Die Veranstaltung begann durchaus hoffnungsvoll: nach einer Einführung durch Rainer Gansera, der sich die Erfindung des Begriffs "Neue Berliner Schule" auf die Fahne schreiben darf und der Verlesung dieses schönen Textes unterhalten sich Petzold, Arslan, Faroki, Christina Nord und andere tendenziell umsichtige, reflektierte Zeitgenossen über Ursprünge und Position der eigenen Filme, Abgrenzungen zum "filmischen Gammelfleisch" der Neunzigerjahre-Komödien, Primetime TV-Movies und den Geschichtspornos der Hirschbiegel / Becker Liga sowie das Für und Wieder von Schuss Gegenschuss. Deutlich wird das Moment, welches die Berliner Schule zumindest in ihren besten Momenten vom großen Rest der deutschen Filmproduktion unterscheidet: die genaue Reflektion der eigenen Mittel, die produktive Auseinandersetzung mit Filmgeschichte, die Ablehnung von Schlampigkeit einerseits und Manipulation andererseits.
Diesen Eindruck vermitteln jedoch vor allem die Mitglieder der sogensannten ersten Generation: Petzold, Arslan, Schanelec. Die jüngeren Regisseure legen im weiteren Verlauf der Veranstaltung gerne eine mir doch etwas zu staatstragende Attitüde an den Tag, aus der viel Anspruch an sich selbst spricht - was ja nicht schlecht sein muss, und sich anhand Filmen wie Falscher Bekenner oder Bungalow ja tatsächlich begründen lässt - aber sich manchmal mit einer weniger schönen form von Anspruchsdenken zu verbinden scheint. Dies drückt sich freilich weniger in den Redebeiträgen selbst aus, als in einem allzu sicheren Auftreten, in einer von anderen Teilnehmern zurecht gerügten Tendenz zum Floskelgebrauch, einer mancherorts durchscheinenden Geringschätzung des Technischen. Dies gilt sicher nicht für alle gleichermaßen, für Grisebach und Köhler schonmal überhaupt nicht. Doch gerade das Revolverumfeld: Nicolas Wackerbarth hat noch gar keinen Spielfilm gedreht, Heisenberg einen, Hochhäusler zwei. Nicht dass die nichts taugen - im Gegenteil. Aber mehr als ein Anfang ist das in keinem Fall. Und wenn Hochhäusler meint, wer sich im Europäischen Kino auskennen möchte, käme an den Filmen von ihm und seinen Kollegen nicht vorbei (das Zitat ist schon älter und stammt nicht vom Symposium) dann sagt dies wenn überhaupt mehr über das Europäische Kino aus als über die Neue Berliner Schule.
Richtig ärgerlich wird jedoch erst der letzte Teil der Veranstaltung. Zuerst labert Josef Schnelle irgendwas über eine neue Kinokultur oder sowas, was wir angeblich brauchen. Hollywood ist natürlich MacDonalds, Arthaus für Gourmets. Hach. Noch schlimmer: Annett Busch labert irgendwas über Claire Denis, argentinisches und deutschtürkisches Kino, Lola rennt, Die fetten Jahre sind vorbei, das Politische und das Private, den Film im Allgemeinen und will gar nicht aufhören, die Diktion stinkt fast noch mehr als der Rest von Inhalt, den man aus der Ferne auszumachen scheint. Hätte man sich ja denken können: Frau Busch schreibt für die spex. Noch viel schlimmer: Vertreter des Fernsehens sitzen auf dem Podium, erzählen irgendwas über das Potential dieser tollen jungen Regisseure, sie sollen ihren eigenen Weg machen, aber doch bitte mit etwas mehr Genre wenns geht, die Inhalte könnten ja in eine andere Form gebracht werden, oder war es andersrum? Sogar ein Vertreter der vielleicht sinnfreiesten Institution dieses an sinnfreien Institutionen nicht gerade armen Landes, der FBW sitzt da und schwadroniert etwas über die tollen, produktiven Gespräche in den Gremien mit ihren genauso tollen, überraschenden Ergebnissen (Petzolds Innere Sicherheit wurde erst 5:0 abgelehnt und nach Widerspruch plötzlich angenommen - mit demselben Ergebnis).
Zum Glück sitzt auch Karmakar auf dem Podium, macht sich in einem grandiosen Monolog über die gesamte Neue Berliner Schule lustig und schießt auch zumindest anfangs gegen die Fernsehvertreter, die sich dadurch natürlich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Überhaupt wäre es vielleicht keine schlechte Idee für einige der Regisseure aus diesem Umfeld, sich an Aussenseiter wie Karmakar, aber auch Thome oder Lemke zu orientieren, die Autorenfilm ohne Korpsgeist schaffen und sich dem System fast vollständig entziehen. Damit lässt sich natürlich nichts verändern, aber man ist die Fernsehplage los und vielleicht hört ja auch Annett Busch auf, über die Filme zu schreiben.
Ein anderer Aussenseiter (freilich einer innerhalb des Systems) war eingeladen, aber nicht erschienen. Dominik Graf liefert dennoch in einem email-Gespräch mit Petzold und Hochhäusler den vielleicht schönsten Satz des Symposiums:
"Ich wollte nach meinen ersten Filmen eine Filmografie wie Anthony Mann erwerben, das heißt: Filmen mit dem Schrotgewehr, also im Schnitt drei Western pro Jahr, denn irgendeiner wird dann schon dabei sein, der was taugt und mal ins Schwarze trifft."
Saturday, September 30, 2006
Dealer, Thomas Arslan, 1999
Thomas Arslans hyperformalistisches Werk Dealer vollzieht die komplette Fragementarisierung der filmischen Zeichen in einer derart konsequenten Weise, dass einem fast Angst werden kann. Die sichtbare Welt verwandelt sich in "Layer", einzelne Schichten, die sich zweidimensionalen, regelmäßigen, grafischen Strukturen annähern, wo sie es nicht per se ohnehin sind (die den gesamten Film bestimmenden Tapeten, Mauermuster etc.). Alles verwandelt sich in strukturierte Fläche, die Bäume etwa bieten nicht etwa einen Ausweg aus der Berliner Großstadtwüste, sondern fügen sich perfekt in die flächigen Strukturen ein, in einen vollkommen parzellierten Raum, der keine Unterscheidung zwischen Öffentlich und Privat mehr kennt.
