Night of the Lepus ist vielleicht einer der schlechtesten Filme aller Zeiten und nur für ganz harte Trashfans geeignet, für die eine gehörige Portion Langeweile zum (schlechten) Filmerleben dazugehört.
Der Film beginnt als Western mit Kaninchen in der Rolle der Indianer und ist genau so lange lustig, wie er bei dieser Prämisse bleibt (ungefähr 10 Minuten). Danach verwandelt er sich in einen handelsüblichen Nature-srikes-back Horrorfilm, der sich wie die meisten Genregenossen einer Kill-'em-all Atitüde befleissigt, die die 70erjahretypische öko-politische Grundhaltung - um einiges besser vorgeführt im wunderbaren Silent Running - schnell ad absurdum führt (was natürlich wiederum nicht besonders schlimm ist).
Ansonsten besticht der Film durch grottige Figurenzeichnung, noch grottigere Dramaturgie und absolut unterirdische Spezialeffekte, die sich größtenteils darauf beschränken, Kaninchen ganz nah vor der Kamera herumhüpfen zu lassen und das Ganze in Zeitlupe abzuspielen. Die hin und wieder eingeschobenen Miniaturkulissen sind ohne jeden Sinn für Proportionen erstellt und lassen das Ergebnis noch lächerlicher erscheinen. Allerding ist es natürlich auch schwierig, eine Aufnahme von ausgerechnet einem Hasen zum Effektshot hochzustilisieren, da kann die Musik noch so nervig brummen.
Das vielleicht bizarrste an Night of the Lepus ist das MGM Logo am Beginn des Films. Denn wenn er gewusst hätte, dass das Firmenzeichen seiner Edelfilmschmiede einmal für einen Film über mutierte Riesenkaninchen (und noch dazu einen extrem schlechten Film über mutierte Riesenkaninchen) verantwortlich zeichnen würde, hätte Sam Goldwyn die Rechte an dem Symbol mit Sicherheit mit ins Grab genommen. So taugt der Streifen immerhin als Illustration der Unterwanderung des Mainstreams durch den Exploitationfilm, welche bereits 1972 erstaunlich weit fortgeschritten war.
Monday, February 27, 2006
Thursday, February 23, 2006
Deserto di fuoco, Renzo Merusi, 1971
Deutsch: Dolanies Melodie - Melodie des Todes (zumindest auf Tele5)
Deserto di fuoco ist eine sehr seltsame Italowesternvariation, verlegt nach Arabien (oder an einen Ort, der Arabien darstellen soll, gefilmt wurde wahrscheinlich in derselben spanischen Wüste, die auch Schauplatz zahlloser Ringo-, Django- und Zapatafilme war). Allzu viel Mühe hat sich niemand gegeben, die Produktion mit etwas Lokalkolorit anzureichern, ein wenig pseudoorientalischer Singsang auf der Tonspur und ein bisschen nahöstliches Allerlei (wahrscheinlich auf einem Flohmarkt zusammengekauft) über die spärlichen Sets verteilt - das wars.
Vor dieser erbärmlichen Kullisse entspinnt sich ein abstruser, in seiner ganzen Hirnverbranntheit aber sehr reizvoller Actionreißer, der an politischer Unkorrektheit kaum zu überbieten ist. Es treten auf: ein ständig besoffener Franzose, der wohl mehr so aus Versehen eine bis an die Zähne bewaffnete Araberin geheiratet hat, seine Tochter, gespielt immerhin von Edwige Fenech (wie wir zum Glück erfahren, ist sie zu 100% französisch, nicht einmal der Hautfarbe ist die begangene Rassenschande anzumerken), eine Mischung aus Schlampe und Vamp, der schon mal minutenlang eine Brust aus der Bluse hängt, ohne dass sie etwas dagegen unternimmt (oder habe ich das geträumt? Der Film war einfach zu bizarr...), ein absolut grandioser Arab-Rambo, komplett mit Sonnenbrille und geistigem Totalschaden, sowie als Höhepunkt einen (natürlich) blondgelockten Helden, der mithilfe einer goldenen Gitarre die Französin heim ins Reich oder zumindest nach Europa holt und nicht viel mehr zurücklässt als verbrannte Erde.
