Heute startet Todd Haynes' Bob-Dylan-Verkomplizierung I'm Not There, ein alles in allem doch herausragender Film, den man sich auch dann anschauen sollte, wenn man nicht der größte Freund des Sängers oder des Regisseurs ist. Steven Shaviro ist begeistert, Ekkehard Knörer war auch eher angetan, für eine Gegenposition siehe hier. So ziemlich jeder scheint den neuen oskarprämierten Coen-Film zu mögen, hier Thomas über No Country for Old Men. Außerdem noch: Vantage Point, ein möglicherweise recht cleverer Thriller, Meet the Spartans, eine mit ziemlicher Sicherheit extrem dumme Komödie und Michael Clayton, amerikanisches Oskarkino mit George Clooney.
Im Arsenal nähert sich eine James Benning-Reihe ihrem Ende, eine Asta Nielsen-Reihe steht vor der Tür. Dazwischen ist am Dienstag und Mittwoch Claude Lanzmann zu Gast, gezeigt wird Shoah in zwei jeweils knapp fünfstündigen Blöcken. Präsentiert wird die Veranstaltung von der Spex, deren bisherige Programmierung im Arsenal noch keine klare Linie erkennen lässt: Erst Daft Punks blödes Elektroma, dann Carpenters Original-Halloween, jetzt Shoah. Da wächst bisher nicht unbedingt das zusammen, was zusammen gehört.
Das Zeughauskino zeigt aktuelles Schweizer Kino. Die mir aus dieser Reihe inzwischen bekannten Das Fräulein und Ein Lied für Argyris sind sehr interessant.
Im Babylon Mitte sind derzeit nicht die allerkreativsten Programmierer am Werk. Die großangekündigte Expressionistenreihe zeigt keine Raritäten, sondern nur die allerbekanntesten Klassiker, außerdem laufen einige Sachen der Coens, der neue Wong Kar-Wai und dieselben fünf Ferrarafilme, die bereits letztes Jahr gezeigt wurden (zugegeben, es sind fünf seiner besten, aber trotzdem; außerdem wohl zumindest teilweise in der deutschen Fassung). Interessanter vielleicht eine kleine Reihe zu Shah Rukh Khan.
Außerdem weiterhin im Babylon und mit deutlich besserer Programmierung: Die Freunde des schrägen Films. Deren neues Programm beschäftigt sich mit Vietnam-Heimkehrern im amerikanischen Kino der Siebziger Jahre. Nächsten Mittwoch: The Hard Ride (Burt Topper), scheinbar ein AIP-Biker Film der ambitionierteren Sorte.
Im B-Ware Ladenkino läuft als DVD-Projektion der vielgelobte Ten Canoes, den ich leider immer noch nicht gesehen habe. Außerdem am Freitag: Buttgereits Nekromantik.
Thursday, February 28, 2008
Monday, February 25, 2008
I'm Not There, Todd Haynes, 2007
Haynes filmt den Mythos und zielt auf die Wahrheit. Dahinter steht die Behauptung, dass letztere nur über erstere erreichbar sei. Das heißt konkret: Hinter der gigantischen Ansammlung aus Zitaten und Pop-Fantasien soll etwas sichtbar werden, was andernfalls verloren wäre. Wie Shaviro schreibt, hat die Zeichenlogik des Films wenig mit Tarantino und seinen Nachfolgern zu tun. Die Zeichen sollen nicht zirkulieren, sondern in letzter Instanz wieder auf Welt verweisen. Vielleicht nicht einmal so sehr auf Bob Dylan (dessen Name taucht im Film erst im Abspann wieder auf, dort wohl auch notgedrungen aber umso vehementer; das Urheberrecht zeigt sich von allen dekonstruktivistischer Bestrebungen unbeeindruckt und kann, wer weiß, vielleicht gar als normalerweise unsichtbare Gegenseite der spätindustriellen Zeichenverflüssigung begriffen werden) als allgemeiner auf die Brüche in der Zeitgeschichte.
Eine solide Kenntnis der amerikanischen (Pop-)Kulturgeschichte ist Voraussetzung dafür, I'm Not There angemessen zu rezipieren, andernfalls bleibt nur ein Bildersturm. Songtexte schreiben sich in die Dialoge ein, manchmal auch direkt in die Bilder, Plattencover werden mal mehr, mal weniger aufdringlich nachgestellt, die Realnamen der Schauspieler dringen durch die Lücken der Fiktionalisierung, Zeugenschaft wird durch mehrfache Vermittlung dekonstruiert, die Beatles rollen im Gras vor einem englischen Landhaus, Dylan philosophiert in seiner Cate Blanchett-Inkarnation gemeinsam mit Alan Ginsberg. Die Brüche drohen zu verschwinden, blitzen jedoch immer wieder auf, vor allem, wenn I'm Not There Dylans Verhältnis zur Black culture verhandelt. Der Marcus Carl Franklin-Dylan bleibt auch nach seinem Verschwinden als Utopie stets präsent, während Dylans reales Verhältnis zur Bürgerrechtsbewegung problematischer wird. Freilich ist schon anfangs ganz eindeutig etwas falsch, wenn drei Schwarze Tombstone Blues singen. Das Black Panther-Treffen fällt dann völlig aus dem Film heraus, findet keine Anschlüsse mehr in anderen Zeichensystemen.
Natürlich besteht immer die Gefahr, dass der Film ins Dekorative abgleitet. In seinen besten Momenten jedoch macht I'm Not There mit Popmusik das gleiche, was Godard in der Histoire mit Filmgeschichte macht. Von anderen Musikerbiografien der letzten Jahre ist Haynes' Film damit so weit entfernt, wie es nur geht. Wo diese mithilfe der Songs Geschichte fetischisieren und unzulässig homogenisieren, schreibt Haynes die Brüche und Paradoxien der Geschichte wieder in die Musik ein.
Eine solide Kenntnis der amerikanischen (Pop-)Kulturgeschichte ist Voraussetzung dafür, I'm Not There angemessen zu rezipieren, andernfalls bleibt nur ein Bildersturm. Songtexte schreiben sich in die Dialoge ein, manchmal auch direkt in die Bilder, Plattencover werden mal mehr, mal weniger aufdringlich nachgestellt, die Realnamen der Schauspieler dringen durch die Lücken der Fiktionalisierung, Zeugenschaft wird durch mehrfache Vermittlung dekonstruiert, die Beatles rollen im Gras vor einem englischen Landhaus, Dylan philosophiert in seiner Cate Blanchett-Inkarnation gemeinsam mit Alan Ginsberg. Die Brüche drohen zu verschwinden, blitzen jedoch immer wieder auf, vor allem, wenn I'm Not There Dylans Verhältnis zur Black culture verhandelt. Der Marcus Carl Franklin-Dylan bleibt auch nach seinem Verschwinden als Utopie stets präsent, während Dylans reales Verhältnis zur Bürgerrechtsbewegung problematischer wird. Freilich ist schon anfangs ganz eindeutig etwas falsch, wenn drei Schwarze Tombstone Blues singen. Das Black Panther-Treffen fällt dann völlig aus dem Film heraus, findet keine Anschlüsse mehr in anderen Zeichensystemen.
Natürlich besteht immer die Gefahr, dass der Film ins Dekorative abgleitet. In seinen besten Momenten jedoch macht I'm Not There mit Popmusik das gleiche, was Godard in der Histoire mit Filmgeschichte macht. Von anderen Musikerbiografien der letzten Jahre ist Haynes' Film damit so weit entfernt, wie es nur geht. Wo diese mithilfe der Songs Geschichte fetischisieren und unzulässig homogenisieren, schreibt Haynes die Brüche und Paradoxien der Geschichte wieder in die Musik ein.
Friday, February 22, 2008
Der neue Haggis...
...enttäuscht. Denn der erwartete schlimmstmögliche überreaktionäre, unreflektierte Geopolit-Camp ist In the Valley of Elah leider nicht. Statt dessen orientierungslose Orientierung an Kumpel Eastwood, hyperkonventionelles Erzääählkino mit extra langem "äääh": Wenn Tommy Lee Jones' Patriotismus aus dem Takt gerät, benötigt er ein Startkabel - fürs Auto wie für den Patriotismus. Dafür hängt die Amerikaflagge am Ende falschrum. Die Crashigen Parallelmontagen der letzten 10 Minuten und der widerlichste Filmsong des Jahres entschädigen für manches, aber nicht für alles.
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Wednesday, February 20, 2008
We Own the Night / Helden der Nacht, James Gray, 2007
Die Actionszenen sind Michael Bay auf Valium. We Own the Night interessiert sich genauso wenig wie Transformers für räumliche Kontinuität, setzt aber statt auf Überwältigungsmontage und CGI darauf, derangierte Bewußsteinszustände mithilfe hypnotisch-langsamer Bewegungen nachzustellen. Deutlicher erkennbar wird dadurch der auch bei Bay enthaltene Angriff auf die Sichtbarkeit, der hier ein ums andere Mal inszeniert wird: Während der grandiosen Autoverfolgungsjagd (Autos und Menschen scheinen nicht mehr zusammenzupassen, das Gewehr gehört nicht mehr dem Gangster, sondern dem Auto; die Kamera filmt vom Beifahrersitz, bar jeder Kontrolle über das Geschehen), anlässlich der Stürmung des Stash houses (dazu unten mehr), und schließlich im rauchdurchzogenen Schilfwald des Finales.
Auch so könnte man We Own the Night zusammenfassen: Männer gehen mit gezückter Waffe in die Dunkelheit um zu killen. Zuerst jedoch muss Bobby Green (Joaquim Phoenix) aus der Dunkelheit heraustreten: Nach der Eingangsmontage aus schwarz-weißen Fotos, die bereits die Dominanz der Waffe etablieren, tritt der Lebemann aus dem Schatten in buntes Licht und nähert sich seiner Freundin Amada (Eva Mendez). Dass deren Prostitiuiertenaufmachung nur Spiel ist, wird erst später deutlich, hier zunächst heavy petting, doch bald klopft es an der Tür. Im weiteren Verlauf des Films wird sich die Beziehung der beiden grundlegend wandeln. Bald ist da nichts mehr kinky, irgendwann auch nichts mehr romantisch, die Verbürgerlichung führt schließlich zu Frustration und Trennung. Eines ändert sich jedoch nicht: Noch jedes Mal werden Amada und Bobby vom Sex durch Türklopfen abgehalten werden. Bis Amada irgendwann von all den Türklopfern genug hat und das Weite sucht.
We Own the Night zeichnet sich durch strikte Zeichenhaftigkeit aus, dafür ist die langsam vor die Hunde gehende Vorspiel-Türklopfbeziehung zwischen Amada und Bobby nur ein Beispiel. Auch mit dem Grundwiderspruch des Films, dem zwischen dem im Semigangstermilieu souverän agierenden Bobby und dessen Bruder, dem aufrechten Polizisten Joe Grusinsky verfährt Gray auf dieselbe Weise. Hier die ausgelassene Feier im Nachtclub voller schöner Menschen unterschiedlichster Ethnien, da der spießige Polizeiball voller hässlicher weißer Männer. James Grays Erzählweise ist funktionell, ausgestellt zeichenhaft und gleichzeitig ironiefrie. Kurz und gut: Konsequent. Und so nah an den Tugenden des klassischen Hollywoodkinos wie wenig in den letzten Jahren. Ausnahmen sind, siehe oben, in mancher Hinsicht die Actionszenen. Freilich sind auch diese stärker an den Plot und die Figurenpsychologie (absichtlich schematisch ist diese Figurenpsychologie, aber schematisch nicht aus Unvermögen, sondern als zwangsläufige Folge eines künsterischen Projekts, das hier ausnahmsweise einmal weiß, was man mit einer vernünftigen Figurenpsychologie anstellen kann, wenn man es nicht darauf anlegt, Schauspieleroskars zu erhalten) gebunden, als man dies derzeit gewohnt ist.
Der Film spielt in den späten Achtziger Jahren. Zu nahe ist diese Epoche noch, als dass sie sich widerstandslos fetischisieren ließe. We Own the Night ist kein Pastiche, kein Zitatfilm, hat aber vielleicht doch etwas mit den beiden großen Gangsterfilmen der Epoche zu tun, in der er sich selbst situiert: Carlito's Way und The Godfather: Part 3. Eine ähnliche Melancholie durchzieht den Film, eine Melancholie, die sich gleichzeitig innerhalb der Handlung breitmacht und auf das klassische Hollywoodkino bezogen zu sein scheint. Ein Kino, das bereits für Coppola und De Palma unerreichbar war. Was aber auch sie nicht daran gehindert hat, weiter Filme zu machen.
Die Achtziger Jahre in We Own the Night wollen nichts evozieren. Die Bilder, die sich kaum von denen der Gegenwart unterscheiden, trauern nicht um die Vergangenheit, eignen sich nicht zur nostalgischen Verklärung. Auch nicht zur Kritik an irgendwas. Dennoch bringen sie eine Differenz ins Spiel, in der Musik, in den Kleidern und Frisuren, die das gerade aus der Mode gekommene, aber noch nicht vom Retro-Trend wiederentdeckte, ins Bild setzen. Im Sinne Benjamins? Vielleicht auch das.
We Own the Night zeigt, wie gut das amerikanische Kino auch 2007 noch sein kann.
Stash house und Sweatshop
Das Stash house (heißt das überhaupt so? Oder hat die innerstädtische Drogenlagerungs und -weiterverarbeitungsanlage einen anderen Namen?) ist vielleicht die einzige Option des zeitgenössischen amerikanischen Kinos, von Produktion zu sprechen. Nicht umsonst wird die Stürmung einer solchen Einrichtung sowohl in James Grays We Own the Night als auch in Ridley Scotts American Gangster zum Höhepunkt des jeweiligen Films. Das Motiv des Stash houses zeigt einerseits Produktion als institutionalisierte ausbeuterische Gewalt in der denkbar radikalsten Art und Weise: Fast beziehungsweise vollkommen nackte Frauen arbeiten zwischen ekelhaten Drogenausdünstungen, wohin sie sich auch wenden werden sie bedroht von bis an die Zähne bewaffneten Männern. Die längst in Entwicklungsländer ausgelagerte (oder, was noch näher am Filmmotiv bleibt, an Immigranten delegierte) totale Ausbeutung wird auf gespenstische Weise mitten in der amerikanischen Großstadt sichtbar, der chinesische Sweatshop steht plötzlich wieder in New York und rührt direkt am Kern der amerikanischen Jugend: an deren Jugend, für die die Produktion des Stash houses gedacht ist (Freilich: Junkies sind öfter weiß in amerikanischen Filmen als in der amerikanischen Realität; Dealer seltener). Gleichzeitig ist die Produktion des Stash houses von vornherein und nichthinterfragbar illegitim und das Gebäude taucht im Film meist nur auf, um gleich wieder zerstört zu werden. Dabei ist bei weitem nicht klar, ob hier nur die Produktion als illegitime zerstört werden soll, oder die Repräsentation von Produktion insgesamt in Frage gestellt wird.
Doch damit nicht genug. In American Gangster zerstört die Polizei nicht nur eine Stätte der illegitimen Produktion. Denn das Stash house repräsentiert hier eine gesamte kulturelle Sphäre - die der urbanen Afroamerikaner. Die entsprechende Sequenz im Film hat ein sonderbar realistisches Timbre, und sticht auch deshalb aus dem Film heraus, weil das Drogenhaus eben nicht von Gangsterfilmzitaten besetzt wird, sondern von realen Menschen. Wenn die Elitetruppen das Gebäude stürmen, fällt nicht einfach nur ein Drogenring, gleichzeitig macht das weiße Amerika eine ihm zutiefst fremde Kultur platt. American Gangster ist auch deshalb ein guter Film, weil Ridley Scott genau dies nicht verschleiert, sondern offen ausstellt.
In We Own the Night ist die entsprechende Szene soziopolitisch weniger stark aufgeladen, aber deswegen kaum weniger radikal. Gray inszeniert das Stash house konsequent aus Joaquim Phoenix' Perspektive, die Stürmung führt erst zur hyperintensiven Wahrnehmung, dann zum kompletten Subjektverlust. Tasten, Stolpern und Rauschen in den Überresten der Produktion, die sich ihrer eigenen Repräsentation widersetzt.