Um diesen Effekt zu erzielen, schreckt Arslan vor keiner Form der Stilisierung zurück: Voice-Over Kommentare, die das Leinwandgeschehen nicht erklären, nicht verdoppeln, sondern einfach mit einer weiteren Layer versehen verwendet er ebenso wie deutlich flächige, kontemplative Synthieklänge, die sich über die flächigen Bilder legen, ohne einen Ausweg zu öffnen. Im Gegenteil, auch die Klänge von Bohren und der Club of Gore und Konsorten dienen ausschließlich dazu, das Geschehen noch hermetischer in einem hoffnungslos durchstrukturierten Gesamtbild festzuhalten.
Die nicht auf Informationsweitergabe, nicht auf Figurenpsychologie, nicht auf Milieuschilderung ausgerichteten Dialoge stellen vielleicht das verwirrenste Element des Werks dar. Auch diese fungieren letzlich als eine weitere Strukturierungsleistung: die unterschiedlichen Sprachklischees, Tonfälle, letztlich sogar die unterschiedlichen Sprachen selbst werden in ihrer Differenz offen ausgestellt, ohne dass der Regisseur gleichmachend eingreifen würde (analog die Schauspielstile: Amateure spielen neben Berufsschauspielern, Arslan macht keinen Versuch, dies zu verstecken, ordnet die Figuren/Gespräche im Gegenteil in einer Weise an, die die Unterschiede deutlich macht und verschiedene, distinkte Pattern lesbar macht).
Selbst der stellenweise exzessive Einsatz von Weichzeichner, in der Neuen Berliner Schule eigentlich, zumindest noch 1999, fast ein Skandal, vollzieht dieselbe Bewegung, gleicht heterogenere Strukturen mit zuviel Tiefeninformation der flächigen Welt Arslans an.
Ein wunderbarer Film jenseits aller Sozialarbeiterklischees und doch vielleicht eine Spur zu bedrückend, zu perfekt in ein formales Korsett eingepasst. Natürlich ist zu begrüßen, dass Arslan naheliegende Auswege verschließt, die Körperlichkeit, die letzte Berührung zweier ehemals Liebenden führt genausowenig zur Erlösung wie der Versuch, eine andere strukturelle Position im System einzunehmen: in der zwar komplexeren, aber letztlich genauso formalisierten Küche des Restaurants scheitert der Dealer Can vor allem deshalb, weil deren Strukturen sogar von seinem Körper Besitz zu ergreifen drohen: er stinkt nach billigem Fett.
Doch was dann? Am Ende stehen Bilder der Stadt frei von Menschen, leere Räume, Straßenzüge und Häuserblocks. Erst jetzt scheint Berlin bereit zu sein für echtes Leben, für organische Materialität jenseits der unendlichen Parzellierung.
Um diesen Effekt zu erzielen, schreckt Arslan vor keiner Form der Stilisierung zurück: Voice-Over Kommentare, die das Leinwandgeschehen nicht erklären, nicht verdoppeln, sondern einfach mit einer weiteren Layer versehen verwendet er ebenso wie deutlich flächige, kontemplative Synthieklänge, die sich über die flächigen Bilder legen, ohne einen Ausweg zu öffnen. Im Gegenteil, auch die Klänge von Bohren und der Club of Gore und Konsorten dienen ausschließlich dazu, das Geschehen noch hermetischer in einem hoffnungslos durchstrukturierten Gesamtbild festzuhalten.
Die nicht auf Informationsweitergabe, nicht auf Figurenpsychologie, nicht auf Milieuschilderung ausgerichteten Dialoge stellen vielleicht das verwirrenste Element des Werks dar. Auch diese fungieren letzlich als eine weitere Strukturierungsleistung: die unterschiedlichen Sprachklischees, Tonfälle, letztlich sogar die unterschiedlichen Sprachen selbst werden in ihrer Differenz offen ausgestellt, ohne dass der Regisseur gleichmachend eingreifen würde (analog die Schauspielstile: Amateure spielen neben Berufsschauspielern, Arslan macht keinen Versuch, dies zu verstecken, ordnet die Figuren/Gespräche im Gegenteil in einer Weise an, die die Unterschiede deutlich macht und verschiedene, distinkte Pattern lesbar macht).
Selbst der stellenweise exzessive Einsatz von Weichzeichner, in der Neuen Berliner Schule eigentlich, zumindest noch 1999, fast ein Skandal, vollzieht dieselbe Bewegung, gleicht heterogenere Strukturen mit zuviel Tiefeninformation der flächigen Welt Arslans an.
Ein wunderbarer Film jenseits aller Sozialarbeiterklischees und doch vielleicht eine Spur zu bedrückend, zu perfekt in ein formales Korsett eingepasst. Natürlich ist zu begrüßen, dass Arslan naheliegende Auswege verschließt, die Körperlichkeit, die letzte Berührung zweier ehemals Liebenden führt genausowenig zur Erlösung wie der Versuch, eine andere strukturelle Position im System einzunehmen: in der zwar komplexeren, aber letztlich genauso formalisierten Küche des Restaurants scheitert der Dealer Can vor allem deshalb, weil deren Strukturen sogar von seinem Körper Besitz zu ergreifen drohen: er stinkt nach billigem Fett.
Doch was dann? Am Ende stehen Bilder der Stadt frei von Menschen, leere Räume, Straßenzüge und Häuserblocks. Erst jetzt scheint Berlin bereit zu sein für echtes Leben, für organische Materialität jenseits der unendlichen Parzellierung.
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Monday, September 25, 2006
Sehnsucht, Valeska Grisebach, 2006
Die Sequenz gehört sicherlich zu den ganz großen Tanzszenen der letzten Jahren: Andreas Müller bewegt sich langsam, unsicher zu Robbie Williams "Feel", die Kamera bleibt nahe an ihm, zeigt jedoch nur Rücken und Hinterkopf, das eigentliche Affektbild wird verweigert. Der Tanz entsteht nicht als Ventil für überschüssige motorische Energie in einer intellektuell, sozial oder (im zweiten Beispiel) textuell überdeterminierten Welt wie in Beau Travail oder Napoleon Dynamite. Der Tänzer lässt für einen Moment die Affekte, die sein Leben tagtäglich bestimmen, ohne dass er ihnen verbal beikommen würde, in Bewegung übergehen, kanalisiert sie und wird dadurch tatsächlich handlungsfähig.
