Thursday, July 29, 2010

Toy Story 3, Lee Unkrich, 2010

Anmerkung zu hier:

Selbstverständlich kolonisieren weder Toy Story 3, noch Pixar, noch Hollywood, noch "die Amis" irgendwelche Fantasien oder gar das Unterbewusste (die Textüberschrift stammt nicht von mir). Auf Ideen wie die mit der Unterbewusstseinskolonialisation können sowieso nur linkskonservative Mystiker wie Wim Wenders kommen. Es geht nicht um den territorialen Übergriff, die verräumlichte Machtausübung eines kolonialen Systems, auch nicht um die Fremdbestimmung eines kolonisierten Subjekts. Sondern um die Projektion eines sorgfältig vorstrukturierten Subjekts, das gar nicht kolonisiert zu werden braucht, weil es mit sich selbst und der Welt von Anfang an völlig identisch ist. Es geht, anders ausgedrückt, um einen Mangel an Fantasie auf Seiten des Films. Die Fantasie des Zuschauers dagegen wird nicht vom Film im Moment der Vorführung kolonialisiert, sie wird von ihm von Anfang an als eine verdinglichte vorausgesetzt. Als Filmkritiker möchte ich der Projektion keine Zauberkräfte andichten, sondern sie lieber so gut wie möglich beschreiben.

Tuesday, July 27, 2010

In passing

True Blood 1.1+1.2

Alan Ball bleibt mein ganz privates rotes Tuch. Mit American Beauty konnte man mich schon immer jagen, Towelhead ist nur deshalb erträglicher, weil Ball von Anfang an weniger will und deshalb auch weniger falsch machen kann, Six Feet Under hatte ich damals bereits nach einer Folge aufgegeben. True Blood möchte ich mindestens eine Staffel lang eine Chance geben. Aber die Serie macht es mir nicht leicht. Die Episoden ein einziges Grimassieren, das man hinterher nicht einmal mehr so recht nach Personen und individuellen Gesichtszügen aufschlüsseln möchte, Südstaatenlokalkolorit wird mit dem Vorschlaghammer eingeimpft. Auch sonst wird alles, was eventuell in einer Szene drinsteckt, auch ausgesprochen. Keine Geheimnisse, nirgends.
Verglichen mit dieser aufgepimpten Vampirerotik wirkt zumindest der erste Twilight-Film wie eine Abhandlung über reales weibliches Begehren. Nun denn, immerhin: Vielleicht verhält sich die Serie zu Six Feet Under wie Towelhead zu American Beauty: offensiver, naiver Trash statt Qualitäts- und Reflektionsbehauptung.

La mujer sin lágrimas, Alberto B. Crevenna, 1951

"Alles wird gut, wenn Du älter wirst!" meint die Tante (?). "Nein" widerspricht die Mutter (?) und spricht den Säugling direkt an: "nichts wird sich ändern". Das ist der Ende des Prologs eines recht generischen, gleichzeitig äußerst wahnwitzigen mexikanischen Melodrams und eigentlich ist damit schon alles klar. Später ist das Kind ein Mädchen kurz vor der Unabhängigkeit vom Elternhaus und der zweite Satz hat sich bewahrheitet. Es entspannt sich ein erbitterter Schwesternkrieg um einen älteren Mann, der junge Freund des Mädchens möchte auch in den Film rein, hat aber gegen die alten Diven keine Chance. Hyperbolische Alltagshysterie in einer erschreckend unbekannten Nationalkinematografie. Alberto B. Crevenna hat in seinem Leben über 150 Filme gedreht.