Übersteigert und (unfreiwillig?) parodiert wird dasselbe Motiv natürlich in Bad Boys 2. Die illegitime Produktion ist nur noch Behauptung, der Film gibt sich keine Mühe, die kubanischen Slumbewohner tatsächlich beim Drogenmischen zu zeigen. Umso emphatischer sind diese dafür ganz reale Slumbewohner, die von Martin Lawrence und Will Smith im Jeep aus ihrem Alltagsleben gerissen werden. Kaputt gemacht wird hier nicht nur der Lebensentwurf einer spezifischen Bevölkerungsgruppe, sondern Kuba mit allem drum und dran.
Mehr Stash house-Filme anyone?
Auch so könnte man We Own the Night zusammenfassen: Männer gehen mit gezückter Waffe in die Dunkelheit um zu killen. Zuerst jedoch muss Bobby Green (Joaquim Phoenix) aus der Dunkelheit heraustreten: Nach der Eingangsmontage aus schwarz-weißen Fotos, die bereits die Dominanz der Waffe etablieren, tritt der Lebemann aus dem Schatten in buntes Licht und nähert sich seiner Freundin Amada (Eva Mendez). Dass deren Prostitiuiertenaufmachung nur Spiel ist, wird erst später deutlich, hier zunächst heavy petting, doch bald klopft es an der Tür. Im weiteren Verlauf des Films wird sich die Beziehung der beiden grundlegend wandeln. Bald ist da nichts mehr kinky, irgendwann auch nichts mehr romantisch, die Verbürgerlichung führt schließlich zu Frustration und Trennung. Eines ändert sich jedoch nicht: Noch jedes Mal werden Amada und Bobby vom Sex durch Türklopfen abgehalten werden. Bis Amada irgendwann von all den Türklopfern genug hat und das Weite sucht.
We Own the Night zeichnet sich durch strikte Zeichenhaftigkeit aus, dafür ist die langsam vor die Hunde gehende Vorspiel-Türklopfbeziehung zwischen Amada und Bobby nur ein Beispiel. Auch mit dem Grundwiderspruch des Films, dem zwischen dem im Semigangstermilieu souverän agierenden Bobby und dessen Bruder, dem aufrechten Polizisten Joe Grusinsky verfährt Gray auf dieselbe Weise. Hier die ausgelassene Feier im Nachtclub voller schöner Menschen unterschiedlichster Ethnien, da der spießige Polizeiball voller hässlicher weißer Männer. James Grays Erzählweise ist funktionell, ausgestellt zeichenhaft und gleichzeitig ironiefrie. Kurz und gut: Konsequent. Und so nah an den Tugenden des klassischen Hollywoodkinos wie wenig in den letzten Jahren. Ausnahmen sind, siehe oben, in mancher Hinsicht die Actionszenen. Freilich sind auch diese stärker an den Plot und die Figurenpsychologie (absichtlich schematisch ist diese Figurenpsychologie, aber schematisch nicht aus Unvermögen, sondern als zwangsläufige Folge eines künsterischen Projekts, das hier ausnahmsweise einmal weiß, was man mit einer vernünftigen Figurenpsychologie anstellen kann, wenn man es nicht darauf anlegt, Schauspieleroskars zu erhalten) gebunden, als man dies derzeit gewohnt ist.
Der Film spielt in den späten Achtziger Jahren. Zu nahe ist diese Epoche noch, als dass sie sich widerstandslos fetischisieren ließe. We Own the Night ist kein Pastiche, kein Zitatfilm, hat aber vielleicht doch etwas mit den beiden großen Gangsterfilmen der Epoche zu tun, in der er sich selbst situiert: Carlito's Way und The Godfather: Part 3. Eine ähnliche Melancholie durchzieht den Film, eine Melancholie, die sich gleichzeitig innerhalb der Handlung breitmacht und auf das klassische Hollywoodkino bezogen zu sein scheint. Ein Kino, das bereits für Coppola und De Palma unerreichbar war. Was aber auch sie nicht daran gehindert hat, weiter Filme zu machen.
Die Achtziger Jahre in We Own the Night wollen nichts evozieren. Die Bilder, die sich kaum von denen der Gegenwart unterscheiden, trauern nicht um die Vergangenheit, eignen sich nicht zur nostalgischen Verklärung. Auch nicht zur Kritik an irgendwas. Dennoch bringen sie eine Differenz ins Spiel, in der Musik, in den Kleidern und Frisuren, die das gerade aus der Mode gekommene, aber noch nicht vom Retro-Trend wiederentdeckte, ins Bild setzen. Im Sinne Benjamins? Vielleicht auch das.
We Own the Night zeigt, wie gut das amerikanische Kino auch 2007 noch sein kann.
Stash house und Sweatshop
Das Stash house (heißt das überhaupt so? Oder hat die innerstädtische Drogenlagerungs und -weiterverarbeitungsanlage einen anderen Namen?) ist vielleicht die einzige Option des zeitgenössischen amerikanischen Kinos, von Produktion zu sprechen. Nicht umsonst wird die Stürmung einer solchen Einrichtung sowohl in James Grays We Own the Night als auch in Ridley Scotts American Gangster zum Höhepunkt des jeweiligen Films. Das Motiv des Stash houses zeigt einerseits Produktion als institutionalisierte ausbeuterische Gewalt in der denkbar radikalsten Art und Weise: Fast beziehungsweise vollkommen nackte Frauen arbeiten zwischen ekelhaten Drogenausdünstungen, wohin sie sich auch wenden werden sie bedroht von bis an die Zähne bewaffneten Männern. Die längst in Entwicklungsländer ausgelagerte (oder, was noch näher am Filmmotiv bleibt, an Immigranten delegierte) totale Ausbeutung wird auf gespenstische Weise mitten in der amerikanischen Großstadt sichtbar, der chinesische Sweatshop steht plötzlich wieder in New York und rührt direkt am Kern der amerikanischen Jugend: an deren Jugend, für die die Produktion des Stash houses gedacht ist (Freilich: Junkies sind öfter weiß in amerikanischen Filmen als in der amerikanischen Realität; Dealer seltener). Gleichzeitig ist die Produktion des Stash houses von vornherein und nichthinterfragbar illegitim und das Gebäude taucht im Film meist nur auf, um gleich wieder zerstört zu werden. Dabei ist bei weitem nicht klar, ob hier nur die Produktion als illegitime zerstört werden soll, oder die Repräsentation von Produktion insgesamt in Frage gestellt wird.
Doch damit nicht genug. In American Gangster zerstört die Polizei nicht nur eine Stätte der illegitimen Produktion. Denn das Stash house repräsentiert hier eine gesamte kulturelle Sphäre - die der urbanen Afroamerikaner. Die entsprechende Sequenz im Film hat ein sonderbar realistisches Timbre, und sticht auch deshalb aus dem Film heraus, weil das Drogenhaus eben nicht von Gangsterfilmzitaten besetzt wird, sondern von realen Menschen. Wenn die Elitetruppen das Gebäude stürmen, fällt nicht einfach nur ein Drogenring, gleichzeitig macht das weiße Amerika eine ihm zutiefst fremde Kultur platt. American Gangster ist auch deshalb ein guter Film, weil Ridley Scott genau dies nicht verschleiert, sondern offen ausstellt.
In We Own the Night ist die entsprechende Szene soziopolitisch weniger stark aufgeladen, aber deswegen kaum weniger radikal. Gray inszeniert das Stash house konsequent aus Joaquim Phoenix' Perspektive, die Stürmung führt erst zur hyperintensiven Wahrnehmung, dann zum kompletten Subjektverlust. Tasten, Stolpern und Rauschen in den Überresten der Produktion, die sich ihrer eigenen Repräsentation widersetzt.
Übersteigert und (unfreiwillig?) parodiert wird dasselbe Motiv natürlich in Bad Boys 2. Die illegitime Produktion ist nur noch Behauptung, der Film gibt sich keine Mühe, die kubanischen Slumbewohner tatsächlich beim Drogenmischen zu zeigen. Umso emphatischer sind diese dafür ganz reale Slumbewohner, die von Martin Lawrence und Will Smith im Jeep aus ihrem Alltagsleben gerissen werden. Kaputt gemacht wird hier nicht nur der Lebensentwurf einer spezifischen Bevölkerungsgruppe, sondern Kuba mit allem drum und dran.
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We Own the Night
Monday, February 18, 2008
Il momento della verita, Francesco Rosi, 1965
Von den acht Rosi-Filmen, die ich in den letzten zehn Tagen gesehen habe, war mir dieser fast der liebste: Eine knapp zweistündige Stierkampfoper in Technicolor und Cinemascope. Die Hauptrolle übernimmt mit Miguel Mateo ein echter Matador (Künstlername Miguelin). Konsequenterweise überschreitet der Film die Fiktionalisierungsstruktur des klassischen Spielfilms immer wieder in Richtung Dokumentation. Eigentlich in Richtung Profilmisches, in Richtung Realität. Denn die Stierkämpfe kann nicht der Regisseur inszenieren, zumindest nicht 1965, lange vor CGI und zumindest nicht dann, wenn sie naturalistisch aussehen sollen. Den Stierkampf muss der Matador inszenieren. Und das geht nicht mit Schuss / Gegenschuss, mit analytischer Montage. Die Basis kann keine filmische Struktur sein, sondern nur eine Stierkampfstruktur. Natürlich trifft Rosi Entscheidungen und wählt aus. Oft entscheidet er sich dafür, seinen Miguelin und den Stier in der Totalen zu zeigen, so dass auch ihre Umgebung, Miguelins verängstigte Helfer und das begeisterte Publikum, sichtbar werden.
Die grandiosen Stierkampfsequenzen in Il momento della verita lassen die Unterscheidung zwischen Fiktionalisiertem und Dokumentarischem kollabieren, die meisten Aufnahmen entstammen offensichtlich realen Stierkämpfen und deren reale Matadore sind natürlich nicht dieselben wie die fiktionalen Matadore von Rosis Film. Dennoch verschmelzen beide Matadore zumindest für die Dauer der jeweiligen Einstellung. Der Kampf Mensch gegen Tier hat (oder wahrscheinlich hatte, CGI hat da einiges verändert) einen Überschuss an Realität im Bild zu Folge: Siehe Le sang des betes, siehe Cannibal Holocaust.
Allerdings geht dieser Überschuss stets zu Lasten des Tiers. Selbstverständlich ändert sich der Film vollständig, wenn es Miguelin an den Kragen geht. Der Film-Miguel ist in dieser Stierkampfsequenz nicht mehr identisch mit dem realen Miguelin, der triumphierende Stier ist im Gegensatz zu den vielen davor real dahingeschlachteten Stieren reine Fiktion. Und besteht nur aus einigen rein funktionalen Großaufnahmen. Dieser letzte Kampf ist auch nicht mehr in eine reale Stierkampfarena eingeschrieben, Publikum und Kämpfer teilen sich zwar noch einen filmischen Raum, jedoch nicht mehr einen realen. Und in diesem Film sind beide Arten von Räumen ganz emphatisch nicht identisch, zumindest nicht a priori, sondern nur in wenigen herausgehobenen Momenten.
Il momento della verita kritisiert den Stierkampf nicht. Manchmal scheint der Film aber darüber zu trauern, dass es nie einen Stierkampfilm aus der Perspektive der Stiere geben wird.
Die grandiosen Stierkampfsequenzen in Il momento della verita lassen die Unterscheidung zwischen Fiktionalisiertem und Dokumentarischem kollabieren, die meisten Aufnahmen entstammen offensichtlich realen Stierkämpfen und deren reale Matadore sind natürlich nicht dieselben wie die fiktionalen Matadore von Rosis Film. Dennoch verschmelzen beide Matadore zumindest für die Dauer der jeweiligen Einstellung. Der Kampf Mensch gegen Tier hat (oder wahrscheinlich hatte, CGI hat da einiges verändert) einen Überschuss an Realität im Bild zu Folge: Siehe Le sang des betes, siehe Cannibal Holocaust.
Allerdings geht dieser Überschuss stets zu Lasten des Tiers. Selbstverständlich ändert sich der Film vollständig, wenn es Miguelin an den Kragen geht. Der Film-Miguel ist in dieser Stierkampfsequenz nicht mehr identisch mit dem realen Miguelin, der triumphierende Stier ist im Gegensatz zu den vielen davor real dahingeschlachteten Stieren reine Fiktion. Und besteht nur aus einigen rein funktionalen Großaufnahmen. Dieser letzte Kampf ist auch nicht mehr in eine reale Stierkampfarena eingeschrieben, Publikum und Kämpfer teilen sich zwar noch einen filmischen Raum, jedoch nicht mehr einen realen. Und in diesem Film sind beide Arten von Räumen ganz emphatisch nicht identisch, zumindest nicht a priori, sondern nur in wenigen herausgehobenen Momenten.
Il momento della verita kritisiert den Stierkampf nicht. Manchmal scheint der Film aber darüber zu trauern, dass es nie einen Stierkampfilm aus der Perspektive der Stiere geben wird.
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Saturday, February 16, 2008
Berlinale 2008: Divizionz, Yes That's Us, 2008
Schwer zu entscheidend, was bizarrer ist: Der Film oder die anschließende Diskussion. In letzterer verliert die völlig überforderte Moderatorin schnell die Kontrolle über das Geschehen, statt ihr leitet fortan ein Mitglied des Regie- und Produktionskollektivs "Yes That's Us" die Veranstaltung. Neben ihm (ein smarter junger Filmemacher, der anscheinend eigenhändig die ostafrikanische Musikvideoindustrie aus dem Boden gestampft hat und sich im Cinestar wie Malcolm X inszeniert: "To my african brothers and sisters in the audience") befinden sich noch drei weitere an Divizionz beteiligte Menschen auf der Bühne: Ein weißer Südafrikaner, der den Musikvideopionier wohl vor einigen Jahren auf dem Berlinale Talent Campus kennengelernt hat und inzwischen wohl zu Yes That's Us gehört. Dann ein vermutlicher Co-Produzent, der von einer Uganda-Jamaica Connection berichtet, die irgendetwas mit dem Begriff "Collywood" zu tun haben soll und der bereits vor Filmbeginn Divizionz als "underground guerilla filmmaking" angekündigt hatte: "tonight we will make history". Und schließlich noch Adolf. (Edit: Adolf ist Produzent des Films). Unklar bleibt überhaupt, warum gerade diese vier Personen auf der Bühne sitzen: Repräsentieren sie Yes That's Us? Oder sind es eher zufällig ausgewählte Crewmitglieder, die von der Berlinale eingeladen wurden? Klar wird jedoch eines: Yes That's Us ist zwar durchaus an die peripheren Aussenbreieche des europäischen Festivalbetriebs angeschlossen (Berlinale Talent Campus), die eigentliche Initiative geht jedoch ausschließlich von afrikanischem Boden aus und das Regiekollektiv denkt deshalb auch nicht im Traum daran, arthauskompatibles Festivalkino zu produzieren.
Noch unschärfer wird das Bild, wenn man die Diskussionsrunde auf den vorangegangenen Film rückprojiziert. Der ugandische Musikvideopionier erklärt, es sei ihm um eine Form von "social realism" gegangen, die Kamera solle das Leben in der afrikanischen Metropole so ungefiltert wie möglich einfangen. Außerdem sei Divizionz nur im innerugandischen Kontext zu begreifen, nämlich als Diskussion des Gegensatzes zwischen innenstädtischer Mittelklasse und dem Lumpenproletariat aus den Vorstädten. Beziehungsweise eben nicht nur als Beitrag zur Diskussion, sondern als direkter Eingriff in diese unterschiedlichen sozialen Sphären: Er selbst gehöre zur Mittelklasse, der Film behandele die Probleme der Unterklasse, die Filmvorführung im Heimatland habe das Potential, soziale Gegensätze zu überwinden. Ich fand den vorangegangenen Film und dessen krude Videooptik, dessen verwirrende Nebeneinander von Alltagsbeobachtungen, Exploitationkino und Musikvideoeinsprengseln in diesen Ausführungen nicht wieder. Was freilich nicht an dem Film liegt, sondern an mir. Beziehungsweise an der Distanz, die Divizionz, eines der ersten tatsächlich postkolonialen Werke des ostafrikanischen Kinos (Uganda besitzt keine Videoindustrie a la Nollywood, vielleicht ist Divizionz ein erster Gehversuch in diese Richtung), vom gesamten Restprogramm des Festivals trennt.
