Sunday, December 16, 2007

Berlin Kino Kurzhinweis

"80 Sachen Rauschen" im Moviemento und im Lichtblick.
U.a. heute und morgen: Nekromantik 1 +2, Mittwoch: Der Todesking

Godard, Bordwell, aspect ratio

1.37 person. 1.66 character. 1.85 satellite slave

Saturday, December 15, 2007

La baie des anges, Jacques Demy, 1963

Schön sind die Casino-Szenen: Beim Betreten des Raumes sind Jackie, Jean und die anderen noch Charaktere, doch während des Spiels reduzieren sie sich mehr und mehr reduzieren auf die Chips, welche sie von Roulettetisch zu Roulettetisch tragen und die ihnen anhaften wie Preisschilder. Die Verteilung des Geldersatzes bestimmt die Verteilung der Körper im Raum wie auch ihre Anordnung und wer seine letzten liquiden Mittel verspielt hat, ist für die übrigen Luft. Ärgerlich ist in dieser Hinsicht nur manchmal Demys unschicklicher Eingriff in die Natur des Glückspiels: Eine Roulettekugel, die sich einer melodramatischen Struktur unterordnet, wird entweder vom Croupier unredlich gelenkt oder sie ist eben keine Roulettekugel. Genau andersrum müssten sich doch eigentlich die melodramatischen Strukturen der Kugel beugen. Andererseits denkt Demy diese Drehung vielleicht mit und vollzieht in seinem Film die Melodramatisierung nach, die wir alle geneigt sind, auf kontingente Systeme wie Roulette,Lotto oder vergleichbares zu projizieren.
Gleich während dem ersten Gespräch zwischen dem großartigen Calaude Mann und der zu bemitleidenden Jeanne Moreau (dazu gleich mehr) weißt der Film darauf hin, dass es sich hier nicht um echte Casinos, echte Spielsucht, echte amour fou etc handelt, sondern höchstens um abgeleitete. Die Boulevards und die sie bevölkerten Menschen kenne man dem Dialog zufulgo eben nicht aus der französischen Realität der Sechziger Jahre, sondern aus amerikanischen Filmen und Romanen. Genauso Jeanne Moreau selbst: Da kann sie noch so psychotisch durch die Gegend laufen, alle zwei Minuten Fruisur und Kleidung wechseln (mit Vorliebe irgendwas mit Bändern, Schleifen, Schleiern etc), da kann sie noch so melodramatisch beleuchtet werden, sie bleibt doch stets nur das Zitat eines Stars und wird nie zu diesem selbst.
Das ökonomische Erzählen Hollywoods beherrscht Demy in jedem Fall ebenso perfekt wie den souveränen Umgang mit der Bildmotivik: Bei seinem Eintritt in die Welt der Spieler wird Claude Mann von einer Spiegelserie vervielfältigt, nach zahlreichen weiteren Spiegelspielen muss Moreaus bei ihrem Austritt aus derselben die gleiche Prozedur in umgekehrter richtung durchlaufen.
Schön ist der Film zweifellos, höchst unterhaltsam ebenso. Da es mein erster Demy ist, sollte ich außerdem mit einem abschließenden Urteil vorsichtig sein: vielleicht klärt sich manches noch bei einer breiteren Betrachtung des Werks. Bislang jedoch kann ich den ganz großen Reiz an der Sache noch nicht erkennen. La baie des anges sieht mir doch eher nach - zugegebenermaßen handwerklich perfektem aber letztlich doch eher ödem - Kunsthandwerk am Vorabend der Postmoderne aus.

Liu Hulan, Feng Bailu, 1950

1950, nur ein Jahr nach der Gründung der Volksrepublik China, entstand ein biographischer Film (der zwar eine DVD-Veröffentlichung mitsamt englischer Untertitel erfahren durfte, auf einen imdb-Eintrag aber noch warten muss) über die Revolutionsheldin Liu Hulan, welche auch heute noch Gegenstand von Kontroversen ist. Angesichts der bei weitem noch nicht gesichterten internationalen Stellung des neuen chinesischen Staates nimmt es nicht Wunder, dass insgesamt propagandistische Elemente klar im Vordergrund stehen. Vor allem stellt Feng Bailu wieder und wieder China als eine Nation dar, die sich über Krieg (gegen das Großbürgertum, gegen Japaner, Reaktionäre und im Hintergrund natürlich auch die USA) definiert. Ihrem eigenen wagen Pazifismus erteilt Feng Bailus Liu denn auch gleich zu Beginn eine Absage.
Liu Hulan ist wohl (mangels genauerer Kenntnis dieser filmgeschichtlichen Epoche muss ich mich mit Mutmaßungen begnügen) einer chinesischen Version des sowjetischen sozialistischen Realismus zuzuordnen, jenem Stilprinzip, das zumindest in der klassischen Filmgeschichtsschreibung so schlecht wegkommt wie kaum ein anderes und für den Niedergang des progressiven linken Agitationskinos der Zwanziger verantworlich gemacht wird. Auch Feng Bailu verzichtet auf jegliches formales Experiment und orientiert sich sowohl was die Filmsprache als solche, als auch was die Individualisierungsstrategien zwecks Zuschaueridentifikation betrifft, deutlich an Hollywood (sogar die doppelte Gliederung des Plots ist vorhanden).
Ob ein solches Vorgehen grundsätzlich als reaktionär zu begreifen ist, sei dahingestellt (mir selbst sind solche Versuche, Form gegen Inhalt auszuspielen, zunehmend suspekt), allzu spannend ist das Ergebnis in diesem Fall allerdings tatsächlich nicht beziehungsweise höchstens aus philologischer Sicht. Interessant sind ansonsten nur die Momente, in welchen sich der Film zu seinen wenigen melodramatischen Höhepunkten aufwirft. Hier, während der Attacke der Japaner wie während der abschließenden Hinrichtung (selbstverständlich sind in dieser Version die Dorfbewohner nicht beteiligt) erweist sich Feng Bailu als technisch äußerst versierter Regisseur, der die Affektexzesse Hollywoods mittels Beleuchtung und Mise en Scene bestens nachzuvollziehen weiß. Freilich: So schön diese Sequenzen auch anzusehen sind, sind sie doch gewissermaßen gleich doppelt falsch: einerseits aufgrund der Personalisierung und der Ausstellung des apolitischen Affekts zu klein für die historische Bedeutung des Dargestellten, andererseits zu groß für den braven Sozialrealismus des restlichen Films.

Thursday, December 13, 2007

Berlin Kino, 13. - 19.12. 2007

Heute startet recht kurz nach dem tollen The Assasination of Jesse James... ein weiterer Neo/Spät/Whatever-Western. Das 3:10 to Yuma Remake ist allerdings trotz mancher Qualitäten bei weitem schlechtere Film und bietet sich an für ein Pladoyer gegen die Psychologisierung im Western als Kontrastfolie an. Besonders nervig: Russel Crowe. Ansehbar ist der Film dennoch, genauso wie der von Jerry Seinfeld produzierte Animationsfilm Bee Movie (siehe ebenfalls hier). Allerdings sollte man keine auch nur annähernd so detailversessen liebevoll gestaltete Diegese erwarten wie in Ratatouille und anderen Pixar-Produktionen. Vor allem jedoch seien alle, die der englischen Sprache auch nur halbwegs mächtig sind geraten, sich an die Originaltonspur zu halten. Von der Doku Rubljovka – Straße zur Glückseligkeit möchte ich eher abraten, ansonsten könnte eventuell Hitman interessant sein (Ebert hat's gefallen), laut imdb ist der Film hierzulande allerdings geschnitten. Hmmm.

Das Arsenal zeigt heute abend in einer von Thomas Arslan programmierten Reihe Agnes Vardas Le bonheur (strictly film school), nächsten Dienstag läuft dann King Vidors unglaubliche Ayn Rand-Verfilmung The Fountainhead.

Im Babylon läuft heute abend wieder ein Programm der sehr interessanten Reihe zum chinesischen Underground-Film Close Up China, außerdem fühle ich mich dazu verpflichtet, auf die Wiederholung des hier kürzlich erwähnten Filmes Keane hinzuweisen: Diese findet am Montag statt.

Wednesday, December 12, 2007

Man Push Cart, Ramin Bahrani, 2005

Obwohl wie in La Grain et la mulet letztlich irgendwie der italienischen Neorealismus als hauptsächliche ästhetische Referenz im Hintergrund steht, macht Man Push Cart doch in mancher Hinsicht alles genau andersrum. Während Kechiches Handkameraexzesse auf eine plastische, modellierbare, durchdringbare, kurz: durch und durch dreidimensionale Welt verweisen, betont Bahrani radikal die dem Medium eigene Flächigkeit und erschwert dadurch den Weltzugriff sowohl von Seiten der Protagonisten als auch von Seiten des Publikums.
Ahmad ist einen Großteil des Films damit beschäftigt, einen fahrbaren Coffee & Donut Shop durch New York zu ziehen. Der Silberbeschlag des Wagens reflektiert das sparsam eingesetzte Licht und sorgt für eine leicht halluzinierende, plastische Flächigkeit, die nach und nach den ganzen Film übernimmt. Die extrem langen Brennweiten der Kameralinse vernichten jeden Anflug von Tiefenschärfe, die Bewegungsrichtung der Kamera (aber auch der Figuren innerhalb der Diegese) ist stets rein lateral. Verschiebung statt Durchdringung, sanfte Akkumulation (von Bildern, Personen, Affekten) statt Penetration. Die lateral organisierten Kamerabewegungen können alles erfassen und behandeln alles tendenziell gleich.
In der Tat erzählt der Hauptdarsteller nach dem Film, dass viele Kundengespräche (und auch einige andere Episoden) mit zufällig Anwesenden Passanten improvisiert wurden (unter anderem ein sehr lustiges Pornoverkaufsgespräch). Den Bildern jedoch sieht man nie einen wie auch immer gearteten Bruch zwischen Inszenierung und Improvisation an, beides verbindet sich zu einem dichten, strikt zweidimensional organisierten Geflecht. Manchmal legt sich (ähnlich wie in Thomas Arslans ohnehin in vieler Hinsicht ähnlichem) Dealer eine kleine melancholische Melodie weniger über als neben die Bilder. Das Fehlen der Tiefendimension verweist in beiden Filmen auf die Schwierigkeit gesellschaftlich marginalisierter Individuen, sich als handelnde Subjekte in einem dreidimensionalen Raum zu konstituieren.
Irgendwann verschwindet der Wagen durch das Geflecht in die dem Film, dem Protagonisten und dem Zuschauer nicht zugängliche Tiefe des Raumes. Konsequenterweise ist er dann auch nicht mehr aufzutreiben, wenn sich auch für einen kurzen Moment eine Straße in Richtung Fluchtpunkt öffnet.
Man Push Cart ist ohne Zweifel ein kleinerer Film als La Grain et la mulet, ein Film, dem manch einer vorwerfen wird, er schrecke davor zurück, Machtstrukturen auch außerhalb seiner bloßen Form zu diskutieren und dadurch Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Für manche ist Man Push Cart vielleicht nichts anderes als eine Übung in sozialrealistisch verbrämtem Bressonianismus. Mir jedoch gefällt der Film weitaus besser als Kechiches Sozialepos, auch und gerade in seiner Reduktion. New York beispielsweise wird in einer eigenartigen Mischung aus Naturalismus und Artifizialität inszeniert, die diese neben Los Angeles wahrscheinlich meistgefilmte Stadt der Welt wieder einmal völlig neu zu erschließen scheint. Aber eben gerade nicht als einen kohärenten, sozial differenzierten Handlungsraum, sondern als ein sonderbares Nebeneinander schummrig beleuchteter Straßenecken und halbrenovierter Appartments.