In der Tat sind es die Differenzen verschiedener Sprachsysteme, die einen Teil des Reizes dieses zauberhaften Filmes ausmachen. Die Gesrpräche der Liebenden sind nie ganz frei von Stilisierungen, unbewussten und bewussten Zwängen und stehen in hartem Kontrast mit den glasklar beobachteten, im besten Sinne naturalistischen Gespräche der Laiendarsteller im öffentlichen Raum. Eine seltsame Verschränkung: Grisebachs Figuren sind anfangs in der Öffentlichkeit scheinbar bei sich selbst, im Privaten jedoch durch Zwänge aller Art beschränkt und zu wenig mehr als zu gestammelten Liebeserklärungen fähig. Nicht nur auf sprachlicher Ebene: die Feuerwehrmänner nehmen ihre Plätze auf dem Betriebsausflug mit einer großartigen Selbstverständlichkeit ein, während Sex oder ein gemeinsmes Frühstück zu zweit hart erarbeitet werden muss.
"I just wanna feel" bedeutet für Markus den Beginn eines Versuchs, aus dieser pervertierten bürgerlichen Logik auszusteigen, ein Versuch, der vielleicht nicht so hoffnungslos ist, wie es angesichts des Handlungsverlaufs erscheinen mag. Das Kindergespäch am Ende eröffnet einen utopischen Ausblick auf eine Gesellschaft, aus der Affekte produktiv und qualfrei erwachsen können.
Das wunderbare an Sehnsucht ist, dass Szenen wie oben beschriebener Tanz organisch aus der Gesamtheit des Films entstehen, ohne Erkennbaren Stilwillen. Auch alle kunstfilmerischen Anwandlungen, die der eine oder andere ausmachen mag, sind logische Bestandteile des gesamten Werkes und nie Angeberei oder Versuche, "Atmosphäre" durch simple Addition "atmosphärischer Bilder" entstehen zu lassen (vielleicht eine der schlimmsten Krankheiten des Arthaus-Kinos). In vieler Hinsicht gelingt Grisebach vieles in Vollendung, was bei ihren Kollegen der Neuen Berliner Schule noch oft etwas unbeholfen, gewollt und nur halb gekonnt, wirkt.
In der Tat sind es die Differenzen verschiedener Sprachsysteme, die einen Teil des Reizes dieses zauberhaften Filmes ausmachen. Die Gesrpräche der Liebenden sind nie ganz frei von Stilisierungen, unbewussten und bewussten Zwängen und stehen in hartem Kontrast mit den glasklar beobachteten, im besten Sinne naturalistischen Gespräche der Laiendarsteller im öffentlichen Raum. Eine seltsame Verschränkung: Grisebachs Figuren sind anfangs in der Öffentlichkeit scheinbar bei sich selbst, im Privaten jedoch durch Zwänge aller Art beschränkt und zu wenig mehr als zu gestammelten Liebeserklärungen fähig. Nicht nur auf sprachlicher Ebene: die Feuerwehrmänner nehmen ihre Plätze auf dem Betriebsausflug mit einer großartigen Selbstverständlichkeit ein, während Sex oder ein gemeinsmes Frühstück zu zweit hart erarbeitet werden muss.
"I just wanna feel" bedeutet für Markus den Beginn eines Versuchs, aus dieser pervertierten bürgerlichen Logik auszusteigen, ein Versuch, der vielleicht nicht so hoffnungslos ist, wie es angesichts des Handlungsverlaufs erscheinen mag. Das Kindergespäch am Ende eröffnet einen utopischen Ausblick auf eine Gesellschaft, aus der Affekte produktiv und qualfrei erwachsen können.
Das wunderbare an Sehnsucht ist, dass Szenen wie oben beschriebener Tanz organisch aus der Gesamtheit des Films entstehen, ohne Erkennbaren Stilwillen. Auch alle kunstfilmerischen Anwandlungen, die der eine oder andere ausmachen mag, sind logische Bestandteile des gesamten Werkes und nie Angeberei oder Versuche, "Atmosphäre" durch simple Addition "atmosphärischer Bilder" entstehen zu lassen (vielleicht eine der schlimmsten Krankheiten des Arthaus-Kinos). In vieler Hinsicht gelingt Grisebach vieles in Vollendung, was bei ihren Kollegen der Neuen Berliner Schule noch oft etwas unbeholfen, gewollt und nur halb gekonnt, wirkt.
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Milchwald, Christoph Hochhäusler, 2003
Christoph Hochhäuslers Debut ist in vieler Hinsicht ein typischer Filmhochschul-Abschlussfilm mit all den Schwächen die dieser Gattung anhaften - zumindest soweit ich dies zu beurteilen vermag, im Allgemeinen vermeide ich solche Filme. Zu viele heterogene Ideen stehen nebeneinander, werden viel zu selten hierarchisiert, einzelne hervorragende Montagesequenzen stehen eine ganze Reihe betulich inszenierte, die Handlung vorantreibende Passagen gegenüber. Dadurch fallen einige stilistische Eigenwilligkeiten umso mehr auf, stehen nie im Dienst der Handlung oder eines konsequenten, produktiven ästhetischen Programms. Vor allem die Musik drängt sich immer wieder ungebührlich in den Vordergrund und verweist doch vor allem auf ein grundlegendes Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Auch die flachen, strengen Einstellungen, die sich immer wieder in die Fernsehoptik einschleichen, sind für sich selbst zwar oft gelungen, verweisen aber innerhalb de Gesamtwerkes weniger auf Bresson als auf jemand, der zu oft Bresson gesehen hat - oder zu selten.
