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Monday, November 15, 2010
Pickup, Hugo Haas, 1951
Ich hatte mir das Kino von Hugo Haas wilder vorgestellt, weiter entfernt in ästhetischer wie dramaturgischer Hinsicht vom Studio-Mainstream. Sein geringes Budget sieht man Pickup zum Beispiel nur insofern an, als dass sehr wenige Sets und verhältnismäßig wenige Darsteller auftauchen, ansonsten ist alles sehr smooth. Die kleine Noir-Erzählung um einen braven, osteuropäischen Immigranten und die blonde all-american-Slut ist nicht High Camp, doch das hat sie auch gar nicht nötig; sie entwickelt einen ganz eigenen Reiz. Am Anfang hält die Blondine den Hund im Arm, den sich der Immigrant kaufen will, er kauft dann statt dessen die Blondine. Am Ende ist Blondie verscheucht, er hält den Hund in seinen Armen. Eine perfekte Substitution, keine Frage. Die Verwicklungen dazwischen hat sich Hugo Haas, der die Hauptrolle selber spielt, garantiert nur ausgedacht, damit es eine halbwegs glaubwürdige Rechtfertigung für eine masochistische Fetischanordnung aus dem Bilderbuch gibt: Die Blondine beschimpft den Immigranten (also Haas, den Regisseur) aufs Übelste, der hört jedes Wort, kann sich aber nicht wehren, weil sie ihn für taub hält. Ohne Zweifel sind beide und auch alle Nebenfiguren komplett durchgeknallt, aber eben nur ein bisschen. Oder vielleicht: erst seit kurzem. Vielleicht waren der Immigrant, die Blondine, der junge Rivale, der "Professor" vor nicht allzu langer Zeit noch ganz normale Menschen - und ein wenig erinnern sie sich immer noch daran, wie es damals war. Durchgeknallt, aber auf eine bodenständige Art und Weise, das sind die Figuren, das ist die ganze Unternehmung. Ein Film, der sich damit begnügt, einen sehr privaten Fetisch ins Bild zu setzen und der ansonsten ganz unambitioniert populäres Kino sein will: Das hat mir dann doch ziemlich gut gefallen.
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Tuesday, April 06, 2010
Peter Ibbetson, Henry Hathaway, 1935
Hat mich neulich spontan umgeworfen und nachhaltig verzaubert: Henry Hathaways Peter Ibbetson, ein Meisterwerk des Hollywood-Surrealismus, ein gewaltiger, gleichzeitig filigraner und wuchtiger Schuss vor den Bug des Realitätsprinzips.
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Die Kindheit im herrschaftlichen Pariser Anwesen, die Nachbarstochter auf der anderen Seite des Zaunes. Schuss/Gegenschuss immer durch den Zaun hindurch, sie wird, als das Objekt einer ihrer selbst noch unbewussten Begierde immer etwas enger geframt.

Dann: Penetration des Zauns, Ersatzhandlungen, schließlich der symbolische Verlust der Unschuld:

Schon dieses Bild, die Großaufnahme der zerbrochenen Puppe, zeigt ein "zu früh", ein unmögliches Trauma, das im realen Leben und mit den Mitteln des Kamerarealismus nicht mehr einzuholen, nicht mehr bearbeitbar sein wird. Aber der Prolog geht noch weiter. Der Verwandte aus England tritt auf und streicht durch seine körperliche Gestalt selbst die kindliche Utopie, die aber immer schon eine in vieler Hinsicht (psychosexuell, familiär, sozial) überdeterminierte und deshalb hier auch eine im / als Bild gerahmte ist...

...aus:

Das ist in der Logik des Films durchaus auch ein Akt der Befreiung vom mütterlichen Blick. Vor allem aber ist das der Moment eines unwiderbringlichen Verlusts, er erschafft ein utopisches Objekt, das zu einem unwirklichen wird, weil es sich nicht länger auf einen realen Zustand bezieht, sondern auf dessen idealisierte (vom psychosexuell-familiär-aristokratischen Komplex befreite) Essenz. Zuerst werden Modelle gebaut, die doch nicht viel mehr sind als weitere Rahmungen:

Auch die Rückkehr nach Paris bringt nichts zum Vorschein außer weiteren Gitterstäben und einer anderen Frau auf derselben Schaukel. Danach variiert der stets äußerst elegante Film seine Motive: immer wieder Modelle, immer wieder Gitterstäbe. Bis schließlich das Modell zur Sache selbst wird (er ist Architekt und baut ihr ein Haus) und die Gitterstäbe zu dem Gefängnis, das sie eigentlich von Anfang an waren. Und erst, wenn der Film so ganz materialistisch den Zielpunkt seiner eigenen Logik erreicht hat, beginnt die Befreiung. Die der Filmsprache wie die der Liebenden. Und wie beide Befreiungsbewegungen (realisierbar jeweils nur unter den Bedingungen des Traumes, beziehungsweise des Traumgenres) dialektisch ineinandergreifen, das habe ich wunderschöner selten gesehen. Die Hand greift durchs Gitter...

das keines mehr ist (bzw: das nur noch Bild ist und keine Materie mehr):

Und das funktioniert nur, weil auf der anderen Seite des Gitters niemand mehr steht. Auch das Modell taucht noch einmal auf, transformiert in Hollywood-Kunsthandwerk at its very best:

Ein Meisterwerk.
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Die Kindheit im herrschaftlichen Pariser Anwesen, die Nachbarstochter auf der anderen Seite des Zaunes. Schuss/Gegenschuss immer durch den Zaun hindurch, sie wird, als das Objekt einer ihrer selbst noch unbewussten Begierde immer etwas enger geframt.