Monday, December 10, 2007

La graine et le mulet, Abdel Kechiche, 2007

Abdel Kechiche rückt seinen Akteuren so nah auf den Leib, wie das sonst nur die Dogma-Filmer versuchen. Überhaupt bricht Kechiche wohl nur recht wenige Regeln des berüchtigten Manifests und reiht sich in die lange Reihe derer ein, die Authentifizierung vor allem über Handkameraexzesse zu erreichen können glauben.
Zu Beginn: Sozialdrama galore. Nach einer noch recht entspannten Episode um (wie sich bald herausstellen wird: außerehelichen) Sex auf einem Touristenschiff, wendet La graine et la mulet sich konsequent dem harten Alltagsleben zweier Immigrantenfamilien zu. Der touristische Blick ist nur Antithese zu allem, was folgen wird. Der falschen Objektivität des Touristen möchte Kechiche eine Vielzahl an Subjektivitäten entgegensetzen, Subjektivitäten, die sich oft gegenseitig widersprechen und sich nur widerstrebend den zahllosen sozialen Verträgen, die das Leben ihrer Träger objektiv bestimmen, unterordnen.
Doch zunächst wie gesagt: Sozialdrama pur. Im Mittelpunkt steht Anfangs der alternde Slimane. Nach einigen Lektionen in Sachen neoliberalem Outsourcing werden die Kinder, die Ex-Frau und die Freundin eingeführt, die Kamera bleibt weiterhin nah an den Gesichtern und Händen, auch wenn die Tochter ihren (französischen und zumindest grenzchauvinistischen) Mann in einer überaschend didaktischen Passage über die Regeln des Wirtschaftsspiels aufklärt.
Sobald Thematik und Ausgangsposition etabliert sind, löst sich die Erzählung mehr und mehr von Slimane, der schließlich fast das gesamte letzte Drittel des Films nur noch damit zubringen wird, einige Kinder zu verfolgen, die sein Moped gestohlen haben. Nun kommt jeder zu seinem Recht, noch die scheinbar unwichtigsten Figuren des Ensembles erhalten ihre Subjektivität, von den eben nicht nur rein funktionell bestimmten Antagonisten der Immigrantenclans, den alteingesessenen vollblutfranzösischen Geschäftsmännern bis zu den oben erwähnten Mopeddieben und den fast schon sprichwörtlichen alten Männern, die im Cafe sitzen.
Durchaus beeindruckend ist die Konsequenz, mit welcher Kechiche diese multiple Subjektivierung in Szene setzt. Freilich gibt La graine et la mulet im Zweifelsfall stets dem Familienmelo den Vorzug vor der Erkundung sozioökonomischer Zusammenhänge. Und auch die dramatische Struktur des gesamten Filmsfolgt diesem Paradigma und reduziert die anfangs noch recht frei angelegten Konflikte zu einer mehrschichtigen Parallelmontage mit Suspense und allem, was dazu gehört. (Im Grunde ist La graine et la mulet klassisches Kino in Reinform, vor allem in seinem Streben nach motivischer Kohärenz und seiner bedingungslosen räumlichen Verdichtung der Ereignisse.)
Was bleibt sind vor allem viele lange Gespräche. Die sind oft sehr schön: Die junge Rym steht während einer ruhigen, konzentrierten Unterredung vor einer rosa gemusterten Tapete, während sich hinter dem sitzenden Slimane ein Fenster zum Hafen öffnet; ein Familienessen entwickelt sich zur polyphonen Sprachsynphonie. Doch nicht ganz lässt sich der Eindruck verdrängen, dass Kechiche im Zweifelsfall der Soap Opera immer etwas zu gewogen ist. Vor allem in Bezug auf die Schließung, die nun tatsächlich viel zu viel schließt. So ist La graine et la mulet zwar ohne Zweifel ein guter Film. Ein ehrlicher jedoch nur bis zur vorletzten Einstellung. Und ein "neues Kino der Menschlichkeit" (Hochhäusler)? Ich weiss nicht so recht...

Saturday, December 08, 2007

Berlin Kino: Zwei Kurzhinweise

Und der erste gleich in eigener Sache:
Seit letztem Sommer bin ich an der Programmierung der Filmreihe debut im Berliner Kino Babylon beteiligt (allerdings nicht hauptverantwortlich, Beschwerden also bitte nicht an mich...).
Die Reihe geht nächsten Montag mit der Berlinpremiere von Lodge Kerrigans Keane in die zweite Runde. Zugegebenermaßen ist der Film nicht unbedingt mein Lieblingsstreifen der aktuellen Staffel (that would be Mary, demnächst ebenfalls in Berlin), sehr interessant ist Kerrigans Werk aber in jedem Fall. Hier zwei sehr schöne Kritiken, von Ekkehard Knörer und Katharina Stumm.

Außerdem bin ich Dank Sarah auf eine Reihe im Haus der Kulturen der Welt aufmerksam geworden, die in neun Programmen neue Dokumentarfilme aus dem arabischen Raum vorstellt. Los geht's am Dienstag, bis Anfang Januar werden alle Filme noch zweimal wiederholt.

Thursday, December 06, 2007

Berlin Kino, 6.12. / 12.12. 2007

Derzeit ist hier aufgrund Zeitmangels recht wenig los und auch an dieser Stelle nur einige ganz kurze Hinweise:
Neu im Kino startet Maria Speths Madonnen. Meine (positive) Kritik wird wohl noch im Laufe des Tages bei critic.de online gehen, ein unsäglicher Artikel der FAS wird bei newfilmkritik diskutiert und für fundierte (allerdings auch etwas hysterische: "Eigentlich ist das furchtbar profanes Erzählkino, geerdet sogar bis hin zur ekelhaftesten emotionalen Zuschauer-Manipulation, die Mitleids-Evokation mit dem sowieso die ganze Zeit über unerträglich traurig dreinschauenden Mädchen, das nach dem Sportunterricht von seinen grausamen Mitschülern misshandelt wird, buhuhu." aber umso besser: etwas mehr gut ausformulierte Hysterie kann der deutschen Filmkritik nur guttun) Gegenposition besuche man Christian. Kurz und gut: Anschauen! Ansonsten: Ulrike Ottingers netter Prater und ein neuer Thome namens Das Sichtbare und das Unsichtbare, auf den ich mich eigentlich gefreut hatte, an welchem jedoch Knörer kein gutes Haar lässt.

Weiterhin im Babylon: In 14 Filmen um die Welt mit u.a. Jia Zhang-kes Dong heute und Samstag sowie nächsten Mittwoch wieder Italowestern.

Im Zeughauskino läuft derweil heute abend Bitomskys Reichsautobahn. Nächsten Mittwoch dann Originalnazikino mit Veit Harlans Die goldene Stadt.

Thursday, November 29, 2007

Berlin Kino, 29.11. - 5.12. 2007

Ben Afflecks Regiedebüt heißt Gone Baby Gone und wird im allgemeinen recht positiv aufgenommen (Variety, Knörer). Mal sehen. Ansonsten startet noch das Kevin Costner-Vehikel Mr. Brooks, ein Actionkracher namens The Condemned, der großen Spaß bereiten könnte, sowie mehrere wahrscheinlich eher unterirdische deutsche Filme, unter anderem sogar einer über die Bundeswehr. Und Uwe Boll bringt tatsächlich mit seinem Dungeon Siege Streifen gleich den dritten Film innerhalb weniger Wochen in die Kinos...

Mehr los ist im Babylon Mitte. Dort startet am Freitag zum zweiten Mal das Around the World in 14 Films Festival, das aktuelles Weltkino oftmals außerhalb des gängigen Arthaussektors präsentiert. Von den diesjährigen Filmen habe ich bisher nur den spanischen Memento cum Innaritu-Verschnitt The Night of the Sunflowers gesehen, von dem ich doch eher abraten möchte. Auch der türkische Beitrag Bes vakit ist dem Vernehmen nach eher ödes Arthauskino. Ein Highlight des Programms ist sicherlich Jia Jang-khes Dokumentarfilm Dong, der hier endlich den Weg nach Berlin findet und nächsten Donnerstag gezeigt wird. Ansonsten weiß ich nicht allzu viel über die Filme, man kann jedoch sicherlich davon ausgehen, dass Kechiches La graine et le mulet oder Bahranis Man Push Cart interessanter sind als der mexikanische Beitrag, der sich bereits im Werbetext unerträglich anfühlt.

Ansonsten zeigt das Babylon weiterhin seine ausführliche Rosa von Praunheim Retrospektive. Am Montag läuft beispielsweise sein Kannibalenfilm Dein Herz in meinem Hirn, dessen titel mindestens ebenso schön ist wie die potentielle Umwendung "Dein Hirn in meinem Herz". Die Freunde des schrägen Films haben indes genug von Erwin C. Dietrich und wenden sich mit einer Italowestern-Reihe wieder etwas filmkunstaffineren Gefilden zu. Nächsten Mittwoch läuft ein Film, bei dem man eigentlich nicht falsch liegen kann: Satan der Rache mit Klaus Kinski, regie führt der große Antonio Margheriti.

Leider nicht allzu viel los ist derzeit im Arsenal, oder besser gesagt wieder einmal Business as usual: Natürlich kann man sich in der Magical History Tour schöne Stummfilme ansehen und nette Experimentalfilmklassiker gibt's auch en masse (Un chien andalou läuft in zwei unterschiedlichen Reihen sowohl Montags als auch Dienstags), was jedoch schon seit Monaten fehlt, ist eine wirklich herausragende Reihe vom Schlage der Rosselini-Reihe des letzten Sommers. Auch die an sich etwas überaschende David Lean-Reihe scheint sich auf das opulente Spätwerk des Regisseurs zu beschränken. Klassisches Hollywoodkino bleibt also auch weiterhin Mangelware im Arsenal. Ist alles natürlich auch eine Kostenfrage, klar... Am ehesten von Interesse sein dürfte diesen Monat eine Auswahl neuerer amerikanischer Independent-Filme sein, die mit Jennifer Reeves The Time We Killed (sowie einigen Kurzfilmen der Regisseurin) nächsten Mittwoch einsetzt.

Das Zeughauskino zeigt heute um 20:00 Godards äußerst seltsamer Histoire du cinema Nachklapp Notre musique, welcher sich zumindest irgendwie auch mit dem Nahost Konflikt auseinander setzt. Zumindest den bescheuerten (und glücklicherweise recht kurzen) Schlussabschnitt im "Himmel" hätte ich dann doch gerne mal von jemand erklärt...

Thursday, November 22, 2007

Berlin Kino, 22.11. - 28.11. 2007

Das Highlight unter den Neustarts der Woche ist höchstwahrscheinlich der rumänische Cannes-Gewinner 4 luni, 3 saptamani si 2 zile. Allseits hoch gelobt, bietet der Deutschlandstart Leuten wie mir, die im allgemeinen dem osteuropäischen Gegenwartsfilm gegenüber nicht ganz vorurteilsfrei sind, die Möglichkeit, ihre Ignoranz abzulegen. Den oftmals als Vergleich herangezogenen Moartea domnului Lazarescu habe ich ebenfalls noch nicht gesehen, als Begleitprogramm wäre der jedoch sicherlich auch zu empfehlen. Da aus Hollywood diese Woche sonst vor allem Unfug schwereren Grades (unter anderem Rendition, der neue Film des Tsotsi-Verbrechers und leider auch designierten Wolverine Regisseurs Gavin Hood) anläuft, weise ich nur noch auf Uwe Bolls Seed hin. Irgendwann muss ich mal die Post-Alone in the Dark Filmografie des Schlimmfilmers aufarbeiten und Seed wäre vielleicht kein schlechter Beginn für ein solches Unterfangen, ist Boll doch hier ein ganz besonderer Marketinggag geglückt: Eine Zusammenarbeit mit PETA. Hier ein Auszug aus der Pressemitteilung:
"In Bolls Film SEED werden Szenen aus chinesischen Pelzfabriken gezeigt, auf denen zu sehen ist wie Hunden bei lebendigem Leibe das Fell abgezogen wird. Das Bildmaterial ist echt und so werden erstmals in einem Kinofilm authentische Bilder von Grausamkeiten an Tieren, so genanntes Snuff-Material, eingesetzt. Die Szenen wurden von PETA heimlich gedreht und dem Boll-Film zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug werden 2.5% der weltweiten Netto-Einnahmen des Films direkt in die Arbeit der Tierrechtsorganisation PETA fließen."
Und insbesondere: "Mit den schockierenden Bildern möchten Boll und PETA zum Nachdenken anregen." Das wird's sein.

Im Arsenal läuft heute abend zusammen mit Man Rays Emak Bakia Louis Dellucs wunderbare Hafenimpression Fievre. Ansonsten: Ottinger und Weimarkino.

Das Babylon widmet einem anderen Vertreter des deutschen Autorenfilms eine Retrospektive, dessen Werk mir bislang noch völlig unbekannt ist: Rosa von Praunheim. Der Klassiker Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt läuft morgen, die mir einst von Thomas empfohlene Bettwurst übermorgen. Mittwoch gibt es dann nochmal Franco / Dietrich Sleaze.

Das Zeughauskino zeigt unter anderem Bertoluccis Il Conformista, der mir unlängst beim Wiederanschauen deutlich besser gefallen hat als beim ersten Mal. Dass Jameson ausgerechnet den Film wiederholt als Proto-Patiche geiselt, kann ich zumindest nicht mehr ganz nachvollziehen. Schließlich sind sich die filmischen Bilder ihrem Status stets alles andere als sicher und öffnen sich dadurch einem kritischen Blick. Heute abend laufen außerdem drei Essayfilme der feministisch-kommunistisch-postkolonialen (oder so ähnlich) Filmemacherin Hito Steyerl, über die ich irgendwo mal (ich glaube bei Olaf Möller) ziemlich viel gutes gelesen habe.

