Dirty Laundry
Die Form ist Begehren
Thursday, May 22, 2025
Vor dem Umstieg auf Windows 12
Thursday, April 17, 2025
1 und 2
1 Der Typ, der mit zwei schicken skater girls an der Tramhaltestelle steht, sich nach seinem eigenen Board bückt und dabei seine eigene, tief sitzende Hose festhält. Vergeblich. Aber sehen die beiden skater girls überhaupt seinen ass crack? Oder nur ich?
2 Der Typ, der am Geländer der Haltstelle lehnt, mit den Rücken zu den Gleisen. Auf seinem Sweatshirt steht: "Schlank würde ich Dich nur unnötig geil machen". Tatsächlich ist er keineswegs schlank. Später stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn die Leute die Worte und Sätze, die auf ihren Kleidern stehen, kontinuierlich vor sich hin sprechen würden, nicht im Robotersprech oder so, sondern mit normal lauter, natürlicher Stimme. Als an- und abschaltbares augmented reality feature wäre das ein großer Erfolg.
Thursday, February 13, 2025
So ein Pech
Im Traum stand ich lange an einer roten Ampel. Als sie auf Grün umschaltete, wachte ich auf.
Tuesday, January 21, 2025
Kein Fitnesstagebuch
Warum kein Fitnesstagebuch? Weil ich letztlich doch meist nicht diszipliniert, nicht selbsteinschränkungsbereit genug bin fürs Beobachten, auch nicht fürs Selbstbeobachten. Deshalb höre ich inzwischen, bezeihungsweise bereits seit dem zweiten Training, während des Trainings Musik. Mahler vor allem (lebe so, dass Adorno nicht damit einverstanden wäre). Rennen, Mahler höhren und beobachten: Das geht schlicht nicht. Ist auch besser so, denn ich habe, spät aber doch noch, entdeckt, dass ich mich auf dem Laufband gar nicht hinter blickdichtem Glas befinde. Sondern der Gegenbeobachtung ausgeliefert bin. Zum Glück gibt es wenig Gründe, sich im Bereich, den ich beobachten könnte und von dem aus man mich beobachten könnte, länger aufzuhalten. Der Frage, ob mein Beobachten dennoch bemerkt werden könnte, entziehe ich mich, indem ich gar nicht erst beobachte.
Wednesday, January 08, 2025
Gegenwartsliteratur, ein Sample (8) (und erst einmal wieder Pause; weil, muss sein)
Leif Randt, Schimmernder Dunst über Coby County. Gefallen hat mir, wie das Buch zunächst ganz im world building aufzugehen scheint (insbesondere darin, wie Hauptfigur und Welt sich ineinander spiegeln) und man eine Weile lang den Eindruck hat: Das könnte jetzt bis zum Schluss so weiter gehen, da braucht es gar keine Erzählung. Schließlich geht es dieser Zukunftsvision (und sicher nicht nur in dieser) gerade um die Fantasie eines Equlibriums, und wenn die Narration da zu sehr eingreift, widerlegt die Fantasie sich selbst. Wenn der Plot dann Fahrt aufnimmt, gibt sich Randt einige Mühe, ihn nicht zu direkt auf die Subjektivität der Hauptfigur zu beziehen. Eine langsam, wie von selbst kollaborierende Füllwörterwelt, das hat durchaus einigen Reiz, ist aber vielleicht in den Figurenanlagen nicht einfallsreich genug. Etwas mehr Varianz in Sachen Entlebendigung wäre angebracht gewesen.
Simone Buchholz, Revolverherz. Zum ersten Mal seit längerem wieder klassische Genreliteratur. Das fühlt sich zunächst durchaus an wie ein wärmendes Nachhausekommen. Ein Effekt, der sich allerdings leider schnell abnutzt, wenn die Genreliteratur nicht viel taugt. Mit Revolverherz konnte ich leider rein gar nichts anfangen. Die Krimihandlung läuft, früh erkennbar, auf geläufige, spannungsarme moralische Kasuistik hinaus, und die Kiezromantik, Himmel hilf. Herz am rechten Fleck Geschnoddere Galore. Comichafte Überzeichnung schön und gut, aber die Nebenfiguren entstammen weniger einem hard-boiled Comic als einem Schlagerfilm der 1960er. Seriously, frage ich mich vor allem jedes Mal, wenn der italienische Polizist auftaucht, Panettone-Vergleiche anstellt und natürlich weiß, wo der beste Espresso der Stadt aufzutreiben ist. Alles zu gemein, was ich hier schreibe, sicher, ist kein böses Buch, gar nicht, nur eines, das mir nichts gibt.