Noch unschärfer wird das Bild, wenn man die Diskussionsrunde auf den vorangegangenen Film rückprojiziert. Der ugandische Musikvideopionier erklärt, es sei ihm um eine Form von "social realism" gegangen, die Kamera solle das Leben in der afrikanischen Metropole so ungefiltert wie möglich einfangen. Außerdem sei Divizionz nur im innerugandischen Kontext zu begreifen, nämlich als Diskussion des Gegensatzes zwischen innenstädtischer Mittelklasse und dem Lumpenproletariat aus den Vorstädten. Beziehungsweise eben nicht nur als Beitrag zur Diskussion, sondern als direkter Eingriff in diese unterschiedlichen sozialen Sphären: Er selbst gehöre zur Mittelklasse, der Film behandele die Probleme der Unterklasse, die Filmvorführung im Heimatland habe das Potential, soziale Gegensätze zu überwinden. Ich fand den vorangegangenen Film und dessen krude Videooptik, dessen verwirrende Nebeneinander von Alltagsbeobachtungen, Exploitationkino und Musikvideoeinsprengseln in diesen Ausführungen nicht wieder. Was freilich nicht an dem Film liegt, sondern an mir. Beziehungsweise an der Distanz, die Divizionz, eines der ersten tatsächlich postkolonialen Werke des ostafrikanischen Kinos (Uganda besitzt keine Videoindustrie a la Nollywood, vielleicht ist Divizionz ein erster Gehversuch in diese Richtung), vom gesamten Restprogramm des Festivals trennt.
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Friday, February 15, 2008
Chop Shop, Ramin Bahrani, 2007
New York sieht aus wie Rio, Chop Shop transportiert Third Cinema-Vibes in die erste Welt. Weder melodramatischer Ghettokitsch noch obsessives Wühlen im Slumschlamm, aber eben auch nicht das dröge Mittelding aus beidem: Betulich-pädagogisches Besserwisserkino mit dezentem Ekelfaktor. Ramin Bahrani nimmt seinen Protagonisten voll und ganz ernst, etabliert nie eine Außenperspektive, sondern leiht dem jungen Alejandro für 87 Minuten seine gesamte Aufmerksamkeit. Das weiße Amerika existiert hier nicht. Eventuell sind einige Freier weiß, doch für deren Gesichter interessiert sich niemand in der Welt von Chop Shop.
Die Filmsprache ist zugegebenermaßen konventioneller als in Bahranis tollem, vielleicht noch tollerem Vorgängerfilm Man Push Cart. Weniger elegisch, weniger flächig, weniger Bresson, mehr Bewegung, mehr Öffnung auf die Stadt. Dennoch finden sich wieder kunstvolle Inszenierungen, die Alejandro aus der Crowd an der U-Bahn-Haltestelle lösen, ihn isolieren, während er Autofahrern Eratzspiegel andrehen möchte. Die Kamera macht zwar vieles ähnlich wie die von Innaritu, aber sie weiß eben immer genau Bescheid, warum und wozu sie dies tut. Chop Shop ist (in mancher Hinsicht) konventionell und Chop Shop ist (emphatisch) sozialrealistisch. Aber Chop Shop ist eben nicht konventionell sozialrealistisch. Wieder geht es, wie in Man Push Cart, darum, ein Fahrzeug in Besitz zu bringen, wieder ist das Scheitern des Versuchs nicht die Moral von der Geschichte, sondern nur ein Aspekt der conditio humana im Ghetto. Bahrani möchte nicht lügen und dass er es auch in einem Film nicht tut, der so ähnlich ausschaut wie zahllose Lügenfilme der letzten jahre, ehrt ihn umso mehr.
Chop Shop ist subtil auf gute Art. Subtilität heißt hier nicht Kryptik oder Verleugnung sozialer Realität via Ästhetisierung, sondern Respekt vor dem vorgefundenen Material, nicht zuletzt vor den Schauspielern. Alejandros Schwester muss sich zwar prostituieren, aber die schnellen Blowjobs in LKWs machen aus ihr keine Cracknutte. Und Alejandro wird nicht zu ihrem Rächer.
Wenn es im amerikanischen Kino einen neuen Neorealismus geben kann, dann sieht er aus wie Chop Shop und wie Man Push Cart. Dass Bahrani immer noch höchstens ein director to watch ist und in punkto Breitenwirkung noch weit entfernt von der Miramax-Liga, ist ein Skandal und beweist wieder einmal, in was für einem ärgerlichen Zustand sich der amerikanische Indiefilm befindet. Außerdem beweist Chop Shop, dass die Schuld an diesem Zustand eben doch hauptsächlich das System trägt und ehen nicht die Filme selbst beziehungsweise eine abstrakte Nichtrepräsentierbarkeit von irgendwas. Denn in Chop Shop steckt sehr viel von Amerika. Mehr wahrscheinlich als im Gesamtwerk P.T. Andersons.
Die Filmsprache ist zugegebenermaßen konventioneller als in Bahranis tollem, vielleicht noch tollerem Vorgängerfilm Man Push Cart. Weniger elegisch, weniger flächig, weniger Bresson, mehr Bewegung, mehr Öffnung auf die Stadt. Dennoch finden sich wieder kunstvolle Inszenierungen, die Alejandro aus der Crowd an der U-Bahn-Haltestelle lösen, ihn isolieren, während er Autofahrern Eratzspiegel andrehen möchte. Die Kamera macht zwar vieles ähnlich wie die von Innaritu, aber sie weiß eben immer genau Bescheid, warum und wozu sie dies tut. Chop Shop ist (in mancher Hinsicht) konventionell und Chop Shop ist (emphatisch) sozialrealistisch. Aber Chop Shop ist eben nicht konventionell sozialrealistisch. Wieder geht es, wie in Man Push Cart, darum, ein Fahrzeug in Besitz zu bringen, wieder ist das Scheitern des Versuchs nicht die Moral von der Geschichte, sondern nur ein Aspekt der conditio humana im Ghetto. Bahrani möchte nicht lügen und dass er es auch in einem Film nicht tut, der so ähnlich ausschaut wie zahllose Lügenfilme der letzten jahre, ehrt ihn umso mehr.
Chop Shop ist subtil auf gute Art. Subtilität heißt hier nicht Kryptik oder Verleugnung sozialer Realität via Ästhetisierung, sondern Respekt vor dem vorgefundenen Material, nicht zuletzt vor den Schauspielern. Alejandros Schwester muss sich zwar prostituieren, aber die schnellen Blowjobs in LKWs machen aus ihr keine Cracknutte. Und Alejandro wird nicht zu ihrem Rächer.
Wenn es im amerikanischen Kino einen neuen Neorealismus geben kann, dann sieht er aus wie Chop Shop und wie Man Push Cart. Dass Bahrani immer noch höchstens ein director to watch ist und in punkto Breitenwirkung noch weit entfernt von der Miramax-Liga, ist ein Skandal und beweist wieder einmal, in was für einem ärgerlichen Zustand sich der amerikanische Indiefilm befindet. Außerdem beweist Chop Shop, dass die Schuld an diesem Zustand eben doch hauptsächlich das System trägt und ehen nicht die Filme selbst beziehungsweise eine abstrakte Nichtrepräsentierbarkeit von irgendwas. Denn in Chop Shop steckt sehr viel von Amerika. Mehr wahrscheinlich als im Gesamtwerk P.T. Andersons.
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Thursday, February 14, 2008
Berlinale 2008: Uomini contro, Francesco Rosi, 1970
General Leone schickt eine Gruppe von Soldaten in seltsamen Metallürstungen in Richtung gegnerische Front. In der Hand tragen sie Scheren, mit welcher sie Stacheldrahtbarrieren durchtrennen sollen. Wie Ritter aus Monty-Phyton Filmen sehen die italienischen Soldaten aus, oder wie Roboter aus 50er Jahre Science-Fiction-Trash. Im ersten Weltkrieg, in welchem diese Szene spielt, sind sie auf jeden Fall fehl am Platz und werden von den österreichischen Maschinengewehren humorlos niedergemäht.
Uomini contro, obwohl ein sehr interessantes Werk, gehört wahrscheinlich nicht zu den allerbesten Arbeiten Rosis. Zu sehr verpflichtet sich der Film den Genreregeln des Kriegsfilms, als dass ihm so tiefgreifende Machtanalysen und Gesellschaftspanoramen gelingen könnten, wie ich sie in den letzten Tagen in Lucky Luciano und Le mani sulla citta bewunderte und wie sie Ekkehard hier beschreibt. Uomini contro scheint auf eine eher klassisch allegorische Lesart abzuzielen (für eine klassisch marxistische Interpretation siehe den recht seltsamen deutschen Wikipedia-Eintrag zum Film): Die Post-68 Depression der italienischen Linken spiegelt sich in den verzweifelten Versuchen einzelner Offiziere, Widerstand gegen Leone zu organisieren.
Der genuine Sozialrevolutionär scheitert früh und mit ihm der Versuch eines direkten, nicht vermittelten Angriffs auf den General. Offizier Sassu, ein deutlich weniger ambitionierter Widerständler, hegt keine gesamtgesellschaftlichen Ambitionen und möchte Leone nicht eigenhändig, sondern mithilfe von List und den hilfreichen Österreichern beseitigen. Spontane revolutionäre Gesten lehnt der intellektuelle Sassu als unproduktiv und unrealistisch ab und probt mit seinen Kameraden statt dessen das richtige Leben im falschen. Unter anderem: Rotwein. Kann natürlich nicht gutgehen, klar.
Interessanter als die allzu schematische Politallegorie sind Nebenlinien: Unter ihnen vor allem die ideologische Spaltung der Führungsriege: Auf der einen Seite der traditionalistische Leone, ein Rassist und Nationalist der alten Schule, voller Pathos und Glaube an die feinen Unterschiede. Auf der anderen Seite ein durchgeknallter aber effektiver Faschist, ein Mann der neuen Zeit, für den Hierarchie nicht ein fein austariertes System geringfügiger Abweichungen darstellt, sondern ausschließlich den simplen Unterschied zwischen Herrscher und Untermensch sicherzustellen hat.
Zu untersuchen wäre ferner die Rolle des Zooms bei Rosi: Alle drei Filme, die ich bislang gesehen haben, setzen diese Technik vehement ein, Le mani sulla citta noch am wenigsten, Lucky Luciano am intensivsten. Der verwirrendste Zoom in Uomini contro findet sich in der letzten Einstellung, wobei mir unklar bleibt, ob die Verwirrung auf den Film selbst, oder nur auf die Aufführungskopie zurückzuführen ist: Zu sehen ist eine gewaltige Stein / Lehmmauer, irgendwann beginnt ein schneller Zoom auf die Mauer hin. Nach wenigen Sekunden und mitten im Zoom, der auf nichts bestimmtes hinaus will und die Mauer bereits in eine abstrakte bräunlich-graue Fläche verwandelt hat, wird die Leinwand scharz. Der Film ist zu ende.
Uomini contro, obwohl ein sehr interessantes Werk, gehört wahrscheinlich nicht zu den allerbesten Arbeiten Rosis. Zu sehr verpflichtet sich der Film den Genreregeln des Kriegsfilms, als dass ihm so tiefgreifende Machtanalysen und Gesellschaftspanoramen gelingen könnten, wie ich sie in den letzten Tagen in Lucky Luciano und Le mani sulla citta bewunderte und wie sie Ekkehard hier beschreibt. Uomini contro scheint auf eine eher klassisch allegorische Lesart abzuzielen (für eine klassisch marxistische Interpretation siehe den recht seltsamen deutschen Wikipedia-Eintrag zum Film): Die Post-68 Depression der italienischen Linken spiegelt sich in den verzweifelten Versuchen einzelner Offiziere, Widerstand gegen Leone zu organisieren.
Der genuine Sozialrevolutionär scheitert früh und mit ihm der Versuch eines direkten, nicht vermittelten Angriffs auf den General. Offizier Sassu, ein deutlich weniger ambitionierter Widerständler, hegt keine gesamtgesellschaftlichen Ambitionen und möchte Leone nicht eigenhändig, sondern mithilfe von List und den hilfreichen Österreichern beseitigen. Spontane revolutionäre Gesten lehnt der intellektuelle Sassu als unproduktiv und unrealistisch ab und probt mit seinen Kameraden statt dessen das richtige Leben im falschen. Unter anderem: Rotwein. Kann natürlich nicht gutgehen, klar.
Interessanter als die allzu schematische Politallegorie sind Nebenlinien: Unter ihnen vor allem die ideologische Spaltung der Führungsriege: Auf der einen Seite der traditionalistische Leone, ein Rassist und Nationalist der alten Schule, voller Pathos und Glaube an die feinen Unterschiede. Auf der anderen Seite ein durchgeknallter aber effektiver Faschist, ein Mann der neuen Zeit, für den Hierarchie nicht ein fein austariertes System geringfügiger Abweichungen darstellt, sondern ausschließlich den simplen Unterschied zwischen Herrscher und Untermensch sicherzustellen hat.
Zu untersuchen wäre ferner die Rolle des Zooms bei Rosi: Alle drei Filme, die ich bislang gesehen haben, setzen diese Technik vehement ein, Le mani sulla citta noch am wenigsten, Lucky Luciano am intensivsten. Der verwirrendste Zoom in Uomini contro findet sich in der letzten Einstellung, wobei mir unklar bleibt, ob die Verwirrung auf den Film selbst, oder nur auf die Aufführungskopie zurückzuführen ist: Zu sehen ist eine gewaltige Stein / Lehmmauer, irgendwann beginnt ein schneller Zoom auf die Mauer hin. Nach wenigen Sekunden und mitten im Zoom, der auf nichts bestimmtes hinaus will und die Mauer bereits in eine abstrakte bräunlich-graue Fläche verwandelt hat, wird die Leinwand scharz. Der Film ist zu ende.
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Wednesday, February 13, 2008
Berlinale 2008: Man jeuk / The Sparrow, Johnny To, 2008
The Sparrow ist reines Bewegungskino: Der Plot ist kein Plot im Sinne von ausformulierten Charakteren mit in der sozialen Wirklichkeit verankerten Zielen und ihren Schwierigkeiten, diese zu beseitigen, sondern eine abstrakte Figurenkonstellation, die von To mal auf die eine, mal auf die andere Art verknüpft und kurz angestoßen wird: Hier ein Windhauch, der den Luftballon in die falsche Richtung weht (die beste Luftballonszene findet allerdings innerhalb eines Fahrstuhls statt), da ein als Frau gekleideter Gangster, der Simon Yam in die falsche Gasse lockt: Eine Bewegungskaskade bringt die nächste hervor, alle zehn Minuten werden die Karten neu gemischt: Nächste Versuchsanordnung, diesmal alle mit Verband.
Leicht komödiantisch und stark fetischisiert kommt alles daher, was To in The Sparrow präsentiert. Doch selbst die Frau-mit-Zigarette Nummer im Cabrio samt Weichzeichner und Lippenstiftspuren auf der Zigarette (ein Film gegen das Rauchverbot, genau wie Hong Sang-soos neues Masterpiece Night and Day) ist nicht aufdringlich. Vor allem der jazzige, beschwingte Soundtrack verhindert ein allzu rührseliges Schwelgen im Melokitschzitat des klassischen Hollywood-, beziehungsweise Frühneunziger-Hongkongkinos. In The Sparrow ersetzt Musik Sprache, Rhythmus wird Ausdruck. Der Film ist über weite Strecken dialogfrei, Sprache ist wenn überhaupt comic relief, die Bilder selbst könnten fast vollständig auf sie verzichten.
The Sparrow ist Johnny To at his most formalistic. Quasiabstraktes Kino in Hochglanzbildern und in einer echten Stadt, die wieder mal so eindeutig und unverkennbar Hongkong ist, wie nicht einmal New York in New-York-Filmen New York ist. Um so verwunderlicher bei aller Abstraktion und scheinbarer Selbstgenügsamkeit, dass der Mac Guffin kein Mac Guffin ist, sondern ein ganz realer Reisepass, der über Lebensglück oder -elend einer ganz realen Frau entscheidet, die von einem ganz realen dirty old man ausgebeutet wird.
Natürlich ist The Sparrow, ein im Kontext von Tos Gesamtwerk eher kleiner, im Kontext der Berlinale jedoch fast übermenschlich großer Streifen, dadurch noch lange kein politischer Film (im Sinne von Rosis Lucky Luciano meinetwegen). Aber er ist eben auch kein "politischer Film". Und hat deshalb nicht die geringste Chance auf den goldenen Bären (noch geringfügig weniger sogar als der beste neue Film des Festivals, Hong Sang-soos oben erwähnter Night and Day).