Tuesday, November 20, 2007

Know Your Enemy: Japan, Frank Capra & Joris Ivens, 1945

Fünfzig Minuten lang führen Capra eund Ivens die Bearbeitung des japanischen Körpers vor, zehn Minuten lang triumphiert die amerikanische Technik. Die von den Japanern hingerichteten Fillipinos bzw ihre versehten Körper und die halbverhungerten amerikanischen Kriegsgefangenen zeugen von einer Leiblichkeit, die die höherstufige Militärmaschienerie nicht mehr kennt: Hier zerstören Flugzeuge Flugzeuge und Schiffe Schiffe. Selbstverständlich sind diese (noch) bemannt, doch die Insassen bleiben unsichtbar. Nicht nur die der Gegenseite (um die unvermeidlichen Grausamkeiten auch der eigenen Handlung zu verschweigen, was natürlich auch eine Rolle spielt: von 100000 toten Japanern auf Okinawa erzählt stolz der Voice-Over Kommentar; im Bild zu sehen ist kein einziger), sondern zum großen Teil auch die eigenen. Oder, wenn sie doch auftauchen, eignet ihnen eine völlig andere Form von Subjektivität, eine, die den bis in die Fingerspitzen konditionierten Japanern nicht zusteht. Es sind vielleicht die handelnden Subjekte des Genrefilms, des Westerns zu allererst, in jedem Fall aber Subjekte, die zwischen sich und dem, was sie anrichten, bereits eine Distanz errichtet haben und deshalb im Umkehrschluss von diesem nicht mehr determiniert werden können.
Zwei Arten von Kriegen beschreibt Know Your Enemy: Japan also: Einmal den der unbedingten körperlichen Affizierung, den Krieg der genetisch, kulturell, religiös, historisch jeder Subjektivität beraubten Japaner einerseits und den der sich bereits tendeziell verselbstständigenden Technomaschinerie andererseits, einer Technomaschinerie freilich, deren Entfaltung das Individuum nicht etwa beschränkt oder bedroht, sondern in gewisser Weise befreit (Transformers als Vollendung dieses Prinzips? Die Liebes- und sonstigen Alltagsgeschichten könnten sich hier nun, zumindest prinzipiell, endlich vollständig unabhängig von den sich bekämpfenden Robotergruppen entfalten).
Aber auch: Zwei Arten von Produktion (überhaupt erstaunt es mich, der ich erst wenige Genrevertreter kenne, wie oft der amerikanische Kriegsfilm schon in den vierziger Jahren direkt vom Kapitalismus spricht): Die fordistische Produktionsmethode haben auch die Japaner drauf, ja sie sind fast für dieselbe geschaffen, spannt sie doch das Fließband in dasselbe unmittelbar körperliche Regime ein, das laut Capra /Ivens sowieso in ihren kulturellen oder möglicherweise gar biologischen Code eingeschrieben sei. Die amerikanische Produktion freilich ist schon einen Schritt weiter: Das serielle Prinzip hat sich verselbstständigt und betrifft nun nicht mehr Menschen, sondern Kampfflugzeuge, Panzer und Kriegsschiffe, die in wunderbaren Formationen, und ohne auch nur irgendetwas über ihren eigenen Produktionsprozess zu verraten, die jämmerlichen Überreste des japanischen Heers in Schutt und Asche legt. Ein Mysterium liegt über dieser in den letzten zehn Minuten mit aller Macht auftauchenden Streitmacht. Könnte der Film diese genauso auf soziale, kulturelle, historische etc Faktoren zurückführen, wie er dies im Falle der Japaner (zwar in vieler Hinsicht falsch, aber doch überzeugend) vorführt? Oder verbirgt sich in diesen letzten zehn Minuten ein Repräsentationsproblem, das mehr mit der Wirtschafts- als mit der militärischen Ordnung zu tun hat?

Thursday, November 15, 2007

Berlin Kino 15.11. - 21.11. 2007

Heute startet - wieder einmal ohne transatlantische Zeitverschiebung - gleichzeitig in den USA und weiten Teilen Europas Beowulf, der erste Film seit recht langer Zeit des ehemaligen Mainstreamgiganten Robert Zemeckis. Zu erwarten hat man von der Sagenverfilmung wohl eine eher unschöne Mischung aus 300 und Lord of the Rings, Ekkehard Knörer war zumindest wenig angetan, genauso wenig wie von Free Rainer, aber das Hans Weingärtner sich nach einem Schmarrn wie Die fetten Jahre sind vorbei zu einem Meisterwerk aufschwingen würde, war auch kaum zu ertragen.Am allerschlimmsten unter den Neustarts könnte jedoch King of California werden, ein nach allem, was ich bisher davon gesehen / darüber gelesen habe, besonders korruptes Stück amerikanisches Indie-Kino. Wiederum kein Wunder: Alexander Payne hat's produziert. Sehr viel mehr erwarten darf man sicherlich von Ridley Scotts American Gangster, dessen Trailer mir mit jedem Mal ansehen besser gefällt. Durchaus anschaubar ist weiterhin der türkische Religionshorrorfilm Takva, der das leidige Islamistenthema erfreulicherweise lediglich als Vorwand für solides Genrekino nutzt.

Das Arsenal zeigt Lanzmanns Shoah in voller Länge, ansonsten ist dort zur Zeit nicht viel los. Nicht genug warnen kann ich weiterhin vor Body Rice, der heute noch einmal gezeigt wird. Interessant ist sicherlich de Doku Bantsuma – Das Leben des Bando Tsumasaburo Matsuda Shunsui über einen Samuraidarsteller der 20er bis 50er.

Im Babylon Mitte läuft ab dem 16. die brasilianische Filmwoche. Das brasilianische Gegenwartskino kenne ich so gut wie überhaupt nicht, aber der Retrospektivenfilm Iracema hat glaube ich einen sehr guten Ruf. Außerdem läuft im Babylon noch das eine oder andere aus China, Korea und von Erwin C. Dietrich.

Im Zeughauskino läuft überraschenderweise schon wieder Karl May, aber immerhin nächsten Mittwoch noch Viscontis tolle James M. Cain-Verfilmung Ossessione.

Das Central hat wohl Blut geleckt und zeigt nach der Grindhouse-Reihe diesen Sommer am 16.11. gleich wieder schlimme Filme. Los geht es um 22 Uhr, insgesamt gibt's fünf Filme für insgesamt 12 Euro, Kaffee ist gratis. Aus dem Angebot kenne ich nur Don't Go in the House, ein äußerst krudes Psycho-Rip-Off, das in dem Programm bestens aufgehoben ist.

Monday, November 12, 2007

The Heartbreak Kid, Peter & Bobby Farrelly, 2007

Die amerikanische Komödie zeigt auch weiterhin die Bilder, die der Rest Holly- und Indiewoods auslässt. Sei es in bester Gross-Out-Tradition üppige Schambehaarung samt Intimpiercing während dem Urinieren oder in einer ziemlich unglaublichen Sequenz der Kampf Ben Stillers und einer Gruppe mexikanischer illegaler Immigranten gegen die amerikanische Grenzpolizei. Mann muss sich die Radikalität, die sich in dem Film verbirgt vor Augen halten: In einer Sequenz wird der inzwischen bereits stark heruntergekommene Ben Stiller bei dem Versuch, in einem Eisenbahnwagon die Grenze zu überqueren, humorlos zusammengeschlagen und kurzerhand wieder aus dem Zug geworfen. Gerade weil vieles allzu krude ist in The Heartbreak Kid (aber gleichzeitig nichts so konsequent antirealistisch wie in Zoolander oder Anchorman), gerade weil die mexikanischen Charaktere allesamt Abziebilder der übelsten Sorte sind, brechen in diesen und ähnlichen Sequenzen reale diskurse mit aller Macht in den Film hinein. Das Drehbuch, ein mit jeder Menge over the top Body Humor angereichertes Standart RomKom-Skript, kann und soll den in alle möglichen Richtungen auseinanderstrebenden Film nicht bändigen.
Die Topografie des Films definiert sich nicht etwa durch die verschiedenen Reisen zwischen Amerika und Mexiko, sondern über die Opposition zwischen Bible Belt (People with Guns) und San Francisco. Im ersteren sitzt eine ausdifferenzierte Redneckfamilie, in letzterem Malin Akerman als Lila, hinter deren hippen Fassade alle Abgründe der Gegenkultur auf einmal versammelt sind: Ungenügende Körperpflege, Drogenkonsum, materielle Selbstausbeutung, Sex als Leistungssport, etwas zu euphorische Aneignung von Popkultur etc. Mexiko (eingefürt jeweils durch wunderbare tourismusaffine Montagen, die von Anfang an klar machen, dass es um den amerikanischen Blick auf das Land geht und nicht etwa um dieses selbst - wie überhaupt der Film bei jeder Gelegenheit in stylische Helikoptershots cum Popmusik ausbricht) dient nur als Katalysator.

Thursday, November 08, 2007

Berlin Kino, 8. - 14. 11. 2007

Heute startet, begleitet von reichlich Medienwirbel, Robert Redfords neuer Film Lions for Lambs, der mir überraschend gut gefallen hat. Selbstverständlich ist Redfords Werk kein richtig guter Film und einige Sequenzen sind gar reichlich unerträglich, dennoch sollte man sich nicht alleine von der Tatsache abhalten lassen, dass der Streifen ganz eindeutig die falschen Freunde hat, worauf auch Diederichsen in seinem etwas wirren Aufsatz zum Film hinweist. Wem dagegen der Sinn mehr nach extrem-Arthaus steht, der wird vielleicht mit Joe Wrights Atonement glücklich werden. Nach allem, was ich bei Christian und Ekkehard Knörer gelesen habe, bleibe ich dem Ganzen jedoch lieber fern. Ganz abraten möchte ich von Pas douce, einem anfangs ganz netten, in den zwei letzten Filmdritteln jedoch zunehmend auf unangenehm zurückhaltende Art und Weise menschelnden Franzosenfilm, mit dem wiederum Knörer meiner Meinung nach doch etwas zu nachsichtig umgeht. Und dann startet mit 30 Days of Night noch ein Vampirfilm, dessen Regisseur David Slade sich jedoch mit Hard Candy eigentlich bereits selbst disqualifiziert hat.

Der bereits letzte Woche angekündigte Werner Herzog-Film The Wild Blue Yonder ist doch erst diese Woche zu sehen und zwar am Sonntag um 20:00 im Filmtheater am Friedrichshain.

Weil ich gerade bei Herzog bin: Eine schön programmierte Reihe im Zeughauskino setzt sich mit der Amerika-Entdeckung auseinander und zeigt morgen Cobra Verde, die seinerzeit wohl aufs übelste verrissene und mir noch unbekannte letzte Zusammenarbeit des Meisters mit Klaus Kinski. Ansonsten laufen noch zwei Filme Manoel de Oliveiras, des dienstältesten Auteurs des Weltkinos. Ich kenne von De Oliveira nur seine beiden letzten filme und Cristóvão Colombo - O Enigma hat mich doch eher ratlos zurückgelassen, dennoch fasziniert mich der Film (genauso wie der großartige Belle toujours) sehr. Denn beide Filme sind meilenweit von allem entfernt, was man an Alterswerken gemeinhin entweder liebt oder hasst. Insofern bin ich sehr gespannt, was da noch auf mich zukommt (vielleicht hier bald mehr zu De Oliveira). Zu guter oder wahrscheinlich eher schlechter Letzt ist in dieser Reihe auch noch ein Veit Harlan Film aus dem Jahr 1938 zu sehen.

Im Babylon Mitte läuft wieder eine japanische Filmreihe, auf die ich erst heute aufmerksam gemacht wurde. Gezeigt wird eine Auswahl des Programms der normalerweise in Frankfurt stationierten Nippon Connection. Der Schwerpunkt scheint mir auf hierzulande wenig greifbarem Kino- und Videomaterial irgendwo zwischen hipper Popkultur und Experimentalfilm zu liegen. Sieht alles äußerst interessant aus. Nächsten Montag gibt's neue, kurze Animationsfilme en masse.

Mehr Kurzfilme im Babylon bieten das interfilm Kurzfilmfestival, das den Kurzfilmkennern (ich bin keiner) sicher viel Freude bereiten wird. Außerdem läuft noch ein seltsamer koreanischer Horrorfilm (Needless to say, these women have serious food issues), einer der unzähligen Frauengefängnisfilme von Jess Franco (und dieser heißt tatsächlich auch so: Frauengefängnis) sowie Straub / Huillets mir ebenfalls noch unbekannter Geschichtsunterricht, dessen Titel möglicherweise eine ähnlich identitäre Beziehung zu seinem Inhalt unterthält wie der Franco-Film.

Eher weniger los ist diese Woche im Arsenal, vor allem möchte ich hier eine unbedingte Warnung aussprechen vor dem Film Body Rice, einem der unerträglichsten Streifen, der mir in den letzten Jahren in die Quere gekommen ist. Definitiv nur etwas für Masochisten. Schöne Stummfilme laufen dagegen in der Magical History Tour, außerdem gibt es O Estado do Mundo zu sehen, einen Omnibusfilm, an welchem unter anderem Pedro Costa und Weerasethakul mitgearbeitet haben. Und meine letztwöchentliche Warnung vor Ulrike Ottinger möchte ich doch noch dahingehend einschränken, dass ihr Dokumentarfilm Prater eigentlich sogar ziemlich großartig ist.

