Monday, March 31, 2014

Diagonale 2014: ratings

*****Der Verlorene, Peter Lorre, 1951
*****Sotiros (Alone), Robert Beavers, 1976
*****Sukkubus – den Teufel im Leib, Georg Tressler, 1989
*****37/78 Tree again, Kurt Kren, 1978
*****M, Fritz Lang, 1931*
*****The Face Behind the Mask, Robert Florey, 1941
*****Landscape Suicide, James Benning, 1986
*****Himmel oder Hölle, Wolfgang Murnberger, 1990
*****Wenn es blendet, öffne die Augen, Ivette Löcker, 2014
*****A Masque of Madness (Notes on Film 06-B, Monologue 2), Norbert Pfaffenbichler, 2013
*****Franz Grimus, Michael Pilz, 1977
*****Beau travail, Claire Denis, 1999*
*****Die Frau mit einem Schuh, Michael Glawogger, 2014
*****L'intrus, Claire Denis, 2005*
*****Hernals, Hans Scheugl, 1967
*****These Are the Men, Alan Obistan / Dylan Thomas, 1943
*****Tokyo, Dietmar Brehm, 2014

****Abschied, Ludwig Wüst, 2014
****Mädchen für die Mambo-Bar, Wolfgang Glück, 1959
****Eine Fuge, Jörg Ortner, 1959
****Unser Wien, Hanns Matula, 1963
****Sarah und Sarah, Peter Kern, 2014
****Wasser aus Korn, Josephine Ahnelt, 2013
****Semiotic Ghosts, Lisl Ponger, 1990

***Vie revee des anges, Erick Zonca, 1998
***Der Fotograf vor der Kamera, Rainer Frimmel / Tizza Covi, 2014
***Those Who Go Those Who Stay, Ruth Beckermann, 2013
***Über-Ich und Du, Benjamin Heisenberg, 2014*
***Das große Museum, Johannes Holzhausen, 2014
***Und in der Mitte, da sind wir, Sebastian Brameshuber, 2014

**Fräulein Else, Anna Martinetz, 2013
**Sitzfleisch, Lisa Weber, 2014
**Les salauds, Claire Denis, 2013*
**Wild Side, Sebastien Lifshitz, 2004*

*not seen at Diagonale 2014

Monday, March 17, 2014

Mündungsfeuer (1)

Chronique des années de braise, Mohammed Lakhdar-Hamina, 1975












Friday, March 14, 2014

Shaking Tokyo, Bong Joon-hos Beitrag zum Omnibusfilm Tokyo! ist zwar leider nicht besonders gut (seine Filme brauchen, glaube ich, die Länge, das Ausufernde, sonst bleibt nur ein High-Concept-Gerüst, das in diesem Fall auf langweilige Robotermelancholie hinaus läuft)... Interessant finde ich aber den Gedanken, Holy Motors von Carax, der ebenfalls an Tokyo! beteiligt war, und Bongs neuen, Snowpiercer, als Geschwisterfilme zu begreifen. Beziehungsweise als Geschwister-Metafilme, als einander ergänzende Filme über das analoge Kino im Moment seines Untergang. In einem Fall schon von der digitalen Seite aus, als nostalgische Rückschau auf die heiligen Motoren des klassischen Kinos; im anderen als last hurrah eines dem Erfrierungstod, beziehungsweise der Verspeisung durch digitale Eisbären geweihten, paranoid gewordenen, analogen und auch sonst äußerst materialverbundenen Kinomaschinerie, angetrieben von einem ganz unbedingt unheiligen Motor. (Es geht ja auch jeweils um Täuschungs- und Illusionsmaschinen, und um die Frage, was passiert, wenn die Täuschung durchschaut wird)

Monday, March 10, 2014

K-19: The Widowmaker, Kathryn Bigelow, 2002

Scope-Intimitäten, so nur im Kino, nur auf 35mm erlebbar; wenn man ihn im Kino Arsenal sieht, projiziert auf eine Leinwand so breit das Auge reicht, wird wird Kathryn Bigelows K-19: The Widowmaker kaum noch behelligt von seinem mittelmäßigen Drehbuch, von der knirschenden Dramaturgie, von der Tatsache, dass seine beiden Hauptfiguren weder psychologisch, noch militärhierarchisch funktionieren. Der Film verwandelt sich in, oder besser: offenbart sich als eine einzige Studie des männlichen Gesichts.

