etwas überdeutlich in Form von Mozart) irgendwas in Richtung Kultur / Philosophie (!) oder sonstigem Bildungsbürger- resp. vielleicht eher Kinder-von-Bildungsbürgerschwachsinn einfließen, weichen aber keinen Millimeter von bewährten kapitalistisch-idealistischen Identifikationsmustern ab - was ja nicht so schlimm wäre, wenn man sich dabei nicht so unheimlich wichtig vorkommen würde.
Das schlimmste an der Sache: es funktionert, heute wahrscheinlich noch besser als 1994, Darabonts Machwerk erschuf nur das Fundament, aber eines, auf dem Regisseure wie der besonders unausstehliche Curtis Hanson wunderbar aufbauen konnten um die schrecklichsten Filme der Gegenwart zu drehen.
In jedem Fall machen solche Werke wieder Lust auf die Zeit, als der schlechte Film seine Unschuld noch nicht verloren hatte. In diesem speziellen Falle könnte als Gegengift zum Beispiel Jack Hills wunderbarer Exploitation-Klassiker The Big Dollhouse dienen - oder jede x-beliebige Frauen-im-Gefängnis Gurke.
Nun ist aber gut...

Tuesday, December 20, 2005

Büyü, Orhan Oguz, 2004

Ein alter Fluch, der auf einem verfallenen Dorf lastet, eine Gruppe Archäologen, die fast ausschließlich aus jungen, leicht bekleideten Studentinnen gehört, das klassische Eliminationsprinzip plus final Girl und ein kleiner Schuss Sleaze: kein Zweifel, auch in der Türkei sind die letzten 25 Jahre Horrorfilmgeschichte nicht spurlos vorüber gegangen.
Die erste halbe Stunde ist schon fast beängstigend konventionell und gibt eigentlich nicht zu allzu großer Hoffnung Anlass. Doch sobald die Ausgrabungsstädte erreicht ist, nimmt der Film Fahrt auf. Die Rauminszenierung ist größtenteils hervorragend, in mehreren Ebenen komponiert, auch die Kamerafahrten sind äußerst effektiv. Während in Amerika immer noch - und nicht nur bei Uwe Boll - Schnellfeuermontage dominiert, versteht Oguz, mit dem Filmmaterial intelligenter umzugehen. Wunderbar auch die Schauspielerinnen, die nach den Morden und Geisterattacken minutenlang Schreien und Kreischen, dass es eine Art hat. Darf man natürlich auch, wenn man zum Beispiel gerade von einem unsichtbaren Dämon vergewaltigt worden ist
Je länger der Film dauert, desto besser funktioniert er - trotz einiger unnötiger Sequenzen in einem tristen Höhlensystem. Das Ende ist sogar richtig gut und kommt angesichts des eigentlich sehr formelhaften Aufbaus des Films sehr überraschend.
Nicht, dass Büyü ein Meisterwerk wäre, das nun wirklich nicht. Ein ordentlicher gebauter, teilweise sogar spannender Horrorfilm, der sich in so mancher Sequenz eine Prise Originalität erlaubt, aber allemal. Und das ist mehr, als man vom größten Teil der Konkurrenz behaupten kann.
Überraschend auch, dass ein handwerklich so überzeugender Horrorfilm ausgerechnet aus der Türkei kommt, deren Genrefilmtradition eigentlich ein klein wenig anders aussieht...
(Nachtrag Jahre später: inzwischen, warum auch immer, zum Trashkult avanciert)

Monday, December 19, 2005

La maman et la putain, Jean Eustache, 1973

Die letzte Stunde wird richtig dramatisch, auf einmal wollen alle alle lieben, werden eifersüchtig, streiten, legen ihr Sexleben offen (bzw. noch offener), weinen, kurz: nerven. Denn all das ist hier absolut unnötig. Die Figuren sind nicht für Gefühle gemacht, auch nicht fürs Melodram, schon gar nicht die überhaupt etwas nervige Marie, deren einziger Vorzug ihr Lidschatten ist, der in schwarz/weiss extrem stylish aussieht. Ansonsten sollte sie eher die Klappe halten, denn all das Gerede über Schwänze und Ficken konnte wohl auch 1973, ein Jahr nach Deep Throat, niemand wirklich schocken.
Zum Glück kommen diese teils schrecklich bemüht wirkenden Szenen erst am Ende des Films, davor darf Jean Pierre Leaud zweieinhalb Stunden lang durch Paris laufen, immer astrein gestylt, mal mit diesem mal mit jenem über nichts und wider nichts reden und versuchen, möglichst viel Unordnung in seine diversen Frauengeschichten zu bringen. Hier funktioniert alles perfekt, ab und an finden sich Einstellungen, die so schön sind, wie sonst fast nichts im Kino, etwa wenn Alexandre vor einem Geschäft steht und Marie sich ihm nähert, erst in den Spiegeln auftaucht, dann jedoch von rechts an ihn herantritt. La Maman... ist es in diesem ersten Abschnitt wichtiger, was für Schatten die Gesichter der Figuren werfen, als was in ihrem Kopf vorgeht, und genau das macht den Reiz des Werkes aus.
Nach diesen 150 wunderbaren Minuten hätte Eustache seinen Film guten Gewissens beenden können.

Wednesday, December 14, 2005

Autostop rosso sangue, Pasquale Festa Campanile, 1977

Dieser dreckige, bösartige aber ohne jeden Zweifel großartige Film lebt vor allem von seinem wunderbaren Cast: Franco Nero ist cool wie immer, Corinne Clerys hat vor allem äußerst fiese grüne Augen und David Hess ist hier (und nicht etwa im viel mießeren Last House on the Left) einer der coolsten Bösewichter aller Zeiten und das immer wieder eingespielte Hippie-Lied von Tanzen, Frieden und Sonne passt wie die Faust aufs Auge.
Autostop rosso sangue ist Exploitationkino wie es sein soll: unmoralisch, voyeuristisch, verstörend und immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, dem nächsten Schlag in die Fresse und garantiert nie auf der Suche nach einer Botschaft. Wer aus diesem Film lebend herauskommt (und das gelingt selbstverständlich nicht allzu vielen), ist sicher kein bisschen klüger, erst recht kein besserer Mensch, sondern höchstens ein paar Tage älter. Wie im Italowestern fasziniert Autostop rosso sangue (alleine der Titel verrät schon viel von der Klasse des Films) gerade aufgrund des Verzichts auf jede Charakterentwicklung.
Campanile, der sonst scheints eher etwas seltsame Komödien gedreht hat, gelingt mit reduzierten Mitteln ein Meisterwerk, das fast alles richtig macht und vor allem von Anfang bis Ende seinem Stil treu bleibt.