Das Ethno Filfest im Dahlemer Museum für Ethnologie gehört eigentlich zu den Veranstaltungen, die besser sind als alles, was man auf den ersten Blick mit einem solchen Namen verbindet. Das diesjährige Programm sagt mir jedoch absolut überhaupt nichts. Wenn da jemand Bescheid weiß / etwas empfehlen kann, nur zu. Warnen möchte ich nur vor dem leider alles andere als tollen Vorführraum, der noch weitaus weniger kinotauglich ist als das Pandon im Haus der Kulturen der Welt.

Thursday, November 01, 2007

Berlin Kino, 1.11.-7.11. 2007

Hier geht es hoffentlich ab sofort wieder regelmäßig weiter, der Umfang der Empfehlungen wird allerdings wohl recht häufig eingeschränkt werden müssen...

Die Neustarts dieser Woche versprechen wenig, wirklich gespannt bin ich im Grunde nur auf die neue Farrelly / Stiller Kollabo The Heartbreak Kid. Bei der Kritik kam der Film alles andere als gut an. Allerdings liegt eine auf unreflektierten Qualitätsmarkern beharrende Filmkritik gerade bei amerikanischen Komödien fast schon grundsätzlich falsch. Ich jedenfalls freue mich darauf. Sehr abraten möchte ich von Rafi Pitts It's Winter, der vom ansonsten geschmackssicheren Peripher-Verleih in die Kinos gebracht wird. Widerlicher Pseudo-Neorealismus aus dem Iran, der in seinen eigenen Klischees erstickt.

Eine sehr seltsame Filmreihe haben "Die Gesellschafter" beziehungsweise die "Aktion Mensch" (die wohl so etwas wie die neoliberale Wendung der Aktion Sorgenkind ist) ins Leben gerufen. Grundsätzlich sollte man Filmreihen solcher Organisationen zwar wahrscheinlich weiträumig umfahren, doch in diesem Fall wird unter anderem Werner Herzogs mir noch unbekannter, aber wohl recht interessanter The Wild Blue Yonder gezeigt. Wo und wann genau, konnte ich llerdings nicht herausfinden (möglicherweise erreicht die Reihe doch erst in den kommenden Wochen Berlin).

Ansonsten zeigt das Arsenal in den nächsten 7 Tagen gleich zweimal Juventude em marcha, den neuesten Film des neuen Uber-auteurs Pedro Costa. Lohnt sich sicher. Abraten möchte ich dagegen - obwohl ich nur einen Film gesehen habe - von der Ulrike Oettinger-Retro. Kann gut sein, dass diese Filme historisch mal die richtigen waren, heute sind sie jedoch weniger die falschen als einfach die scheissegalen und nervigen. Andererseits: natürlich sollte sich auch diesbezüglich jeder selbst ein Bild machen.

Im Babylon Mitte läuft heute abend das zweite Programm einer neuen Reihe zum chinesischen Independent-Film namens Close up China. Diesmal werden Filme des Dokumentaristen Wu Wenguang, der sich in allen seinen Werken durch explizit politisches Engagemnet auszeichnen soll. Außerdem läuft nächsten Dienstag Eisensteins Oktober mit Klavierbegleitung und m Mittwoch bei den schrägen Filmen ein Edgar-Wallace-Film.

Tuesday, October 30, 2007

Brève traversée, Catherine Breillat, 2001

Ein One Night Stand auf einem Schiff. Doch als Schiff sehen wir es nur in einer Szene. Kurz bevor es tatsächlich zum Sex kommt, stehen Alice und Thomas gemeinsam an der Reling. Das Wasser, ansonsten höchstens ein, zweimal über die Tonspur erschließbar, ist nur hier wirklich anwesend und bricht die davor immer etwas unwirkliche, artifizielle Stimmung des Films. Hier, und anschließend in Alices Schlafzimmer, gibt der Film seine Distanz auf, lässt sich ganz auf die Körperlichkeit der Schauspieler ein.
Ansonsten sieht das Schiff eher aus wie eine absonderliche Ansammlung besonders geschmackloser Supermärkte und Bars, Hotelzimmer sowie mensaähnlicher Restaurants. Selbst wenn Thomas das Schiff betritt und verlässt, ist es nicht als solches erkennbar, die Gangway erinnert zumindest mich eher an Flughäfen und die Schalterlabyrinthe bei der Passkontrolle sind typische Nicht-Orte (überhaupt hat das ganze Schiff etwas von einem Nicht-Ort und alles was Ort daran ist, ist tendenziell grässlich). In diesem Nicht-Ort nun verbringen Alice und Thomas eine Nacht.
Zu einer Schiffahrt gehören nicht nur Wasser, Wellen und Reling, sondern eben auch all die anderen Orte, an welchen Brève traversée hauptsächlich spielt. Und auch zum Sex gehört mehr, lange Blick- und (manchmal zu) lange Wortwechsel und die gegen-, obwohl hier natürlich eher einseitige Verführung. Ohne dies alles ergäbe nichts einen Sinn in diesem schönen, kleinen und klugen Film, den man vielleicht auch als (vorauseilenden) Gegenfilm zu Claire Denis' ungleich euphorischeren Vendredi soir auffassen kann, in welchem ein Jahr später sogar die Markenschriftzüge der Autos zu tanzen beginnen.

Battlestar Galactica - Irgendwo inmitten der unendlichen Weiten der zweiten Staffel

Gestern Nacht gesehen: Die bisher vielleicht allerbeste Folge "Resurrection Ship: Part 2". Halluzinogene Melancholik zwischen Blade Runner und 2001 trifft auf knallharten Spannungsfilm, eine unglaubliche Mischung aus wildem, befreienden, assoziativen Wahnwitz und kühlstem, analytischem Plotting. Zwei Folgen vorher ensteht aus dem Nichts eine völlig neue Dimension des sich ständig erweiternden Battlestar-Universums (und dieses Universum ist hier nicht auf narrative Strukturen beschränkt wie im Falle von Lost, Battlestar Galactica betreibt wirklich world building, aber nicht im Sinne der öden Fantasy-Literatur und ihren beliebigen, austauschbaren Fabelwesen; auch nicht jedoch im Sinne einer allegorischen Parallelwelt, die nur unsere eigene verdoppelt. Im Grunde ist gerade die unklare Situierung dieser Welt das interessanteste an ihr, schwankt sie doch stehts zwischen eskapistischer Fantasie, utopischer Alternative und dystopischer Kritik, ohne sich letztlich für eines der drei zu entscheidend. Vielleicht wird durch diese Verweigerung implizit die zweite Variante bevorzugt). Nach dieser Folge ist zumindest wiederum alles völlig anders und neu, die Serie ändert weniger den Aufbau ihrer Welt, als ihre Perspektive auf dieselbe.
Nicht zuletzt besteht Battlestar Galactica aus einer Reihe großartig durchinszenierter Melodramen, die sich allesamt mit jeder narrativen Wendung des Hauptplots ebenfalls eine Komplexitätsstufe nach oben verlagern. Vor allem die Figur Boomers wurde im Laufe der bisherigen 24 Folgen mit einer fast unglaublichen Anzahl von Schicksalsschlägen und existentiellen Krisen konfrontiert. Dennoch wirkt nichts lächerlich oder überzogen, alles ist folgerichtig und keine kaum einmal wird eine verworrene Beziehung in halbgaren Storytwists wieder gerade gebogen (zugegeben, ab und an passiert das schon, aber äußerst selten).
Die verschiedenen Ebenen finden sich nicht nur über die Staffel verteilt, sondern in jeder einzelnen Folge. Besser erzählt wird im amerikanischen Fernsehen derzeit wohl selten, vom Kino ganz zu schweigen. Battlestar Galactica ist irgendwo ganz oben im amerikanischen Serienhimmel, direkt neben The Wire und Arrested Development und vielleicht sogar noch etwas über The Shield, Lost und Deadwood.
Btw an alle Mitfans: Wie ich gerade erst bemerkt habe, ist zusätzlich zur vierten Staffel noch ein zweistündiger Fernsehfilm in Produktion, der die Vorgeschichte der Pegasus behandeln wird. Nach den letzten drei Staffeln kann ich diesen genauso wenig erwarten wie den Rest der regulären Serie.

Tuesday, October 23, 2007

The Rundown, Peter Berg, 2003

The Rock wird von seinem italienischen Arbeitgeber in den Dschungel geschickt, um dessen missratenen Sohn wieder in die USA zurückzuholen. Dieser Sohn befindet sich im Camp eines Diamantenhändlers der von Christopher Walken gespielt wird und schon recht früh im Film eine Grundsatzrede hält über die Funktionsweise des globalisierten Kapitalismus' und seine ganz spezielle Rolle in diesem System. Verdeutlicht wird diese Rolle durch einen langen Trackingshot über die Diamantenmine, in welcher zahllose dunkelhäutige, ausgemergelte, mit Lumpen bekleidete Kreaturen schuften. Peter Berg unternimmt nicht die geringste Anstrengung, dieses Szenario auch nur halbwegs naturalistisch zu präsentieren. Vielmehr scheint hier ein Haufen geknechteter Hobbits in Mordor Sklavenarbeit für Sauron / Walken zu verrichten beziehungsweise vergeblich in Richtung Sonne zu streben.
Der Dschungel selbst, in dem sich eine trashige Abenteuergeschichte mit comicartig überzeichneten Actionsequenzen und ein noch trashigerer Guerillakriegsfilmplot gegenseitig im Weg herum stehen, wird strukturell ähnlich präsentiert, nämlich als sichtlich fast vollständig mithilfe einschlägiger 3D-Software entwickelter Abenteuerspielplatz ohne Verankerung in irgendeiner physikalischen oder sozialen Realität. Die dominierenden Einstellungen sind elegante, stylishe Pseudo-Helikoptereinstellungen, die die Rechenpower der Grafikengine voll zur Geltung kommen lassen. Smooth gleitet der Blick über digital animierte Höhenkämme, irgendwo tief unten kämpft währenddessen Diamantenhändler Walken gegen Pseudo-Brasilianer unterschiedlicher Größe und Hautfarbe.
Die Art und Weise wie The Rundown sich sein Brasilien (irgendjemand erwähnt einmal, dass die Einheimischen portugiesisch sprechen, das ist aber, wenn ich mich richtig erinnere, auch schon der einzige Hinweis auf die innerdiegetische Situierung des Schauplatzes) zusammenphantasiert, ohne auch nur noch den Anspruch zu erheben, dass diese Situierung auch einem realen Weltbezug entspricht, erinnert an John McTiernans großartiges Rollerball-Remake. Überhaupt sind die Filme auch in manch anderer Hinsicht nicht ganz weit voneinander entfernt, unter anderem wandeln sowohl McTiernan als auch Berg politische Befreiungsbewegungen rückstandlos und rücksichtslos in special effects um.
Freilich ist Rollerball ein um mehrere Klassen besserer Film. Der Unterschied zwischen beiden Werken findet sich vor allem darin, dass McTiernan sein Werk von der ersten bis zur letzten Sekunde ernst nimmt. Bei Berg dagegen ist vieles offenbar von Anfang an als Blödsinn intendiert und zumindest die slapstickartigen Actionszenen sowie der Buddy-Movie-Unfug zwischen The Rock und Seann William Scott können auch gar nicht anders rezipiert werden. Und dennoch geht der Film nicht ganz in dem anvisierten Genre Actionkomödie auf. Dass dem so ist, liegt neben den oben erwähnten Eigenheiten (vor allem der Trackingshot über die Diamantenmine lässt sich beim besten Willen nicht in den Begriffen eines reinen Fun-Movies lesen) auch an der Präsenz Christopher Walkens. Der ist zwar wie so oft vor allem Selbstzitat, doch noch im Selbstzitat verweigert er sich der Instrumentalisierung fürs postmoderne Bullshitkino.
The Rundown ist sicherlich alles andere als ein großer Film. Ein interessanter jedoch allemal und interessanter (unterhaltsamer sowies) als Bergs größtenteils langweiliges, überambitioniertes Nachfolgeprojekt The Kingdom (obwohl auch das nicht ganz ohne Reiz ist, dazu eventuell bald mehr) erst recht.