Trotz allem hat der Film seinen Reiz und bei näherem Hinsehen lässt sich der Keim dessen erkennen, was in Falscher Bekenner nur zwei Jahre später - die Entwicklung zwischen den beiden Werken ist in der tat gigantisch - zur Büte kommen wird: ein gewisses stures Beharren (oder eine beharrende Sturheit? whatever...) der Figuren, das sich in mehreren Serien kleiner Beobachtungen ausdrückt, in kleinen Variationen, die in sich recht arbiträr sind und sich in die unterschiedlichsten Richtungen ausbreiten können (in Milchwald etwa die Schuhe und die Uhr des Jungen). Ein wirkliches Ziel hat niemand, oder wenn doch, wird man eben durch obige Sturheit am erreichen desselben gehindert. Aber das Eigenbrödlerische, auf etwas lethargische Weise Irrationale eröffnet Möglichkeiten, die zielstrebiges Handeln übersehen würde.
In Falscher Bekenner passt Hochhäusler - anders als in Milchwald - auch den Stil dieser Anarchie im Kleinen, die einem auf den ersten Blick wohlgeordneten Alltag von Innen auszuhöhlen versteht, an. Auch Framing und Montagelogik werden variabler, bilden unterschiedliche Serien, durchdringen den kleinstädtischen Raum in einer Weise, die der in ihn eingeschriebenen Wertkonservativen Moral nicht offen widerspricht, sondern sie der Absurdität preisgibt.
Trotz allem hat der Film seinen Reiz und bei näherem Hinsehen lässt sich der Keim dessen erkennen, was in Falscher Bekenner nur zwei Jahre später - die Entwicklung zwischen den beiden Werken ist in der tat gigantisch - zur Büte kommen wird: ein gewisses stures Beharren (oder eine beharrende Sturheit? whatever...) der Figuren, das sich in mehreren Serien kleiner Beobachtungen ausdrückt, in kleinen Variationen, die in sich recht arbiträr sind und sich in die unterschiedlichsten Richtungen ausbreiten können (in Milchwald etwa die Schuhe und die Uhr des Jungen). Ein wirkliches Ziel hat niemand, oder wenn doch, wird man eben durch obige Sturheit am erreichen desselben gehindert. Aber das Eigenbrödlerische, auf etwas lethargische Weise Irrationale eröffnet Möglichkeiten, die zielstrebiges Handeln übersehen würde.
In Falscher Bekenner passt Hochhäusler - anders als in Milchwald - auch den Stil dieser Anarchie im Kleinen, die einem auf den ersten Blick wohlgeordneten Alltag von Innen auszuhöhlen versteht, an. Auch Framing und Montagelogik werden variabler, bilden unterschiedliche Serien, durchdringen den kleinstädtischen Raum in einer Weise, die der in ihn eingeschriebenen Wertkonservativen Moral nicht offen widerspricht, sondern sie der Absurdität preisgibt.
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Friday, September 15, 2006
Dracula im Schloss des Schreckens / Nella stretta morsa del ragno, Antonio Margheriti, 1971
Dracula hat mit diesem Film genausoviel zu tun wie Mary Shellys Romanheld mit Godzilla gegen Frankensteins Höllenbrut: gar nichts. Der deutsche Verleih gedachte diesen obskuren italienischen Haunted-House Film mit einfachen Mitteln aufzupeppen und sorgte auch für die passende Synchronisation: die Gespenster auf dem Schloss beten angeblich Dracula an. Naja.
Dafür ist Klaus Kinski mit von der Partie und darf sogar Edgar Allan Poe spielen, hat jedoch nur zwei eher kleine - dafür umso intensivere - Auftritte zu Beginn und am Ende. Der Haupt- und Mittelteil versucht, sowohl die Atmosphäre der Poeschen Erzählungen durch sehr viel gotisches Decor einzufangen (direkteres Vorbild sind wahrscheinlich die Cormanschen Filme des vorhergehenden Jahrzehnts), als auch deren ornamentale Erzählstruktur nachzuempfinden.
Die vielleicht wundervollste Sequenz dieses wundervollen Films findet sich direkt beim ersten Betreten des Haunted House. Anthony Franciosa als naiv rationaler Amerikaner streift in dem Gebäude herum, die Kamera wiederum in ganz ähnlicher Weise um ihn - besonders auffällig ist eine laterale Kamerafahrt mit gleichzeitigem Schwenk, die einen sehr sonderbaren Raum eröffnet, dessen einzelne Bestandteile in immer neuen Relationen zueinander gezeigt werden. Margheriti verzichtet lange Zeit auf Establishing Shots. Statt dessen zerlegt er die alte Villa durch oben beschriebene Fahrten oder durch ebenso seltsame 360 Grad-Schwenks, die von Objekt zu Objekt schweben zu scheinen, ohne eine materielle Verbindung zwischen denselben herstellen zu können.
Es sind keine beliebigen Räume, die Margheriti errichtet. Im weiteren Verlauf werden einzelne Einstellungen und Objekte (ein Flur, ein Kronleuchter usw) als Fixpunkte etabliert, um die herum sich eine fast maschinelle Anordnung von Kamerafahrten und Objektaufnahmen zu gruppieren scheint. Auch die Tonspur enthält diese mechanische Komponente: einzelne Objekte scheinen Geräusche, Musikeinspielungen oder gar menschliche Stimmen zu triggern, die sich im weiteren Verlauf dann verselbstständigen können.
Die Mechanik funktioniert jedoch nach einem schwer durchschaubaren Regelwerk. Konventionelle Ursache-Wirkung Prinzipien sind in Margheritis Film außer Kraft gesetzt. Und so bringt das Haus nicht nur Kamerafahrten, Objekte und Geräusche hervor, sondern anschließend erst eine Frau, dann noch eine und dann ein ganzes Melodram samt verrücktem Wissenschaftler, blutsaugenden Gespenstern und einer vollkommen derangierte Michele Mercier, die irgendwann über drei Leichname hinweg stolpert und murmelt: "Das hab' ich nicht gewollt...".
In der Tat scheint der naive Rationalismus des Amerikaners in Margheritis Schloss weniger an der mystischen Geisterwelt zu zerbrechen, als an einer maschinellen, inhumanen Logik, der buchstäblich alles als Spielmaterial dienen kann, handele es sich nun um Sex, Kronleuchter oder schlicht und einfach Horrorfilmklischees, die der Film hier weniger selbstreflexiv zitiert als mechanisch instrumentalisiert.