Das Gesicht von Harrison Ford, der sowjetischen Militärsuniform einerseits aufgepfropft, andererseits mit ihr zusammengewachsen, ein Gesicht, das keine Freiheit jenseits des Dienstes mehr kennt, das schon ein wenig abgeschlafft wirkt, jedoch jederzeit aktiviert werden kann: wenn die Pflicht ruft. (Eine ganz ähnliche Rolle hatte Ford zuletzt als Weltraumnazi im politisch unerträglichen, aber auf ganz sonderbare Weise anrührenden Science-Fiction-Film Ender's Game).

Das Gesicht von Liam Neeson, erst einmal noch weitaus lebendiger, noch kaum abgehangen, noch "nah am Knochen", aber gleichzeitig seltsam wächsern. Und das Wachs scheint manchmal, in den besonders schweißtreibenden Szenen, regelrecht von diesem Körper abzutropfen. Seltsame glatte Passagen in den sonst schon durchfalteten Zügen. Die Uniform steht diesem Gesicht nicht besonders gut; die daddy issues, die ihm das Drehbuch aufpropft allerdings auch nicht.

Dazu die vielen anderen Gesichter, denen Vornamen zugeordnet sind, die wie fast willkürliche Unterscheidungsmerkmale wirken: Pavel, Dmitri, Vasily; genauso willkürlich die Funktionen: man wird dem Maschinenraum zugeteilt oder der Torpedoluke, dem Rettungsteam eins oder dem Rettungsteam zwei. Erst einmal sind die Gesichter gleichwertig, dem filmischen Blick gleichermaßen wert. Was auch heißt: Eigentlich könnte das, was irgendwann einigen dieser Gesicher passiert, jedes einzelne treffen. Rot anschwellen werden sie, aufquellen, bluten, eitern, verkrusten, mit Verbänden und Pflastern drapiert werden. Keine Stargesichter, junge, unbeschriebene Gesichter, von der Kamera ausgewählt, individualisiert, manchmal: zum Tode verurteilt.

Und da offenbart sich doch noch der historische Kern des Films. Die Angst vor dem Atomkrieg, die ein so zentrales Motiv des kalten Krieges war, wird noch einmal aufgeführt in K-19, wird transformiert in ein Kammerspielartiges setting: Es kann jeden treffen, die Auswahl ist genauso willkürlich, wie die Gefahr, der man sich stellt, unsichtbar ist. Mit völlig unbrauchbaren Schutzkitteln werden die Rettungsteams direkt zum Reaktorkern des Atom-U-Boots (ach ja, ein U-Bootfilm, aber ganz ohne die Klaustrophobieklischees, Bigelows Einstellungen bieten den Soldatengesichtern den Platz, den sie im echten Leben nicht hatten) geschickt, als der Leck schlägt, die Stiefel plantschen im kontaminierten Kühlungswasser, verzweifelt verstecken sie sich, wenn sie das Leck zuzuschweißen versuchen, hinter Schutzbrillen. Klaus Badelt, dessen score eigentlich zu den von Bigelows Bildern zurecht ignorierten Schwachstellen gehört, hat seinen moment in the sun, wenn er während eine dieser Rettungsaktionen mit einem Choral unterlegt. Billigster trick in the book, klar, aber das hat eine unwahrscheinliche Kraft. Gerade, weil das so ziemlich die einzige Szenen des Films ist, die nicht von den Gesichtern dominiert wird.

Monday, March 03, 2014

Melusine, Hans Steinhoff, 1944

Ein Film über die Produktion von Heimat: Das gebildete, immer schon urban verformte Großbürgertum agiert vor der Naturkulisse noch ein letztes Mal ein düsteres, zerquältes Melodram aus, und erledigt sich dabei selbst. Die Handlung ist simpel: Die Tochter spannt der Mutter unwissentlich den Lover aus, als die Sache herauskommt überbietet man sich gegenseitig in Verzichtsgesten.