Still Life, Jia Zhang-Ke, 2006

Jia Zhang-kes Bilder sind in alle Richtungen durchlässig. Der Film erweitert sich konsequent über die ohnehin eher wie mit dem lockeren Pinselstrich der Impressionisten sanft angedeutet, als klar ausformuliert (welches Mädchen auf dem Foto die Tochter der Hauptfigur ist, weiss er, wir aber nicht) ist. Schlammverschmierte Gänse und Hunde laufen ins Bild, ein kleiner Junge stielt eine Zigarette, Schriftzeichen legen sich über die Bilder und sorgen für eine – allerdings wiederum äußerst sanfte – Distanzierung, initiieren Serien fließender Kamerabewegungen, aus dem Fernseher blickt Chow Yun Fat und findet ein Ebenbild in der chinesischen Provinz. Hinter den Hauptfiguren, wenn sie denn tatsächlich einmal das Zentrum des Bildes einnehmen, reißen andere Menschen Löcher in Häuser und Landschaft, unterhalb der dritten Staustufe muss alles weg, bevor das Wasser kommt. Doch noch wohnen zwischen den Mauerresten Menschen und zwar sehr viele. Tritt in Still Life ein Mensch durch eine Maueröffnung, so kann man darauf wetten, dass ihm noch mindestens fünf weitere folgen. Die Mauern, die hier eingerissen werden, werden anderswo, irgendwo oberhalb der dritten Staustufe, wieder aufgebaut werden. Der Titel Still Life ist in zweierlei Hinsicht missverständlich: Weder steht hier irgendetwas still, noch ist Jias Film einer über die letzten Überreste des Lebens vor der großen Flut, die alles mit sich reißen wird. Jeder Hammerschlag ist mehr Transformation als Destruktion und noch im elegischsten Trümmerpanorama findet die Kamera Lebenszeichen, wenn sie nur lange genau darauf wartet.
Möglicherweise könnte man gar diesem wunderbaren Film aus seinem Vitalismus einen Strick drehen, wenn man auf politische Kritik im engeren Sinne aus wäre. In der Tat fand Jias Abkehr vom minimalistischen, düsteren Stil seines Frühwerkes gleichzeitig statt mit dem (vorsichtigen) Friedensschluss des Regisseurs mit der chinesischen Zensur. Seit The World sehen Jias Filme anders aus, offener und heterogener, jedoch eben auch sinnlicher, nicht unbedingt optimistischer, aber irgendwie mondäner und vor allem im Falle von Still Life auch auf konventionellere Weise humanistisch und damit eventuell nicht nur arthauskompatibler, sondern schlicht und einfach weniger radikal.
Doch bleibt es grundsätzlich ein fragwürdiges Phänomen, dass das chinesische Kino hierzulande fast ausschließlich in Bezug auf die (chinesische) Zensur thematisiert wird. Fast scheint es, als solle der chinesische Film das politische Potential ausagieren, welches dem deutschen (wenn nicht dem gesamten europäischen) längst abhanden gekommen zu sein scheint. Wie die Frontstellungen in China tatsächlich aussehen, ist sicherlich weitaus komplizierter als es aus europäischer Perspektiver erscheint. Hier findet sich eine Einführung in die Problematik.
Und überhaupt (auch wenn dies obiges Argument nicht wirklich entkräftet) findet sich unter der slicken, hippen Oberfläche Still Lifes immer noch dasselbe politische Bewusstsein. Deutlich wird dies beispielsweise in den Unterschieden zwischen den beiden Geschichten. Die Klassendifferenz zwischen den jeweiligen Hauptfiguren muss nicht langwierig etabliert werden, sondern ist von Anfang an in ihre unterschiedliche Kleidung eingeschrieben, aber vor allem in dem jeweils verschiedenen Verhältnis zur sie umgebenden Welt. Während Han sich den ihm fremden sozialen Raum sofort zu eigen macht, durch zahlreiche Interaktionen mit Taxifahrern, Bauarbeitern und so weiter, aber auch durch direkte Kontakte mit der sich ständig transformierenden Architektur, bleibt zwischen der (verhältnismäßig) wohlhabenden Shen und ihrer Umgebung stets eine unüberbrückbare Distanz. Ihre Handlungen beziehen sich zwar letztlich auf denselben Raum, benötigen jedoch immer Vermittlungen: Innerdiegetisch nehmen Figuren der Spielfilmhandlung wie der Jia-Regular Wang Hong Wei diese Rolle ein, noch entscheidender sind jedoch im stilistische Verfahren, also Techniken, die als Eingriffe des Regisseurs selbst erkennbar bleiben. Die im engeren Sinne antirealistischen Elemente des Films, insbesondere die vielbeachtete UFO-Sequenz, finden sich allesamt in Shens Episode. Jias Regie isoliert Shen sanft aber bestimmt von ihrer Umgebung und verweigert ihr letztlich den Eintritt in den sozialen Erfahrungsraum.
Still Life sieht aus und fühlt sich an wie das Werk eines Regisseurs, der den Zenit seines Schaffens erreicht hat und sich auf dem Höhenkamm der eigenen Karriere sichtlich wohl fühlt. Zu hoffen bleibt allerdings, dass er den mit den letzten beiden Filmen eingeschlagenen Weg nicht allzu konsequent weiterverfolgt. Denn noch rosaroter, als er es ohnehin schon ist, sollte der Neorealismus Jias nun doch nicht werden. Sonst könnte der Regisseur irgendwann bei Scheußlichkeiten wie De Sicas Miracolo in Milano enden, mit welchem bereits Still Life – ungerechtfertigterweise obwohl meistens in lobender Absicht – hier und da verglichen wurde.

BerlinKino Kurzhinweis

Fei Mus Frühling in einer kleinen Stadt läuft heute in der Magical History Tour des Arsenals.

Wednesday, September 26, 2007

Berlin Kino Pausenankündigung

Mangels Internetzugang meinerseits pausiert ab sofort Dirty Laundry samt Berlin Kino.
Weiter geht's hoffentlich bald, realistisch gesehen jedoch frühestens in zwei Wochen.
Solange verweise ich auf orcivals Blog, auf welchem sich ebenfalls regelmäßig Kinoankündigen und sogar ein via google einsehbarer Kinokalender finden.

Sunday, September 23, 2007

Madame Freedom / Jayu buin, Han Hyeong-mo, 1956

Ein wunderschöner Film aus der klassischen Phase des koreanischen Kinos ist Han Hyeong-mos Melodrama Madame Freedom. Deutlich näher erscheint mir das Werk am Hollywoodkino derselben Periode als der Großteil des klassischen japanischen Films. Der Plot wird äußerst stringent erzählt - lediglich ein manchmal etwas ziellos im Gangstergenre wildernder Subplot mag nicht so recht ins Bild passen - und basiert auf solide auspsychologisierten Figuren. Einzig die szenische Auflösung tendiert eher in Richtung Japan (was nicht wundern darf, schließlich diente Korea bis zum Ende des zweiten Weltkrieges nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als ausgelagerte Produktionsstätte der japanischen Filmindustrie und es ist anzunehmen, dass die allermeisten in den 50er Jahren in Korea filmisch Tätigen ihr Handwerk bei Nikkatsu und Co gelernt haben).
Die Kamera ist sehr mobil und präzise. Von einer Bücherwand schwenkt sie in einer Szene zu Beginn des Films zu dessen Charakterisierungauf den Professor, komplementär findet sich am Ende dann ein Schwenk von seiner Frau, die mit ihrem Liebhaber tanzt aufs Bett. Han Hyeong-mo inszeniert subtil, effektiv und gleichzeitig immer wieder äußerst poetisch, und auch wenn am Ende Schattenwürfe wie Musik dramatischer werden, fällt der Film nie aus der Rolle und bleibt immer einem gewissen Realismusgedanken verhaftet, der freilich nie expliziert und eben deshalb auch nie aufdringlich wird.
Kernstück des Films ist eine großartige Nachtclubszene, die von einer schönen Kamerafahrt einmal durch den gesamten Raum und zurück eingeführt wird. Noch mehr als sonst zelebriert der Film hier flüssige Kamerabewegungen, die zwar nicht die Komplexität eines Ophüls aufweisen, aber ebenfalls dem sozialen Raum eine im Kino ungewöhnliche Vielschichtigkeit verleihen.
Bereits das erste Musikstück im Nachtclub ist eine wunderbare, leicht durchgeknallte Jazznummer, die alleine den Kauf des Soundracks lohnen würde, wenn ein solcher denn irgendwann einmal möglich sein sollte (bis dahin freilich ist es angesichts des Aufarbeitungsstandes der koreanischen Filmgeschichte noch ein weiter Weg...). Und dann folgt eine noch viel großartigere Mamboszene, die alleine den Kauf der DVD lohnen würde. ... und zu meiner großen Überaschung ist der Film tatsächlich, sogar mit englischen Untertiteln, auf DVD erschienen und hier käuflich zu erwerben.

Thursday, September 20, 2007

Berlin Kino, 20.-26.09.2007

Diese Woche startet mit The Halfmoon Files ein Film, auf den ich bereits letzte Woche angesichts einer Arsenal-Vorstellung hingewiesen habe, regulär in den deutschen Kinos. Wer den Film noch nicht gesehen hat, kann - und muss - dies nun nachholen, vielleicht am besten gemeinsam mit Karmakars (mir noch unbekannten) Hamburger Lektionen. Ekkehard Knörer zumindest bespricht beide Filme zusammen und weißt zusätzlich noch auf eine Ausstellung hin, die im Herbst an The Halfmoon Files anschließen soll. Man darf schon jetzt gespannt sein.
Möglicherweise ein gutes Double-Feature Kontrastprogramm zu den Lektionen in deutscher Zeitgeschichte könnten das Rear Window Quasi-Remake Disturbia (Regie führt DJ Caruso, der unter anderem für die Inszenierung einiger Folgen der großartigen Polizeiserie The Shield zuständig ist) sowie der amptly titled Shoot 'em up, der laut Rochus hält, was der Titel verspricht, bilden. Außerdem läuft der zweite Teil der russischen Wächter-Fantasyserie an. Mangels Kenntnis des Vorgängers wage ich mich hier erst recht nicht an eine Prognose.

Die Renoir-Reihe im Arsenal neigt sich ihrem Ende zu, hat aber noch einige Perlen parat. Nächsten Mittwoch beispielsweise den recht selten gezeigten Elena et les hommes mit Ingrid Bergman. Außerdem läuft das Asian Women's Film Festival mit dicht gedrängtem Programm, vornehmlich von heute bis Sonntag. Besonders hinweisen möchte ich auf die Reihe mit koreanischen Filmklassikern, die einmal mehr beweist, wie wenig die dortige Filmgeschichte bislang aufgearbeitet ist. Es bleibt zu hoffen, dass der in Korea nach wie vor anhaltende Kinoboom diesbezügliche Anstrengungen weiter fördern wird. Außerdem laufen so schöne Filme wie der in Amerika produzierte In Between Days über Exilkoreaner, Naomi Kawases Shara und vor allem die großartige Dokumentation Dear Pyongjang, die einen faszinierenden Einblick in das nach wie vor verschlossene Nordkorea bietet. Eine Warnung muss ich allerdings doch noch aussprechen und zwar betreffend den recht nervigen (wenn auch nicht gänzlich reizlosen) Faces of a Fig Tree.

Eine weitere großartige, Berliner Schule-lastige Reihe zeigt der Peripher-Filmverleih im fsk anlässlich seines 10-jährigen bestehens. Da ich gerade jetzt sehr wenig Zeit habe, verweise ich auf Volker Panthenburgs Ankündigung auf newfilmkritik.

Und aus demselben Grund schließe ich etwas überhastet mit Hinweisen darauf, dass die in den letzten Wochen hier beworbenen Reihen zu Karl May im Zeughauskino und zum Hongkong-Kino in den Hackeschen Höfen weiterhin fortgesetzt werden und dass die Freunde des schrägen Films nächsten Mittwoch einen echten Fulci zeigen.

Thursday, September 13, 2007

Berlin Kino 13.-19.09.2007

Berlin Kino 13.-19.09.2007

Sicherlich der interessanteste Neustart dieser Woche ist Petzolds Yella, dem ich auf der Berlinale zwar nicht ganz so viel abgewinnen konnte oder wollte, der in meiner Erinnerung mit zunehmendem Abstand jedoch noch einmal deutlich stärker und kraftvoller geworden ist. Zur Einstimmung empfiehlt sich die großartige Semivorlage Carnival of Souls. Einer der besten deutschen Filme des Jahres ist Yella natürlich sowieso, aber in dieser Hinsicht hat er ja auch mal wieder erschreckend wenig Konkurrenz. Ansonsten versprechen sowohl Death Sentence (von Saw-Schöpfer James Wan) als auch, wie Knörer zu berichten weiß, The Lookout (Die Regeln der Gewalt), solides Hollywoodhandwerk.

Im Arsenal dagegen läuft auch weiterhin die Renoir-Retro, in der nächste Woche stehen vor allem die kanonischsten Filme des Regisseurs auf dem Programm, neben Les regles du jeu und La bete humaine unter anderem auch der sehr schöne Diary of a Chambermaid. Außerdem ist im Arsenal Samstag Nachmittag (16:00) Philip Scheffners dekonstruktive Geschichtsdoku The Halfmoon Files zu sehen, die mich auf der letzten Berlinale ziemlich begeistert hat. Es geht um das Berliner Klangarchiv, den ersten Weltkrieg, kolonialistische Propagandafilme, unterirdische Strahlung (?), rassistische Ethnologie und vieles mehr.

Ebenfalls im Arsenal startet nächsten Mittwoch das Asian Women's Film Festival. Zum Auftakt wird Spider Lillies gezeigt, von dem ichauf der Berlinale nach zehn Minuten genug hatte. Christian hat er damals aber halbwegs gefallen. Außerdem läuft am ersten Tag der malayische Film Sepet, der einen guten Ruf besitzt.

