Dracula hat mit diesem Film genausoviel zu tun wie Mary Shellys Romanheld mit Godzilla gegen Frankensteins Höllenbrut: gar nichts. Der deutsche Verleih gedachte diesen obskuren italienischen Haunted-House Film mit einfachen Mitteln aufzupeppen und sorgte auch für die passende Synchronisation: die Gespenster auf dem Schloss beten angeblich Dracula an. Naja.
Dafür ist Klaus Kinski mit von der Partie und darf sogar Edgar Allan Poe spielen, hat jedoch nur zwei eher kleine - dafür umso intensivere - Auftritte zu Beginn und am Ende. Der Haupt- und Mittelteil versucht, sowohl die Atmosphäre der Poeschen Erzählungen durch sehr viel gotisches Decor einzufangen (direkteres Vorbild sind wahrscheinlich die Cormanschen Filme des vorhergehenden Jahrzehnts), als auch deren ornamentale Erzählstruktur nachzuempfinden.
Die vielleicht wundervollste Sequenz dieses wundervollen Films findet sich direkt beim ersten Betreten des Haunted House. Anthony Franciosa als naiv rationaler Amerikaner streift in dem Gebäude herum, die Kamera wiederum in ganz ähnlicher Weise um ihn - besonders auffällig ist eine laterale Kamerafahrt mit gleichzeitigem Schwenk, die einen sehr sonderbaren Raum eröffnet, dessen einzelne Bestandteile in immer neuen Relationen zueinander gezeigt werden. Margheriti verzichtet lange Zeit auf Establishing Shots. Statt dessen zerlegt er die alte Villa durch oben beschriebene Fahrten oder durch ebenso seltsame 360 Grad-Schwenks, die von Objekt zu Objekt schweben zu scheinen, ohne eine materielle Verbindung zwischen denselben herstellen zu können.
Es sind keine beliebigen Räume, die Margheriti errichtet. Im weiteren Verlauf werden einzelne Einstellungen und Objekte (ein Flur, ein Kronleuchter usw) als Fixpunkte etabliert, um die herum sich eine fast maschinelle Anordnung von Kamerafahrten und Objektaufnahmen zu gruppieren scheint. Auch die Tonspur enthält diese mechanische Komponente: einzelne Objekte scheinen Geräusche, Musikeinspielungen oder gar menschliche Stimmen zu triggern, die sich im weiteren Verlauf dann verselbstständigen können.
Die Mechanik funktioniert jedoch nach einem schwer durchschaubaren Regelwerk. Konventionelle Ursache-Wirkung Prinzipien sind in Margheritis Film außer Kraft gesetzt. Und so bringt das Haus nicht nur Kamerafahrten, Objekte und Geräusche hervor, sondern anschließend erst eine Frau, dann noch eine und dann ein ganzes Melodram samt verrücktem Wissenschaftler, blutsaugenden Gespenstern und einer vollkommen derangierte Michele Mercier, die irgendwann über drei Leichname hinweg stolpert und murmelt: "Das hab' ich nicht gewollt...".
In der Tat scheint der naive Rationalismus des Amerikaners in Margheritis Schloss weniger an der mystischen Geisterwelt zu zerbrechen, als an einer maschinellen, inhumanen Logik, der buchstäblich alles als Spielmaterial dienen kann, handele es sich nun um Sex, Kronleuchter oder schlicht und einfach Horrorfilmklischees, die der Film hier weniger selbstreflexiv zitiert als mechanisch instrumentalisiert.
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Friday, September 15, 2006
Thursday, October 13, 2005
The Lair of the White Worm, Ken Russell, 1988
In der 23. Minute beginnt die Wiederkehr des Verdrängten, und zwar mit aller Macht. In eine campig-verstaubte Geistergeschichter dringt ohne Vorwarnung die volle Ladung: blutüberströmte Frauenleiber, brennende Kreuze und abstruse Phallussymbolik. Klar ist es eigentlich wenig spannend, Psychoanalyse aus einem Film zu entnehmen, in den sie ganz offensichtlich (und offensichtlicher als hier gehts nun wirklich nicht mehr) hineingeschrieben wurde, doch im Falle von The Lair of the White Worm lohnt es trotzdem. Denn Russell situiert diese nicht nur innerhalb der Handlung sondern dekonstruiert mit ihrer Hilfe das gesamte Vampirgenre. Die ganze Blutsauger-Metaphorik spielt eigentlich gar keine Rolle, alles dient nur dem Spieltrieb des Machers, dessen wahre Obsessionen sich nicht in die Narration einfügen lassen. Nur zweimal durchbricht der Regisseur die spröde Oberfläche des Genres und gibt Einblick in Abgründe ganz anderer Art, als sie die biedere Bram Stocker Erzählung bieten kann (die allerdings durchaus reizend umgesetzt wurde, wenn auch das Mitwirken Hugh Grants etwas irritiert).
Ken Russell gehört auf jeden Fall zu den ganz großen Erotomanen des Kinos und da ich bisher seltsamerweise noch fast nichts von ihm kenne, werde ich dies in nächster Zeit bestimmt nachholen. Vielleicht erwarten mich ja noch andere Kleinode wie dieses hier.
Ken Russell gehört auf jeden Fall zu den ganz großen Erotomanen des Kinos und da ich bisher seltsamerweise noch fast nichts von ihm kenne, werde ich dies in nächster Zeit bestimmt nachholen. Vielleicht erwarten mich ja noch andere Kleinode wie dieses hier.
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