Thursday, February 25, 2010

Osuofia in London 1 & 2, Kingsley Ogoro, 2003 & 4

Mehr Youtube-Filme! Diesmal wieder Nollywood. Laut Wikipedia ist Osuofia in London der bislang erfolgreichste Film der nigerianischen Videoindustrie. Da dem nigerianische Box-Office mit herkömmlichen statistischen Methoden nicht beizukommen ist, sollte man diese Behauptung lieber nicht zu ernst nehmen. Dass Kingsley Ogoros Reißer allerdings seinerzeit gut angekommen und inzwischen zu so etwas wie einem kleinen modernen Klassiker avanciert ist, darf angesichts der User-Kommentare auf Youtube kaum bezweifelt werden.
Osuofia in London ist eine Cultural-Clash-Comedy, eine sehr schematisch, aber effektiv angelegte. Osuofia lebt in einem nigerianischen Dorf, seine Familie wie seine Gläubiger machen ihm das Leben schwer. Da passt es ihm gerade recht, dass sein einst nach Europa emigrierter Bruder verstorben ist und ihm sein Vermögen vermacht hat (Osuofia und Anhang faken bei dieser Gelegenheit natürlich fleißig und sehr theatral Trauer). Dann fliegt der Dorftrottel, der schon in der Heimat andauernd was auf die Wollmütze bekommt, in die britische Hauptstadt und hat, dort angekommen, schon Schwierigkeiten damit, das Flughafengelände zu verlassen. Danach gibt es natürlich jede Menge Kollisionen mit der feinen und weniger feinen englischen Lebensart. Ausgespielt werden diese Kollisionen nicht selten in ausufernden Monologen der Hauptfigur. Die wird verkörpert vom nigerianischen Starkomiker Nkem Owoh und der zieht eine One-Man-Show sondergleichen ab.
Die Ausgangssituation ist natürlich nur deshalb erträglich, weil sie aus einer strikt nigerianischen Perspektive erzählt und für ein nigerianisch gedachtes Publikum gedacht ist. Dass auch der Humor auf ein nigerianisches Publikum zugeschnitten ist und den kulturellen Transfer nach Mitteleuropa nicht ganz überleben kann, sollte auf der Hand liegen. Hinzu kommen akustische Probleme verschiedener Art. Erstaunlich ist ganz im Gegenteil, dass der Film trotz allem auch für mit Innernigerianischem Untertraute ziemlich lustig ist.
Das Londonbild des Films ist umwerfend, nicht zuletzt, weil der Film die Stadt immer wieder via Tonspur mit Variationen von "Auld Lang Syne" in Verbindung bringt. Großartig sind aber gerade auch die beiden Charaktere, die dem Film das (böse) Fremde darstellen: Das ist zum einen ein europäisierter Afrikaner, der einen perfiden Plot schmiedet, dem Osuofia eher zufällig entkommt; dessen Europäisierung ist nur auf den ersten Blick vollkommen, so ganz angekommen scheint er doch nicht zu sein, schließlich muss er sich selbst in einer Szene seiner neuen Identität vergewissern. Da steht er dann vor dem Spiegel, verflucht zunächst sein afrikanisches Akzent und spricht dann versuchsweise, begleitet von Gebrauchtwarenhändlergesten: "Stiff upper lip. God save the Queen."
Dann gibt es noch Samantha, die weiße Frau des verstorbenen Bruders. Die wird eingeführt, wie sie leicht bekleidet vor der heimischen Villa liegt, streitet sich dann andauernd mit Osuofia und folgt ihm schließlich dennoch, weil sie um ihren Teil des Erbes fürchtet, im zweiten Teil zurück nach Afrika. Dort ist dann wiederum sie mit den lokalen Gebräuchen nicht vertraut, für die daraus entstehenden Probleme interessiert sich der Film allerdings nicht ganz so sehr. Statt dessen gewährt er immer wieder Einblick in ihr Innenleben via einer inneren Stimme über den Bildern, die (zu bedrohlicher Musik) ständig dieselben Worte wiederholt: "I don't know how to get the Money! What can I do? What can I do?" Neokolonialistische Gier in Reinform. Ihre Pläne werden perfider, gehen aber allesamt schief, auch weil Osuofia sich auf heimischem Boden nicht ganz so dämlich anstellt. Am Ende dann eine interkulturelle Versöhnung, die sich in mancher Hinsicht falsch anfühlt, dem Film aber nicht allzu viel anhaben kann.