Auch ein Schatz spielt natürlich eine Rolle. Wer den bekommt, ist am Ende natürlich egal. Deserto di fuoco gehört sicherlich nicht zu den Meisterwerken des italienischen Genrefilms (die Informationslage über den Streifen ist, angesichts der Tatsache, dass die meisten Schauspieler durchaus routinierte Exploitationveteranen sind, geradezu erschreckend dünn), seine unironische und gleichzeitig psychedelisch flirrende Inszenierung machen ihn jedoch zu einem Geheimtipp für alle, die auch abseits der ganz großen Filmkunst zu suchen bereit sind.
Deserto di fuoco ist eine sehr seltsame Italowesternvariation, verlegt nach Arabien (oder an einen Ort, der Arabien darstellen soll, gefilmt wurde wahrscheinlich in derselben spanischen Wüste, die auch Schauplatz zahlloser Ringo-, Django- und Zapatafilme war). Allzu viel Mühe hat sich niemand gegeben, die Produktion mit etwas Lokalkolorit anzureichern, ein wenig pseudoorientalischer Singsang auf der Tonspur und ein bisschen nahöstliches Allerlei (wahrscheinlich auf einem Flohmarkt zusammengekauft) über die spärlichen Sets verteilt - das wars.
Vor dieser erbärmlichen Kullisse entspinnt sich ein abstruser, in seiner ganzen Hirnverbranntheit aber sehr reizvoller Actionreißer, der an politischer Unkorrektheit kaum zu überbieten ist. Es treten auf: ein ständig besoffener Franzose, der wohl mehr so aus Versehen eine bis an die Zähne bewaffnete Araberin geheiratet hat, seine Tochter, gespielt immerhin von Edwige Fenech (wie wir zum Glück erfahren, ist sie zu 100% französisch, nicht einmal der Hautfarbe ist die begangene Rassenschande anzumerken), eine Mischung aus Schlampe und Vamp, der schon mal minutenlang eine Brust aus der Bluse hängt, ohne dass sie etwas dagegen unternimmt (oder habe ich das geträumt? Der Film war einfach zu bizarr...), ein absolut grandioser Arab-Rambo, komplett mit Sonnenbrille und geistigem Totalschaden, sowie als Höhepunkt einen (natürlich) blondgelockten Helden, der mithilfe einer goldenen Gitarre die Französin heim ins Reich oder zumindest nach Europa holt und nicht viel mehr zurücklässt als verbrannte Erde.
Auch ein Schatz spielt natürlich eine Rolle. Wer den bekommt, ist am Ende natürlich egal. Deserto di fuoco gehört sicherlich nicht zu den Meisterwerken des italienischen Genrefilms (die Informationslage über den Streifen ist, angesichts der Tatsache, dass die meisten Schauspieler durchaus routinierte Exploitationveteranen sind, geradezu erschreckend dünn), seine unironische und gleichzeitig psychedelisch flirrende Inszenierung machen ihn jedoch zu einem Geheimtipp für alle, die auch abseits der ganz großen Filmkunst zu suchen bereit sind.
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Wednesday, February 22, 2006
Montag kommen die Fenster, Ulrich Köhler, 2005
Um Angesichts des Bedeutungshubers Schmid nicht in Verzweiflung zu geraten, was die Zukunft des Deutschen Kinos betrifft, war ein Blick auf die Forumsbeiträge durchaus hilfreich. Hier fand man nicht nur die ausgezeichnete Milieustudie Lucy und Thomas Arslans Aus der Ferne, in seiner Reduziertheit einer der Höhepunkte des Festivals, sondern ach einen kleinen aber feinen, und größtenteils zurecht allseits gelobten Film namens Montag kommen die Fenster.