Leicht komödiantisch und stark fetischisiert kommt alles daher, was To in The Sparrow präsentiert. Doch selbst die Frau-mit-Zigarette Nummer im Cabrio samt Weichzeichner und Lippenstiftspuren auf der Zigarette (ein Film gegen das Rauchverbot, genau wie Hong Sang-soos neues Masterpiece Night and Day) ist nicht aufdringlich. Vor allem der jazzige, beschwingte Soundtrack verhindert ein allzu rührseliges Schwelgen im Melokitschzitat des klassischen Hollywood-, beziehungsweise Frühneunziger-Hongkongkinos. In The Sparrow ersetzt Musik Sprache, Rhythmus wird Ausdruck. Der Film ist über weite Strecken dialogfrei, Sprache ist wenn überhaupt comic relief, die Bilder selbst könnten fast vollständig auf sie verzichten.
The Sparrow ist Johnny To at his most formalistic. Quasiabstraktes Kino in Hochglanzbildern und in einer echten Stadt, die wieder mal so eindeutig und unverkennbar Hongkong ist, wie nicht einmal New York in New-York-Filmen New York ist. Um so verwunderlicher bei aller Abstraktion und scheinbarer Selbstgenügsamkeit, dass der Mac Guffin kein Mac Guffin ist, sondern ein ganz realer Reisepass, der über Lebensglück oder -elend einer ganz realen Frau entscheidet, die von einem ganz realen dirty old man ausgebeutet wird.
Natürlich ist The Sparrow, ein im Kontext von Tos Gesamtwerk eher kleiner, im Kontext der Berlinale jedoch fast übermenschlich großer Streifen, dadurch noch lange kein politischer Film (im Sinne von Rosis Lucky Luciano meinetwegen). Aber er ist eben auch kein "politischer Film". Und hat deshalb nicht die geringste Chance auf den goldenen Bären (noch geringfügig weniger sogar als der beste neue Film des Festivals, Hong Sang-soos oben erwähnter Night and Day).
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Tuesday, February 12, 2008
Subida al cielo / Ascent to Heaven, Luis Bunuel, 1952
Ein chaotischer, wunderbarer Film von Bunuel. Gleichermaßen weit entfernt vom avantgardistischen Früh- wie vom aufwändig produzierten Spätwerk, ein kleiner Film mitten im populären Kino. Die Autorenambition scheint am Rande durch, in kleinen Details, zu surrealistischen Höhen schwingt Bunuel sich nur einmal, anlässlich einer Traumsequenz, auf.
Ansonsten herrscht kreatives Chaos. Mit Betonung auf Chaos: Vom exotischen Dokudrama, welches der einführende Off-Kommentar verspricht, ist weit und breit keine Spur. Auch das noirige Familienmelo der ersten Viertelstunde verläuft bald im Nichts, beziehungsweise in einer Busfahrt.
Diese macht den Hauptteil des Films aus. Eine Horde wild zusammengewürfelter Gestalten fährt in einem klapprigen Gefährt durch Mexiko. Wer warum wohin will, ist von Anfang an mehr als unklar. Und so verwundert es nicht, dass so gut wie niemand irgendwo ankommt. Nicht einmal der Busfahrer. Der lädt statt dessen seine gesamten Fahrgäste auf die Geburtstagsfeier seiner Mutter ein. Außerdem mit von der Partie: Eine Femme Fatale, die die frisch verheiratete Hauptfigur verführt (was auch niemand wirklich stört, der Held runzelt ein paarmal gequält die Stirn beim Geanken an seine Untreue, als er am Ende wieder nach hause kommt, fällt er dennoch sofort seiner Frau in die Arme), ein wahrscheinlich korrupter und noch wahrscheinlicher reaktionärer Politiker, der einen Traktor mit vorgehaltener Waffe entführt, ein Mann mit Holzbein, über den sich alle lustig machen, als dieses im Schlamm stecken bleibt, Kinder, die über das Holzbein stolpern, Schafe, die über die Kinder stolpern, eine Gruppe Touristen, die eine authentische Siesta erleben möchten und natürlich sofort zu Objekten der Begierde der Femme Fatale werden.
Noch jede Idee bleibt auf halbem Weg stecken, die Abenteuerfilmelemente (Blitz und Donner während der Busfahrt) meint Bunuel noch weniger ernst als alles andere. Doch all die kleinen, nicht auch nur halbwegs ausformulierten Ideen ergeben in ihrer Gesamtheit durchaus einen großen Film.
Ansonsten herrscht kreatives Chaos. Mit Betonung auf Chaos: Vom exotischen Dokudrama, welches der einführende Off-Kommentar verspricht, ist weit und breit keine Spur. Auch das noirige Familienmelo der ersten Viertelstunde verläuft bald im Nichts, beziehungsweise in einer Busfahrt.
Diese macht den Hauptteil des Films aus. Eine Horde wild zusammengewürfelter Gestalten fährt in einem klapprigen Gefährt durch Mexiko. Wer warum wohin will, ist von Anfang an mehr als unklar. Und so verwundert es nicht, dass so gut wie niemand irgendwo ankommt. Nicht einmal der Busfahrer. Der lädt statt dessen seine gesamten Fahrgäste auf die Geburtstagsfeier seiner Mutter ein. Außerdem mit von der Partie: Eine Femme Fatale, die die frisch verheiratete Hauptfigur verführt (was auch niemand wirklich stört, der Held runzelt ein paarmal gequält die Stirn beim Geanken an seine Untreue, als er am Ende wieder nach hause kommt, fällt er dennoch sofort seiner Frau in die Arme), ein wahrscheinlich korrupter und noch wahrscheinlicher reaktionärer Politiker, der einen Traktor mit vorgehaltener Waffe entführt, ein Mann mit Holzbein, über den sich alle lustig machen, als dieses im Schlamm stecken bleibt, Kinder, die über das Holzbein stolpern, Schafe, die über die Kinder stolpern, eine Gruppe Touristen, die eine authentische Siesta erleben möchten und natürlich sofort zu Objekten der Begierde der Femme Fatale werden.
Noch jede Idee bleibt auf halbem Weg stecken, die Abenteuerfilmelemente (Blitz und Donner während der Busfahrt) meint Bunuel noch weniger ernst als alles andere. Doch all die kleinen, nicht auch nur halbwegs ausformulierten Ideen ergeben in ihrer Gesamtheit durchaus einen großen Film.
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Monday, February 11, 2008
Nacht vor Augen, Brigitte Bertele, 2008
Viel geredet wird über die Schwäche des deutschen Kinos auf der Berlinale 2008. Vielleicht nicht zu Unrecht: Wenn sogar das ansonsten in diesem Bereich geschmackssichere Forum als einzigen deutschen Spielfilm Nacht vor Augen auswählt, kann der 2008er Jahrgang kein guter sein.
Hanno Koffler spielt David. David war in Afghanistan. Jetzt ist er traumatisiert, weil dort etwas mit einem kleinen Jungen passiert ist. Der Film weiß nicht genau, ob er uns zeigen möchte, was. Und vor allem nicht, wie er das zeigen möchte, von dem er noch nicht mal weiß, ob er es überhaupt zeigen möchte. Einerseits möchte Nacht vor Augen lieber ernsthafte Psychotherapie betreiben. das heißt: Traumakrankheitsbilder medizinisch korrekt entwickeln. Andererseits sehen flashige Alptraumsequenzen aber doch zu sexy aus, als dass man darauf verzichten mag.
Hölzern kommt Berteles Film daher. Schuld daran ist weniger Kofler, als was um ihn herum geschieht und konstruiert wird. Davids Psychosen sind teilweise nett anzusehen, vor allem, wenn sie sich gegen seinen kleinen, doofen Bruder Benny richten. Schlimm wird es eigentlich nur dann, wenn die Gründe für sein Verhalten seziert werden. Sonst könnte er als ein Held der Berliner Schule durchgehen. Vom Held aus Bungalow unterscheidet ihn zuallererst, dass er Gründe hat. Beziehungsweise, dass der Film behauptet, sie zu kennen. Und auch darstellen zu können. Da fängt das ganze Unheil an.
Hanno Koffler spielt David. David war in Afghanistan. Jetzt ist er traumatisiert, weil dort etwas mit einem kleinen Jungen passiert ist. Der Film weiß nicht genau, ob er uns zeigen möchte, was. Und vor allem nicht, wie er das zeigen möchte, von dem er noch nicht mal weiß, ob er es überhaupt zeigen möchte. Einerseits möchte Nacht vor Augen lieber ernsthafte Psychotherapie betreiben. das heißt: Traumakrankheitsbilder medizinisch korrekt entwickeln. Andererseits sehen flashige Alptraumsequenzen aber doch zu sexy aus, als dass man darauf verzichten mag.
Hölzern kommt Berteles Film daher. Schuld daran ist weniger Kofler, als was um ihn herum geschieht und konstruiert wird. Davids Psychosen sind teilweise nett anzusehen, vor allem, wenn sie sich gegen seinen kleinen, doofen Bruder Benny richten. Schlimm wird es eigentlich nur dann, wenn die Gründe für sein Verhalten seziert werden. Sonst könnte er als ein Held der Berliner Schule durchgehen. Vom Held aus Bungalow unterscheidet ihn zuallererst, dass er Gründe hat. Beziehungsweise, dass der Film behauptet, sie zu kennen. Und auch darstellen zu können. Da fängt das ganze Unheil an.
Godfrey Ho: Filmographie 1987
Ninja: American Warrior (1987) (as Tommy Cheung)
Angel's Blood Mission (1987) (as Benny Ho)
Cobra vs. Ninja (1987) (uncredited) ... aka Cobra Against Ninja (Hong Kong: English title)
Death Code: Ninja (1987) (as Tommy Cheung)
Empire of the Spiritual Ninja (1987) (as Bruce Lambert)
Hands of Death (1987) ... aka Royal Warriors (International: English title)
Hitman the Cobra (1987)
Ninja and the Warriors of Fire (1987) (as Bruce Lambert) ... aka Ninja 8: Warriors of Fire (USA)
Ninja Avengers (1987)
Ninja Commandments (1987) (uncredited)
Ninja Death Squad (1987) (as Tommy Cheung)
Ninja Extreme Weapons (1987) (as Felix Tong)
Ninja in Action (1987) (as Tommy Cheung)
Ninja Kill (1987) (uncredited)
Ninja Operation: Licensed to Terminate (1987) (uncredited) ... aka Ninja Operation: Licensed to Terminate (UK)
Ninja Phantom Heroes (1987) (as Bruce Lambert)
The Ninja Showdown (1987) (uncredited)
Ninja: Silent Assassin (1987) ... aka Knight & Warrior (UK: video title) ... aka Ninja Operation: Knight & Warrior
Zombie vs. Ninja (1987) (as Charles Lee) ... aka Zodiac America: The Super Master (Hong Kong: English title) ... aka Zombie Revival: Ninja Master ... aka Zombie Rivals (UK: DVD box title)
Quelle: imdb
Angel's Blood Mission (1987) (as Benny Ho)
Cobra vs. Ninja (1987) (uncredited) ... aka Cobra Against Ninja (Hong Kong: English title)
Death Code: Ninja (1987) (as Tommy Cheung)
Empire of the Spiritual Ninja (1987) (as Bruce Lambert)
Hands of Death (1987) ... aka Royal Warriors (International: English title)
Hitman the Cobra (1987)
Ninja and the Warriors of Fire (1987) (as Bruce Lambert) ... aka Ninja 8: Warriors of Fire (USA)
Ninja Avengers (1987)
Ninja Commandments (1987) (uncredited)
Ninja Death Squad (1987) (as Tommy Cheung)
Ninja Extreme Weapons (1987) (as Felix Tong)
Ninja in Action (1987) (as Tommy Cheung)
Ninja Kill (1987) (uncredited)
Ninja Operation: Licensed to Terminate (1987) (uncredited) ... aka Ninja Operation: Licensed to Terminate (UK)
Ninja Phantom Heroes (1987) (as Bruce Lambert)
The Ninja Showdown (1987) (uncredited)
Ninja: Silent Assassin (1987) ... aka Knight & Warrior (UK: video title) ... aka Ninja Operation: Knight & Warrior
Zombie vs. Ninja (1987) (as Charles Lee) ... aka Zodiac America: The Super Master (Hong Kong: English title) ... aka Zombie Revival: Ninja Master ... aka Zombie Rivals (UK: DVD box title)
Quelle: imdb
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Berlinale 2008: Panasiatisches Kunstkino
Zou you /In Love We Trust, Wang Xiao Shuai, 2008
Wonderful Town, Aditya Assarat, 2008
Sweet Food City, Gao Wendong, 2008
Die Kamera bewegt sich selten, die Einstellungen sind lang, wenn Musik, dann Klaviermusik, erzählt wird tendenziell weniger als anderswo.
Die Vorbilder sind deutlich erkennbar: Hou Hsiao-hsien für Zou you (aber nur stilistisch, seine Geschichte rollt Wang Xiao Shuai ohne die Houschen Aussetzer und Ellipsen ab), Wong Kar Wai für Wonderful Town, Tsai Ming Liang für Sweet Food City. Innerhalb des (süd)ostasiatischen Kunstfilms haben sich verschiedene Archetypen herausgebildet, die endlos variiert werden können.
Zou You ist ein Wettbewerbsfilm. Und zwar nicht nur, weil er im Wettbewerb läuft, weil Kosslick ihn während seiner äußerst tiefschürfenden Recherchen im Bereich des asiatischen Autorenfilms ausfindig gemacht hat. Nein, Zou you wurde von Anfang an für diesen Wettbewerb geschrieben und gedreht. Oder wenn nicht für diesen, dann für den in Locarno oder San Sebastian (für Venedig oder Cannes ist er denn doch zu schlecht). Klar, das gilt prinzipiell für viele, wenn nicht gar für alle Filme des Programms: Der Festivalbetrieb wählt seine Filme nicht aus einem außerhalb seiner selbst existierenden Filmmarkt, sondern produziert diesen selbst, teils direkt, teils und weitaus effektiver indirekt. Dennoch addressiert Zou you die Programmkommission als anvisiertes Publikum noch deutlicher als die meisten anderen Wettbewerbsfilme der letzten Jahre, die ich gesehen habe. Pitch: World Cinema light. In diesem Fall wie bereits angedeutet und wie Wang Xiao Shuai es bereits mit Drifters einstudiert hat: Hou Hsiao-hsien light. Die Bilder sind streng komponiert, teilweise schön in die Tiefe gestaffelt, Kamerabewegungen werden spärlich, dann aber effizient eingesetzt. Freilich: In den dramatischen Momenten gibt's dann trotzdem Schuss/Gegenschuss.
Narrativ betrachtet ist Zou you leicht formalisierter Arthausproblemsozialkitsch: Wörtlich übersetzt heißt "Zou you" "Rechts Links", eine Familie rechts, eine links, das Mädchen, um dessen Krankheit es geht, hat ein Zöpfchen rechts, eines links, ein biologisches Elternteil in der rechten, eines in der linken Familie, aus medizinischen Gründen sollen sich die beiden noch einmal sexuell vereinigen (zwecks Erzeugung eines Stammzellenliefernates für das Zopfmädchen), das führt zu Ehekrach rechts und Ehekrach links, vor allem nachdem die künstliche Befruchtung scheitert. Zwischendrin erklärt eine Figur der anderen die chinesische Zweikindpolitik. Die weiß natürlich bereits Bescheid also erklärt eigentlich eine Figur dem Publikum die chinesische Zweikindpolitik. Noch genauer: Der Film erklärt der Programmkommision, dass er irgendwie auch politisch ist. Hou Hsiao-hsien würde einen solchen Stoff natürlich nie anfassen, bei Alain Resnais wäre daraus ein Masterpiece geworden. Bei Wang Xiao Shuai erfüllt sich der Zweck des Films mit der Einladung zum Berlinalewettbewerb und werweiß dem Preis irgendeiner ökumenischen Jury. Mehr gibt es für einen solchen Film nicht zu hoffen, mehr verlangt er auch nicht.
Wonderful Town hat es nur ins Forum geschafft. Wahrscheinlich, weil es sich um einen Debutfilm handelt. Auch Aditya Assarat hält sich an die Regeln. Und zwar an die von Wong Kar Wai. Beziehungsweise an die von Christopher Doyle. Langsam schwebende Kamerafahrten, liebliche Farbtöne, dünne Mädchen, die neben flatternden Vorhängen auf dem Bett liegen. Irgendwo ist ein Geisterhaus, das macht kurz Hoffnung, spielt dann aber keine große Rolle. Statt dessen bittersüße Liebesgeschichte, bittersüße Liebesgeschichtebilder, bittersüße Liebesgeschichtebilderbegleitmusik.