Hier der erste Abschnitt:

Wednesday, February 17, 2010

Berlinale 2010: Solntse, Aleksandr Sokurov, 2005

Ich weiß nicht so recht zu sagen, was ich von Sokurovs Hirohito-Film Solntse (The Sun) genau erwartet hatte. Ich war dem Film über die Jahre eher unbewusst aus dem Weg gegangen. Nicht so recht vorstellen konnte ich mir, wie das denn aussehen soll: ein Historienfilm durchaus im engeren Genresinne von Sokurov (die Vorgängerfilme Telets und Molokh habe ich bis heute nicht gesehen; jetzt muss ich das wohl nachholen) und dann auch noch einer über eine Episode der japanischen Geschichte.
Ich weiß auch jetzt, nachdem ich den Film nun doch gesehen habe, nicht, ob ich ihn so ohne weiteres und rundum gut finden kann. Zumindest als, siehe oben, Historienfilm im engen Sinne, also als einer, der sich zumindest auch daran messen lassen muss, ob er sein historisches Sujet auf angemessene oder zumindest interessante Art zu fassen bekommt, ist er dann doch fast etwas plump geraten. Eventuell geht Sokurov sogar manchen Elementen der Tenno-Verteidiger auf den Leim. Aber da müsste man sich wohl ohnehin erst einmal die drei Filme zusammen ansehen, um Sokurovs historiografisches Projekt abschließend beurteilen zu können.
Interessant am Film ist in jedem Fall eine strukturelle Verschiebung. Der Beginn ist streng, antidramatisch, antipsychologisch, in seinen dunklen Bildern aus dem Palastinneren ruhend. Der japanische Kaiser Hirohito ist ein infantiles, zitterndes Zeremoniellbündel, beide Körper des Königs sind gleichermaßen am Ende, als er am Anfang seinen Tagesablauf vorgelesen bekommt (Frühstück, Politik, Marine Biology, Mittagessen, Abhängen), muss man befürchten, dass der Film genau dieses Programm mit abarbeiten wird. Tatsächlich gelangt der Film bis zur Marine Biology: Tenno schaut sich einen Krebs an und erzählt Schrott. Es gibt dann noch, etwas später, eine umwerfend fotografierte, extrem düstere Alptraumsequenz, in der die Kriegsschrecken für einen kurzen Moment in den Film eindringen. Da hat der Film bereits begonnen, sich zu verändern. Aber zuerst kommen die Amerikaner und sobald General McArthur auftaucht, verändert sich das anfängliche Setting ziemlich rapide.
Comic relief zieht Sokurov reichlich aus diesem Aufeinandertreffen. Der souveräne Amerikaner und das kaiserliche Wrack. Das sich allerdings, das ist das eigentlich interessante, im Laufe dieser Begegnung langsam transformiert. Das ewige Zittern der Lippen (ein Fisch auf dem Trockenen, der seine Lippenbewegungen nur im Ausnahmefall in Laute umzusetzen vermag) lässt nach, die Sätze werden artikulierter und zielgerichteter. Langsam aber sicher wird dieser Hirohito zu einem fast schon klassisch psychologisch motivierten Charakter. Ganz am Ende bekommt er sogar eine Liebesgeschichte spendiert. Und auf der Soundspur tauchen einfühlende Melodien auf. Kurzum: MacArthur verwandelt den hermetischen Proto-Sokurov Solntse vor unseren Augen in zumindest so etwas ähnliches wie einen Hollywoodfilm.