Das Personal dieses Melodrams ist grundsätzlich instabil, ist sozusagen die ganze Zeit in Selbstauflösung begriffen: Die Tochter muss andauernd vorm Ertrinken gerettet werden, der Lover hat am Anfang einen Autounfall und pflegt eh ein etwas zu ironisches Verhältnis zur eigenen Existenz, die Mutter braucht keine äußere Gefahr, sie befindet sich sowieso immer im emotionalen Ausnahmezustand. Hilflos versucht die Regie, zu beleben, was schon längst tot ist, mittels andauernd anschwellender Musik und Kamerabewegungen, die nicht so genau zu wissen scheinen, was es denn sein könnte, was sie zu überhöhen versuchen. Immerhin etwa besser wird dieser (ziemlich furchtbare) Film, wenn die Gefühlswallungen sich am Ende in Naturdramatik übersetzen dürfen: Sturm, Regen, Licht, kenternde Boote, im Wasser versinkende Haarschöpfe, das bekommt die Studiomaschinerie schon alles ganz gut hin. Auch den hoffnungslos steifen, wie eingesperrt wirkenden Schauspielern (wenigstens teilweise eine Ausnahme: Olga Tschechowa), die stets dann am überfordertsten sind, wenn es gilt, etwas nicht unmittelbar die Handlung Vorantreibendes einfach nur so dahinzusagen, wenn es also darum geht, ein in-der-Welt-Sein darzustellen, tut gut, dass sie, bedrängt von den Elementen, keine Innerlichkeit mehr vortäuschen müssen.

Das eigentlich schlimme an der Sache: Die morsche Imitation von Lebendigkeit der Haupthandlung ist noch ein Segen gegenüber dem, was ihr in einer Parallelhandlung von Anfang an beigestellt ist - und was am Ende (oder zumindest: perspektivisch) über sie triumphiert. Zurück bleibt nämlichdie tumbe, blonde Provinzfamilie, die dann in Zukunft unbeleckt von jeder Moderne vor sich hinleben darf, der keinerlei Eigenbewusstsein zugestanden wird, mit der sich niemand auf Augenhöhe befassen muss, schon gar  nicht der Film. Das wird direkt als Substitution gefasst: Das schneidige Fachwerkhaus, in dem das Melodram sich entfaltet, hat einst einer Bauernfamilie gehört, die jetzt nebenan, in kleinformatigerer Lieblichkeit, ihre Existenz fristet, das Melodram mal unterstützend, mal kommentierend, mal (der Intention nach...) humoristisch auflockernd. Der Rückkauf des alten Familiensitzes ist einziges Lebensziel des Familienoberhaupts; und am Ende gelingt er.

Der Form (und wiederum der Intention) nach ist der 1944 gedrehte Melusine ein eskapistisches Melodram, das in eine alternative Wirklichkeit fernab des schon so gut wie verlorenen Krieges entführen soll. Dass der Film dann doch einiges über seine Zeit aussagt, in der sehr allgemein um sich greifenden, kaum und höchstens ein wenig von Tschechowa überspielten Todessehnsucht zum Beispiel, auch in den ruinenartig funktionslos im Film herumstehenden Zeichen einstiger Studioeleganz, ist das eine. Das andere, was mich an diesem schon auch sein Publikum quälenden (Melusine kam in Nazideutschland nie zur Aufführung, seine Kinopremiere erlebte der Film tatsächlich erst am 2.3.2014 im Berliner Zeughauskino) Film dann doch interessiert hat, ist diese sonderbare Perspektivierung hin auf eine andere Art von Heimatfilm; auf einen Heimatfilm, der nicht mehr, wie eben noch Steinhoffs Melodram, das Ganze der Volksgemeinschaft in der Scholle verankern will (ein Versuch, der auf leider nur theoretisch interessante Art scheitert...), sondern auf einen, in dem man Heimat nur noch wie ein Biotop, von außen, betrachtet, im Wissen, dass man selbst nicht mitgemeint ist.