Thursday, July 11, 2024

Prove me wrong

 Dieser Satz wurde von KI erzeugt. Dieser nicht.

Saturday, June 15, 2024

Esser: Soziologie, Allgemeine Grundlagen

Hartmut Essers Ausführungen zur Funktionsweise soziologischer Erklärungen laufen auf folgende Strategieempfehlung hinaus: Man wähle eine möglichst einfache Handlungstheorie, die gerne auch "falsch" sein darf, wie etwa jene geläufige, die auf dem homo oeconomicus-Modell basiert - wenn man die Situation dann mithilfe der "Brückenhypothesen" ausreichend vereinfacht, passt es trotzdem! Vor dem Theorieteil des Buches empfiehlt Esser: bitte keine Theorie lesen, oder jedenfalls so wenig wie irgend möglich. So bizarr sich das auch liest, passt es doch zur später referierten anthropologischen These: Selektive Informationsverarbeitung ist evolutionär adaptiv. Sicher nicht falsch. Nur: Ist die Evolutionstheorie auch ein Produkt des Verzichts auf Theorie? Insgesamt eine instruktive Lektüre. Die in vielen Kontexten sicherlich hochgradig funktionale Theoriefeindlichkeit kann nicht anders, als sich selbst zu theoretisieren.

Sunday, May 26, 2024

Gumpe


Aus den nach Eingangsnummern sortierten, also inhaltlich bunt durchmischten Regalen des Freihandmagazins der Kölner Universitätsbibliothek möchte ich in Zukunft bei jedem Besuch ein Buch ziehen, nach dem ich nicht gesucht, sondern das mich gesucht hat. Kein reines Zufallsbuch, aber eines, das mir im Vorbeigehen, warum auch immer, in die Augen springt.

Das erste, das ich erwische, trägt den Titel "Die schwarze Gumpe", geschrieben wurde es von Ludwig Friedrich Barthel. Barthel war laut Wikipedia Romanautor, Essayist und Lyriker; und außerdem im Dritten Reich ein Systemschriftsteller, dem Nationalsozialismus wohl auch intellektuell zugetan, ganz sicher jedoch nach außen hin ein Mitglied des hitlertreuen literarischen Establishments. "Die schwarze Gumpe" nun ist ein Nachkriegswerk, tatsächlich sogar eine erst 2002 veröffentliche unvollendete Arbeit aus dem Nachlass.

"Die schwarze Gumpe" ist ein Buch, das einerseits als offensichtliche Bemühung gelesen werden kann, die eigene biografische Kontamination loszuwerden und sich, zumindest im Rahmen einer Fiktion, in die gängige Erzählung des "inneren Widerstandes" einzuschreiben; andererseits jedoch steht das Buch, und deshalb ist es interessant, zur Gänze im Schatten des Nationalsozialismus. Die "schwarze Gumpe" des Titels ist eine Freundesgruppe, bestehend aus Künstlern und Intellektuellen, die sich in der Nazizeit regelmäßig traf, um die gemeinsame Leidenschaft für die schönen Künste zu pflegen. Die Handlung setzt in der frühen Nachkriegszeit ein. Nacheinander drei Mitglieder der Gruppe rücken ins Zentrum der Aufmerksamkeit, als Bindeglied dient ein Verrat an der gemeinsamen Freundschaft während der NS-Zeit.

Barthel verhehlt keineswegs, dass er die Porträts dreier Mitläufer zeichnet. Auch seine Abscheu gegenüber den Nationalsozialisten nehme ich ihm ab; sie richtet sich freilich weniger wider Ideologie oder (politisches) Handeln des NS, denn wider dessen Habitus. Nur sehr nebenbei werden reale Opfer erwähnt, im Zentrum stehen die Verheerungen, die die Nazis in den Köpfen der widerwillig mitlaufenden angerichtet haben. Das moralisch zu kritisieren ist selbstverständlich ebenso wenig interessant wie der Abgleich der "schwarzen Gumpe" mit Barthels realem, gewissen Zeitströmungen gegenüber weit weniger distanzierten intellektuellem Umfeld. Dennoch erscheint es zumindest bemerkenswert, dass der Autor gleich drei verkappte Selbstporträts zu entwerfen scheint - als Opfer, als Kollaborateur, als naiver Mitläufer. Ebenfalls bemerkenswert, dass die letzte Option, verkörpert durch einen verblendeten, aber letztlich harmlosen Heimatdichter namens Michaelis, gleichzeitig die erbärmlichste und die eindringlichste Gestalt des Buches darstellt.

