Chatrichalerm Yukol ist ein sozial engagierter Regisseur mit verwandschaftlichen Verbindungen zum thailändischen Königshaus. Dem Vernehmen nach haben ihm diese Verbindungen des öfteren geholfen, seine Filme an der harten thailändischen Zensur vorbei zu schmuggeln. Seine Position im thailändischen Kino ähnelt vielleicht ein wenig der Lino Brockas im philippinischen (wobei nicht zuletzt die großen Unterschiede zwischen den jeweiligen Filmindustrien, in denen die beiden Regisseure arbeiteten, bei einem derartigen Vergleich zu bedenken sind): Er arbeitet in populären Genres, beherrscht deren Regelwerke auch außerordentlich gut, stellt das Genre aber konsequent in den Dienst eines sozialen Programms - die Historienspektakel, die Yukol seit einigen Jahren inszeniert und die sein Werk mit Sicherheit in eine ganz andere Richtung führen, kenne ich noch nicht. Weniger kohärent erscheint dieses Programm als im Falle Brockas und ich kenne keine im engeren Sinne agitatorischen Yukolfilme, die mit beispielsweise Bayan ko vergleichbar wären.
Überhaupt ist sein Einsatz eher liberal-reformerisch als radikal-revolutionär. Die Filme arbeiten sich an auf den ersten Blick eng umgrenzten Themen ab: In einem Film geht es um Zwangsprostitution (Hotel Angel), in einem zweiten um Drogensucht (Daughter), in einem dritten um AIDS (Daughter 2). Das Thema von Story of Chao Phraya ist als konstitutiver Hintergrund in vielen, wenn nicht gar in allen seinen Filmen (soweit ich sie kenne) präsent, mindestens in einem weiteren (Doktor Kam) steht es direkt im Mittelpunkt: Die krasse Differenz zwischen dem Leben in der Stadt und dem auf dem Land.
Es geht um eine Familie von Händlern aus einem ländlich geprägten Teil Thailands, die Waren in die Städte schifft und dort verkauft. Yukol etabliert die Dynamik, die den Film antreibt, schon in der ersten Szene, wenn Prang, die Frau der Familie, auf dem Deck des Schiffs sitzt und ihre Fußnägel lackiert. Prang hält nichts mehr auf dem Schiff. Sobald es in der Hauptstadt Bangkok angekommen ist, macht sie sich auf in einen Frisiersalon, in dem eine zwielichtige Dame junge Provinzlerinnen anspricht und ihnen Hoffnung auf Filmkarrieren macht.
Vielleicht, weil sich ohnehin jeder den weiteren Verlauf dieses Handlungsstrangs ausmalen kann, lässt Yukol ihn zunächst fast vollständig fallen und erschließt die Verlockungen und Gefahren der Großstadt nicht über die direkte körperliche Erfahrung Prangs, sondern über ihren Ehemann Sang, der sich gemeinsam mit einem Taxifahrer, der ihn nach allen Regeln der Kunst ausnimmt, auf die Suche nach seiner Geliebten macht (noch einmal der Brocka-Vergleich: sowohl thematisch als auch strukturell erinnert der Film an dessen freilich bei aller Liebe für Yukol ungleich kraftvolleren und reicheren Klassiker Manila in the Claws of Neon). Sang ist nicht direkt körperlich in diese Stadt involviert, er bleibt ein Fremdkörper, ein distanzierter Betrachter, vor dem Yukol das sündige Bangkok in Form von Attraktionsmontagen ausbreitet. Nachtclubtänzerinnen, Neonreklamen etc. Die besten Momente des Films finden sich in diesen Szenen, etwa, wenn Sang in einer Totalen ein gigantisches Kaufhaus durchquert, in dem er sichtlich nichts verloren hat.
Yukols Filme bekommen nicht selten Probleme mit ihrer melodramatischen Struktur. Anders als in den besten Brocka-Filmen (zB Bona, Insiang, Jaguar, Manila...) bleibt das Melodrama dem sozialen Gehalt (und auch den immer wieder, in den späteren Filmen aber weniger häufig auftauchenden avandgardistisch-dialektischen Montagesequenzen) äußerlich. In Story of Chao Phraya heftet sich das Melodrama vor allem an die dritte Figur in der Familie, an Tubtim, die jugendliche Schwester der Frau, die sich (Yukol lässt auch in seinen zurückhaltenderen Filmen, zu denen der hier besprochene zählt, keine Härten aus, in einigen früheren Werken, aber auch im später entstandenen Daughter, geht es auch schon mal in Richtung Exploitation) von ihrem Schwager erst um ein Haar vergewaltigen lassen muss und ihn später, als ihre Schwester nicht aufzutreiben ist, dann auch noch heiraten soll. Am Ende kollidiert dieses Melodram (das zweifellos an reale Erfahrungen anschließt aber nicht in diesem Sinne inszeniert wird) mit dem sozialen Inhalt des Films in einer recht kruden Szene, die eben in ihrer Krudheit anzeigt, dass da etwas nicht stimmt in der Konstruktion des Films und dass das, was nicht stimmt, etwas ist, für das der Regisseur wenig wenn überhaupt etwas kann. Eher bezeichnet diese Szene die notwendige politische Grenze eines in sich dennoch sehr interessanten Kinoentwurfs.
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