Das Asian Women's Film Festival ist ebenso Teil der Asien-Pazifik Wochen (die im übrigen den Preis für das unübersichtlichste und unpraktischste Programmheft aller Zeiten redlich verdient hätten - und das die Website derzeit scheinbar ebenfalls down ist passt auch ins Bild) wie zwei andere Reihen: "South-Pacific Pearls" im Arsenal (unter anderem mit einer Maori-Shakespeare Verfilmung) und "Hong Kong Film Panorama". Letzteres findet in den Hackeschen Höfen statt und beginnt unter anderem mit Fruit Chans tollem The longest Summer und Ann Huis Ordinary Heroes. Im Programm der Höfe finde ich außerdem eine Reihe mit südamerikanischen Filmen, die mindestens ebenso interessant ist. Gezeigt wird unter anderem der unglaubliche Los Muertos, Lucrecia Matels schöner La Nina Santa und der paraquaianische Hamaca Paraquaia, der einigen Quellen zufolge den "boring art film" in neue Dimensionen befördern soll.

Die Freunde des schrägen Films im Babylon zeigen den Martial-Arts Klassiker Die fliegende Guillotine. Sehr schön.

Monday, September 10, 2007

The Bourne Ultimatum, Paul Greengrass, 2007

Jason Bourne rennt um die Welt und überall sieht es gleich aus. Denn Paul Greengrass lässt es überall gleich aussehen. Jede neue Stadt und damit jedes neue Handlungssegment (und es gibt viele, mein Überblick ging schon früh verloren) wird bis aufs Haar gleich eingeführt (zumindest fühlt es sich so an):
(1) Ein kurzer Pseudo-Establishing-Shot des Stadtpanoramas, sofort wieder verzerrt durch einen kurzen, harten Zoom, mal raus, mal rein, egal, wichtig ist die Bewegung und dass sich aber auch gar nichts dieser widersetzen kann.
(2) Anschließend geht es stets sofort rein in das Getümmel, irgendwo steht dann meistens ein Mensch und spricht in sein Handy.
(3) Und gewöhnlich wird dieser Mensch von einem zweiten Mensch beobachtet, allerdings bevorzugterweise nicht durch direkten Augenkontakt (der wenigstens den Anschein räumlicher Kontinuität bieten würde), sondern vermittelt durch eine technische Apparatur samt deren bildgebendem Verfahren (wird sich der moderne Actionfilm eines Tages vielleicht tatsächlich vollständig in den sich bewegenden blinkenden Markern auf LCD-Monitoren auflösen, die derzeit den Fluchtpunkt der gesamten Bildsprache dieses Genres darzustellen scheinen? The Bourne Ultimatum ist nicht der einzige Film der letzten Zeit, der dies nahe legt).
(4) Und nun beginnt sich entweder Mensch 1 oder Mensch 2 zu bewegen und löst dadurch eine Kettenreaktion anderer Bewegungen (Autos, Menschen, blinkende Marker auf LCD-Monitore, etc) aus.
The Bourne Ultimatum ist in seiner Bildsprache so schematisch (und manieriert) wie kaum ein anderer Genrebeitrag der letzten Jahre. Ironischerweise arbeitet Greengrass gleichzeitig mit den Mitteln des Dokumentarfilms und setzt insbesondere auf den Authentizitätsmarker Handkamera. Die hierdurch auftretenden Paradoxien hat Bordwell ausführlich dargelegt.
Der tonspur bleibt es auch hier vorbehalten, die diskontinuierliche Bildfolge wieder und in gewisser Weise neu zu synthetisieren. The Bourne Ultimatum setzt weniger auf die spätromantischen Melodiebögen a la John Williams als auf stärker rhythmusbetonte Electro-Soundteppiche. Nicht die Musik treibt die Bilder an. Im Gegenteil: Die Musik muss die wildgewordenen Bilder zähmen und macht sie dadurch zwar nicht wieder intellegibel, wohl aber konsumierbar. Die Warenform dringt über die Soundspur immer tiefer in die Bilder ein.
Virtuos gehen immer wieder Straßenlärm und Kampfgeräusche in Electrorhythmen über. Überhaupt ist vieles virtuos in The Bourne Ultimatum. Wirklich gut ist der Film jedoch nur in einzelnen Sequenzen. Während der mit Abstand gelungensten Actionsequenz (in Nordafrika) etwa, in welcher sich unterschiedliche Verfolgungsjagden und Überwachungssysteme überlagern und von der dynamischen Montage schließlich doch noch alle eingefangen werden. Oder während der obligatorischen hyperkinetischen Autoszene, die hier allerdings nicht auf einer Autobahnbrücke, sondern mitten im innerstädtischen Berufsverkehr stattfindet und dabei nur umso mehr knallt.
Ansonsten ist der Film denn doch eine recht zähe Angelegenheit, vor allem, wenn Storyentwicklung angesagt ist. Denn Interesse für die Vergangenheit ausgerechnet Matt Damons aufzubringen (oder für die auch hier wieder einmal völlig egale Julia Stiles), fällt mir doch recht schwer in einem Film, der selbst in seiner Gegenwart abgesehen von den unterschiedlichen Farben der blinkenden Marker auf den LCD-Monitoren kaum Unterscheidungsmerkmale anbietet in Bezug auf einzelne Menschen oder gar ganze Städte.

La vie est a nous, Jean Renoir et al., 1936

An dem im Auftrag der kommunistischen Partei Frankreichs entstandenen Propagandastreifen La vie est a nous waren neben Renoir unter anderen auch Jacques Becker und Henri Cartier-Bresson beteiligt. Entstanden ist ein sonderbarer, kleiner Film, der im Schatten von Riefenstahls zwei Jahre später fertiggestelltem Olympia-Film oder auch dem russischen Revolutionskino der Zwanziger wohl für alle Zeit dazu verdammt bleiben wird, sein Dasein als halbobskure Fußnote der Geschichte des politischen Kinos zu fristen.
La vie est a nous beginnt mit einer Montage der wirtschaftlichen und kulturellen Erfolge Frankreichs. Der ironische Gestus ist von Anfang an spürbar wie etwa in dem brutalen Eindringen der Bilder einer Stahlfabrik in die zuvor dominierenden Naturaufnahmen. Und tatsächlich stellt sich nach einigen Minuten heraus, dass hier nocht der Film selbst spricht, sondern ein Volksschullehrer, der eine Schulklasse indoktriniert. Letztere wird anschließend auf dem Nachhauseweg, umgeben von halbverfallenen Gebäuden, mit der Differenz zwischen Ideologie und Wirklichkeit konfrontiert.
Immer wieder schaltet der Film Vermittler der unterschiedlichsten Art ein: Politiker und ihre Parolen, die Erinnerungen eines altgedienten Kommunisten etc. Selten spricht der Film direkt zu seinem Publikum, bevorzugt wird meist der spielerische Modus, wie etwa in den großartigen Sequenzen, die Hitlerreden mit Grunzgeräuschen synchronisieren.
Doch dem Spielerischen scheint immer etwas Verzweifeltes anzuhaften. Dem Sozialen in seiner Gesamtheit beikommen zu können, traut sich hier niemand zu. Dabei versucht La vie est a nous in der zweiten Hälfte durchaus, eine Art Bestandaufnahme der gesellschaftlichen Wirklichkeit Frankreichs in der zweiten Hälfte der 30er Jahre zu leisten. Allerdings verbinden sich deren einzelne Elemente nie zu einem gemeinsamen Projekt, als dessen ausführendes Organ die kommunistischen Partei in Frage käme. Der Abstand zwischen den Parolen der Parteispitze und den anrührenden, in Spielfilmform dargebrachten Vignetten aus der Mitte des Leids des Volkes ist und bleibt gewaltig.
Sicherlich ist hierfür in erster Linie die konkrete historische Situation verantwortlich, in welcher der Film entstanden ist, dennoch lassen sich die Zusammenhänge zwischen Fiktion und Realität hier nicht so einfach auf Fragen der Repräsentierbarkeit reduzieren. Die unterschiedlichen Differenzen, zwischen Theorie und Praxis, zwischen Intellektuellen und Volk, zwischen Herrschern und Beherrschten wurden vom russischen Revolutionsfilm in seinen besten Momenten dialektisch transformiert, von Riefenstahl dagegen schlichtweg ausgeblendet zugunsten eines (immersiven?) Aufgehens in orgiastischen Bewegungsbildern. Gemeinsam ist beiden Filmformen jedoch die Auflösung der tradierten Genregrenzen. In La vie est a nous dagegen widersetzt sich der Spiel- dem Dokumentarfilm und umgekehrt. Und beide dadurch dem Propagandafilm.

Thursday, September 06, 2007

Berlin Kino 6.9.-12.9.

Hollywoodtechnisch dominiert diese Woche Matt Damons dritter Versuch, es als Jason Bourne Tom Cruise und James Bond gleichzutun. The Bourne Ultimatum ist in den USA überwiegend sehr gut aufgenommen worden, lediglich David Bordwell hat's nicht gefallen. Eckehard Knörer auch nicht und zwar trotz völlig unterschiedlicher Diktion wohl zum großen Teil aus denselben Gründen. Ansonsten startet ein Remake von John Waters erstem nicht mehr ganz so großartigen Film Hairspray, welches Rochus zu empfehlen weiß, das wohl eher mäßige Nina Hoss-Vehikel Hannah und ein Möchtergern-Berlin-Undergroundfilm namens Video Kings. Na ja.

Dann doch lieber weiter zur Renoir-Retro ins Arsenal. Dort laufen heute und morgen die selten zu sehenden La vie est a nous und Nana, letzterer in einer frisch restaurierten Kopie. Am Sonntag sind außerdem parallel die unterhaltsame, wenn auch oft deprimierende japanische Politdoku Campaign und Zanussis mir leider noch unbekanntes Meisterwerk Illuminacja zu sehen.

Im Babylon Mitte sind diesen Samstag zwei rare Eustache-Filme zu sehen (soll heißen: selbst im Vergleich zu anderen Eustaches rar): Le jardin des délices de Jérôme Bosch und Le Cochon. Die sollte man sich keinewfalls entgehen lassen, selbst wenn man, so wie ich, mit Eustache bisher noch nocht ganz so warm geworden ist wie manch anderer. Neu im Babylon ist eine Reihe namens Psychedelic Cinema. Diese zeigt ab nächsten Dienstag in unregelmäßigen Abständen zunächst vier Programme, die jeweils aus zwei Filmen bestehen, wobei eine Hälfte des Double-Features auf Originalton zugunsten von Live-Musik verzichten muss. Ob die beiden Filme auch einzeln frequentiert werden können (in diesem Fall würde mich der nicht durch einen hippen Szene-DJ verunstaltete The Trip (Roger Corman) durchaus reizen), ist mir nicht bekannt. Und zu guter letzt zeigen die Freunde des schrägen Films nächsten Mittwoch den klassischen Exploitationfilm Maniac aus dem Jahr 1934. Wer Reefer Madness und andere Filme dieses Produktionsumfelds kennt, weiss, welches delirante Vergnügen hier im babylonischen Studiokino lauert.

Zu guter letzt läuft im Zeughauskino neben der letzte Woche erwähnten Karl-May Reihe heute abend Werner Herzogsd sehr schöner Grizzly Man.

Wednesday, September 05, 2007

3 Filmenden

Kardiogramma, Darezhan Omirbayev, 1995
House of Bamboo, Samuel Fuller, 1955
Los Violadores aka Mad Foxes aka Stingray 2, Paul Grau, 1981

Tuesday, September 04, 2007

Kardiogramma, Darezhan Omirbayev, 1995

Zhasulan wohnt mit seinen Eltern mitten im Kasachischen Nirgendwo und muss einen Generator anwerfen, wenn er nackte Frauen sehen möchte. Später genügt ihm ein Loch in der Dusche des Krankenhauses. Doch bevor es soweit ist, steht er mit seiner Mutter auf einer Steppe wie einst Cary Grant in North by Northwest. Darezhan blickt zum Horizont und die Kamera blickt in alle möglichen Richtungen. Doch diesmal kommt kein Flugzeug, sondern nur der Bus.
Eine Steppe sieht aus wie die andere. Auch die Gänge und Treppen im Krankenhaus wiederholen sich eher, als dass sie sich von einander unterscheiden würden. Und wohin sie jeweils führen, ist im einzelnen schwer zu sagen. Im Zweifelsfall zu weiteren Gängen oder Treppen, manchmal in die Dusche, in welcher Zhasulan nackte Frauen beobachten kann und manchmal in den Schlafsaal, in welchem er seltsame Dinge träumt. Seltener führen die Treppen und Gänge ins Freie. Wahrscheinlich führen sie überhaupt nirgends hin, sondern sind Teil eines Ortes, der für die meisten mehr Ziel als Weg ist und aus welchem man nur entkommt, wenn man wie Zhasulan am Ende die völlige Dunkelheit und Unsicherheit wählt.
Doch bevor es soweit ist, unterhält sich ein Arzt mit einer Krankenschwester über Fußball. Ob Pele ein besserer Spieler sei oder Maradona. Später, während Zhasulan sein Talent zum Tormann entdeckt, zeigt Kardiogramma dann, wie grausam und brutal Fußball sein kann. Jeder Schuss ein Schnitt.
Doch in Kardiogramma ist nicht nur Fußball potentiell brutal, sondern auch die Filmsprache selbst. Vor allem die Montage (und insbesondere POV): Jeder Schnitt ein Schuss.