Monday, February 08, 2010

Berlinale 2010: Hin- und Wegsehtipps

In ungefährer Reihenfolge meiner Präferenz

Hinsehen

Yasujiro Shimazu, 3 Filme: Forum
Le depart (Jerzy Skolimowski): Retrospektive
Im Schatten (Thomas Arslan): Forum
Der Tag des Spatzen (Philip Scheffner): Forum
Orly (Angela Schanelec): Forum
I'm in Trouble! (So Sang-min): Forum
Portrait of the Fighter as a Young Man (Constantin Popescu): Forum
Gentlemen Broncos (Jared Hess): Generation 14+

Mal sehen

Sunny Land (Aljoscha Weskott, Marietta Kesting): Forum
Kanikosen (Sabu): Forum
Across the Mountain (Yang Rui): Forum
Our Fantastic 21st Century (Hyu Ryung-ki): Forum
Plein sud (Sebastien Lifshitz): Panorama
Sona, the Other Myself (Yang Yonghi): Forum

Wegsehen

Kosmos (Reha Erdem): Panorama
Sawako Decides (Yuya Ishii): Forum
Nenette (Nicolas Philibert): Forum
The Man Beyond the Bridge (Laxmikant Shetgaonkar): Forum
Au revoir Taipei (Arvin Chen): Forum
A Crowd of Three (Omori Tatsushi): Forum
One Day (Hou Chi-Jan): Forum
Ya (Igor Voloshin): Forum
Due vite per caso (Alessandro Aronandi): Panorama

(zu fast allen Filmen der ersten und einigen der zweiten Gruppe demnächst mehr im Perlentaucher)

Wednesday, February 03, 2010

Alias, Season 2

Warum mir die zweite Alias-Staffel besser gefallen hat als die erste? Natürlich auch, weil sie in den Actionsequenzen spektakulärer und abwechslungsreicher ist und nicht mehr so sehr auf Martial Arts macht - das sah einfach nie so richtig souverän aus in S01. Vor allem aber, weil die Verschwörung immer Allumfassender wird, weil sie expandiert und tendeziell die "Normalität" als Ganzes auffrisst und übernimmt, sich als neue, andere Totalität setzt. Will Tippin wurde schon im Lauf der ersten Staffel langsam in die Verschwörung hineingezogen, in der zweiten verliert er endgültig den Halt und gerät in den Strudel. Francie wird ebenfalls und ganz radikal ins Reich der Paranoia befördert, nachdem sie die erste Hälfte der Staffel damit beschäftigt ist, ein Restaurant zu eröffnen, das ganz eindeutig niemand interessiert, schon gar nicht die Serie, ebenso ergeht es einigen kleineren Figuren wie Sloanes Frau und am Ende der zweiten Staffel gibt es tatsächlich keine einzige halbwegs wichtige Figur außerhalb der Verschwörung. Eine Welt wird durch ihren schizophrenen Zwilling ersetzt und im Grunde fällt es niemand auf.
Immer lächerlicher wirken dann auch gerade die Versuche, so etwas wie eine "Normalität", ein "Alltagsleben" der Hauptfigur Sydney zu inszenieren. Irgendwann wird eine Party gefeiert, mit Sektgläsern und lachend ins Genick geworfenen Köpfen - falscher als so etwas können auch Serien wie OC California oder Beverly Hills 90210, die ich nie gesehen habe, unmöglich sein. Als ihre "reluctant romance" mit CIA-Langweiler Michael Vaughn dann doch in eine heiße (oder vielleicht doch eher: lauwarme) Phase eintritt, wird alles nur noch schlimmer. Weil der Serie aber auch gar nicht einfällt, wie diese beiden Figuren, die in der Verschwörungswelt, welche eben doch sehr eigene Regeln hat, funktional sind, im echten Leben aber beide exakt gleich öde wirken, auch nur halbwegs würdevoll aus diesem Story arc herausfinden sollen. Irgendwann stehen sie gemeinsam auf Schlittschuhen im Eishockeystadion, warum auch immer. Rambaldi wartet nicht, möchte man ihnen in diesem Moment zurufen, raus aus der Realität, aber schnell...