Von anfang an verweigert sich Köhler dem deutschen allzudeutschen: Großes steht neben Kleinem, Drama neben Komödie. Mit sagenhafter Leichtigkeit verbindet Montag kommen die Fenster, was im deutschen Kino doch nur allzuoft unverknüpfbar scheint: den psychologisch / introspektiven, durchaus realistischen Blick und das dezidiert Filmische, die Leichtigkeit der Groteske, das Spiel mit dem Material.
Vor allem fällt der vollkommene Verzicht auf Dummheit auf. Nachdem die verloren gegangene Frau widergefunden wurde, bleibt das Auto im Schlamm stecken, doch mithilfe der ganzen Familie wird es wieder in Gang gebracht. Doch Köhler ist nicht so blöd, den Film mit dieser Metapher zu beenden, im Gegenteil. Im folgenden dekonstruiert er sie völlig, belässt seine Figuren in der Ambivalenz Kassels, ohne sie freilich zu demütigen oder auch nur der Hoffnung zu berauben. Ein surreales Abenteur mit abgehalfterten Tennisstars ist immer im Bereich des Möglichen. Und das ist um einiges mehr, als Requiem oder verwandte Filme den Deutschen gönnen. Montag kommen die Fenster macht Hoffnung, zwar nicht auf das Richtige Leben im Falschen, wohl aber darauf, in all der Falschheit noch genug finden zu können, was das Leben halbwegs erträglich macht.
Nachtrag Jahre später: sappsappsuppsupp, Festivaleuphorie
Von anfang an verweigert sich Köhler dem deutschen allzudeutschen: Großes steht neben Kleinem, Drama neben Komödie. Mit sagenhafter Leichtigkeit verbindet Montag kommen die Fenster, was im deutschen Kino doch nur allzuoft unverknüpfbar scheint: den psychologisch / introspektiven, durchaus realistischen Blick und das dezidiert Filmische, die Leichtigkeit der Groteske, das Spiel mit dem Material.
Vor allem fällt der vollkommene Verzicht auf Dummheit auf. Nachdem die verloren gegangene Frau widergefunden wurde, bleibt das Auto im Schlamm stecken, doch mithilfe der ganzen Familie wird es wieder in Gang gebracht. Doch Köhler ist nicht so blöd, den Film mit dieser Metapher zu beenden, im Gegenteil. Im folgenden dekonstruiert er sie völlig, belässt seine Figuren in der Ambivalenz Kassels, ohne sie freilich zu demütigen oder auch nur der Hoffnung zu berauben. Ein surreales Abenteur mit abgehalfterten Tennisstars ist immer im Bereich des Möglichen. Und das ist um einiges mehr, als Requiem oder verwandte Filme den Deutschen gönnen. Montag kommen die Fenster macht Hoffnung, zwar nicht auf das Richtige Leben im Falschen, wohl aber darauf, in all der Falschheit noch genug finden zu können, was das Leben halbwegs erträglich macht.
Nachtrag Jahre später: sappsappsuppsupp, Festivaleuphorie
Monday, February 20, 2006
Niu Pi auf 3sat
Einer der besten Filme der letztjährigen Berlinale - wenn nicht der Beste - wird morgen um 22:55 auf 3sat ausgestrahlt. Etwas merkwürdiger deutscher Titel: Kuhhaut.
Requiem, Hans-Christian Schmid, 2005
Die Berlinale-Jury ist besser als ihr Ruf. Vielleicht weniger aufgrund der Filme, denen sie Preise verleiht, als aufgrund denjenigen, die sie übergeht. Letztes Jahr kürten Emmerich und Kollegen nicht Petzolds hohlen Gespenster Film zum Sieger, sondern die durchaus ansprechende, wenn auch sicherlich nicht perfekte Carmen-Adaption aus Südafrika. Dieses Mal beugten sich die Juroren glücklicherweise nicht den begeisterten Pressebestimmen zu Schmids Exorzistenmachwerk, dem einzigen Wettbewerbsfilm, der vielleicht noch schlechter ist als Röhlers Elementarteilchen.