Wednesday, July 21, 2010

La signora di tutti, Max Ophüls, 1934

Ophüls düsterster Film, vielleicht, einer seiner schönsten auf jeden Fall. Trotz unübersehbarer inhaltlicher Parallelen scheint er mir weniger auf Lola Montez zu verweisen, denn auf das größte Meisterwerk des Regisseurs, Letter from an Unknown Woman. Während Liebelei dessen Setting vorweg nimmt, das gleichzeitig nostalgische und unerbittliche Wien- und Österreichbild genauso wie die grundsätzliche Uniformiertheit alles Männlichen (Stefan bleibt die eine, große Ausnahme), nimmt La signora di tutti den eigentlichen Gegenstand des späteren Films vorweg: die Subjektwerdung, die education sentimentale, schließlich das Subjektverlöschen der Protagonistin. In beiden Filmen steht diese Bewegung so sehr im Mittelpunkt, dass alles andere zur Staffage wird. Oder direkt zur Ausleuchtung. Tatsächlich richtet der junge Liebhaber den Scheinwerfer seines Wagens auf Gabrielle Murge, die Heldin, macht sie sichtbar und stellt sie gleichzeitig aus. Fordert sie heraus, aktiviert sie. Vergleichbare Szenen in Letter...: Der Windstoß, der Lisas Haar bewegt, als sie das Fenster zu Stefans Wohnung öffnet, später die Art, wie Stefan ihr ins Gesicht pustet und dadurch den Effekt noch einmal nachstellt. Das Kino Ophüls ist voller derartiger kleiner Bezugnahmen eines Menschen auf einen anderen und vielleicht ist es in diesen Momenten am größten.
Aber noch bevor das Licht ihr ins Gesicht scheint, bekommt sie eine Prägung, von männlichen Stimmen aus dem Off. Zunächst schilt sie der Lehrer, der im Off bleibt, während sie neben einem Globus steht. Gleich danach schimpft der Vater auf sie vor der Mutter und bleibt dabei ebenfalls im Off, während sie selbst im Nebenzimmer steht, auf und ab geht, vor dem Hund kniet, ihn streichelt, sich die Tränen aus dem Gesicht streicht.
Kaum einer seiner Filme enthält mehr der berühmten Kamerafahrten Ophüls und in kaum einem ergeben sie mehr Sinn: als ganz buchstäblicher Nachvollzug der Bewegung-als-Selbstbehauptung eines Menschen im Raum. Dass Figuren- und Kamerabewegung bei Ophüls fast nie ganz zur Deckung kommen, verweist schon auf die Instabilität der Subjektkonstruktion.
Dann noch wunderschöne Szenen: erotische Anziehung im / durch Zigarettenrauch, Schuss/Gegenschuss-Flirt zwischen Auto und Ruderboot, ein Opernbesuch ausschließlich in einer Überblendung aufgehoben: Gabrieles Gesicht vor dem Orchestergraben. Und großartige Bilder: die lehmverschmierte Hand in Großaufnahme, die den Liebesgruß des Verehrers aufhebt. Die melodramatischen Routinen des Drehbuchs bringt Ophüls schnell unökonomisch hinter sich. Ihren impact dagegen fängt er lange und einfallsreich ein. Und dieser impact beschränkt sich eben nicht auf die bloßen Leiden einer Frau. Tränenselig wird der Film zu keiner Sekunde.
Man muss diesem wundervollen Film dann doch manches nachsehen, gerade gegen Ende. Eine etwas arg konventionelle Hysterie bekommt Gabrielle vom Drehbuch verschrieben, einige deplazierte christologische Motive schleichen sich ein (das mag ich mir allerdings auch nur eingebildet haben) und die Kritik des Starkults funktioniert zwar in der letzten Einstellung wunderbar (die technische Reproduktion lässt sich auch nach dem Tod des Originals nicht so einfach stoppen), aber davor nicht immer. Doch all das macht wenig aus: Ophüls hat keine perfekten Filme gemacht, sondern solche, die sich mit Haut und Haaren und all ihrer Brillanz auf Welt und Figuren einlassen; und sein Spätwerk ist vielleicht gerade deshalb etwas enttäuschend, weil es oft nur noch die Brillanz will und nicht mehr die Welt.