Mehr als die Plotkonstruktion fasziniert jedenfalls die obsessive Bezogenheit auf den Nationalsozialismus und darauf, was er mit den Menschen, die von ihm erfasst werden, macht. Die Nachkriegsjugend bleibt ebenso blass und in ihrer Beschreibung gängigen Klischees verpflichtet wie gelegentlich auftauchende Amerikaner; intensiv und detailversessen entwirft Bathel dagegen wieder und wieder, entlang diverser Haupt- und Nebenfiguren, Durchgänge durch Mitläuferschicksale diverser Art - es existiert im Buch kein Zugriff auf Geschichte jenseits des Biografischen; das Biografische selbst jedoch erscheint unerschöpflich, auch wenn der es akkumulierende Text letztlich auf der Stelle tritt, keinen Zentimeter vorwärts kommt in dem Morast, in den er sich selbst stellt.

Kann man das heute noch lesen? Offensichtlich ja, wobei dazu gesagt werden muss, dass es immer dann schlimm wird, wenn Barthel sich an Kunsterfahrungspathos versucht; und also versucht, eine Sphäre der reineren, unbefleckten Geistigkeit zu evozieren, über deren Unmöglichkeit das Buch sich an anderer Stelle durchaus bewusst zu sein scheint. Soziale Situationen und auch die Selbstrechtfertigungsmechanismen seiner Figuren bekommt diese drängende, auch sprachlich obsessive Prosa hingegen oft erstaunlich gut zu fassen.

Wednesday, March 20, 2024

Nach wie vor

Aus Klaus Holz: "Die Figur des Dritten in der nationalen Ordnung der Welt", Soziale Systeme 2/2000, S. 269-290, einem Ansatz zu einer differenztheoretischen Theorie des Antisemitismus. Vorher beschreibt Holz (dessen neueren Arbeiten zum Thema ich noch nicht kenne) den Nationalismus, und analog den Rassismus, als eine Zweiseitenform, die zwar von beiden Seiten her auf die Präferierung der Innenseite hin zugeschnitten werden kann, aber eben: von beiden Seiten. Insofern ist die Einheit ihrer Differenz als ein "symmetrisches Gegensatzpaar" beschreibbar.

Mir scheint das (mindestens) eine sinnvolle Ergänzung zu sein zu den marxistisch/werttheoretisch argumentierenden Antisemitismusbestimmungen (v.a. Postone), die den satisfaktionsfähigen Teil der antideutschen Debatte einst dominierten - über die Gegenwart wage ich da nicht zu mutmaßen. Insbesondere die Kontinuität von Antisemitismus und Antizionismus scheint Holz besser zu fassen zu bekommen.



Thursday, February 29, 2024

Approaching middle-age

Mapping of a Medium in Decline


Types of Cinephilia (Bonus)


12 Web 2.0 Cinephilia


Centering on auteurism and other kinds of special interest. A rather general, unsystematic aversion to mainstream filmmaking, especially Hollywood, is the norm. Aside from that more openminded than most other types. Special fondness for certain types of "rare to find" cult movies. Traditional accounts of cinema history are accepted, annoted and expanded rather than overturned. De facto dominance of english language filmmaking seldomly questioned.


As a field of cinephile discourse completely outside of institutional boundaries and also explicitly, at times polemically, anti-institutionalist in its rhetorics. Tendency towards building its own ptp-, sometimes blog-based institutions with at times exclusionary and hierarchic mechanics. Entry by way of enthusiasm works for the most part, though. Often back-door connections to cinematheques and other institutions.


Basically everyone, though predominantely approaching middle-age (by now) and male. Not all that much new blood. Students and enthusiasts probably dominating. Politically generally unalligned but predominantly leftish, with a large anti-establishment subset present. Quite a few tankies, too.


Technically heirs to certain types (much smaller in numbers) of video pirates and underground print collectors, but not really anything comparable to it in previous generations.


Not much writing through "official" channels. The little that appears for the most part obscurantist, idiosyncratic and often quite ambitious. For a while part of the blogosphere, by now most outlets dead/defunct.

Wednesday, January 31, 2024

eigengewicht

das leere wasserglas, das, aufrecht, auf die oberfläche eines ansonsten unbewegten wasserbeckens platziert und dann losgelassen wird:  es sinkt ein, schnellt wieder nach oben, kippt anschließend zur seite, sodass eine bestimmte menge an wasser ins innere des glases gelangt. ist die menge zu groß, sinkt das glas zum boden des beckens, und zwar schnell. ist sie zu klein, bleibt die schieflage bestehen. nur eine mittlere menge sorgt dafür, dass das glas, nachdem das erhöhte eigengewicht die schieflage korrigiert hat, aufrecht im becken "in der schwebe" bleibt, stabilisiert durch die differenz seines eigenen wasserpegels zu dem des beckens. was mich daran interessiert: es handelt sich nicht um einen kontinuierlichen prozess, sondern um eine ereigniskaskade, die vom experimentator, gegeben er ist ein mensch, kaum zu kontrollieren ist. kleine differenzen in der durchführung resultieren in riesigen unterschieden im in sich dann stabilen ergebnis.