Dafür ist Klaus Kinski mit von der Partie und darf sogar Edgar Allan Poe spielen, hat jedoch nur zwei eher kleine - dafür umso intensivere - Auftritte zu Beginn und am Ende. Der Haupt- und Mittelteil versucht, sowohl die Atmosphäre der Poeschen Erzählungen durch sehr viel gotisches Decor einzufangen (direkteres Vorbild sind wahrscheinlich die Cormanschen Filme des vorhergehenden Jahrzehnts), als auch deren ornamentale Erzählstruktur nachzuempfinden.
Die vielleicht wundervollste Sequenz dieses wundervollen Films findet sich direkt beim ersten Betreten des Haunted House. Anthony Franciosa als naiv rationaler Amerikaner streift in dem Gebäude herum, die Kamera wiederum in ganz ähnlicher Weise um ihn - besonders auffällig ist eine laterale Kamerafahrt mit gleichzeitigem Schwenk, die einen sehr sonderbaren Raum eröffnet, dessen einzelne Bestandteile in immer neuen Relationen zueinander gezeigt werden. Margheriti verzichtet lange Zeit auf Establishing Shots. Statt dessen zerlegt er die alte Villa durch oben beschriebene Fahrten oder durch ebenso seltsame 360 Grad-Schwenks, die von Objekt zu Objekt schweben zu scheinen, ohne eine materielle Verbindung zwischen denselben herstellen zu können.
Es sind keine beliebigen Räume, die Margheriti errichtet. Im weiteren Verlauf werden einzelne Einstellungen und Objekte (ein Flur, ein Kronleuchter usw) als Fixpunkte etabliert, um die herum sich eine fast maschinelle Anordnung von Kamerafahrten und Objektaufnahmen zu gruppieren scheint. Auch die Tonspur enthält diese mechanische Komponente: einzelne Objekte scheinen Geräusche, Musikeinspielungen oder gar menschliche Stimmen zu triggern, die sich im weiteren Verlauf dann verselbstständigen können.
Die Mechanik funktioniert jedoch nach einem schwer durchschaubaren Regelwerk. Konventionelle Ursache-Wirkung Prinzipien sind in Margheritis Film außer Kraft gesetzt. Und so bringt das Haus nicht nur Kamerafahrten, Objekte und Geräusche hervor, sondern anschließend erst eine Frau, dann noch eine und dann ein ganzes Melodram samt verrücktem Wissenschaftler, blutsaugenden Gespenstern und einer vollkommen derangierte Michele Mercier, die irgendwann über drei Leichname hinweg stolpert und murmelt: "Das hab' ich nicht gewollt...".
In der Tat scheint der naive Rationalismus des Amerikaners in Margheritis Schloss weniger an der mystischen Geisterwelt zu zerbrechen, als an einer maschinellen, inhumanen Logik, der buchstäblich alles als Spielmaterial dienen kann, handele es sich nun um Sex, Kronleuchter oder schlicht und einfach Horrorfilmklischees, die der Film hier weniger selbstreflexiv zitiert als mechanisch instrumentalisiert.
Monday, September 11, 2006
Reminiscences of a Journey to Lithuania, Jonas Mekas, 1972
Seltsamerweise erscheinen Filmbilder umso authentischer, je ungeschliffener sie wirken, desto deutlicher sich die Materialität des Zelluloids bemerkbar macht, durch kleinere Zerfallserscheinungen wie Laufstreifen, leere oder halb zerstörte Frames und so weiter. Auch Farbfilm und smoothe Kamerabewegungen zerstören schnell den Eindruck einer vermeintlich "echten, unverfälschten" filmischen Aussage.
So ist ein Paradox festzustellen: gerade die Techniken, die die Antiillusionisten der 60er und 70er einsetzten, um dem leidigen Realitätseffekt beizukommen, dienen heute einerseits in Mainstreamfilmen als Marker von Authentizität (im Sinne in die Filmhandlung eingeschobener Pseudo-Found-Footage, regelmäßig präsentiert in verwackelten Schwarz-Weiss Bildern - bzw inzwischen eher billige Digicam-Aufnahmen), andererseits Amateur- und Undergroundfilmern als Möglichkeit, ihre Differenz zum bösen Hollywood unmissverständlich auszudrücken und - nun ja - "realistischere" Filme zu drehen (das kürzlich hier behandelte David Holtzman's Diary stellt eine unter diesem Gesichtspunkt äußerst interessante Invertierung dieser zweiten Möglichkeit dar). Die antiilusionistischen Techniken haben also sowohl innerhalb des Mainstreamkinos, als auch innerhalb des geamten Produktionssystems eine strukturell definierte Nische gefunden, in der sie das System, welches sie eigentlich zu bekämpfen dachten, stützen.
Was hat das alles mit Mekas zu tun? Einerseits nicht viel natürlich, dieser ist sich obiger Problematik wohl bewusst und versucht gar nicht erst, eine in welchem Sinne auch immer realistische Abbildlichkeit der Welt zu behaupten. Hier spiegelt das verwendete Filmmaterial in erster Linie die Produktionsbedingungen wieder. Allerdings ist auch dieser ganz und gar wundervolle Film nicht frei von semiotischen Spielereien mit dem Bildstatus (wie sich überhaupt hinter der assoziativen, frei fabulierenden Bildsprache eine zweite, ungleich formalistischere Ebene befindet: die Motive des zweiten Teils werden beispielsweise von 1 bis 100 sortiert; die beiden Ebenen kommunizieren miteinander, doch Mekas lässt die Kommunikation scheitern - das 100. Bild wird nie erreicht).