Technisch ist das sehr ansehnlich und da die Narration wie bei Wong Kar Wai nicht allzu aufdringlich ist, gefällt Wonderful Town besser als Zou you. Schön ist eine Sequenz, in der die lokalen Dorfprolls die Liebenden während einer Autofahrt traktieren. Die Kamera schwebt mit dem fahrenden Auto und teilt die Verunsicherung dessen Insassen. Schön ist auch das brutale Finale, welches dann doch nicht mehr ganz im Genre aufgeht. Das letzte Bild ist dann wieder Kinopoesie der schrecklicheren Art: Zwei rosa gekleidete Kinderballerinas tanzen auf einer Steinmauer.
Auch Sweet Food City läuft im Forum. Im Gegensatz zu Wonderful Town kann ein solcher Film auch nur dort laufen. Gefühlte 10 Minuten dauert eine starre Einstellung, die im Vordergrund einen Müllsammler zeigt, der im auf der Straße liegenden Abfall wühlt. Narrativ von Interesse ist eine andere Figur, im Hintergrund. Erst sitzt sie ein paar Minuten schweigend auf einer Treppe, dann führt sie ein kurzes Telefongespräch, das so gut wie keine Informationen bietet, dann bleibt sie noch ein wenig sitzen, schließlich steht sie auf und geht. Die Einstellung ist jedoch erst zu Ende, nachdem der Müllsammler das Bild verlassen hat.
Sweet Food City ist ein guter Film und orientiert sich an Tsai Ming Liang, an seiner Art, Bilder zu komponieren, wie auch an seinem Erzählstil, an einer narrativen Logik, die auf die Fähigkeit des Publikums setzt, Lücken selbstständig zu füllen. World Cinema heavy. Dabei deutlich stärker als Tsai Ming Liang Realismusdiskursen verhaftet. Sweet Food City ist nicht emphatisches nothing happens. Zumindest nicht nur. Meist gibt es in den szenischen Panoramen der vor sich hin gammelnden Stadt Interessantes zu beobachten. Das soziale Leben im Zustand seines Verfalls, denkbar weit entfernt von Jia Zhang-kes im Vergleich vitalistischen Gewusel in Still Life. Architektur im Zustand ihres Zerfalls, die Häuser brechen auf, die Kamera entfernt sich und betrachtet sie von weitem. Auf mehreren Etagen dieser Ruinen organisiert eine Art Ersatzleben, ganz ähnliche Bilder findet Sweet Food City hier wie Rithy Panhs Les artistes du Theatre Brule.
Dazwischen entwickelt sich irgendwo eine Geschichte. Erst fast gar nicht, nicht einmal deren Exposition kommt weiter als zur Klärung, dass eine Figur der Onkel einer anderen ist und eine Dritte wohl als Prostituierte arbeitet. Wenn die Geschichte dann in Schwung kommt, tut sie das zwischen den Bildern und zwar so schnell, dass die Bilder selbst gar nicht mehr hinterherkommen und das auch schnell wieder aufgeben. Dann schauen die Figuren lieber Filme von Bergman, Antonioni und Edward Yang. Dazwischen auch mal Hongkong-Trash. Gewidmet ist der Film aber natürlich nicht Godfrey Ho, sondern Antonioni, Bergman und Yang. Das sorgt für Erheiterung im Publikum. Warum eigentlich?
Wonderful Town, Aditya Assarat, 2008
Sweet Food City, Gao Wendong, 2008
Die Kamera bewegt sich selten, die Einstellungen sind lang, wenn Musik, dann Klaviermusik, erzählt wird tendenziell weniger als anderswo.
Die Vorbilder sind deutlich erkennbar: Hou Hsiao-hsien für Zou you (aber nur stilistisch, seine Geschichte rollt Wang Xiao Shuai ohne die Houschen Aussetzer und Ellipsen ab), Wong Kar Wai für Wonderful Town, Tsai Ming Liang für Sweet Food City. Innerhalb des (süd)ostasiatischen Kunstfilms haben sich verschiedene Archetypen herausgebildet, die endlos variiert werden können.
Zou You ist ein Wettbewerbsfilm. Und zwar nicht nur, weil er im Wettbewerb läuft, weil Kosslick ihn während seiner äußerst tiefschürfenden Recherchen im Bereich des asiatischen Autorenfilms ausfindig gemacht hat. Nein, Zou you wurde von Anfang an für diesen Wettbewerb geschrieben und gedreht. Oder wenn nicht für diesen, dann für den in Locarno oder San Sebastian (für Venedig oder Cannes ist er denn doch zu schlecht). Klar, das gilt prinzipiell für viele, wenn nicht gar für alle Filme des Programms: Der Festivalbetrieb wählt seine Filme nicht aus einem außerhalb seiner selbst existierenden Filmmarkt, sondern produziert diesen selbst, teils direkt, teils und weitaus effektiver indirekt. Dennoch addressiert Zou you die Programmkommission als anvisiertes Publikum noch deutlicher als die meisten anderen Wettbewerbsfilme der letzten Jahre, die ich gesehen habe. Pitch: World Cinema light. In diesem Fall wie bereits angedeutet und wie Wang Xiao Shuai es bereits mit Drifters einstudiert hat: Hou Hsiao-hsien light. Die Bilder sind streng komponiert, teilweise schön in die Tiefe gestaffelt, Kamerabewegungen werden spärlich, dann aber effizient eingesetzt. Freilich: In den dramatischen Momenten gibt's dann trotzdem Schuss/Gegenschuss.
Narrativ betrachtet ist Zou you leicht formalisierter Arthausproblemsozialkitsch: Wörtlich übersetzt heißt "Zou you" "Rechts Links", eine Familie rechts, eine links, das Mädchen, um dessen Krankheit es geht, hat ein Zöpfchen rechts, eines links, ein biologisches Elternteil in der rechten, eines in der linken Familie, aus medizinischen Gründen sollen sich die beiden noch einmal sexuell vereinigen (zwecks Erzeugung eines Stammzellenliefernates für das Zopfmädchen), das führt zu Ehekrach rechts und Ehekrach links, vor allem nachdem die künstliche Befruchtung scheitert. Zwischendrin erklärt eine Figur der anderen die chinesische Zweikindpolitik. Die weiß natürlich bereits Bescheid also erklärt eigentlich eine Figur dem Publikum die chinesische Zweikindpolitik. Noch genauer: Der Film erklärt der Programmkommision, dass er irgendwie auch politisch ist. Hou Hsiao-hsien würde einen solchen Stoff natürlich nie anfassen, bei Alain Resnais wäre daraus ein Masterpiece geworden. Bei Wang Xiao Shuai erfüllt sich der Zweck des Films mit der Einladung zum Berlinalewettbewerb und werweiß dem Preis irgendeiner ökumenischen Jury. Mehr gibt es für einen solchen Film nicht zu hoffen, mehr verlangt er auch nicht.
Wonderful Town hat es nur ins Forum geschafft. Wahrscheinlich, weil es sich um einen Debutfilm handelt. Auch Aditya Assarat hält sich an die Regeln. Und zwar an die von Wong Kar Wai. Beziehungsweise an die von Christopher Doyle. Langsam schwebende Kamerafahrten, liebliche Farbtöne, dünne Mädchen, die neben flatternden Vorhängen auf dem Bett liegen. Irgendwo ist ein Geisterhaus, das macht kurz Hoffnung, spielt dann aber keine große Rolle. Statt dessen bittersüße Liebesgeschichte, bittersüße Liebesgeschichtebilder, bittersüße Liebesgeschichtebilderbegleitmusik.
Technisch ist das sehr ansehnlich und da die Narration wie bei Wong Kar Wai nicht allzu aufdringlich ist, gefällt Wonderful Town besser als Zou you. Schön ist eine Sequenz, in der die lokalen Dorfprolls die Liebenden während einer Autofahrt traktieren. Die Kamera schwebt mit dem fahrenden Auto und teilt die Verunsicherung dessen Insassen. Schön ist auch das brutale Finale, welches dann doch nicht mehr ganz im Genre aufgeht. Das letzte Bild ist dann wieder Kinopoesie der schrecklicheren Art: Zwei rosa gekleidete Kinderballerinas tanzen auf einer Steinmauer.
Auch Sweet Food City läuft im Forum. Im Gegensatz zu Wonderful Town kann ein solcher Film auch nur dort laufen. Gefühlte 10 Minuten dauert eine starre Einstellung, die im Vordergrund einen Müllsammler zeigt, der im auf der Straße liegenden Abfall wühlt. Narrativ von Interesse ist eine andere Figur, im Hintergrund. Erst sitzt sie ein paar Minuten schweigend auf einer Treppe, dann führt sie ein kurzes Telefongespräch, das so gut wie keine Informationen bietet, dann bleibt sie noch ein wenig sitzen, schließlich steht sie auf und geht. Die Einstellung ist jedoch erst zu Ende, nachdem der Müllsammler das Bild verlassen hat.
Sweet Food City ist ein guter Film und orientiert sich an Tsai Ming Liang, an seiner Art, Bilder zu komponieren, wie auch an seinem Erzählstil, an einer narrativen Logik, die auf die Fähigkeit des Publikums setzt, Lücken selbstständig zu füllen. World Cinema heavy. Dabei deutlich stärker als Tsai Ming Liang Realismusdiskursen verhaftet. Sweet Food City ist nicht emphatisches nothing happens. Zumindest nicht nur. Meist gibt es in den szenischen Panoramen der vor sich hin gammelnden Stadt Interessantes zu beobachten. Das soziale Leben im Zustand seines Verfalls, denkbar weit entfernt von Jia Zhang-kes im Vergleich vitalistischen Gewusel in Still Life. Architektur im Zustand ihres Zerfalls, die Häuser brechen auf, die Kamera entfernt sich und betrachtet sie von weitem. Auf mehreren Etagen dieser Ruinen organisiert eine Art Ersatzleben, ganz ähnliche Bilder findet Sweet Food City hier wie Rithy Panhs Les artistes du Theatre Brule.
Dazwischen entwickelt sich irgendwo eine Geschichte. Erst fast gar nicht, nicht einmal deren Exposition kommt weiter als zur Klärung, dass eine Figur der Onkel einer anderen ist und eine Dritte wohl als Prostituierte arbeitet. Wenn die Geschichte dann in Schwung kommt, tut sie das zwischen den Bildern und zwar so schnell, dass die Bilder selbst gar nicht mehr hinterherkommen und das auch schnell wieder aufgeben. Dann schauen die Figuren lieber Filme von Bergman, Antonioni und Edward Yang. Dazwischen auch mal Hongkong-Trash. Gewidmet ist der Film aber natürlich nicht Godfrey Ho, sondern Antonioni, Bergman und Yang. Das sorgt für Erheiterung im Publikum. Warum eigentlich?
Sunday, February 10, 2008
Berlinale 2008: My Brother's Wedding, Charles Burnett, 1983
My Brother's Wedding ist der einzige Film, den Charles Burnett in den Achtziger Jahren verwirklichen konnte. Sieben lange Jahre verstrichen anschließend bis zu seinem Masterpiece To Sleep with Anger. Nur 81 Minuten Film konnte Burnett in einem ganzen Jahrzehnt realisieren. Doch diese 81 Minuten gehören zum großartigsten, was ich in diesem Jahr im Kino gesehen habe.
Wie in Burnetts Debutfilm Killer of Sheep (meinem Lieblingsfilm der letzten Berlinale) geht es um männlische afroamerikanische Subjektivität. Allerdings unternimmt der Regisseur nicht mehr den Versuch, diese quasi unvermittelt, via lyrischen, quasidokumentarischen Alltagsbeobachtungen und einer Third-Cinema-Ästhetik festzuhalten. Statt dessen wagt sich My Brother's Wedding an die Narration.
In mancher Hinsicht liegt der Film nicht nur zeitlich genau zwischen Killer of Sheep und To Sleep With Anger: Die poetische Introspektion weicht langsam der Gesellschaftsanalyse, im Zentrum steht aber weiterhin der Protagonist der ersteren. In einem ansonsten oft rührend unbeholfen wirkenden, dabei jedoch perfekt in Szene gesetzten Cast ist Everett Silas als Pierce eine kleine Offenbarung. Wie Henry G. Sanders in Killer of Sheep (und wie John Anderson in Haile Gerimas Ashes and Embers) reagiert Silas auf das soziopolitische Spannungsfeld, welches ihn umgibt, tendenziell resigiert und destruktiv. Die Arbeit im Reinigungsbetrieb der Eltern ist für ihn nützlich als Proletarierinszenierung, Zeit für kleine Flirts mit der (deutlich zu) jungen Nachbarstochter bleibt immer.
Verhandelt wird der Klassengegensatz innerhalb der schwarzen Bevölkerung der USA, der mit den Nachwirkungen der Politisierung der Sechziger und Siebziger Jahre ebenso kollidiert, wie mit traditionelleren, von Religiosität bestimmten, Lebensweisen.
Sichtbar wird jedoch noch viel mehr: Immer wieder bricht der Film auseinander, kleine Erzählungen treten herein und werden wieder fallengelassen. Pierces kleinkrimineller Kumpel spielt ein bisschen Blaxploitation und verrennt sich dabei in Windeseile, Pierces mutter verjagt unentschlossene Gangster aus der Reinigung, Pierces Oma schimpft über den teuflischen Fernsehapparat: In 81 Minuten erschafft Burnett erschafft Burnett mit einfachen, effektiven Mitteln einen ungemein umfassenden Blick auf die Gesellschaft, gegen den sich Hollywoods Sozialbehauptungen a la The Ice Storm erbärmlich ausmachen.
Weiterhin: Die Musik ist großartig. Das Schlussbild auch.
Wie in Burnetts Debutfilm Killer of Sheep (meinem Lieblingsfilm der letzten Berlinale) geht es um männlische afroamerikanische Subjektivität. Allerdings unternimmt der Regisseur nicht mehr den Versuch, diese quasi unvermittelt, via lyrischen, quasidokumentarischen Alltagsbeobachtungen und einer Third-Cinema-Ästhetik festzuhalten. Statt dessen wagt sich My Brother's Wedding an die Narration.
In mancher Hinsicht liegt der Film nicht nur zeitlich genau zwischen Killer of Sheep und To Sleep With Anger: Die poetische Introspektion weicht langsam der Gesellschaftsanalyse, im Zentrum steht aber weiterhin der Protagonist der ersteren. In einem ansonsten oft rührend unbeholfen wirkenden, dabei jedoch perfekt in Szene gesetzten Cast ist Everett Silas als Pierce eine kleine Offenbarung. Wie Henry G. Sanders in Killer of Sheep (und wie John Anderson in Haile Gerimas Ashes and Embers) reagiert Silas auf das soziopolitische Spannungsfeld, welches ihn umgibt, tendenziell resigiert und destruktiv. Die Arbeit im Reinigungsbetrieb der Eltern ist für ihn nützlich als Proletarierinszenierung, Zeit für kleine Flirts mit der (deutlich zu) jungen Nachbarstochter bleibt immer.
Verhandelt wird der Klassengegensatz innerhalb der schwarzen Bevölkerung der USA, der mit den Nachwirkungen der Politisierung der Sechziger und Siebziger Jahre ebenso kollidiert, wie mit traditionelleren, von Religiosität bestimmten, Lebensweisen.
Sichtbar wird jedoch noch viel mehr: Immer wieder bricht der Film auseinander, kleine Erzählungen treten herein und werden wieder fallengelassen. Pierces kleinkrimineller Kumpel spielt ein bisschen Blaxploitation und verrennt sich dabei in Windeseile, Pierces mutter verjagt unentschlossene Gangster aus der Reinigung, Pierces Oma schimpft über den teuflischen Fernsehapparat: In 81 Minuten erschafft Burnett erschafft Burnett mit einfachen, effektiven Mitteln einen ungemein umfassenden Blick auf die Gesellschaft, gegen den sich Hollywoods Sozialbehauptungen a la The Ice Storm erbärmlich ausmachen.
Weiterhin: Die Musik ist großartig. Das Schlussbild auch.