Dann: Penetration des Zauns, Ersatzhandlungen, schließlich der symbolische Verlust der Unschuld:

Schon dieses Bild, die Großaufnahme der zerbrochenen Puppe, zeigt ein "zu früh", ein unmögliches Trauma, das im realen Leben und mit den Mitteln des Kamerarealismus nicht mehr einzuholen, nicht mehr bearbeitbar sein wird. Aber der Prolog geht noch weiter. Der Verwandte aus England tritt auf und streicht durch seine körperliche Gestalt selbst die kindliche Utopie, die aber immer schon eine in vieler Hinsicht (psychosexuell, familiär, sozial) überdeterminierte und deshalb hier auch eine im / als Bild gerahmte ist...

...aus:

Das ist in der Logik des Films durchaus auch ein Akt der Befreiung vom mütterlichen Blick. Vor allem aber ist das der Moment eines unwiderbringlichen Verlusts, er erschafft ein utopisches Objekt, das zu einem unwirklichen wird, weil es sich nicht länger auf einen realen Zustand bezieht, sondern auf dessen idealisierte (vom psychosexuell-familiär-aristokratischen Komplex befreite) Essenz. Zuerst werden Modelle gebaut, die doch nicht viel mehr sind als weitere Rahmungen:

Auch die Rückkehr nach Paris bringt nichts zum Vorschein außer weiteren Gitterstäben und einer anderen Frau auf derselben Schaukel. Danach variiert der stets äußerst elegante Film seine Motive: immer wieder Modelle, immer wieder Gitterstäbe. Bis schließlich das Modell zur Sache selbst wird (er ist Architekt und baut ihr ein Haus) und die Gitterstäbe zu dem Gefängnis, das sie eigentlich von Anfang an waren. Und erst, wenn der Film so ganz materialistisch den Zielpunkt seiner eigenen Logik erreicht hat, beginnt die Befreiung. Die der Filmsprache wie die der Liebenden. Und wie beide Befreiungsbewegungen (realisierbar jeweils nur unter den Bedingungen des Traumes, beziehungsweise des Traumgenres) dialektisch ineinandergreifen, das habe ich wunderschöner selten gesehen. Die Hand greift durchs Gitter...

das keines mehr ist (bzw: das nur noch Bild ist und keine Materie mehr):

Und das funktioniert nur, weil auf der anderen Seite des Gitters niemand mehr steht. Auch das Modell taucht noch einmal auf, transformiert in Hollywood-Kunsthandwerk at its very best:

Ein Meisterwerk.
Friday, February 17, 2006
Zweimal Iran
Zemestan, Rafi Pitts, 2005
Zemestan besteht aus zwei Arten von Bildern. Einmal gibt es da die, die dem Film das Prädikat "Neorealismus" eingebracht haben, was auch immer das - im allgemeinen und hier im speziellen - bedeuten mag. Es sind dies halbwegs naturalistische, freilich immer extrem komponierte Stadtansichten oder Bilder von /in Fabriken, immer begleitet von einem schrecklich aufdringlichen Klangteppich, der die einzelnen Einstellungen verbindet und ihnen entgültig jede dokumentarische Qualität raubt.
Die andere Bildsorte schreit schon von weitem Poesie. Oft befindet sich hier ein einzelner Mensch genau in der Mitte des Bildes, hat den Kopf gesenkt, während der Hintergrund sich dank Weichzeichnereinsatz aus dem Staub machen darf.
Zwischen diesen beiden, gleichermaßen widerlichen visuellen Ebenen blitzt manchmal eine dritte auf, eine, in der die Poesie spröde genug bleibt, um nicht von falscher Emotionalität erschlagen zu werden und die Darstellung der sozialen Realität des Iran mehr ist als nur Behauptung. Genau die Ebene also, die das iranische Kino vor allem in den 80er Jahren zu einem der fruchtbarsten überhaupt machte. Diese kurzen Ahnungen eines um so viel besseren Films tragen um so mehr dazu bei, Zemestan, dieses widerlich ästhetizistische Rührstück, zu dem unerträglichen Film zu machen, der er ist.
Überhaupt scheint das iranische Kino genau in dem Moment, in dem es von der Berlinale - natürlich viel zu spät - entdeckt wird, dazu überzugehen, typische Festivalfilme zu produzieren, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen Sozialrealismus und Allerweltspoesie zu verlieren drohen. Auch der langweilige Forumsbeitrag Another Morning führt in eine ähnliche Richtung. Und selbst der eigentlich recht überzeugende Gradually... zeigt einige Besorgnis erregende Symptome.
Men at Work, Mani Haghighi, 2005
Umso schöner, dass immerhin ein iranischer Film neue Wege beschreitet und gleich beide Pole, zwischen denen sich das persische Kino seit langem bewegt, weiträumig umfährt. Men at Work ist digital produziert und bereits die alles andere als perfekte Technik des Films verhindern den Aufbruch in Richtung Poesie. Haghighi erzählt in extrem reduziertem Setting eine sehr effektive Geschichte. Eine Gruppe von Freunden will auf dem Weg in den Urlaub einen Felsen zu Fall bringen, der provokant erektiv in der Gegend herum steht. Die Freudschen Bezüge des Werkes sind unübersehbar, in ihrer Offensichtlichkeit aber durchaus interessant und auf überzeugende Weise mit den persönlichen Problemen der Männer verbunden. Men at Work zeichnet das Bild einer iranischen Mittelschicht, deren Probleme - Frauen, Autos und natürlich Potenz - sich nicht allzu sehr von denen der Pendants in anderen Ländern unterscheidet. Zwar gelingt es dem Regisseur nicht, seine Geschichte über die volle Laufzeit in Schwung zu halten und gegen Ende ist er gezwungen, eine allzu gewöhnliche Auflösung der Geschichte zu finden, doch insgesamt ist sein Werk sicherlich eines der gelungeneren - und vor allem überaschenderen - der diesjährigen Berlinale.
Zemestan besteht aus zwei Arten von Bildern. Einmal gibt es da die, die dem Film das Prädikat "Neorealismus" eingebracht haben, was auch immer das - im allgemeinen und hier im speziellen - bedeuten mag. Es sind dies halbwegs naturalistische, freilich immer extrem komponierte Stadtansichten oder Bilder von /in Fabriken, immer begleitet von einem schrecklich aufdringlichen Klangteppich, der die einzelnen Einstellungen verbindet und ihnen entgültig jede dokumentarische Qualität raubt.
Die andere Bildsorte schreit schon von weitem Poesie. Oft befindet sich hier ein einzelner Mensch genau in der Mitte des Bildes, hat den Kopf gesenkt, während der Hintergrund sich dank Weichzeichnereinsatz aus dem Staub machen darf.
Zwischen diesen beiden, gleichermaßen widerlichen visuellen Ebenen blitzt manchmal eine dritte auf, eine, in der die Poesie spröde genug bleibt, um nicht von falscher Emotionalität erschlagen zu werden und die Darstellung der sozialen Realität des Iran mehr ist als nur Behauptung. Genau die Ebene also, die das iranische Kino vor allem in den 80er Jahren zu einem der fruchtbarsten überhaupt machte. Diese kurzen Ahnungen eines um so viel besseren Films tragen um so mehr dazu bei, Zemestan, dieses widerlich ästhetizistische Rührstück, zu dem unerträglichen Film zu machen, der er ist.
Überhaupt scheint das iranische Kino genau in dem Moment, in dem es von der Berlinale - natürlich viel zu spät - entdeckt wird, dazu überzugehen, typische Festivalfilme zu produzieren, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen Sozialrealismus und Allerweltspoesie zu verlieren drohen. Auch der langweilige Forumsbeitrag Another Morning führt in eine ähnliche Richtung. Und selbst der eigentlich recht überzeugende Gradually... zeigt einige Besorgnis erregende Symptome.
Men at Work, Mani Haghighi, 2005
Umso schöner, dass immerhin ein iranischer Film neue Wege beschreitet und gleich beide Pole, zwischen denen sich das persische Kino seit langem bewegt, weiträumig umfährt. Men at Work ist digital produziert und bereits die alles andere als perfekte Technik des Films verhindern den Aufbruch in Richtung Poesie. Haghighi erzählt in extrem reduziertem Setting eine sehr effektive Geschichte. Eine Gruppe von Freunden will auf dem Weg in den Urlaub einen Felsen zu Fall bringen, der provokant erektiv in der Gegend herum steht. Die Freudschen Bezüge des Werkes sind unübersehbar, in ihrer Offensichtlichkeit aber durchaus interessant und auf überzeugende Weise mit den persönlichen Problemen der Männer verbunden. Men at Work zeichnet das Bild einer iranischen Mittelschicht, deren Probleme - Frauen, Autos und natürlich Potenz - sich nicht allzu sehr von denen der Pendants in anderen Ländern unterscheidet. Zwar gelingt es dem Regisseur nicht, seine Geschichte über die volle Laufzeit in Schwung zu halten und gegen Ende ist er gezwungen, eine allzu gewöhnliche Auflösung der Geschichte zu finden, doch insgesamt ist sein Werk sicherlich eines der gelungeneren - und vor allem überaschenderen - der diesjährigen Berlinale.
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