Sobald der Film von New York nach Litauen wechselt, ändert sich das gesamte visuelle Regime. Einerseits überfordert die hypernervöse Kamera systematisch den Zuschauer, andererseits wird der Film plötzlich farbig. Die Farbe sorgt gemeinsam mit dem Übermass an Bildinformation dafür, dass die Sequenzen in Litauen einen sonderbaren Status erhalten, der weniger dem Traum oder der reinen Erinnerung gleicht, als einem atavistischen Bereich Bereich jenseits jeglicher herkömmlichen Signifikation. Und wirklich vergleicht Mekas die Litauer mehrmals mit Tieren, in naivstem Tonfall, ohne jede Reflektion. Mekas' Litauen ist ein Land vor der Kultur - oder zumindest vor Mekas' Kultur, denn die Maschinen der sovjetischen Agrarbetriebe zeigt er natürlich auch - dessen Beschreibung keiner Teleologie folgen kann (deshalb die arbiträre Logik der Zahlenfolge) und dessen materielle Existenz die Kamera nur zufällig und immer nur für kleine Augenblicke, durch einen verwaschenen Zoom oder eine kurze, assoziative Montagesequenz enthüllen kann.
Am Ende trifft Mekas in Wien Peter Kubelka und versichert sich mit diesem der abendländischen Kultur, die in Litauen nicht zu existieren schien. Doch zuerst einmal essen sie ein Schnitzel.
So ist ein Paradox festzustellen: gerade die Techniken, die die Antiillusionisten der 60er und 70er einsetzten, um dem leidigen Realitätseffekt beizukommen, dienen heute einerseits in Mainstreamfilmen als Marker von Authentizität (im Sinne in die Filmhandlung eingeschobener Pseudo-Found-Footage, regelmäßig präsentiert in verwackelten Schwarz-Weiss Bildern - bzw inzwischen eher billige Digicam-Aufnahmen), andererseits Amateur- und Undergroundfilmern als Möglichkeit, ihre Differenz zum bösen Hollywood unmissverständlich auszudrücken und - nun ja - "realistischere" Filme zu drehen (das kürzlich hier behandelte David Holtzman's Diary stellt eine unter diesem Gesichtspunkt äußerst interessante Invertierung dieser zweiten Möglichkeit dar). Die antiilusionistischen Techniken haben also sowohl innerhalb des Mainstreamkinos, als auch innerhalb des geamten Produktionssystems eine strukturell definierte Nische gefunden, in der sie das System, welches sie eigentlich zu bekämpfen dachten, stützen.
Was hat das alles mit Mekas zu tun? Einerseits nicht viel natürlich, dieser ist sich obiger Problematik wohl bewusst und versucht gar nicht erst, eine in welchem Sinne auch immer realistische Abbildlichkeit der Welt zu behaupten. Hier spiegelt das verwendete Filmmaterial in erster Linie die Produktionsbedingungen wieder. Allerdings ist auch dieser ganz und gar wundervolle Film nicht frei von semiotischen Spielereien mit dem Bildstatus (wie sich überhaupt hinter der assoziativen, frei fabulierenden Bildsprache eine zweite, ungleich formalistischere Ebene befindet: die Motive des zweiten Teils werden beispielsweise von 1 bis 100 sortiert; die beiden Ebenen kommunizieren miteinander, doch Mekas lässt die Kommunikation scheitern - das 100. Bild wird nie erreicht).
Sobald der Film von New York nach Litauen wechselt, ändert sich das gesamte visuelle Regime. Einerseits überfordert die hypernervöse Kamera systematisch den Zuschauer, andererseits wird der Film plötzlich farbig. Die Farbe sorgt gemeinsam mit dem Übermass an Bildinformation dafür, dass die Sequenzen in Litauen einen sonderbaren Status erhalten, der weniger dem Traum oder der reinen Erinnerung gleicht, als einem atavistischen Bereich Bereich jenseits jeglicher herkömmlichen Signifikation. Und wirklich vergleicht Mekas die Litauer mehrmals mit Tieren, in naivstem Tonfall, ohne jede Reflektion. Mekas' Litauen ist ein Land vor der Kultur - oder zumindest vor Mekas' Kultur, denn die Maschinen der sovjetischen Agrarbetriebe zeigt er natürlich auch - dessen Beschreibung keiner Teleologie folgen kann (deshalb die arbiträre Logik der Zahlenfolge) und dessen materielle Existenz die Kamera nur zufällig und immer nur für kleine Augenblicke, durch einen verwaschenen Zoom oder eine kurze, assoziative Montagesequenz enthüllen kann.
Am Ende trifft Mekas in Wien Peter Kubelka und versichert sich mit diesem der abendländischen Kultur, die in Litauen nicht zu existieren schien. Doch zuerst einmal essen sie ein Schnitzel.
Thursday, September 07, 2006
Gruft der Vamire / The Vampire Lovers, Roy Ward Baker, 1970
Gleich zu Beginn macht Baker klar, wo der Hammer hängt: die lüsterne Vampirfrau stürzt sich auf den verängstigten und völlig überforderten Vampirjäger und kann nur besiegt werden, weil ihre - na klar - nackte Brust auf ein Kreuz an dessen Hals trifft.
Ende der Sechziger Jahre waren die Hammer-Studios, nach mehr als einem Jahrzehnt solider und zwischendrin auch immer wieder großartiger Genrefilmerei reif für einige Neuerungen im inzwischen, dank Blood Feast et al fast vollständig transformierten Horror-Genre. Und Baker geht zumindest streckenweise wirklich in die Vollen. Zwar gelingen ihm nur wenige Szenen so hervorragend wie die eingangssequenz, doch auch danach, lässt er tendenziell keinen Stein auf dem anderen im - natürlich bereits durch Terence Fisher grundlegend reformierten - Vampirgenre. Alleine die Filmform ist meilenweit von der kostümintensiven klassischen Hammerperiode entfernt, deren Montagekonzept meist reichlich traditionalistisch erscheint und pft genug von staren Kamerapositionen und einer fast Griffithschen Szenenauflösung geprägt ist: die Totalen werden durch vignetteartige, oft nachkolorierte Großaufnahmen unterbrochen, die Handlung entwickelt sich aus einer Abfolge solcher Set-Pieces.
Bei Baker dagegen wird die Kamera radikal aktiviert, vollzieht nicht nur Figurenbewegungen nach, sondern auch Gedankensprünge, fungiert als Stichwortgeber und agiert erstaunlich modern, ihrer Zeit tendenziell eher zwei als nur ein Jahrzehnt voraus. Das offensichtlich extrem kleine Budget wird durch indexikalisch aufgebaute Schauplätze (die Kneipe besteht nur aus einem rotnasigen Wirt und ein paar Schnapsgläsern), die in hartem Kontrast zu den ausstatungsintensiven Hammer-Klassikern stehen, sowie durch seltsame Postkartenaufnahmen reichlich beliebiger Schlösser (nie im Leben könnte jemand auf dem Gedanken kommen, dass die Innenszenen wirklich in diesen Gemäuern spielen) überspielt.