Saturday, February 09, 2008
There Will Be Blood, Paul Thomas Anderson, 2007
Das Kino wird wieder maskulin: Männer, die mit gezückter Waffe in die Dunkelheit gehen (We Own the Night), Männer, die im Badehaus in Blut und Schweiß baden (Eastern Promises). Und jetzt: Männer, die in Löcher steigen und sich im Schlamm wälzen.
There Will Be Blood beginnt großartig: Die Spätphase der Erschließung des amerikanischen Kontinents wird mit wiederkehrenden Motiven dargestellt: Immer wieder sucht man das Glück unter der Erde, immer wieder findet man da vor allem: Matsch und immer wieder kracht schließlich irgendwas von oben auf einen runter.
Begleitet wird dies von episch-atonalen Klängen, die die gesamte erste Stunde des Films prägen. Diese erste Stunde widmet sich neben den Löchern auch der Landschaft, in der gebuddelt wird. Die grandiosen Panoramaaufnahmen dieser ersten Stunde begnügen sich nicht damit, zu überwältigen (obwohl sie auch das tun), sie behalten auch stets ein verstörendes Moment durch die Tatsache, dass die menschlichen Landschafts-Aneignungsversuche sich oft recht hilflos ausmachen zwischen all dieser erdrückenden, aber auch leeren Natur. Stellenweise filmt Anderson Amerika so, als sei es ein Eintwicklungsland.
Die erste Stunde gipfelt in einer gigantischen Ölexplosion: Das Unterirdische kehrt sich nach außen, gebuddelt werden muss also im weiteren nicht mehr. Mit peitschender Musik unterlegt Anderson die Feuersbrunst. Eigentlich hätte der Film hier sein Ende finden sollen.
Leider folgt danach noch eine komplette Spielfilmlänge. Und je mehr Abstand ich zu diesem Nachklapp gewonnen habe, desto deutlicher wird mir: Dieser zweite, größere Filmabschnitt ist in der Tat ziemlich schlecht.
Hier setzt Daniel Day-Lewis zum konzentrierten Großangriff auf den Darsteller-Oskar an. Und Paul Dano auf den Nebendarsteller-Oskar. Und die Landschaft verschwindet zugunsten eines unzusammenhängenden Nebeneinanders von Szenen, die nur auf den Effekt hinprogrammiert erscheinen. Und der Haupteffekt soll eben der Oskargewinn Day Lewis' sein. Und der Nebeneffekt wahrscheinlich irgendein Kommentar zur Verstrickung von Religion, Amerika und Kapitalismus. Doch sobald dieser Kommentar sich von der Landschaft und den Löchern in der Erde löst, wird er zur bloßen Behauptung, die ihren einzigen Halt im exzentrischen Schauspiel der Figuren findet. Und also eigentlich gar keinen.
Auch ist der Film hier epigonal auf eine recht unerträgliche Weise. Am naheliegensten ist der Verweis auf Giant (ein weiteres um eine volle Spielfilmlänge zu lange geratenes Ölbohrerdrama), doch im weiteren finden sich mal mehr, mal weniger deutliche Anklänge an mindestens Citizen Kane, The Godfather, Brian dePalmas Scarface (dies besonders aufdringlich) und, worauf Thomas verweist, Clockwork Orange. Natürlich sind solche Bezüge unvermeidlich nach 113 Jahren Filmgeschichte. Ärgerlich ist nur, dass Anderson, anders als Ridley Scott in seinem tollen, gut sortierten American Gangster, alles auf einmal haben will: Zitatenspiel und größtmögliches Angeberepos, Mythendekonstruktion nach Art des Autorenfilms und Starsystem. Übrig bleibt dann erwartungsgemäß sehr wenig.
Und dabei ist die ersten Stunde des Films so großartig...
There Will Be Blood beginnt großartig: Die Spätphase der Erschließung des amerikanischen Kontinents wird mit wiederkehrenden Motiven dargestellt: Immer wieder sucht man das Glück unter der Erde, immer wieder findet man da vor allem: Matsch und immer wieder kracht schließlich irgendwas von oben auf einen runter.
Begleitet wird dies von episch-atonalen Klängen, die die gesamte erste Stunde des Films prägen. Diese erste Stunde widmet sich neben den Löchern auch der Landschaft, in der gebuddelt wird. Die grandiosen Panoramaaufnahmen dieser ersten Stunde begnügen sich nicht damit, zu überwältigen (obwohl sie auch das tun), sie behalten auch stets ein verstörendes Moment durch die Tatsache, dass die menschlichen Landschafts-Aneignungsversuche sich oft recht hilflos ausmachen zwischen all dieser erdrückenden, aber auch leeren Natur. Stellenweise filmt Anderson Amerika so, als sei es ein Eintwicklungsland.
Die erste Stunde gipfelt in einer gigantischen Ölexplosion: Das Unterirdische kehrt sich nach außen, gebuddelt werden muss also im weiteren nicht mehr. Mit peitschender Musik unterlegt Anderson die Feuersbrunst. Eigentlich hätte der Film hier sein Ende finden sollen.
Leider folgt danach noch eine komplette Spielfilmlänge. Und je mehr Abstand ich zu diesem Nachklapp gewonnen habe, desto deutlicher wird mir: Dieser zweite, größere Filmabschnitt ist in der Tat ziemlich schlecht.
Hier setzt Daniel Day-Lewis zum konzentrierten Großangriff auf den Darsteller-Oskar an. Und Paul Dano auf den Nebendarsteller-Oskar. Und die Landschaft verschwindet zugunsten eines unzusammenhängenden Nebeneinanders von Szenen, die nur auf den Effekt hinprogrammiert erscheinen. Und der Haupteffekt soll eben der Oskargewinn Day Lewis' sein. Und der Nebeneffekt wahrscheinlich irgendein Kommentar zur Verstrickung von Religion, Amerika und Kapitalismus. Doch sobald dieser Kommentar sich von der Landschaft und den Löchern in der Erde löst, wird er zur bloßen Behauptung, die ihren einzigen Halt im exzentrischen Schauspiel der Figuren findet. Und also eigentlich gar keinen.
Auch ist der Film hier epigonal auf eine recht unerträgliche Weise. Am naheliegensten ist der Verweis auf Giant (ein weiteres um eine volle Spielfilmlänge zu lange geratenes Ölbohrerdrama), doch im weiteren finden sich mal mehr, mal weniger deutliche Anklänge an mindestens Citizen Kane, The Godfather, Brian dePalmas Scarface (dies besonders aufdringlich) und, worauf Thomas verweist, Clockwork Orange. Natürlich sind solche Bezüge unvermeidlich nach 113 Jahren Filmgeschichte. Ärgerlich ist nur, dass Anderson, anders als Ridley Scott in seinem tollen, gut sortierten American Gangster, alles auf einmal haben will: Zitatenspiel und größtmögliches Angeberepos, Mythendekonstruktion nach Art des Autorenfilms und Starsystem. Übrig bleibt dann erwartungsgemäß sehr wenig.
Und dabei ist die ersten Stunde des Films so großartig...
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Tuesday, February 05, 2008
Berlinale 2008: Notizen
Victoire Terminus, Kinshasa, Florent de la Tullaye, Renaud Barret, 2008
Otto; or Up with Dead People, Bruce LaBruce, 2008
Frauenboxen im Kongo: Zerschlissene Trainingsutensilien, 1 US-Dollar Siegprämie, Trainerratschlag: Haltet Euch von Männern fern (nicht, weil Sex die Kampfmpral untergräbt, sondern weil so mancher Mann im Kongo Frauen mit Eisenstangen traktiert, auch das erfahren wir). Dazwischen beziehungsweise daneben: Wahlplakate Joseph Kabilas, weitaus seltener solche seines Kontrahenten Jean-Pierre Bemba. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung des letzteren liefern sich seine Milizen Gefechte mit Polizeikräften. Die Kamera ist fast genauso nah an den Schießereien wie an den Boxkämpfen. Freilich hält sie sich raus, genau wie die Filmemacherinnen.
Victoire Terminus, Kinshasa porträtiert die Boxerinnen zurückhaltend, drängt sich nicht auf und lässt ihnen dennoch Raum, sich offen vor der Kamera zu artikulieren. Nie verlässt er die Aussenperspektive und nie schafft er unzulässige Verbindungen. Alles im Leben der Frauen verweist auf Politik, und so muss der Film dasselbe tun. Wenn der Film selbst ein politisches Programm hat, dann ist es das der kleinen, kontruktiven Gesten. Genau wie der Boxtrainer gegen alle Widerstände seine Schule aufbaut und von der Afrikameisterschaft träumt. Die Mehrzahl seiner Schülerinnen freilich träumt vom Leben im Ausland.
Jedes Jahr finden sich im Programm des Panoramas zwei bis drei Filme, die man sich anschauen sollte. Dann nochmal zwei bis drei, die man sich durchaus anschauen kann. Und schließlich 30 bis 40 Filme, die man sich keinesfalls anschauen sollte. Otto; or Up with Dead People gehört zur mittleren Kategorie.
Einen schwuler Zombie-Trash-Essay-Pornofilm bekommt man auf der Berlinale nicht alle Tage zu sehen. Bruce LaBruces Werk wird deshalb gewiss zu den öfters diskutierten Filmen des Festivals gehören. Freilich sollte man sich darüber klar sein, dass der Film eben genau das ist: Ein schwuler Zombie-Trash-Essay-Pornofilm.
Natürlich nicht alles in gleichem Maße: Zombies sind nur als Idee wichtig und eigentlich gar nicht. Ein schwuler Porno im eigentlichen Sinne ist der Film in der im Festival präsentierten Version auch nicht. Es steht zu erwarten, dass eine solche (integrale?) Version irgendwann die Videotheken erreichen wird. Denn so finanziert Bruce LaBruce sein Schaffen; allerdings ist auch die Festivalschnittfassung dazu angetan, den neuen BZ-Berlinale-Pornoskandal zu provozieren. Trashig ist der Film schon, aber die toten Tiere sehen erstaunlich echt aus.
Bleibt der Essayfilm. Denn ein solcher ist Otto; or Up with Dead People natürlich letzten Endes. Und als solcher tendiert er für meinen Geschmack leider doch, trotz aller schöner Einfälle, zu sehr in Richtung Ulkrike Oettingers präironischen Diskurssalat. Oder so ähnlich.
Otto; or Up with Dead People, Bruce LaBruce, 2008
Frauenboxen im Kongo: Zerschlissene Trainingsutensilien, 1 US-Dollar Siegprämie, Trainerratschlag: Haltet Euch von Männern fern (nicht, weil Sex die Kampfmpral untergräbt, sondern weil so mancher Mann im Kongo Frauen mit Eisenstangen traktiert, auch das erfahren wir). Dazwischen beziehungsweise daneben: Wahlplakate Joseph Kabilas, weitaus seltener solche seines Kontrahenten Jean-Pierre Bemba. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung des letzteren liefern sich seine Milizen Gefechte mit Polizeikräften. Die Kamera ist fast genauso nah an den Schießereien wie an den Boxkämpfen. Freilich hält sie sich raus, genau wie die Filmemacherinnen.
Victoire Terminus, Kinshasa porträtiert die Boxerinnen zurückhaltend, drängt sich nicht auf und lässt ihnen dennoch Raum, sich offen vor der Kamera zu artikulieren. Nie verlässt er die Aussenperspektive und nie schafft er unzulässige Verbindungen. Alles im Leben der Frauen verweist auf Politik, und so muss der Film dasselbe tun. Wenn der Film selbst ein politisches Programm hat, dann ist es das der kleinen, kontruktiven Gesten. Genau wie der Boxtrainer gegen alle Widerstände seine Schule aufbaut und von der Afrikameisterschaft träumt. Die Mehrzahl seiner Schülerinnen freilich träumt vom Leben im Ausland.
Jedes Jahr finden sich im Programm des Panoramas zwei bis drei Filme, die man sich anschauen sollte. Dann nochmal zwei bis drei, die man sich durchaus anschauen kann. Und schließlich 30 bis 40 Filme, die man sich keinesfalls anschauen sollte. Otto; or Up with Dead People gehört zur mittleren Kategorie.
Einen schwuler Zombie-Trash-Essay-Pornofilm bekommt man auf der Berlinale nicht alle Tage zu sehen. Bruce LaBruces Werk wird deshalb gewiss zu den öfters diskutierten Filmen des Festivals gehören. Freilich sollte man sich darüber klar sein, dass der Film eben genau das ist: Ein schwuler Zombie-Trash-Essay-Pornofilm.
Natürlich nicht alles in gleichem Maße: Zombies sind nur als Idee wichtig und eigentlich gar nicht. Ein schwuler Porno im eigentlichen Sinne ist der Film in der im Festival präsentierten Version auch nicht. Es steht zu erwarten, dass eine solche (integrale?) Version irgendwann die Videotheken erreichen wird. Denn so finanziert Bruce LaBruce sein Schaffen; allerdings ist auch die Festivalschnittfassung dazu angetan, den neuen BZ-Berlinale-Pornoskandal zu provozieren. Trashig ist der Film schon, aber die toten Tiere sehen erstaunlich echt aus.
Bleibt der Essayfilm. Denn ein solcher ist Otto; or Up with Dead People natürlich letzten Endes. Und als solcher tendiert er für meinen Geschmack leider doch, trotz aller schöner Einfälle, zu sehr in Richtung Ulkrike Oettingers präironischen Diskurssalat. Oder so ähnlich.
Berlinale 2008 / Berlin Hot Shots 2008: Ghettos in Manila
Squatterpunk, Khavn, 2007
Tribu, Jim Libirian, 2007
Tirador / Slingshot, Brillante Mendoza, 2007
Auch jenseits der hierzulande leider praktisch unsichtbaren Werke von Lav Diaz ist das philippinische Kino derzeit auf dem besten Weg, nach dem südkoreanischen der nächste große Festivalhype zu werden. Allerdings sind die Philippinen im Gegensatz zu Südkorea ein bitterarmes Entwicklungsland. Inwiefern ein solches sich wiederstandslos in die Festivalökonomie auch außerhalb von Rotterdam integrieren lässt, wird die Zukunft zeigen.
Das internationale Forum des jungen Films präsentert neben neuen Arbeiten der aus dem Diaz-Umfeld entstammenden Filmkünstlern Khavn und John Torres unter anderem zwei Arbeiten, die wesentlich weniger reflektiert zu Werke gehen. Rundheraus Exploitationfilme sind beide Arbeiten zwar nicht, doch die jeweiligen Protagonisten (in beiden Fällen Kleinkriminelle in den Slums Manilas; Taschendiebe im Fall von Tirador, bewaffnete Jugendgangs mit Hiphop-Affinität in Tribu) bleiben stets reine Objekte des Films, Projektionsflächen eines freilich als sympathisiernd und mitfühlend vorausgesetzten Blicks.
In technischer Hinsicht bieten sich natürlich Vergleichsmöglichkeiten: Auch Tribu und Tirador setzen vehement auf ein digitale Bild, das nie Ersatz ist für ein verloren gegangenes analoges ist, sondern dessen spezifischen Fähigkeiten genutzt werden sollen. Beide Regisseure setzen auf eine Ästhetik der Unmittelbarkeit, die die Unterscheidung zwischen Dokumentarischem und Fiktiven tendenziell aushebelt. Dominant sind rasante Handkamerafahrten durch enge Gassen voller Menschen und selten ist markiert, wer zur Inszenierung gehört und wer nur zufällig im Bild auftaucht. Freilich geht es nicht darum, kohärente Räume zu etablieren. Insbesondere Tirador zerstört jede räumliche Kontinuität im selben Moment mit ihrer scheinbaren Etablierung durch Jump-Cut-Serien und Reißschwenks der schwindelerregnederen Sorte. Die manische Kamera besitzt kein Erkenntnispotential, die digitalen Bilder sind genauso defizitär wie die Bemühungen der Protagonisten, sich innerhalb der Ghettos ein auch nur halbwegs gesichertes Leben aufzubauen. Als eine der Hauptfiguren ihr künstliches Gebiss verliert, stochern sie und ihre Freunde hilflos im Dreck der Rinnsteine. Die Kamera stochert fleißig mit, aber genauso hilflos, der Schlamm löst sich in Pixel auf und rückt keine Information mehr heraus.