Friday, January 03, 2025
Gegenwartsliteratur, ein Sample (7)
Das Wetter vor 15 Jahren, Wolf Haas. In Deutschland hat’s das Leichte schwer; in Österreich: nicht gar so sehr. Reim sich und es wird schon was dran sein, wobei mir das leichtfüßig Verlaberte zum Beispiel bei Schachinger und Präauer eher wenig gemundet hat. Bei Wolf Haas allerdings ist das Leichte nicht Gestus, sondern Form und Strukturprinzip: Textproduktion als Ornament, das keineswegs etwas ihm Vorgängiges veredelt, sondern sich so lange und so fein in sich selbst entfaltet, bis es ein Ganzes, Rundes, in sich Vollkommenes ergibt. Entzückend ganz besonders die Modulation von Zeit, die Kunst des immer-weiter-Herunterbremsens. Ebenso wie Zeit immer weiter teilbar ist, ein Intervall stets mindestens zwei noch kürzere enthält, passt zwischen zwei Wörtern stets noch ein drittes, und dann ein viertes, ein fünftes. Gibt man sich den Eigendynamiken der Zeit und des Schreibens hin, dann strebt man nicht frisch und zielstrebig in Richtung Zukunft, sondern produziert Unterscheidungen im Leerlauf. Gesicherte Rezepte, wie man trotzdem “vorwärts” kommt, gibt es nicht, allenfalls stets nur lokal anwendbare Heuristiken wie das Herunterzählen oder das Foreshadowing: Die Geschichte muss bei jenem Kuss enden, bei dem sie begonnen hat, koste es was es wolle.
Ein von Schatten begrenzter Raum, Emine Sevgi Özdamar. In Menschen, Dingen, Gefühlen leben, nicht in Städten, schon gar nicht in Ländern. Das heißt klarerweise: selbstgewählt leben, nicht fremdbestimmt; es heißt aber noch mehr, nämlich ungefähr: Leben in etwas/als etwas, das man sich persönlich aneignen kann, zumindest temporär, oder, vermutlich: immer nur temporär. Leben als ständige Anverwandlung an die eigene Zugewandtheit zur Welt. Ein solches Leben lässt sich als Liebesreigen auch dann erzählen, wenn es gleichzeitig ganz und gar nicht frei ist von Verletzung, Verlust, Trauer. Zwischendurch kleine persönliche Missstimmungen, die aber kaum irgendetwas besagen angesichts dieser Textwucht: Ein wenig arg differenzlos sind sie schon, diese vielen Lieben. Man spürt, dass in jeder Einzelnen etwas Spezifisches steckt, das aufgefaltet werden könnte; und doch bleibt es fast stets bei der wuchtigen, markanten Liebeserklärung; vielleicht irritiert mich freilich auch nur, dass es in der Welt dieses Buches die Kunst, die wahre Kunst, die Kunst der Moderne, und auch die Gemeinschaft, die die Kunst stiftet, noch eine Gesamtheit ist, die als Ganzes und allumfassend bezeichenbar und der Liebe würdig ist. Außerdem: Kitschfrei ist das alles nun nicht. Jedoch, manchmal ist ein Parisaufenthalt eben ein Kiki-de-Montparnasse-Leben, warum ihn dann nicht genau so aufschreiben. Und es geht danach ja eh anders, deutlich vielfach gebrochener weiter. Und über die Selbstbefragung, die in den Liebes- und Lebensreigen eingebettet ist (oder umgekehrt?) habe ich eh noch nicht geschrieben, eine Selbstbefragung, die nicht etwa nur die eines lyrischen Ichs ist, sondern eine des Texts selbst, der sich sozusagen selbst zur Wiedervorlage auffordert… Was soll ich auch schreiben, außer, es hat mich schwer beeindruckt und ich habe wirklich keine Begriffe dafür, was der Text da genau macht.
Thursday, November 14, 2024
Gegenwartsliteratur, ein Sample (6)
Stephanie Bart, Deutscher Meister Schön: Recherchearbeit, die komplett aufgeht in literarischer Form. Kein Überschuss an bloß Angelesenem bleibt zurück, die Figuren werden zu keinem Moment zu bloßen Krücken eines ihnen äußerlichen Mitteilungsdrang, sie sprechen eine Sprache, die nur die ihre ist und auch ihre Konstellierung wirkt nicht forciert. Ein Mosaik des Sozialen, tatsächlich ist der Effekt oftmals der einer Verräumlichung. Ein Buch wie gute Genremalerei. Erstaunlich nicht zuletzt, wie es Bart gelingt, einen komplett einseitigen Boxkampf zwölf Runden lang abwechslungsreich zu gestalten. Nicht ganz verfliegt bei alldem freilich der Eindruck des allzu Selbstzweckhaften. Ein Buch, das sich wie die Fiktion eines (ausgezeichneten) historischen Magazinbeitrags liest, der leider mehrere Jahrzehnte zu spät kommt.