Noch deutlicher wird die Reformierung des Hammerfilms jedoch durch eine Geschlechterinversion: Nicht nur die Haupt-, sondern zumindest in den ersten beiden Filmdritteln auch ein Großteil der Nebenfiguren sind weiblich. Die Frauen, allen voran die alles dominierende Ingrid Pitt, bringen die wohlgeordnete Hammerwelt an allen Ecken und enden durcheinander: die sonst schön ineninander verschachtelten Subplots verlaufen hier oft im Sand oder kommen sich gegenseitig in die Quere, die Morde werden zunehmend willkürlicher und bizarrer, selbst die Räumlichkeiten innerhalb der Schlösser wollen sich nicht mehr Recht zu einer glaubhaften oder realistischen Diegese zusammenfügen. Dominiert wird der Film von einem größtenteils ungerichteten und ziellosen Begehren, welches sich oft in lesbischer Liebe, teilweise jedoch auch auf ganz andere Art (auch Tiere kommen vor...) äußert. So ganz scheint Baker nicht zu wissen, was er mit diesem Überschuss an Weiblichkeit anfangen soll, doch genau aus dieser seltsamen Beliebigkeit macht den reiz des Films aus: als Triebobjekt ist grundsätzlich alles denkbar, probieren geht über studieren und wenn frau dann irgendwann doch gepfählt wird hat sie wenigstens ihren Spass gehabt.
Im letzten Filmdrittel lässt der Streifen dann leider etwas nach, was vor allem daran liegt, dass die Männer wieder das Kommando übernehmen. Diese sind - zumindest im Vergleich zu Pitt und Co - höchst anachronistisch gezeichnet: Peter Cushing als Schatten und Klischee seiner selbst hat eine kleine Rolle, ein lächerliuczher Arzt wird zum Glück dann doch noch Opfer der Pitt und zu allem Überfluss gibt es auch noch einen absolut nichtssagenden romantischen Helden. Auch die Intrige nimmt leider wieder Fahrt auf, in der letzten Viertelstunde scheint der Film alle Genreklischees, die im vorherigen Teil in anarchischer Triebhaftigkeit verloren gegangen waren, nachholen zu wollen und selbst die szenische Auflösung nähert sich wieder den Hammerstandarts an (die ich natürlich sehr gerne habe, aber nicht in diesem Film). Aber macht nichts, zumindest bis kurz vor Schluss gibt Gruft der Vampire Anlass zu jeder Menge Euphorie...
Ende der Sechziger Jahre waren die Hammer-Studios, nach mehr als einem Jahrzehnt solider und zwischendrin auch immer wieder großartiger Genrefilmerei reif für einige Neuerungen im inzwischen, dank Blood Feast et al fast vollständig transformierten Horror-Genre. Und Baker geht zumindest streckenweise wirklich in die Vollen. Zwar gelingen ihm nur wenige Szenen so hervorragend wie die eingangssequenz, doch auch danach, lässt er tendenziell keinen Stein auf dem anderen im - natürlich bereits durch Terence Fisher grundlegend reformierten - Vampirgenre. Alleine die Filmform ist meilenweit von der kostümintensiven klassischen Hammerperiode entfernt, deren Montagekonzept meist reichlich traditionalistisch erscheint und pft genug von staren Kamerapositionen und einer fast Griffithschen Szenenauflösung geprägt ist: die Totalen werden durch vignetteartige, oft nachkolorierte Großaufnahmen unterbrochen, die Handlung entwickelt sich aus einer Abfolge solcher Set-Pieces.
Bei Baker dagegen wird die Kamera radikal aktiviert, vollzieht nicht nur Figurenbewegungen nach, sondern auch Gedankensprünge, fungiert als Stichwortgeber und agiert erstaunlich modern, ihrer Zeit tendenziell eher zwei als nur ein Jahrzehnt voraus. Das offensichtlich extrem kleine Budget wird durch indexikalisch aufgebaute Schauplätze (die Kneipe besteht nur aus einem rotnasigen Wirt und ein paar Schnapsgläsern), die in hartem Kontrast zu den ausstatungsintensiven Hammer-Klassikern stehen, sowie durch seltsame Postkartenaufnahmen reichlich beliebiger Schlösser (nie im Leben könnte jemand auf dem Gedanken kommen, dass die Innenszenen wirklich in diesen Gemäuern spielen) überspielt.
Noch deutlicher wird die Reformierung des Hammerfilms jedoch durch eine Geschlechterinversion: Nicht nur die Haupt-, sondern zumindest in den ersten beiden Filmdritteln auch ein Großteil der Nebenfiguren sind weiblich. Die Frauen, allen voran die alles dominierende Ingrid Pitt, bringen die wohlgeordnete Hammerwelt an allen Ecken und enden durcheinander: die sonst schön ineninander verschachtelten Subplots verlaufen hier oft im Sand oder kommen sich gegenseitig in die Quere, die Morde werden zunehmend willkürlicher und bizarrer, selbst die Räumlichkeiten innerhalb der Schlösser wollen sich nicht mehr Recht zu einer glaubhaften oder realistischen Diegese zusammenfügen. Dominiert wird der Film von einem größtenteils ungerichteten und ziellosen Begehren, welches sich oft in lesbischer Liebe, teilweise jedoch auch auf ganz andere Art (auch Tiere kommen vor...) äußert. So ganz scheint Baker nicht zu wissen, was er mit diesem Überschuss an Weiblichkeit anfangen soll, doch genau aus dieser seltsamen Beliebigkeit macht den reiz des Films aus: als Triebobjekt ist grundsätzlich alles denkbar, probieren geht über studieren und wenn frau dann irgendwann doch gepfählt wird hat sie wenigstens ihren Spass gehabt.