Beide Filme erzählen episodisch, anstatt sich (wie der ansonsten sehr ähnliche, aber deutlich bessere Kubrador / The Bet Collector) auf eine Hauptfigur zu konzentrieren. Allerdings ist die Beziehung der einzelnen Episoden zueinander jeweils unterschiedlich: Tirador springt von Miniplot zu Miniplot, ohne dass abgesehen von einer brutalisierten Grundathmosphäre ein roter Faden zu erkennen wäre. Das einzige Gebot ist Vollgas. Keine Sekunde Zeit zum Ausruhen gönnt Mendoza seinen Figuren und dem Publikum. Das Ergebnis tendiert manchmal doch in Richtung Elendstourismus. Schon in der Eingangssequenz (einer Polizeirazzia in den Slums) präsentiert die Kamera nacheinander Junkies, Prostituierte, Spieler etc, immer begleitet von einem entsprechenden Kommentar auf der Tonspur. Auch im weiteren Verlauf wird ein Themenfeld nach dem anderen abgegrast, bis hin zu nun nicht mehr ganz so ghettoaffinen Gebieten wie der Videopiraterie
Tribu dagegen unternimmt den Versuch, um einen zentralen Konflikt herum ein breites Panorama an Suberzählungen aufzuspannen. Mehr Platz bleibt hier für kleine, präzise Beobachtungen (Arbeitsalltag im Schlachthof, Ehestreitigkeiten auf offener Straße, Beschimpfungen des Stromzählerablesers etc), durchaus auch für eine etwas klassischere Figurenzeichnung, die auf der Differenz unterschiedlicher Formen der Welterfahrung auch im Ghetto beharrt. Freilich münden alle Erzählstränge letzten Endes in ein Blutbad von biblischem Ausmaß. Dennoch ist Tribu insgesamt aufgrund seiner offeneren Struktur der interessantere Film.
Einen völlig anderen Weg in die Slums wählt Khavn. Squatterpunk ist nach Aussage des Regisseurs größtenteils an einem einzigen Tag gedreht worden und besteht, wiederum nach Aussage des Regisseurs, zu 90% aus Beobachtung und zu 10% aus Inszenierung. Zu den 10% zählt die Frisur der Hauptfigur. Khavns Film verfolgt ein tag im Leben eines Straßenkindes, welchem er vorher die Haare zur Irokesenfrisur geschnitten hat. In einer quasihalluzinatorischen Sequenz improvisiert dieser Junge mit seinen Freunden ein Punkkonzert in der Kirche, springt vor dem Altar auf und ab und schreit ins Mikrofon. Zu hören ist davon freilich nichts.
Mit Ausnahme einiger Tiergeräusche verzichtet Squatterpunk auf Originalton. Zwar existieren wohl mehrere musikalische Tonspuren von Punkrock bis Techno, doch seine volle Wirkung entfaltet der Film nur als Teil einer Performance (oder zumindest muss der Ton voll aufgedreht werden: See This Movie Loud). So kann es hier nicht um den Film als Ganzes gehen, sondern aussschließlich um desssen ganz spezifische Manifestation am 21. Januar 2008 im Kino Babylon in Berlin Mitte. Wie die Arbeiten von Lav Diaz sprengt auch Khavns Werk nicht nur Konventionen der Filmsprache auf, sondern auch eingefahrene Präsentationsformen von Kino selbst (ohne freilich auf den Kino als Ort zu verzichten). Die von mir besuchte Vorstellung wurde von Khavn selbst am Klavier und an der Orgel sowie von John Torres' E-Gitarre (Torres' Todo Todo Teros ist nebenbei trotz aller Kryptik auch ein toller Film) begleitet: Hypnotischer, kraftvoll-ruppiger Hardrock intensiviert die Filmerfahrung in unwahrscheinlichem Ausmaß und macht Squatterpunk zu einem meiner großartigsten Kinoerlebnisse der letzten Zeit.
Khavn geht in die Slums und filmt ausnahmslos alles, was er dort vorfindet. Freilich findet er neben Drogen, Scheisse und Hautausschlägen auch eine Gruppe von Hühnern, denen er exakt dieselbe Aufmerksamkeit schenkt. Die Kamera in Squatterpunk nimmt nicht Partei, sondern stimmt allem, was sie anblickt, bedingungslos zu. Khavns Film ist eine halluzinaorische Feier der Wirklichkeit mittels frenetischer Montage- und Bildmanipulationsexperimenten.
Squatterpunk ist das exakte Gegenteil von Sozialarbeiterkino (in jeder Form; der Begriff muss kein Werturteil enthalten). Khavn weißt im Publikumsgespräch auf die absolute Differenz zwischen ihm und den Straßenkindern hin: Vor dem Dreh hatte er nicht den geringsten Kontakt zu ihnen, nach einem Tag war er wieder verschwunden. Geblieben ist nur der Film. Dieser Film gibt den Straßenkindern nicht nur die Subjektivität zurück, die in Sozialstatistiken und kirchlichen Spendenaufrufen noch stets verschwindet oder zum Klischeebild des traurig in die Kamera starrenden Babygesichts gerinnt, sondern er macht sie für die Dauer von 90 Minuten zum Zentrum eines ganzen Universums.
Tribu, Jim Libirian, 2007
Tirador / Slingshot, Brillante Mendoza, 2007
Auch jenseits der hierzulande leider praktisch unsichtbaren Werke von Lav Diaz ist das philippinische Kino derzeit auf dem besten Weg, nach dem südkoreanischen der nächste große Festivalhype zu werden. Allerdings sind die Philippinen im Gegensatz zu Südkorea ein bitterarmes Entwicklungsland. Inwiefern ein solches sich wiederstandslos in die Festivalökonomie auch außerhalb von Rotterdam integrieren lässt, wird die Zukunft zeigen.
Das internationale Forum des jungen Films präsentert neben neuen Arbeiten der aus dem Diaz-Umfeld entstammenden Filmkünstlern Khavn und John Torres unter anderem zwei Arbeiten, die wesentlich weniger reflektiert zu Werke gehen. Rundheraus Exploitationfilme sind beide Arbeiten zwar nicht, doch die jeweiligen Protagonisten (in beiden Fällen Kleinkriminelle in den Slums Manilas; Taschendiebe im Fall von Tirador, bewaffnete Jugendgangs mit Hiphop-Affinität in Tribu) bleiben stets reine Objekte des Films, Projektionsflächen eines freilich als sympathisiernd und mitfühlend vorausgesetzten Blicks.
In technischer Hinsicht bieten sich natürlich Vergleichsmöglichkeiten: Auch Tribu und Tirador setzen vehement auf ein digitale Bild, das nie Ersatz ist für ein verloren gegangenes analoges ist, sondern dessen spezifischen Fähigkeiten genutzt werden sollen. Beide Regisseure setzen auf eine Ästhetik der Unmittelbarkeit, die die Unterscheidung zwischen Dokumentarischem und Fiktiven tendenziell aushebelt. Dominant sind rasante Handkamerafahrten durch enge Gassen voller Menschen und selten ist markiert, wer zur Inszenierung gehört und wer nur zufällig im Bild auftaucht. Freilich geht es nicht darum, kohärente Räume zu etablieren. Insbesondere Tirador zerstört jede räumliche Kontinuität im selben Moment mit ihrer scheinbaren Etablierung durch Jump-Cut-Serien und Reißschwenks der schwindelerregnederen Sorte. Die manische Kamera besitzt kein Erkenntnispotential, die digitalen Bilder sind genauso defizitär wie die Bemühungen der Protagonisten, sich innerhalb der Ghettos ein auch nur halbwegs gesichertes Leben aufzubauen. Als eine der Hauptfiguren ihr künstliches Gebiss verliert, stochern sie und ihre Freunde hilflos im Dreck der Rinnsteine. Die Kamera stochert fleißig mit, aber genauso hilflos, der Schlamm löst sich in Pixel auf und rückt keine Information mehr heraus.
Beide Filme erzählen episodisch, anstatt sich (wie der ansonsten sehr ähnliche, aber deutlich bessere Kubrador / The Bet Collector) auf eine Hauptfigur zu konzentrieren. Allerdings ist die Beziehung der einzelnen Episoden zueinander jeweils unterschiedlich: Tirador springt von Miniplot zu Miniplot, ohne dass abgesehen von einer brutalisierten Grundathmosphäre ein roter Faden zu erkennen wäre. Das einzige Gebot ist Vollgas. Keine Sekunde Zeit zum Ausruhen gönnt Mendoza seinen Figuren und dem Publikum. Das Ergebnis tendiert manchmal doch in Richtung Elendstourismus. Schon in der Eingangssequenz (einer Polizeirazzia in den Slums) präsentiert die Kamera nacheinander Junkies, Prostituierte, Spieler etc, immer begleitet von einem entsprechenden Kommentar auf der Tonspur. Auch im weiteren Verlauf wird ein Themenfeld nach dem anderen abgegrast, bis hin zu nun nicht mehr ganz so ghettoaffinen Gebieten wie der Videopiraterie
Tribu dagegen unternimmt den Versuch, um einen zentralen Konflikt herum ein breites Panorama an Suberzählungen aufzuspannen. Mehr Platz bleibt hier für kleine, präzise Beobachtungen (Arbeitsalltag im Schlachthof, Ehestreitigkeiten auf offener Straße, Beschimpfungen des Stromzählerablesers etc), durchaus auch für eine etwas klassischere Figurenzeichnung, die auf der Differenz unterschiedlicher Formen der Welterfahrung auch im Ghetto beharrt. Freilich münden alle Erzählstränge letzten Endes in ein Blutbad von biblischem Ausmaß. Dennoch ist Tribu insgesamt aufgrund seiner offeneren Struktur der interessantere Film.
Einen völlig anderen Weg in die Slums wählt Khavn. Squatterpunk ist nach Aussage des Regisseurs größtenteils an einem einzigen Tag gedreht worden und besteht, wiederum nach Aussage des Regisseurs, zu 90% aus Beobachtung und zu 10% aus Inszenierung. Zu den 10% zählt die Frisur der Hauptfigur. Khavns Film verfolgt ein tag im Leben eines Straßenkindes, welchem er vorher die Haare zur Irokesenfrisur geschnitten hat. In einer quasihalluzinatorischen Sequenz improvisiert dieser Junge mit seinen Freunden ein Punkkonzert in der Kirche, springt vor dem Altar auf und ab und schreit ins Mikrofon. Zu hören ist davon freilich nichts.
Mit Ausnahme einiger Tiergeräusche verzichtet Squatterpunk auf Originalton. Zwar existieren wohl mehrere musikalische Tonspuren von Punkrock bis Techno, doch seine volle Wirkung entfaltet der Film nur als Teil einer Performance (oder zumindest muss der Ton voll aufgedreht werden: See This Movie Loud). So kann es hier nicht um den Film als Ganzes gehen, sondern aussschließlich um desssen ganz spezifische Manifestation am 21. Januar 2008 im Kino Babylon in Berlin Mitte. Wie die Arbeiten von Lav Diaz sprengt auch Khavns Werk nicht nur Konventionen der Filmsprache auf, sondern auch eingefahrene Präsentationsformen von Kino selbst (ohne freilich auf den Kino als Ort zu verzichten). Die von mir besuchte Vorstellung wurde von Khavn selbst am Klavier und an der Orgel sowie von John Torres' E-Gitarre (Torres' Todo Todo Teros ist nebenbei trotz aller Kryptik auch ein toller Film) begleitet: Hypnotischer, kraftvoll-ruppiger Hardrock intensiviert die Filmerfahrung in unwahrscheinlichem Ausmaß und macht Squatterpunk zu einem meiner großartigsten Kinoerlebnisse der letzten Zeit.
Khavn geht in die Slums und filmt ausnahmslos alles, was er dort vorfindet. Freilich findet er neben Drogen, Scheisse und Hautausschlägen auch eine Gruppe von Hühnern, denen er exakt dieselbe Aufmerksamkeit schenkt. Die Kamera in Squatterpunk nimmt nicht Partei, sondern stimmt allem, was sie anblickt, bedingungslos zu. Khavns Film ist eine halluzinaorische Feier der Wirklichkeit mittels frenetischer Montage- und Bildmanipulationsexperimenten.
Squatterpunk ist das exakte Gegenteil von Sozialarbeiterkino (in jeder Form; der Begriff muss kein Werturteil enthalten). Khavn weißt im Publikumsgespräch auf die absolute Differenz zwischen ihm und den Straßenkindern hin: Vor dem Dreh hatte er nicht den geringsten Kontakt zu ihnen, nach einem Tag war er wieder verschwunden. Geblieben ist nur der Film. Dieser Film gibt den Straßenkindern nicht nur die Subjektivität zurück, die in Sozialstatistiken und kirchlichen Spendenaufrufen noch stets verschwindet oder zum Klischeebild des traurig in die Kamera starrenden Babygesichts gerinnt, sondern er macht sie für die Dauer von 90 Minuten zum Zentrum eines ganzen Universums.
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Monday, February 04, 2008
Tatil kitabi / Summer Book, Seyfi Teoman, 2008
Der integre Teil des Weltkinos hat längst eine Filmgrammatik entwickelt, die mindestens ebenso konventionalisiert ist wie sein böses anderes, Hollywood. Tatil kitabi ist Teil dieses Kinos und sein Regisseur Seyfi Teoman beschreibt in seinem Director's statment mit bewundernswerter Präzision die dieser Filmform zugrundeliegende Ästhetik: "The combination of long wide shots with functional close-ups, amateur actors, minimal acting and natural lighting are the determing characteristics for the style and atmosphere of this film."
Selbstverständlich bietet diese Filmsprache - wie die Hollywoods - unendliche Variationsmöglichkeiten und so durchzieht Tatil kitabi denn auch ein völlig anderer Tonfall als beispielsweise die Filme der Berliner Schule oder, naheliegender, Nuri Bilge Ceylans. Mit letzterem verbindet Teoman die unaufdringliche Stilisierung des Dargestellten, oft mittels kunstvoller Schärfeverlagerung (beispielsweise während eines assymetrischen Blickwechsels, der für die eine Seite Beginn eines Flirts, für die andere höchstens ein kurzer Ausbruch aus dem ehealltag darstellt), allerdings steht diese weit weniger im Mittelpunkt. Stärker als Ceylan ist Teoman seinem Schauplatz verpflichtet, einer türkischen Provinzstadt, deren Porträt ist Tatil Kitabi im Grunde mehr als das der Großfamilie, welche im Zentrum der Handlung steht.
Die Parameter sind längst bekannt, Tatil kitabi orientiert sich wie andere gute neue türkische Filme (und wie nebenbei bemerkt noch fast jede Neue Welle der letzten 30 Jahre) in letzter Instanz am italienischen Neorealismus. Dennoch gefällt Teomans Film: Die Kamera weiß in jedem Moment, was sie tut, die Figuren geraten nicht ins Schwatzen, wollen uns nichts beweisen sondern höchstens einen kleinen ausschnitt ihres Lebens präsentieren.
Der Film, auch das gehört zum Konventionsarsenal dieses Kinosegments, findet keine inhaltliche, wohl aber eine formale Schließung. Insofern ist der Schluss von Teomans Director's statement eigentlich nur halb richtig: "I think a film should try to be as loose as life itself."
Natürlich existieren im "life itself" keine motivisch-zirkulären Schließungen wie in Tatil kitabi (obwohl: die wiederkehrenden Schulbänke am Ende der Sommerferien sind zumindest Teil einer Serie), keine stringende Motivik und so weiter. Und natürlich ist es letztlich willkürlich, Film auch nur irgendwie mimetisch einer so allgemeinen Kategorie wie dem Leben angleichen wollen. Was jedoch bleibt, ist ein Film, der ein Fenster zur Welt sein will, mit all den Problemen, die eine solche Konzeption mit sich bringt (unter anderem dem Verzicht auf jede falsche Unmittelbarkeit, da der Zuschauer sich immer schon auf der falschen Seite des fensters befindet). Und irgendwie ist ein Film wie Tatil kitabi vielleicht tatsächlich dieses Fenster.
Selbstverständlich bietet diese Filmsprache - wie die Hollywoods - unendliche Variationsmöglichkeiten und so durchzieht Tatil kitabi denn auch ein völlig anderer Tonfall als beispielsweise die Filme der Berliner Schule oder, naheliegender, Nuri Bilge Ceylans. Mit letzterem verbindet Teoman die unaufdringliche Stilisierung des Dargestellten, oft mittels kunstvoller Schärfeverlagerung (beispielsweise während eines assymetrischen Blickwechsels, der für die eine Seite Beginn eines Flirts, für die andere höchstens ein kurzer Ausbruch aus dem ehealltag darstellt), allerdings steht diese weit weniger im Mittelpunkt. Stärker als Ceylan ist Teoman seinem Schauplatz verpflichtet, einer türkischen Provinzstadt, deren Porträt ist Tatil Kitabi im Grunde mehr als das der Großfamilie, welche im Zentrum der Handlung steht.