Thursday, July 15, 2010

The Hand of Fate / Eunmyeongui son, Han Hyeong-mo, 1954

Den ersten Filmkuss Koreas gibt es in The Hand of Fate zu sehen, wie man hier nachlesen kann. Das ist eine sonderbare Sache schon deshalb, weil Han Heong-mos Film erst einmal alles andere als eine fröhlich-lebensbejaende Angelegenheit ist. Sondern vielmehr ein äußerst abstrakt gehaltener Agentenfilm. Die geopolitische Situation kurz nach dem Koreakrieg lastet schwer auf jedem einzelnen Bild und stellt selbst die Grundlagen filmischer Repräsentation in Frage.
Wie Deaf Sam-ryong beginnt auch The Hand of Fate mit der Großaufnahme einer Hand. In diesem Fall ist es nur eine einzige, sie hält eine Pfeife, später sieht man einen auffälligen Ring an einem ihrer Finger. Die Hand bleibt während der gesamten Titelsequenz im Bild, schließlich klopft sie an eine Tür. Was es mit dieser Hand auf sich hat, erfährt man im Lauf des Films erst langsam, das zur Hand gehörige Gesicht offenbart sich gar erst in der letzten Szene des Films.
Erstaunlich unkommunikativ ist der Film lange Zeit, selbst sein Genre offenbart er nur vorsichtig. Zunächst sind da lediglich ein Mann und eine Frau, er Tagelöhner, sie etwas wohlhabender, die Quellen ihres Wohlstands allerdings sind von Anfang an zwielichtige. Die schon im Entstehen erkaltende Liebesgeschichte der beiden könnte fast aus einem Antonionifilm zehn Jahre später stammen. Recht wenige koreanische Filme der Fünfziger sind erhalten, noch einmal weitaus weniger auf DVD verfügbar. Ob der erstaunliche Modernismus, der den Film - und durchaus auch einzelne szenische Auflösungen - durchzieht, typisch für die damalige Produktion war, ist so schwer zu erraten. Regisseur Han selbst hat zumindest zwei Jahre später mit Madame Freedom einen deutlich slickeren Film vorgelegt, dessen spezifische Modernität viel deutlicher beschrieben werden kann, nämlich als die der amerikanischen Konsumgesellschaft der Nachkriegsjahre.
Dass die Spannung, die in den düsteren, teilweise fast apokalyptischen Bildern enthalten ist, sich in der zweiten Hälfte in eine politische transformiert (und sich freilich gleichzeitig des sozialen Gegensatzes zwischen den beiden Protagonisten entledigt), damit kann man am Anfang nicht rechnen. Bis zu einem gewissen Grad scheint sie den Bildern äußerlich zu bleiben, "Nord" und "Süd" haften als bloße Label an den Figuren und man kommt nicht umhin, dem Film die Sehnsucht nach einer angemesseneren Etikettierung zu unterstellen.
Und abstrakt bleibt der Film auch in der zweiten Hälfte, wenn er vor plötzlich auftauchender romantisch-reduzierten Bergkulisse nüchterne Verfolgungsjagden inszeniert. Die reale Gechichte bleibt dem Film tendenziell immer die entkörperlichte Hand mit Pfeife, die aus dem Nichts kommt, an die Tür klopft und verhindert, dass aus dem ersten koreanischen Filmkuss gebührend Kapital geschlagen wird.

Sunday, July 11, 2010

Deaf Sam-ryong / Beongeoli Sam-ryong, Shin Sang-ok, 1964

Zwei Hände, die sich schnell bewegen und komplexe Zeichen formen, eröffnen den Film, scheinen ihn auf eine sonderbare Art und Weise anzuzählen. Hände in Großaufnahme, abgetrennt vom Rest der Welt, reine Energie, gleichzeitig reine Körpersprache; denn natürlich sind die Zeichen, die Sam-ryong formt, Zeichen der Gebärdesprache.
Die Expressivität des Körpers verdichtet sich in der Gebärdensprache symbolisch, kodifiziert, aber die nicht-arbiträren ikonischen Rückstände in ihr, die Mimesis der Hände ans Bezeichnete, sind mit dem Saussureschen Sprachmodell nicht in Einklang zu bringen. Und selbst die reine körperliche Vehemenz, die dieser in den Augen des der Gebärdensprache nicht mächtigen Beobachters eignet, scheint auf eine andere Beziehung dieser Sprache zur Welt zu verweisen.
Es ist sicher kein Zufall, dass der Film, in dem die Gebärdensprache selbst später keine allzu große Rolle spielt, mit den isolierten Handbewegungen seines Protagonisten einsetzt. Bewegung-als-Expressivität ist nicht nur ein Motiv, sondern der Modus des Films. Shin Sang-oks Deaf Sam-ryong erzählt ein Melodram, das von der jedem Narrativ vorgängigen Vehemenz der Körper seiner Protagonisten angetrieben wird.
Der stumme Sam-ryong, Hausangestellter (eigentlich: Sklave) einer wohlhabenden, aber sozial niedrig gestellten Bauernfamilie, kennt und braucht keine Ruhe. Die Kamera bewegt sich wenig, er umso mehr. Oft rennt er in die Tiefe des (Bild-)Raums, entschwindet nicht ganz in Richtung des perspektivischen Fluchtpunkts, sondern etwas schräg nach hinten aus dem Bild. Seinen Bewegungen eignet eine anarchische Freiheit, die von den Frauen des Dorfes sympathisierend verlacht, von den Männern misstrauisch beäugt wird. Gleich mehrere Szenen des Films zeigen genau das: Die Reaktionen der Dorfgemeinschaft auf die unkontrollierte Bewegung in ihrer Mitte, eine Bewegung, die das hierarchisch organisierte Gemeinschaftliche zu dezentrieren droht.
Auch sein Herr und Widersacher positioniert sich vor allem körperlich, allerdings auf andere Weise: Jede Geste ist ein unbedingter Machtanspruch, der das Soziale nicht umjustiert, sondern komplett negiert. Er hat eine Frau geheiratet, die einer höheren sozialen Schicht entstammt und der er diese Tatsache nicht vergeben kann. Sein invertierter sozialer Dünkel manifestiert sich in kompletter, brutaler Zurückweisung und während er statt dessen eine Affäre mit seiner (ebenfalls verheirateten) Jugendliebe weiterführt, schließt seine Angetraute mit Sam-ryong Freundschaft. Der purzelt während eines gemeinsamen Spaziergangs vor ihr über die Wiese.
Die beiden Männer werden zu Kontrahenten, müssen es werden, schon alleine, weil ihre jeweiligen Bewegungssmodelle miteinander nicht kompatibel sind: soziale Anarchie als kreativer Bezug zur Natur vs asoziale Dominanz als destruktive Negation von Natur. Gemeinsam treiben sie den Film an, der die Bewegung im Kader selten durch eine Bewegung des Kaders verdoppelt, der oft auf Distanz bleibt, auf die Expressivität der Körper im Raum vertraut und nur selten (wie in der ersten Einstellung), mithilfe eines engeren Framings deutlichere Akzente setzt. (In dieser ersten Einstellung kann Shin Sang-ok die Groß/Detailaufnahme allerdings genau deshalb wählen: Weil sie hier ganz Intensität sein darf und nichts überdeterminiert.)
Verglichen mit den anderen Filmen der Shin Sang-ok-Collection, die das Korean Film Archive vertreibt, ist Deaf Sam-ryong eine kleine Produktion, nicht ganz 90 Minuten lang, schwarz-weiß, alles andere als ausstattungsintensiv. Gleichzeitig ist Deaf Sam-ryong die Perle der Kollektion, ein Film, der mit dynamischen Handbewegungen beginnt und mit einem wilden, (fast) alles vernichtenden Feuer (fast) endet. Nicht nach der Logik der Handlung, durchaus aber nach der poetischen Logik des Films wurde das Feuer eben von diesen Händen in der ersten Einstellung entfacht. Ganz am Schluss hat die körperliche Expressivität die Körper, an denen sie haftete, zerstört und es bleibt nichts zurück, außer der Materialität des Traums.