Thorsten Nagelschmidt, Arbeit. Dass dieses Buch aber so was von gar nicht meins ist, merke ich schnell, bereits in der ersten längeren Episode mit dem Dealer. Genauer gesagt nervt mich die "filmische" Beschleunigungsmontage am Ende des Kapitels: wenn plötzlich nur noch einzelne Satzfetzen aneinander gereiht werden - und dann schnappt sich der vorher cleane Dealer den Stoff und pfeift ihn sich doch selbst rein. Auf rhetorische Aufdringlichkeiten wie diese stoße ich fortan an allen Ecken und Enden. "Arbeit" ist ein "toughes Berlinbuch" im Stil einer Geisterbahn - jeder einzelne Handlungsstrang von Anfang an auf billigen, melodramatischen Effekt gebürstet. Der kleinste gemeinsame Nenner von City Symphony und Soap Opera (ein Berliner "LA Crash"?) - und das alles, für mich macht das die Sache nur noch schlimmer, ziemlich genau in jenen Berliner Straßen, in denen ich selbst jahrelang fast täglich unterwegs war. Nun denn, ich weiß jetzt wenigstens ziemlich genau, was ich von Gegenwartsliteratur nicht will.
Dorfpunks, Rocko Schamoni. In diesem Fall: nothing whatsoever wrong with it aber schlicht nicht mein Bier. Weiß nicht, ob es an fehlenden persönlichen Bezüge zu Norddeutschland und Punk liegt, das meiste scheint doch auf eher niederschwelligere Formen von Wiedererkennbarkeit zu zielen: die inhärente Beengtheit homosozialen Abhängens, die trotzdem natürlich befreiende Entdeckung der eigenen Lust am Scheißebauens, halbbewusste Angst vor Sexualität und so weiter. Dazu, vielleicht ist das mein Problem, die mitschwingende Grundüberzeugung, dass das alles letztlich schon gut und richtig war damals. Gesten der autobiographischen Beglaubigung: da ist also der Ursprung von "Rollo Aller!", hier habe ich zum ersten Mal Campino und die Hosen getroffen. Viel zu selten und viel zu kurz die Ausflüge ins Phantasmagorische, in Unvernunft und Größenwahn, die doch zum Jungsein, wenn man es schon eins zu eins abbilden zu müssen meint, dazugehören.
Thursday, October 24, 2024
Gegenwartsliteratur, ein Sample (5)
Gerhard Henschel, Kindheitsroman. Erinnerung als Morast, in dem man feststeckt, der zum Textmorast wird, in dem dann ich feststecke. Wie schon bei Knausgard irritiert mich die Genauigkeit und Detailfülle, und ich denke mir: Erinnern alle so viel und nur ich so wenig? Oder würde ich auch so viel erinnern, wenn ich einmal mit einem solchen Schreibprojekt begonnen würde? Kommt dann alles wieder, jede Dummheit, jede Schönheit? Ein weiterer Grund, es nicht einmal zu versuchen, denke ich meistens (selbst die Schönheiten sollen, bitte, im Unspezifischen bleiben, nur so überleben sie), aber gelegentlich bin ich mir doch nicht gar so sicher. Jedenfalls: Ich erinnere wenig, aber ich erkenne viel wieder in diesem Buch. Redewendungen, Kindheitsdinge, Spiele. Die zwei Jahrzehnte biografischen Abstands scheinen keinen gar so großen Unterschied zu machen. Vielleicht ist schlicht die BRD der Urmorast? Ein Land, in dem man, noch Jahrzehnte später, nichts kann als festzustecken? Jedenfalls ein Buch, dessen Sog ich mich erst nicht entziehen kann und irgendwann auch nicht mehr erziehen mag. Trotzdem wirkt es manchmal, als würde es mich zu sich herunterziehen und da gewaltsam festhalten. Ja nicht raus aus der Hölle der ewigen Akkumulation. Ich glaube, die restlichen Schlosse-Bücher lasse ich erst einmal aus.
Sibylle Berg, GRM. Brainfuck. Ein Buch, das weniger den Zustand der Welt als eine bestimmte Art des Denkens über den Zustand der Welt weiterspinnt, eskaliert, ins Kraut schießen lässt und dabei auf erst einmal sehr sympatische Weise auf alle Gesetze des Maßstabs und der Verhältnismäßigkeit scheißt. Was freilich schon auch heißt, dass ich nicht nur ein, zwei, sondern Dutzende rants gegen Gott und die Welt beziehungsweise natürlich die Verhältnisse durchstehen muss. Selbst in den rants bleibt die Prosa variabel, das schon, Berg findet immer wieder neue Wege zur totalen Beschissenheitserkenntnis. Nur das obsessive im-Dreck-Suhlen, die kitchen kink teenie exploitation Passagen, die gehen mir doch ein wenig auf den Keks. Der Erzählmodus ist einer des rasenden Stillstands, die Figuren werden eher in den Text als in eine Welt hineingeworfen, existieren sie überhaupt, wenn von ihnen gerade nicht die Rede ist? Erstaunlich, wie sorgsam Berg dennoch immer wieder mit ihnen umgeht. Jede von ihnen muss eine Welt für sich sein, eben weil sie kein Halt mehr haben in einem Außen.