Kardiogramma ist jetzt, auf einer DVD mit dem gleichfalls bezaubernden Kairat, im Videodrom entleihbar.

Thursday, August 30, 2007

Berlin Kino 30.8.-5.9.2007

Unter den Neustarts fällt zuerst 28 Weeks Later ins Auge, die Fortsetzung von Danny Boyles in der ersten Hälfte sehr gelungenen, danach leider etwas arg preachy 28 Days Later. Der Trailer sieht eigentlich recht gut aus und dass Boyle selber auf die Regie verzichtet, kann in meinen augen fast nur gutes bedeuten. Mal sehen. Ansonsten startet ein Film namens Karger, auf den Hochhäusler, allerdings ohne Angabe von Gründen hinweist. Nicht nur wegen des Titels vermute ich: Höchster Berliner-Schule-Alarm. Ekkehard Knörer weißt auf zwei Filme hin, die wohl zwei recht unterschiedlichen Bereichen innerhalb der Filmlandschaft zuzuordnen sind: Thomas Harlan - Wandersplitter ist eine Gesprächslastige Doku über eine hochinteressante Figur der deutschen Zeitgeschichte, Sakuran dagegen japanisches Kunsthandwerk, demgegenüber ich eine instinktive Abneigung berspüre. Aber wer weiß, vielleicht taugt's doch was. Ach ja, und Christian hat Schwarze Schafe gefallen.

Das Festival Ausgezeichneter Sommer in der Bar 25 geht heute mit Wenzel Storchs Erstling Glanz dieser Tage zuende. Nachdem ich mir vor drei Wochen den grandios-deliranten Sommer der Liebe zu Gemüte führen durfte, steht für mich jetzt schon fest: Auch dieser Film ist ein Muss, nicht nur für Storch-Komplettisten. Und anders als von mit vor drei Wochen fälschlicherweise angekündigt, laufen die Storch-Filme nicht als DVD-Projektionen, sondern auf glorreichen 16 Millimetern.

Das Arsenal hat ab 1.9. wieder Regulärbetrieb und beginnt gleich mit einer Renoir-Retro. Ähnlich wie Rossellini, dem die letzte Retro gewidmet war, sind auch Renoirs Werke angesichts ihrer filmhistorischen Bedeutung recht selten zu sehen und vor allem auf DVD zu großen Teilen gar nicht greifbar (zumindest nicht außerhalb Frankreichs). Leider ist die Reihe diesmal keine komplette, aber immerhin 20 Filme, darunter viele Raritäten, sind zu sehen. Gleich am 1.9. wird das Spätwerk Le dejeuner sur l'herbe gezeigt, ein Film von 1959, der also zeitgleich mit den ersten Streifen der Nouvelle Vague entstand. Unter anderem läuft im Laufe der Woche dann noch eine Dokumentation von Rivette über Renoir sowie zwei seiner Stummfilme.

Außerdem im Arsenal laufen Kurzfilme von Garine Torossian, deren Feature Stone Time Touch auf der letzten Berlinale mich und vor allem Thomas begeisterte. Zu erwarten sind wohl postkoloniale, dekonstruktive Erinnerungsfilme mit exzessivem Einsatz von Überblendungen, Found-Footage Material und experimenteller Montage...

Im Zeughauskino, dem zweiten Filmgeschichtsaufarbeitungsort, eght es gewöhnlich etwas betulicher zu, und so verwundert es auch nicht wirklich, dass dort ausgerechnet mit einer umfangreichen Karl May-Reihe aus der Sommerpause gestartet wird. Diese Reihe ist größtenteils wohl eher in filmhistorischer als in filmästhetischer Hinsicht interessant, aber 1. kann man diese beiden Bereiche sowieso nie ganz trennen und 2. ist die filmhistorische Dimension der Unternehmung alleine schon höchst interessant. Schließlich bietet die Reihe die Chance, unterschiedliche filmische Annäherungen an einen Autor nachzuvollziehen und zwar aus der Weimarer Republik, dem dritten Reich, der DDR und der BDR (im Falle letzterer reicht die Spannweite von kommerziellen Produktionen wie Der Schatz im Silbersee bis zu Syberbergs May-Film. In der ersten Woche der Reihe möchte ich besonders auf die ideologisch wohl höchst ambivalente Naziverfilmung von Durch die Wüste aus dem Jahr 1936 hinweisen (Mittwoch, 20:00).

Bereits seit dem 24. ist im Haus der Kulturen der Welt die Sommerpause zu Ende und seitdem läuft dort ein New York Festival. Die zugehörige Filmreihe startet heute mit dem Indiestreifen Day Night Day Night. Ansonsten ist die Zusammenstellung auf den ersten Blick etwas seltsam. So ist überhaupt nur ein Film von vor 1970 zu sehen und das ist dann ausgerechnet Capra's (freilich großartiger) Lost Horizon, ein Film, der größtenteils so weit von New York entfernt spielt, wie es nur geht. Auch die Undergroundfilme der 60iger respektive 80er sucht man vergeblich, dafür läuft Team America - World Police.

Das Central zeigt neben Godards A bout de souffle auch noch Mel Brooks' The Twelve Chairs, der ebenfalls sehr vielversprechend ausschaut.

Und abschließend verweise ich wie jede Woche auf die Freunde des schrägen Films, die sich diese Woche noch etwas mehr wagen als gewöhnlich und tatsächlich einen deutschen 70ies Sexreportfilm zeigen: Urlaubsreport: Worüber Reiseleiter nicht sprechen dürfen.

Wednesday, August 29, 2007

Daughter of the Nile, Hou Hsiao Hsien, 1987

Daughter of the Nile ist der, abgesehen von seinem noch ganz innerhalb der klassischen taiwanesischen Filmindustrie entstandenen Frühwerk, unbekannteste und am selten gezeigt Film Hou Hsiao Hsiens. Warum dies so ist, erschließt sich mir ganz und gar nicht. Daughter of the Nile ist einer der zugänglichsten (und schönsten) Filme des Taiwanesen und steht doch gleichzeitig voll und ganz in der Kontinuität seines Schaffens.
Daughter of the Nile spielt in einem großartig gezeichneten taiwanesischen Kleinkriminellen-Milieu, irgenwo zwischen den weißen Anzügen und geschmacklosen Neon-Nightclubs aus DePalmas Scarface und den leicht heruntergekommenen Straßenzügen aus John Woos A Better Tomorrow oder Wong Kar Wais Debut und Meisterwerk As Tears Go By. A Better Tomorrow entstand 1986, As Tears Go By 1988, genau dazwischen platziert sich Hous ganz eigenes stylishes Gangstermelo, das den Vergleich mit obigen Filmen nicht zu scheuen braucht: Zwar etwas weniger High Concept aber dafür umso filigraner in den Details.
Wie es seine Art ist, erzählt Hou seine Gangstergeschichte indirek, vermittelt über die Schwester eines Kleinkriminellen, die zwar ihre Geburtstage im Kreise der Gangster feiert und heimlich in einen derselben verliebt zu sein scheint, sonst aber recht wenig in dem Film zu tun hat. Stattdessen träumt sie vom alten Ägypten, vermittelt scheinbar durch Comics, die ein kleines, zusätzliches Element der Distanzierung einführen. Überhaupt ist der Film, wie das ganze Werk Hous, durchsetzt von solchen kleinen, wunderbaren Elementen der Denaturalisierung, die dem Gezeigten nie die Wahrheit oder Ernsthaftigkeit, wohl aber jene verlogene Dringlichkeit, welche gerade Sozialdramen so oft mitzuteilen glauben müssen, nimmt.
Auch verschiebt der Film das Zentrum seiner Aufmerksamkeit immer wieder von seinem eigentlichen Plot - oder vielleicht besser von dem, was bei einem anderen Film von einem anderen Regisseur der eigentliche Plot wäre - auf die liebevolle Darstellung des Lebens einer mehr oder weniger gewöhnlichen Familie, deren genaue Zusammensetzung sich allerdings auch erst nach und nach dem Publikum erschließt. Dass das kleine Mädchen nicht Tochter, sondern Schwester der Hauptfigur ist, erfährt man noch relativ schnell. Den aus der gemeinsamen Unterkunft ausgezogenen Vater bekommt man jedoch erst nach knapp der Hälfte des Films zu sehen und der Verbleib der Mutter wird erst ganz am Ende thematisiert.
Wie so viele andere Filme Hous ist auch Daughter of the Nile scheinbar um eine einzige Einstellung aufgebaut, die immer wieder, in unterschiedlichen Variationen, was die Mikrojustierung des Framings betrifft, auftaucht. Hier zeigt diese Einstellung schlicht und einfach das Wohn / Esszimmer der Familie in einer räumlichen Auflösung, wie sie immer wieder in Hous Werk zu finden ist: Wenig Tiefeninformation durch Winkel, Ecken etc, statt dessen frontal zur Kamera positionierte Türen, die sich in den Raum hinein öffnen und das Geschehen auf mehreren Ebenen zu staffeln scheinen. Es ist Hou durchaus zuzutrauen, dass er eines Tages einen Film dreht, der nur aus einer Einstellung eines solchen Raums besteht. So viele subtile Ausdrucksmöglichkeiten bietet diese Versuchsanordnung und zwar gerade deshalb, weil ihre Elemente beschränkt sind und deshalb jedes einzelne zu dem bedeutungstragenden werden kann durch die Differenz zwischen den einzelnen Episoden.
Nur eines unter vielen Beispielen: In der rechten Bildhälfte befindet sich eine Tür zum Badezimmer. Fast den gesamten Film über ist sie geöffnet, erst in der Szene, in welcher die Hauptfigur vom Tod ihrer heimlichen Liebe erfährt, flüchtet sie in das Bad, schließt die Tür und versteckt sich dadurch nicht nur vor ihrer Familie, sondern auch vor unseren Blicken. In solchen Momenten glaube ich, dem Geheimnis der Filme Hous etwas näher zu kommen. Und vor allem ihrem ganz spezifischen Verhältnis zum Publikum, einem irgendwie spielerischen Verhältnis, das sich zwar auf die Illusionskünste Hollywoods, das ja nicht zuletzt durch Kobtinuitätsmontage und die damit zusammenhängende Raumauflösung vermittelte Make-Belief nicht einlässt, aber dennoch nicht bloß selbstreflexiv ist, oder zumindest nicht selbstreflexiv in dem Sinne, dass die eigenen Materialität zur einzigen Botschaft wird. Wie genau sich Hous Kino zu diesen Fragen positioniert ist mir nach wie vor nicht klar. In jedem Fall scheinen seine Filme Antworten auf etwas andere Fragen zu sein.