Die Parameter sind längst bekannt, Tatil kitabi orientiert sich wie andere gute neue türkische Filme (und wie nebenbei bemerkt noch fast jede Neue Welle der letzten 30 Jahre) in letzter Instanz am italienischen Neorealismus. Dennoch gefällt Teomans Film: Die Kamera weiß in jedem Moment, was sie tut, die Figuren geraten nicht ins Schwatzen, wollen uns nichts beweisen sondern höchstens einen kleinen ausschnitt ihres Lebens präsentieren.
Der Film, auch das gehört zum Konventionsarsenal dieses Kinosegments, findet keine inhaltliche, wohl aber eine formale Schließung. Insofern ist der Schluss von Teomans Director's statement eigentlich nur halb richtig: "I think a film should try to be as loose as life itself."
Natürlich existieren im "life itself" keine motivisch-zirkulären Schließungen wie in Tatil kitabi (obwohl: die wiederkehrenden Schulbänke am Ende der Sommerferien sind zumindest Teil einer Serie), keine stringende Motivik und so weiter. Und natürlich ist es letztlich willkürlich, Film auch nur irgendwie mimetisch einer so allgemeinen Kategorie wie dem Leben angleichen wollen. Was jedoch bleibt, ist ein Film, der ein Fenster zur Welt sein will, mit all den Problemen, die eine solche Konzeption mit sich bringt (unter anderem dem Verzicht auf jede falsche Unmittelbarkeit, da der Zuschauer sich immer schon auf der falschen Seite des fensters befindet). Und irgendwie ist ein Film wie Tatil kitabi vielleicht tatsächlich dieses Fenster.
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National Treasure: Book of Secrets, Jon Turteltaub, 2007
"This will give us great inside in pre-columbian history": Eine solch ehrenwerte Motivation hat wohl noch selten einen Blockbuster angetrieben. Jon Turteltaub und Jerry Bruckheimers großangelegte Geschichtsstunde ist amerikanische Diskurskultur im Lehrlauf. Abgezogen ist ihr jede ethisch-moralische Fragestellung, jedes Projekt im engeren Sinne, geblieben ist die Lust am Auseinandernehmen und Wiederzusammensetzen von Geistes-, Real- und vor allem Familiengeschichte. Hätte Josiah Bartlet seiner Mannschaft einmal einige völlig freie Tage jenseits dem moralischen Imperativ der Weltpolitik gegönnt, wären Toby, CJ und ihre Mitstreiter mit Sicherheit in ein ebenso bescheuertes Abenteuer hineiengeraten wie Nic Cage und Justin Bartha. In der Tat ist noch das enttäuschendste an diesem tollen Film die Tatsache, dass im weißen Haus eben nicht Martin Sheen residiert, sondern der im direkten Vergleich (trotz profunder Architekturkenntnisse) doch eher enttäuschende Bruce Greenwood. Doch dafür entschädigt die Gates-Familie auf der Ganzen Linie: Diese kann nicht nur auf eine lange Ahnengalerie zurückblicken, sondern überbietet sich gegenseitig in der Präsentation von Spezialwissen jeder nur denkbaren Spielart. Alle anderen Figuren des Films scheinen vom Gates-Geist angesteckt, ohne ihm freilich gerecht werden zu können. Der Präsident muss erst einmal von einem durchgeknallten Ahnenforscher entführt werden, um sich auf seine nerdigen Wurzeln zu besinnen (davor rennt kurz sein Pressechef durchs Bild, der sich um die Haltung seines Chefs zu Minderheiten sorgt; solche Trivialitäten sind jedoch angesichts eines Geheimgangs aus der Zeit Washingtons inklusive versteckten Hebelmechanismen schnell vergessen), Justin Bartha ist so etwas wie die Wal-Mart Version von Nic Cage und versucht, mithilfe eines zusammengeschusterten populärwissenschaftlichen buches Frauen aufzureißen, selbst der Bösewicht Ed Harris wird nicht wirklich von Motiven angetrieben, die ihn in anderen Filmen unsympathisch machen würden. Ed möchte den Namen der Gates beschmutzen. Das geht natürlich gar nicht klar.
Nic Cage ist als Ben Gates großartig (den Vorgängerfilm kenne ich noch nicht, anschauen werde ich ihn mir jedoch möglichst bald), in einem derart artifiziellen Universum, wie es Turteltaub hier entwirft, wäre ein auch nur etwas realistischer gezeichenter Ahnenforscher unbrauchbar gewesen. Doch völlig ins Parodistische kippt Cages Darstellung nie und den Clown gibt auf geradezu rührend konventionelle Art sein Sidekick Justin Bartha. Mir scheint, dass Cage ohnehin der geborene B-Movie Schauspieler ist, und da die B-Movies von gestern die Blockbuster von heute sind, wird er noch eine lange Karriere auf der A-List vor sich haben.
Jon Turteltaub, der sich in seiner Karriere wahrscheinlich noch nie auch nur einen Zentimeter vom Mainstream entfernte und in seinen jungen Jahren unter anderem einen Thomas Gottschalk-Film (Trabbi Goes to Hollywood) sowie Cool Runnings verbrochen hat, beherrscht sein Metier inzwischen perfekt. Immer ist was los, das Tempo ist hoch, aber die Ereignisse werden derart redundant präsentiert ("I am going to kidnap the president" "What did You say? You want to kidnap the president" "Mr. President, I just kidnapped You" "I can't believe You just kidnapped the president!" "Do You know, that he kidnapped the president?" und so weiter, oder zumindest so ähnlich), dass man den Faden aber schon gar nicht verlieren kann. Und für die sich dann doch manchmal häufenden Familiendramaklischees (Jon Voight und die wieder einmal schwer erträgliche Hellen Mirren wälzen sich, in Erinnerung an alte Tage schwelgend auf der Erde) entschädigen großartige Cage-Szenen, etwa wenn dieser sich mit französischen fahrradbehelmten Polizisten über Montesquieu unterhält.
Zu allem Überfluss findet sich neben dem weißen Haus, Mount Rushmore, Buckingham Palace und dem Eifelturm auch noch eine schöne Autoverfolgungsjagd. Diese legt nahe, dass von Laswagen fallende Gegenstände während einer solchen kein Auteursmerkmal Michael Bays darstellen, sondern wohl eher ein Markenzeichen Bruckheimers sind.
Nic Cage ist als Ben Gates großartig (den Vorgängerfilm kenne ich noch nicht, anschauen werde ich ihn mir jedoch möglichst bald), in einem derart artifiziellen Universum, wie es Turteltaub hier entwirft, wäre ein auch nur etwas realistischer gezeichenter Ahnenforscher unbrauchbar gewesen. Doch völlig ins Parodistische kippt Cages Darstellung nie und den Clown gibt auf geradezu rührend konventionelle Art sein Sidekick Justin Bartha. Mir scheint, dass Cage ohnehin der geborene B-Movie Schauspieler ist, und da die B-Movies von gestern die Blockbuster von heute sind, wird er noch eine lange Karriere auf der A-List vor sich haben.
Jon Turteltaub, der sich in seiner Karriere wahrscheinlich noch nie auch nur einen Zentimeter vom Mainstream entfernte und in seinen jungen Jahren unter anderem einen Thomas Gottschalk-Film (Trabbi Goes to Hollywood) sowie Cool Runnings verbrochen hat, beherrscht sein Metier inzwischen perfekt. Immer ist was los, das Tempo ist hoch, aber die Ereignisse werden derart redundant präsentiert ("I am going to kidnap the president" "What did You say? You want to kidnap the president" "Mr. President, I just kidnapped You" "I can't believe You just kidnapped the president!" "Do You know, that he kidnapped the president?" und so weiter, oder zumindest so ähnlich), dass man den Faden aber schon gar nicht verlieren kann. Und für die sich dann doch manchmal häufenden Familiendramaklischees (Jon Voight und die wieder einmal schwer erträgliche Hellen Mirren wälzen sich, in Erinnerung an alte Tage schwelgend auf der Erde) entschädigen großartige Cage-Szenen, etwa wenn dieser sich mit französischen fahrradbehelmten Polizisten über Montesquieu unterhält.
Zu allem Überfluss findet sich neben dem weißen Haus, Mount Rushmore, Buckingham Palace und dem Eifelturm auch noch eine schöne Autoverfolgungsjagd. Diese legt nahe, dass von Laswagen fallende Gegenstände während einer solchen kein Auteursmerkmal Michael Bays darstellen, sondern wohl eher ein Markenzeichen Bruckheimers sind.
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Saturday, February 02, 2008
Berlinale 2008: Notizen
Buda as sharm foru rikht / Buddha Collapsed Out of Shame, Hana Makhmalbaf, 2007
Musunde hiraite, Izumi Takahashi, 2007
Nirvana, Igor Voloshin, 2008
Corroborree, Ben Hackworth, 2007
Hana Makhmalbaf ist Mohsens jüngste Tochter und wie ihre Schwester Samira längst Teil der internationalen Festivalszene. Ihr erster Spielfilm Buddha Collapsed Out of Shame ist eine Allegorie der unsubtileren Art: Der Clou des Streifens ist schon im Namen enthalten und erfüllt sich sowohl im ersten, als auch im letzten Bild. Dazwischen der Inhalt der Allegorie: Das, weswegen Buddha vor Scham kollabiert. Wer mit dem Kino der Makhmalbafs, insbesondere Samiras, oder auch nur der Festivallogik vertraut ist, wird sich nicht wundern, dass er dies aufgrund der multiplen Unterdrückungsstrukturen der afghanischen und implizit auch der iranischen Gesellschaft tut. Ebensowenig wird er sich darüber wundern, dass die Akteure des Films fast ausschließlich Kinder sind. Auch diese Strategie kennt man nicht nur aus Samiras schönem Debut The Apple (Sib, 1998). Zu vermuten ist, dass so gleich zwei Ziele verfolgt werden: Einerseits soll der heimischen Zensur ein Schnippchen geschlagen werden, indem die politische Kritik kodifiziert wird (aber dennoch deutlich lesbar bleibt) und dadurch die Voraussetzungen für eine Fortführung der eigenen Filmpraxis im Heimatland erhalten bleiben. Andererseits spekuliert dieses Kino auf Nischen im Festivalbetrieb, welcher zwar immer nach dem Politischen schreit, dieses aber doch bitte entsprechend verpackt und entschärft präsentiert bekommen möchte, auf dass er es selbst entsprechend verpacken, präsentieren und dadurch noch einmal entschärfen kann. In diesem Fall läuft Hana Makhmalbafs Film im Kinder- und Jugendprogramm der Berlinale, und zwar nicht einmal im etwas "erwachseneren" Bereich "14+". Einen Film wie Buddha Collapsed Out of Shame als Kinderfilm umzudeuten, nur weil Kinder die Hauptrollen übernehmen (sind dann Les Quatre cents coups und Ohayo auch Kinderfilme? Und liefe Melvilles Les enfants terribles im Bereich "14+"?) ist entweder auf Lust an der Subversion oder auf Dummheit zurückzuführen.Jenseits aller Programmierungspolitik ist Buddha Collapsed Out of Shame ein guter, schöner, kraftvoller Film, gerade wegen seines Mangels an Subtilität. Subtilität ist wahrscheinlich grundsätzlich der falsche Modus für Sozialkritik. Überhaupt, die Subtilität... Dazu vielleicht bald mehr.
Musunde hiraite ist für mich jetzt schon die größte Enttäuschung des Festivals. Der Debutfilm des Regisseurs Izumi Takahashi The Soup, One Morning (Ara asa, Soup wa, 2003) gehört zu dem eindrücklichsten, was ich aus dem Bereich des japanischen Indie-Kinos kenne: Ein extrem reduziertes, klaustrophobisches Beziehungsdrama, das mit minimalem Budget und Personal maximale Wirkung zeitigt. Eine der Stärken sind dieses Films ist in Izumis Nachfolgeprojekt im Ansatz noch erkennbar. Vor allem zu Beginn konzentriert sich auch Musunde hiraite auf Innenräume, enthält die Großstadt nur als dasjenige, was manchmal durch das Fenster aufblitzt, oder durch die Türöffnung für einen Moment sichtbar wird. Eine Stadt, die gerade durch ihre Abwesenheit, beziehungsweise durch die Versuche der Figuren, sich von ihr zu distanzieren (nicht umsonst geht es im ersten Teil des Films darum, dass einige Hausschlüssel vertauscht wurden und nun unbedingt wiederbeschafft werden müssen) als prägende Kraft in ihrem Leben präsent ist. Geblieben ist auch das Fotografiemotiv, abgesehen von einigen netten optischen Tricks führt dieses jedoch, wie der Rest des Films, straight ins Nichts.
Völlig verloren gegangen ist die Stringenz, die The Soup, One Morning auszeichnete. Bereits in narrativer Hinsicht durch zu viele, ungenau gezeichnete Charaktere und deren wirre Handlungen (wirr nicht als überforderte Reaktion auf überfordernde Situationen, wie in The Soup..., sondern mehr oder weniger aus Scheiss) hoffnungslos überfrachtet, geht vor allem in formaler Hinsicht hier restlos alles durcheinander. Die klassische Auflösung einzelner Szenen bringt Izumi bei jeder Gelegenheit durch dekorativ modernistische Experimente aus dem Gleichgewicht. Zum Einsatz kommen neben rhythmischen Montagesequenzen und allerweltslyrischen Klavierklängen dabei auch schwarz-weiss-Bilder, bei denen sich mir nie erschlossen hat, ob sie auch nur irgendeinen semantischen Mehrwert besitzen (Rückblenden eventuell?). Gut aussehen tut Musunde hiraite durchaus, gerade in den Innenraumszenen teilweise sogar fast unanständig gut für solch einen mittelmäßigen Film. Nur leider retardiert noch jedes formale Experiment in Musunde hiraite zur banalen Alltagslyrik, die sich irgendwann auch nicht mehr zu schade ist für in Zeitlupe davonflatternde Möwen.
"Ruhe Bitte!", ruft ein autoritärer Journalist seinen scheint's unruhigen Kollegen zu Beginn Nirvanas zu. Dabei ist das einzige was ungebührlich Lärmt der Film. Seit Jahren stammen die unerträglichsten Forumsfilme aus Russland beziehungsweise Osteuropa. Ob dies am allgemeinen Niveau der dortigen Produktion liegt oder an der Auswahl, kann ich mangels Expertise nicht beurteilen. Nirvana zumindest ist wieder einmal eine komplette Gurke.
In einem Paralleluniversum, welches zwar Städte namens Moskau und St. Petersburg kennt, aber ausschließlich von wild und tendenziell aber nicht näher definiert subkulturell geschminkt / bekleideten Freaks bewohnt wird, die zwischen Drogenexzessen und Jugendliteraturklischees gefangen in einen öden Gangster-Melodram-Plot hineinschlittern und leider erst nach quälenden 89 Minuten wieder herausfinden. Während alledem ist der Film vor allem: laut.
Wo ich schon bei Masochistenkino bin: Wem Nirvana und Paruthi Veeran nicht genügen, der schaue sich bitte Corroborree an: Ein australischer Jüngling (der von ferne an Constantin von Jascheroff erinnert) wird von einem alten Mann in dessen Anwesen eingeladen. Dieses wird bevölkert von einer Horde Frauen unterschiedlichen Alters, dessen Verhältnis zu ihrem Hausherrn ebenso ungeklärt bleibt wie jegliche Sinnfrage, die man an diesen Film zu stellen sich anschickt. In tristester Digioptik marschiert der Held durch die Zimmer des Anwesens sowie ein zugehöriges Gartenlabyrinth und unterhält sich mit den Frauen über nichts und wieder nichts. Mit der einen oder anderen schläft er auch und so langsam kommt man auf den Verdacht, dass es der Intention nach wohl um Performativität von Geschlechteridentität oder etwas ähnliches grundsätzlich höchst löbliches, sich hier jedoch leider im völlig falschen Kontext befindendes geht. Naja, irgendwann ist auch dieser Film zuende. @ Christian: Falls Du einen Nachfolger für Kinetta suchst: Das ist Dein Film.
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