Thursday, December 14, 2023

tommy

in der häme über gottschalk artikuliert sich auch deutscher selbsthass. denn sein publikum wusste stets, dass gottschalk, seinem erfolg zum trotz, nicht deutsch genug war fürs deutsche fernsehen. sein sehnsuchtsort war und blieb amerika, die amerikanische kulturindustrie. die alltäglichkeit, die beiläufigkeit ihres glamours, die abwesenheit alles staatstragendenden. anders als sein nachfolger raab und sein nachnachfolger böhmermann verstand gottschalk fernsehen als alltagsbegleitung, als alltagsglamourisierung, nicht als eventproduktionsschmiede. nur schmidt war ihm, eine weile lang, nah im deutschen fernsehen, doch wo der immer etwas zu sehr um seinen ruf beim feuilleton und um den anschluss an die hochkultur bemüht war, blieb gottschalks problem die überidentifikation mit den etablierten formaten des mainstreams: die große samstagabendshow. auch im jeweiligen abschiednehmen treten die beiden entertainerschicksale auseinander. schmidts ende ist tragisch, gottschalks eine farce.

Wednesday, December 13, 2023

Es ist laut

Es ist laut, man möchte alles, bloß nicht mitlärmen. Dennoch, eine kleine Perfidie, die nicht komplett untergehen sollte: Der unsägliche Slogan "Free Palestine from German Guilt", der anlässliche einer Demonstration vor der israelischen Botschaft Schlagzeilen machte, war bereits auf der Documenta 15 präsent. Deren Mitkuratoren Reza Afisina und Iswanto Hartono setzten ihre Social-Media-likes dann allerdings nicht unter die Bilder dieser Demonstration, sondern unter ein Video der Neukölner Jubelparty am 7. Oktober, in deren Verlauf auf der Straße zu Ehren des Judenmords Süßigkeiten verteilt wurden. Man sollte die gesamtgesellschaftliche Relevanz des Kunstszene nicht überschätzen. Gleichwohl zeigt sich auch in solchen kleinen Verschiebungen, wie Verrohung unter den medialen Bedingungen der Gegenwart perpetuiert wird.

Thursday, November 30, 2023

Keine Essayfilme, keine Videoessays

Keine Essayfilme mehr, weil der Essayfilm von einer Ordnung der Bilder ausgeht, die keine Geltung mehr hat. Von einer Gemeinschaft der Bilder, die im ordnenden Zugriff des Subjekts sich als ein Diskurs entfaltet, der auf die Relevanz und Selbstidentität jedes einzelnen Bildes zurückverweist. Einer Selbstidentität, die dann wiederum vom selbstidentischen Subjekt beglaubigt wird. Damit ist der Zirkelschluss vollendet. Die Bilder kommunizieren im Essayfilm nicht als Bilder miteinander, sondern als Stellvertreter ihrer ihnen oktroyierten kognitiven Essenz. Der Essayfilm ist das Bilderbuch des alten Europas. In Wien ist die Welt noch in Ordnung, denke ich mir, wenn ich einen Essayfilm sehe. Aber die Welt ist nicht Wien.

Keine Videoessays mehr, weil der Videoessay statt das Bild das Ich überhöht. Den kritischen Zugriff durch das transzendentale Subjekt ersetzt er durch etwas Schlechteres, die stets bloß affirmierende Blindheit des Affekts. Das Bild wird zum Signum einer narzisstischen Verletzlichkeit, die technische Vermittlung ignoriert und dem Kitsch Tür und Tor öffnet. Die Bilder sollen wieder uns selbst gehören, spricht sein Fantasma, nicht der Macht. Eben in seiner vermeintlichen Bescheidenheit entmächtigt der Videoessay das Bild. Dass das Bild ein Rätsel sein könnte, dessen Lösung außerhalb meines Blicks liegt: diesen Gedanken kann der Videoessay nicht denken.

Wednesday, November 29, 2023

Kaufe Zahngold (auch mit Zähnen)


Dominik Grafs Mein Falke (Buch: Beate Langmaack) ist ein schöner Film, der weiß, dass wir alle nur mit ein wenig Zivilisation angereicherte Biomasse sind; und dass das letztlich gar nicht so schlimm ist. Ich hoffe, dass seine aktuelle, mit Hanne begonnene und bereits letztes Jahr mit Gesicht der Erinnerung fortgeführte (Fernseh-)Werkphase der kleinformatigen, weiblich zentrierten, dramaturgisch wenig zugespitzten Gegenwartsdurchmessungen noch eine Weile weiterläuft.