Saturday, August 25, 2007

Blackwater Fever, Cyrus Frisch, 2006

Ein Mann fährt mit dem Auto durch eine recht kahle Ebene, irgendwo zwischen Steppe und Wüste, beziehungsweise Amerika (Wegweiser LA - Las Vegas) und Afrika (hungernde schwarze Kinder am Straßenrand), beziehungsweise Brown Bunny, Twentynine Palms, Vanishing Point und Hunter S. Thompson. Irgendwann sitzt eine Frau neben ihm, und noch später im Film machen die beiden ein bisschen miteinander rum, ohne dass dabei viel rauskäme oder auch nur ein Wort fällt.
Ein kleiner, vollkommen psychotischer, durch und durch narzisstischer Wüsten-Entfremdungs-Roadmovie ist Blackwater Fever. Wirklich neu oder originell ist wenig an dem Film, sicherlich nicht die neoexistentialistische Grundstimmung, die bereits im kurzen Monolog zu Filmbeginn etabliert wird (einige der wenigen Sätze, die in dem Film überhaupt fallen), genauso wenig die obsessive Auseinandersetzun mit einer kaputten männlichen Subjektivität, die sich hier unter anderem in blutigem Urin niederschlägt (beziehungsweise eben überhaupt in dem titelgebenden Blackwater Fever, das wohl eine Form der Malaria ist). Auch die Verbindung eben dieser kaputten Subjektivität mit (post)kolonialen Diskursen, wie sie vor allem in den letzten 10 Minuten versucht wird, wurde in Beau Travail bereits um einiges komplexer ausformuliert.
In mancher Hinsicht ist Blackwater Fever wohl nicht mehr als ein Kondensat aus einigen mehr oder weniger hippen Filmen der letzten Jahre.
Andererseits ist der Film bei weitem nicht ohne Reiz und in jedem Fall ein deutlich interessanteres Kondensat als beispielsweise Electroma. Denn Blackwater Fever interessiert sich letztlich nicht für Zitate und nimmt sich selbst von der ersten bis zur letzten Minute vollkommen ernst. Frisch scheint tatsächlich der Ansicht zu sein, dass es sich lohnt, mit dem Auto in die Wüste und nach Afrika zu fahren. Beziehungsweise einen Film darüber zu machen. Und zwar einen, der dann tatsächlich in Afrika spielt und am besten auch noch echte Hungernde als Schauspieler nutzt (warum das dann doch nicht ganz geklappt hat, kann man hier nachlesen). Blackwater Fever ist obsessives Kino, das durch seine pure Konsequenz überzeugt, beziehungsweise durch den in jedem Bild spürbaren Versuch, irgendwie den Fallen des Kino/Kunst/Festivalbetriebs zu entkommen, die noch jedes stilistische oder inhaltliche Experiment zur vermarkbaren Provokation zu degradieren im Stande sind. Leider und fast zwangsläufig gehen dabei die tatsächlichen Inhalte, die transportiert werden sollen,, tendenziell verloren, sei es durch ihre besonders kryptische Darstellung oder ganz im Gegenteil durch eine für ein "Plattheiten" und "plumpen Politparolen" grundsätzlich feindlich gegenüberstehendes bourgeoises Publikum nicht tragbare zu direkte Annäherung an dieselben. Auf Blackwater Fever trifft im Grunde beides zu und so nähert sich Frischs Werk konsequenterweise strukturell der Konzeptkunst an.
An meiner intuitiven Abneigung, mich tatsächlich mit den moralisch / politischen Fragestellungen auseinanderzusetzen, die der Frisch anbietet, ist der Film selbst wahrscheinlich gar nicht schuld. Blackwater Fever ist ein seltsamer Film, ein Film, dessen Reiz sich weniger aus seinen genuin filmästhetischen Merkmalen herleitet (obwohl er durchausgut aussieht, auf seine Weise und eine Art hypnotische Anti-Dynamik entwickelt, die mir sehr gefallen hat), sondern vielleicht eher aus der Spannung zwischen dem, was er sagen möchte und dem, was er als Off-Off-Kino, im Grunde abgeschnitten von noch fast jeder Form von Publikum, überhaupt sagen kann. Beziehungsweise besteht die Spannung vielleicht noch weiter außerhalb des Films selbst, nämlich in Verschränkungen von Geo- und Filmpolitik, die dafür sorgen, dass Filme, die tatschlich die Auseinandersetzung mit der post/neokolonialen Gegenwart suchen, in die Politfilmghettos peripherer Filmfestivals verbannt werden. Und vielleicht hängen diese Fragen dann doch wieder irgendwie mit Blackwater Fever selbst zusammen.
Ach... Wie gesagt ein seltsamer Film, aber irgendwie doch auch ein großartiger. Zumindest einer, über den man scheinbar nur sehr sonderbare Dinge schreiben kann. Ich ja auch, aber ein gewisser Paul Groot kann das noch viel besser. Mit dessen ausgezeichneter Filmlektüre als Begleitung macht der Streifen gleich doppelt so viel Freude. Check it out if you ever have the chance.

Thursday, August 23, 2007

Planet Terror, Robert Rodriguez, 2007

Planet Terror ist ein Film, der wehtut. Wahrscheinlich soll das so sein, aber ob der Streifen dadurch besser wird, ist eine ganz andere Frage.
Misst man den Erfolg einer Hommage daran, ob es ihr gelingt, das Original möglichst perfekt nachzuahmen, so ist Planet Terror eine weitaus bessere Hommage als Death Proof. Legt man jedoch auch nur irgendwelche anderen Maßstäbe an, interpretiert man "Hommage" nicht nur als Nachmachen, sondern als In-Beziehung-Setzen des Eigenen mit dem Fremden, immer Unerreichbaren, so ist selbstverständlich Death Proof die bessere, weil tausendmal intelligentere und reflektiertere Hommage.
Dass Rodriguez mit Leichtigkeit wirkungsvolle Bewegungsbilder erschaffen kann, hat er bereits oft genug bewiesen. So steckt auch Planet Terror voller schöner Bildideen, die Actionsequenzen sind effektiv, die Reproduktion der Grindhouse-Klischees funktioniert ebenfalls gut. Nur leider weiss Rodriguez auch hier, wie im Falle von Sin City wieder einmal nicht, wozu er diese ganzen stylishen Bilder produziert.
Klar, diesmal geht es um Trash, Grindhouse, Gore, Zombies etc. Und natürlich legt sich Rodriguez diesbezüglich ins Zeug und attackiert das Publikum mit körperlich wirkenden Schocks, was das Zeug hält. Die noch relativ actionarmen ersten vierzig Minuten enthalten bereits jede Menge Spritzen in der Haut, eiternde Geschlechtsteile und das ganze Programm. Auch die sich hier langsam formierenden Zombies sind um einiges ekliger als in den meisten vergleichbaren Filmen. Dazu scheppert von Anfang an ein schrecklicher 80ies Synthie-Sound über die Soundspur.
Überhaupt ist Planet Terror wohl eher eine Hommage an den Videothekentrash der Achtziger als an die Exploitationklassiker der Siebziger. Und als Emulation von Filmen wie Return of the Living Dead oder Re-Animator (die aber beide um einiges gelungener und vor allem lustiger sind als Planet Terror) oder gar der Troma-Produktionen dieser Epoche hat der Streifen durchaus seinen Reiz.
Was dafür völlig auf der Strecke bleibt, ist ein wie auch immer gearteter Anschluss an oder eine Öffnung auf die Gegenwart, das menschliche Leben jenseits des Zombiefilms und vielleicht gerade noch der zugehörigen Fankultur. Planet Terror läuft von der ersten Minute an heiß, weil der Film kein Außen kennt und auch keines kennen will. Und in der europäischen Version mit ihren ungefähr 100 Minuten ist das ganze natürlich viel zu lang. Während man sich hierzulande durchaus fragen kann, wo denn 20 Minuten aus Death Proof herausgeschnitten werden sollten, ohne die Integrität dieses großartigen Werkes zu gefährden, so ist Planet Terror um deutlich mehr als dieselbe Zeitspanne zu lang.
Vielleicht wäre auch dieser Film besser ein Trailer geblieben, schließlich ist die Fake-Vorschau zu dem nun allerdings anscheinend doch demnächste realisiert werdenden Machete, die dem Hauptfilm vorangestellt wird, das mit Abstand Beste an der ganzen Angelegenheit. Vielleicht ist überhaupt der Trailer die perfekte filmische Form für Rodriguez. Denn dieser soll ja per Definition nur und ausschließlich das machen, was Rodriguez' Kino sowieso die ganze Zeit tut: Andere Filme bewerben.

Berlin Kino 23. - 30.08.2007

Unter den Neustarts sticht vor allem Judd Apatows Regiezweitwerk Knocked Up (hier gleich zweimal ich) heraus. Wie bereits der Vorgänger The 40 Year Old Virgin beweist der Regisseur auch hier wieder, wie welthaltig und auch in anderer Hinsicht grandios das Komödiengenre in seinen besten Werken derzeit ist. Auch den Berlinale-Siegerfilm Tuyas Hochzeit sollte man sich durchaus ansehen. Dieser schöne kleine Arthausfilm ist in einem schönen kleinen Arthauskino sicher besser aufgehoben als auf der großen, hässlichen Berlinale (wie man vielleicht auch anhand der Differenz von Ekkehard Knörers Festivalkritik und Thomas' aktuellem Text überprüfen kann). Außerdem startet exklusiv in Berlin (der Bundestart folgt im Herbst) Pascale Ferrans wunderbarer Lady Chatterley, den man sich unbedingt, und vor allem unbedingt im Kino ansehen sollte. Auf DVD kann ein so sinnlicher Film nur verlieren.

Noch bis Sonntag wird die Hou Hsiao Hsien-Retro im Babylon fortgesetzt. Unter anderem gibt es Freitag bis Sonntag noch einmal die frühen Masterpieces A Time to Live and a Time to Die, Dust in the Wind sowie The Boys From Fengkuei zu sehen. Und heute abend den ultraseltenen Daughter of the Nile.

Im Arsenal ist weiterhin eher zurückgefahrenes Sommerprogramm angesagt. Aber immerhin gibt es den grandios-deliranten und dabei erstaunlich trashigen Peeping Tom (Sa; 20:30) sowie Daniel Schmids größenwahnsinnigen aber genialen Heute Nacht oder nie (Mi; 20:30). Letzterer ist eine Art filmische Avantgarde-Oper, größtenteils in Zeitlupe gefilmt und in seiner pompösen Unzugänglichkeit einfach nur toll. Ein Spezialtip für Christian, der sicher seine helle Freude daran haben würde (falls er ihn noch nicht kennt).

Ein vielleicht letztlich gar nicht mal so anderen Film zeigen die Freunde des schrägen Films im Babylon, die sich zum ersten Mal in Richtung Fernost orientieren. Es läuft Tokugawa – Gequälte Frauen vom berüchtigten Regisseur Teruo Ishii, der bekannt ist, nicht nur innerdiegetisch gerne Frauen, sondern ganz allgemein auch sein Publikum zu quälen.

Ach ja, und am Montag läuft um 20:00 im Central Rocky, das Original, yeah.

Thursday, August 16, 2007

Berlin Kino 16. - 22.08.2007

Die Kinoneustarts der Woche versprechen wiederum nicht allzu viel. Nachdem schon Fantastic Four allseits bestenfalls verhalten aufgenommen wurde, scheint der Nachfolger nun genauso wenig Anlass zu Freude bereiten. Und Rush Hour 3 (Regie führt hier wieder mal Brett Ratner, der schlechteste Blockbusterfilmer Hollywoods) muss man sich wohl erst recht nicht antun. Freunde des deutschen Films werden wohl ein Auge auf Thalheims Am Ende kommen Touristen nicht vorbeikommen, der mich allerdings genauso wenig interessiert wie seinerzeit Netto.

Dann lieber weiter zu Hou Hsiao Hsien ins Babylon. In dieser Woche ist unter anderem der großartige Dust in the Wind zu empfehlen, ein melancholisch-nostalgisches Meisterwerk aus dem taiwanesischen Landleben.

In die letzte Runde geht derweil die Grindhouse-Reihe im Central. Al Adamsons Satans heiße Katzen ist eine nette Wild Bunch-Variation mit einigen Durchhängern in dramaturgischer Hinsicht. Macht aber trotzdem Spaß und hat vor allem bei all seinem Trashappeal eine sonderbar wildromantische Note. Gestern wurde mir außerdem noch der italienische Endzeitfilm Fireflash - Der Tag nach dem Ende wärmstens ans Herz gelegt. Als ergänzung gibt's bei den Freunden des schrägen Films Die Teuflischen von Mykonos, einen Film des legendären griechischen Schlimmfilmers Nico Mastorakis.

Bereits heute abend zeigt das Festival ausgezeichneter Sommer den Puppentrickfilm Blood Tea and Red Strings, einen Puppentrickfilm, dessen Produktion 13 Jahre in Anspruch nahm und der mir von Thomas bereits mehrfach dringend empfohlen wurde. Der Trailer ist auch in der tat sehr putzig.

Dem Fantasy Filmfest werde ich dieses Jahr tendenziell eher fernbleiben. Einige wenige Filme sind aber dennoch eigentlich Pflicht. Friedkins Bug wird wohl gute Chancen auf eine reguläre Auswertung haben, dennoch ist der sicher einer der Highlights (vor kurzem den großartigen The Hunted gesehen; wenn Bug nur halb so gut ist, bin ich schon zufrieden). Ansonsten: Das Anime Paprika scheint so interessant zu sein, dass es Shaviro einen langen, enthusiastischen Blogeintrag wert war. Der neue Realfilm von Otomo Katsuhiro heißt Mushishi und scheint nicht überall so gut anzukommen. Aber trotz einem leisen Esoterikverdacht überzeugt mich eigentlich bereits alleine dieser Screenshot. Und zu guter letzt kann man sich von Confession of Pain, dem neuen Lau / Mak-Werk erstklassiges Hongkong-Kino versprechen.
Drei Filme kenne ich schon. Edmond ist ein kleines aber feines William Macey-Vehikel, inszeniert absurderweise aber durchaus effektiv von Stuart Gordon und geskriptet von David Mamet. Kein großer Wurf, sicher, aber ein sympathischer kleiner Film. Dead Daughters dagegen ist ein tendenziell unansehbarer russischer J-Horrorverschnitt mit Minimalbudget und von der unsäglichen australischen Macbeth-Version möchte ich gar nicht erst anfangen. Weiterhin bietet das Festival Neues von u.a. James Wan, den Pang Brothers, Sono Sion, Park Chan-wook, Kurosawa Kiyoshi, gleich noch einen zweiten Film von Stuart Gordon sowie zweimal Werke von Söhnen großer Väter: Einmal Miyazaki und einmal Fukasaku Junior, letzterer allerdings mit einem wohl eher unterirdischen Trashstreifen.

Im fsk läuft derweil unbemerkt vom Rest der Welt Vardas Die Sammler und die Sammlerin (hier ein schöner Essay über den Film). Ob ich snobistisch-cinephil genug sein werde, diesen Film dem Grand Guignol im Cinemax am Potsdamer Platz vorzuziehen, weiß ich allerdings selbst noch nicht so recht.