Benutzeroberflächenmetaphorisch gesprochen: Da scrollt sich einer entspannt durch die eigene Lebenswelt, und egal worauf er klickt, stets ergießt sich eine ausführliche Erläuterung im fein gewebten Plauderton; die freilich stets im eigenen, festgefügten bildungsbürgerlichen Koordinatensystem verbleibt. In einem reflektiert bildungsbürgerlichen Koordinatensystem, versteht sich, wobei die Reflexion vor allem darauf hinaus läuft, sich von einem älteren bildungsbürgerlichen Koordinantensystem abzuheben, für das Terrorlehrer Dolinar, der Bildung als Anhäufung von als bildungsbürgerlich markierten Faktoiden definiert, ein mustergültiges Abziehbild abgibt. Das reflektierte Bildungsbürgertum fordert hingegen: Bildung soll an die eigene Lebensrealität anschließen. Nun ja, solche Lehrer hatte ich auch, die nerven mindestens genauso sehr. Angenehm ist hingegen, dass EribonErnaux ausnahmsweise mal eher nicht Teil des Koordinatensystems zu sein scheinen, oder jedenfalls kein allzu relevanter, mir ist, als ob die Figuren allein dadurch lebendiger werden und mir näher rücken. Verglichen mit den Wiener Bobo-Büchern von Präauer und Marković ist das hier zudem näher an meiner höchstpersönlichen Subjektiv, weil es ein introvertiertes Buch ist, kein extrovertiertes. Und ja, sobald Feli und Fina auftauchen, wird's besser, viel besser. Dennoch: Wiener Bildungsbürger, schreibts doch mal über was andres als ausgrechnet über Wiener Bildungsbürger. Über was dann? Ja was wois den i. Denkts euch halt was aus.
Wednesday, October 23, 2024
immer noch nichtprofessionell
Seit Schreiben eine Profession geworden ist, fungiert nichtprofessionelles Schreiben als ihr Korrektiv. Der Gröbsten aller historischen Einteilungen folgend wurde Schreiben als Profession früher vorwiegend am Markt, insbesondere am journalistischen, praktiziert, heute hat es seinen Ort hingegen in Institutionen, insbesondere in akademischen. Wo das nichtprofessionelle Schreiben also früher da von besonderem Wert war, wo es sich der Marktförmigkeit und der journalistischen Tagesaktualität nicht beugte, hat es sich heute der Aufgabe zu stellen, den Institutionen nicht gefügig zu sein und den Fallen der akademischen Textproduktion zu entrinnen. Damals wie heute ist sein Auftrag ein ästhetischer, kein politischer.
Friday, October 18, 2024
Fitnesstagebuch
Auf dem Laufband, zum ersten Mal seit was weiß ich wie lang, drei Jahre, mindestens. Mit Blick auf die Tramhaltestelle. Ein nicht-erwiderter Blick, glaube ich, blickdichtes Glas, besser so, Fitness hat hier keinen Glamour, zu eng, Fenster zu klein, nicht bodentief, zu viel alte BRD. Menschen beobachten, geht das von hier aus? So mittelgut, auf Anhieb. Drei Jungs, bärtig, massiv, scheinen sich nicht viel zu sagen und momentan auch kein Bock auf Hierarchiespiele zu haben. Zwei Jugendliche, ein Junge, ein Mädchen, sich gegenseitig Abgeklärtheit demonstrierend. Auf dem Bildschirm des Laufbands ein trister Waldweg, das ist dann doch zu albern. Dann lieber Fernsehen ohne Ton, ARD Brisant, Kampfsport wird vorgeführt, Leute kugeln sich gegenseitig die Arme aus oder so, aber immer wenn jemand per Texteinblendung vorgestellt wird, steht da "Pfleger" oder "Physiotherapeutin" oder so. Sollen wir uns gegenseitig kaputt oder krank machen? Die Sendung hält sich beide Optionen offen. Später geht es um Milchkühe, zwei Männer werden interviewt, beide haben etwas massiv-rosig Kuhhaftes. 272 Kalorien. Wo bekomme ich die jetzt wieder zurück?