Tuesday, September 30, 2014

Outrage, Ida Lupino, 1950

Die langen Einstellungen bei Lupino bezeichnen nicht das Verstreichen von Zeit; es geht auch nicht nur darum, einen räumlichen Zusammenhang zu etablieren. Sondern darum, den Raum zu durchqueren.

Wie beginnt der Film (nach der Titelsequenz)? Ich hatte gedacht: mir einer Tasse, die auf einen Tresen gestellt und einem Mann zugeschoben wird. Aber das stimmt nicht. Zuerst ist der Tresen leer, eine zu beschreibende Fläche.


Dann kommt die Tasse, die schon vor dem Film in Bewegung ist, von rechts ins Bild geschossen.




Wenn der Mann die Tasse aufnimmt, sieht man im Hintergrund eine Frau, die aus der Tiefe des Bilds nach vorn, an den Tresen tritt.






Die Tasse in Bewegung gesetzt hat der Mann, der hinter dem Tresen steht und der erst jetzt langsam ins Bild sich schleicht.





Ein paar Szenen später vergewaltigt er, der unseren Blick aus dem Off gelenkt hat, die Frau. Diesmal durchmisst, bevor er sie verfolgt, sein Blick den Raum (denselben Raum).


Später, nach der Vergewaltigung: Raum, den es unter mütterlichem Blick zu durchqueren gilt. 





Dann zwischen die Menschen treten, die wie Aufziehfiguren wirken (das Aufgeräumte alter B-Movies, die Härte, die eine Welt ohne Assecoires ausstrahlt).







Der freie Raum befreit nicht, er lähmt.




Ein Schnitt rettet, schafft Orientierung, eine Achse, einen Fluchtpunkt.




Später nach einer Flucht entlang der x-Achse: sich abwenden, aufstehen, beiseite treten, in den Raum hinein, Abblende. Totale Identifikation der Regie mit den Gesten der Frau, mit ihrer körperlichen Integrität, die verteidigt, (immer) wieder hergestellt werden muss.








Die seltsamste Einstellung des Films, eine Art mehrfach invertierte Reprise der ersten. Es beginnt wieder mit einem Getränk. Zwei Punchschüsseln, vier soziale Trinker. Erst dann taucht die Frau auf, am Rand.







Sie wendet sich ein weiteres Mal ab, ihre Passage beginnt.






Irgendwann setzt sich auch die Kamera in Bewegung; aber die Kamera macht das, was die Frau nicht macht: sie betritt die Tanzfläche. Während die Frau im Hintergrund herumstromert, sich in die Mitte des Bildes eher schleicht oder stiehlt, als stellt (aber wer ist die andere, ältere Frau neben ihr?), rauschen die Tänzer an der Kamera vorbei, schießen immer unvermittelter ins Bild. 
















Der nüchternste Gegenschuss der Filmgeschichte. Alle Tricks, alle Flirts mit der Kamera sind vorbei. Es gibt nur die Frau und auf der anderen Seite ihres Blicks die Welt.