Im letzten Filmdrittel lässt der Streifen dann leider etwas nach, was vor allem daran liegt, dass die Männer wieder das Kommando übernehmen. Diese sind - zumindest im Vergleich zu Pitt und Co - höchst anachronistisch gezeichnet: Peter Cushing als Schatten und Klischee seiner selbst hat eine kleine Rolle, ein lächerliuczher Arzt wird zum Glück dann doch noch Opfer der Pitt und zu allem Überfluss gibt es auch noch einen absolut nichtssagenden romantischen Helden. Auch die Intrige nimmt leider wieder Fahrt auf, in der letzten Viertelstunde scheint der Film alle Genreklischees, die im vorherigen Teil in anarchischer Triebhaftigkeit verloren gegangen waren, nachholen zu wollen und selbst die szenische Auflösung nähert sich wieder den Hammerstandarts an (die ich natürlich sehr gerne habe, aber nicht in diesem Film). Aber macht nichts, zumindest bis kurz vor Schluss gibt Gruft der Vampire Anlass zu jeder Menge Euphorie...
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David Holtzman's Diary, Jim McBride, 1967
Das Genre der Mockumentaries hat seine Ursprünge in der Stummfilmzeit (frühestes mir bekanntestes Beispiel ist der wunderbare Häxan), doch bis heute blieb diese Form, zumindest wenn man quantitative Maßstäbe anlegt, eine Spielwiese für periphere Autorenfilmer und oft überambitionierte Filmschüler, eine Ansammlung vereinzelter Werke, die nicht allzu viel Entwicklungslinien aufweisen und oft genug antreten, die Filmform aus dem nichts revolutionieren zu wollen. Selbstverständlich gelingt dies selten bis nie, doch das Scheitern am eigenen Anspruch produziert zuweilen Abfallprodukte, die durchaus bestauenenswert sind.
So auch David Holtzman's Diary, das Erstligswerk eines Mannes, der auch später keine Risiken scheute und in den Siebziger Jahren immerhin ein Remake von A bout de souffle drehte (das ich unbedingt auch mal sehen muss). DHD greift das Cinema-Verite Konzept auf, genauerr gesagt dessen vielleicht vollendetste Ausprägung, den Tagebuchfilm. Das gefilmte Fake-Tagebuch eines fiktiven, cinephilen 60ies Dandy samt hipper Frisur und Modell-Freundin, welches Jim McBride entwirft, weiss anfangs durchaus zu überzeugen. Die Godard-Zitate sind angemessen unangemessen, die "Ideen" des Protagonisten verweisen auf genau die Art von unreflektierter Kulturkritik, die auch - wenngleich in ganz anderer und letztlich natürlich viel schönerer Art - aus den Originalen des New Yorker Undergrounds spricht: Zerlegung des Fernsehprogramms durch Zeitrafferfunktion, politisches Radioprogramm über Bildern des New Yorker Subproletariats etc.
Dass das Ganze dann letztlich doch nicht allzu gut funktioniert, oder zumindest nicht in der intendierten Art und Weise, liegt daran, dass McBride diese Sequenzen - und auch die überraschend ehrlich erscheinenden Aufnahmen der Freundin - in einen fatalistischen Medienkritik-cum-Vulgärexistenzialismus Plot einbaut. Bereits nach einem Drittel des Films ist klar, worauf das Ganze hinausläuft: die mediale Verdopplung des eigenen Lebens wird zur Obsession und zerstört innerhalb kürzester Zeit die gesamte Lebensgrundlage des Filmenden, der irgendwann nur noch stammelnd vor der Kamera sitzt, nicht einmal mehr fähig sein eigenes Leiden zu beenden. Dieser zielgerichtete Niedergang ist als technische Fingerübung zwar gut umgesetzt, bleibt jedoch stets als eben diese, im Grunde auch recht narzisstische, Fingerübung erkennbar.
So ist DHD dann letztlich doch nur ein amüsantes Zeitdokument und keine produktive Auseinandersetzung mit Cinema Verite, radikalem Autorenkino oder gar dem Filmbild als solchem.
So auch David Holtzman's Diary, das Erstligswerk eines Mannes, der auch später keine Risiken scheute und in den Siebziger Jahren immerhin ein Remake von A bout de souffle drehte (das ich unbedingt auch mal sehen muss). DHD greift das Cinema-Verite Konzept auf, genauerr gesagt dessen vielleicht vollendetste Ausprägung, den Tagebuchfilm. Das gefilmte Fake-Tagebuch eines fiktiven, cinephilen 60ies Dandy samt hipper Frisur und Modell-Freundin, welches Jim McBride entwirft, weiss anfangs durchaus zu überzeugen. Die Godard-Zitate sind angemessen unangemessen, die "Ideen" des Protagonisten verweisen auf genau die Art von unreflektierter Kulturkritik, die auch - wenngleich in ganz anderer und letztlich natürlich viel schönerer Art - aus den Originalen des New Yorker Undergrounds spricht: Zerlegung des Fernsehprogramms durch Zeitrafferfunktion, politisches Radioprogramm über Bildern des New Yorker Subproletariats etc.
Dass das Ganze dann letztlich doch nicht allzu gut funktioniert, oder zumindest nicht in der intendierten Art und Weise, liegt daran, dass McBride diese Sequenzen - und auch die überraschend ehrlich erscheinenden Aufnahmen der Freundin - in einen fatalistischen Medienkritik-cum-Vulgärexistenzialismus Plot einbaut. Bereits nach einem Drittel des Films ist klar, worauf das Ganze hinausläuft: die mediale Verdopplung des eigenen Lebens wird zur Obsession und zerstört innerhalb kürzester Zeit die gesamte Lebensgrundlage des Filmenden, der irgendwann nur noch stammelnd vor der Kamera sitzt, nicht einmal mehr fähig sein eigenes Leiden zu beenden. Dieser zielgerichtete Niedergang ist als technische Fingerübung zwar gut umgesetzt, bleibt jedoch stets als eben diese, im Grunde auch recht narzisstische, Fingerübung erkennbar.
So ist DHD dann letztlich doch nur ein amüsantes Zeitdokument und keine produktive Auseinandersetzung mit Cinema Verite, radikalem Autorenkino oder gar dem Filmbild als solchem.
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