Thursday, July 08, 2010

Enamorada, Emilio Fernández, 1946

Wenn man wie ich die mexikanische Revolution fast nur aus amerikanischen und italienischen Western kennt, wird man sich einiges neu überlegen müssen nach diesem Film. Enamorada (siehe auch Bert Rebhandl auf cargo) projiziert nichts von außen auf diese Revolution, er versucht, ein noch sehr junges und offensichtlich kaum verarbeitetes Ereignis möglichst in seiner Gänze mit einer dynamischen Liebesgeschichte zu verkoppeln. Das vielleicht großartigste an der Sache ist, dass am Ende Liebesgeschichte und Revolution sich einander nicht im Weg stehen. Sondern zu beidseitiger Zufriedenheit zu Ende geführt werden.
María Félix gibt die weibliche Hauptrolle und ist außer Rand und Band. Eine Furie, die Ohrfeigen verteilt, mit Feuerwerkskörpern um sich wirft, Pistolen streichelt...

...und sich auch sonst zu wehren weiß:

Emilio Fernández' Regie ist äußerst inspiriert und verzichtet konsequent auf banale Filmrhetorik, fast jede einzelne Szene leistet sich kleine oder größere Extravaganzen. Oft filmt Fernández Menschen in ihrer ganzen Größe und leicht in Untersicht. Auch die Montage ist alles andere als analytisch und unsichtbar, viel eher eindeutig und selbstbewusst formend. Da lässt er eine Einstellung wie die Folgende auch schon mal gefühlt minutenlang ohne Schnitt und Bewegung laufen...

...nur um dann unvermittelt und schockartig zu einer Nahaufnahme in Aufsicht zu wechseln:

Auch María Félix setzt der Film klug ein. Zwar dominiert sie jede Szene, in der sie auftritt, mit Leichtigkeit, aber allzu viel klassische Star-Close-ups bekommt sie gar nicht. Primär ist sie im Film Handelnde, eines der Bewegungszentren, den Blick stillstellen will sie nur selten. In einer der wenigen "echten" Großaufnahmen (im Deleuzschen Sinne) klebt ihr eine adrette Träne unter dem Auge:

Erst gegen Ende, wenn sich der gesamte Film eine Pause, ein musikalisches interlude, gönnt, unternimmt er eine eingehende Studie dieses Stargesichts (mitsamt leicht exaltierten Augenbewegungen):









Der Film beginnt mit seiner Analyse also genau da, wo das konventionelle Melo mit seiner aufhört und sich in weichgezeichneten Hochglanz-Großaufnahmen ergeht.
Meine Lieblingseinstellung aber entstammt der Szene, in der María Félix ihren soon-to-be-Lover in die Luft sprengt. Kurz bevor der durch die Luft fliegt, bringt sie sich in Sicherheit und klettert über eine Mauer. Zurück bleibt - seelenruhig - eine Kuh:

Tuesday, July 06, 2010

Hill Street Blues 1.7

Oft werden Settings, storylines, ja sogar fast Dialoge nach zwei, drei Folgen ziemlich exakt wiederholt. Von heutigen Fernsehserien ist man so etwas nicht mehr gewohnt, als die Rezeption noch fast ausschließlich im Wochenrhythmus stattfand, konnten sich die Networkverantwortlichen so etwas leisten.
In der siebten Folge überfällt Hector Jimenez, der kleine, wilde Hispanic, auf den die Serie ihre liberale Agenda besonders geballt zu projizieren scheint, gleich wieder einen Supermarkt. Wie in der ersten Folge. Allerdings wird diesmal daraus kein kinotauglicher Actionfilm. Die Großaufnahmen Hectors und Frank Furillos gehören eindeutig dem Medium Fernsehen (geöffnete Gesichter, die Kommunikation suchen):


Es gibt keine Shoot-outs, statt dessen öffnet sich immer wieder der leergefegter Gang eines Supermarkts. Der Kapitalismus framt seine Subjekte (wie die Werbeeinblendungen das Fernsehprogramm framen):

Die finale Passage durch eben diesen Gang ist ziemlich ergreifend. In den screenshots bleibt vom Pathos selbstverständlich eher wenig übrig:


Thursday, July 01, 2010

Gossip Girl 2.24

A very guilty pleasure...
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In der zweitletzten Folge der zweiten Staffel gibt es zum ersten Mal eine längere Rückblende, eine in die Jugend der Society-Krawallschwester Lilly van der Woodsen. Das Ergebnis ist das vermutlich verlogenste 80ies-Pastiche der Film- und Fernsehgeschichte, mitsamt Gwen Stefani, deren bloße Existenz ich bereits erfolgreich verdrängt hatte, als New-Wave-Sängerin. Aber wen kann es wundern, dass eine falsche Gegenwart eine falsche Vergangenheit projiziert?
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Die zweite Staffel versucht zumindest ein wenig überzeugender, die Hippness, die sie die ganze Zeit für ihr Süjet behauptet, auch selbst einzulösen. Die Musikauswahl ist zumindest ab und zu ein klein wenig progressiver als in der ersten Staffel, ab und zu gibt es etwas ausgedehntere Montagesequenzen, Zeitlupenaufnahmen und andere, aber selbstverständlich stets lokal isolierte, televisuelle Exzesse. Ansonsten gilt weiterhin: Je falscher die Welt, desto unermüdlicher die Behauptung ihrer Kontinuität.
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Wenn diese Serie einen Moment von Wahrheit enthält (jenseits von jeder Menge platter Bebilderungen Bourdieuscher feiner Unterschiede), dann ganz sicher nicht in ihren fast immer inhärent reaktionären Versuchen, Kritik zu üben. In der Episode 2.24 läuft diese "Kritik" mal wieder auf die an der matriarchal organisierten Aufstiegsgeschichte der Rhodes / van der Woodsen-Familie hinaus. Ganz sicher findet man ein solches Moment auch nicht in ihrer vermeintlichen Tagesaktualität, etwa in den paar Nebensätzen, die Rufus Humphreys (gegen den Jon Bon Jovi authentischer Rock'n Roll ist), an die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008ff verschwendet (immerhin ringt sich die Serie irgendwann einmal zur Erkenntnis durch, dass auch die Humphreys mit ihrer Loft in Brooklyn nur relativ betrachtet als unterprivilegiert durchgehen). Wenn überhaupt irgendwo, dann steckt ein Moment Wahrheit höchstens in der ewigen reluctant romance der beiden Figuren, denen der neo-aristokratische Kapitalismus, den die Serie zelebriert, vollständig zur zweiten Natur geworden ist: Chuck Bass und Blair Waldorf. Und auch da weniger in den einander ergänzenden Psychosen der beiden, als in der Beharrlichkeit, in der Chuck und Blair diese Psychosen als eben den Mittelpunkt der Welt setzten können, der sie eben nur dann wären, wenn sie gleichzeitig für die Psychosen eines hysterisch gewordenen Spätkapitalismus einstünden.