Eines kann man Schmid, der eigentlich einmal harmlose, teilweise sogar ganz lustige Filme wie 23 gedreht hat, seit Lichter aber drauf und dran ist, Wenders als nervigsten aller regi sicherlich nicht vorwefen, nämlich, er wisse nichts zu sagen. Requiem weiss sehr wohl etwas zu sagen uns sagt dies von der ersten bis zur letzten Sekunde ununterbrochen, hämmert seine Botschaft mit unglaublicher Penetranz nach hause. Die spießige, bigotte Gesellschaft zerstört sensible Individuen und jede echte Spiritualität, die Kirche mitsamt ihrer Institutionen lässt sich intrumentalisieren, so schwer ist das nicht zu verstehen. Die diktatorische Mutter ohrfeigt die Tochter, weil diese einen Weg jenseits schwäbischen Spießertums gehen möchte - Schnitt - Weihnachtsgottesdienst in der Kirche. Mehr Holzhammer hegt nun wirklich nicht, und der Film arbeitet die ganze Zeit auf diese Art.
Hinzu kommt eine schrekliche, kaum erträgliche Ästhetik. Requiem dient (wie auch andere europäische Filme auf der Berlinale, beispielsweise Lenz) als Illustratio des Fluches, den Dogma über das abendländische Kino gebracht hat. Regisseure ohne eigene Ideen klauen sich ihren Stil bei Trier und Vinterberg, heraus kommen verwackelte Großaufnahmen und unorganisierte Montage. In diesem speziellen Fall eine auf Ferneshformat heruntergekochte Dogma-Ästhetik, die teilweise als Veruch erkennbar ist, die 70er Jahre durch ihr ureigenes Medium, den grobkörnigen, frühen Farbfernseher, darzustellen, leider aber ncht einmal darin konsequent bleibt und beispielsweise auf der Ebene der Tonspur einen Naturalismus verfolgt, der so ganz auf die öde Gegenwart verweist. Nein danke.
Nachtrag Jahre später: Festivaleuphorie, auweia
Eines kann man Schmid, der eigentlich einmal harmlose, teilweise sogar ganz lustige Filme wie 23 gedreht hat, seit Lichter aber drauf und dran ist, Wenders als nervigsten aller regi sicherlich nicht vorwefen, nämlich, er wisse nichts zu sagen. Requiem weiss sehr wohl etwas zu sagen uns sagt dies von der ersten bis zur letzten Sekunde ununterbrochen, hämmert seine Botschaft mit unglaublicher Penetranz nach hause. Die spießige, bigotte Gesellschaft zerstört sensible Individuen und jede echte Spiritualität, die Kirche mitsamt ihrer Institutionen lässt sich intrumentalisieren, so schwer ist das nicht zu verstehen. Die diktatorische Mutter ohrfeigt die Tochter, weil diese einen Weg jenseits schwäbischen Spießertums gehen möchte - Schnitt - Weihnachtsgottesdienst in der Kirche. Mehr Holzhammer hegt nun wirklich nicht, und der Film arbeitet die ganze Zeit auf diese Art.
Hinzu kommt eine schrekliche, kaum erträgliche Ästhetik. Requiem dient (wie auch andere europäische Filme auf der Berlinale, beispielsweise Lenz) als Illustratio des Fluches, den Dogma über das abendländische Kino gebracht hat. Regisseure ohne eigene Ideen klauen sich ihren Stil bei Trier und Vinterberg, heraus kommen verwackelte Großaufnahmen und unorganisierte Montage. In diesem speziellen Fall eine auf Ferneshformat heruntergekochte Dogma-Ästhetik, die teilweise als Veruch erkennbar ist, die 70er Jahre durch ihr ureigenes Medium, den grobkörnigen, frühen Farbfernseher, darzustellen, leider aber ncht einmal darin konsequent bleibt und beispielsweise auf der Ebene der Tonspur einen Naturalismus verfolgt, der so ganz auf die öde Gegenwart verweist. Nein danke.
Nachtrag Jahre später: Festivaleuphorie, auweia
Zweimal Politik
Au-dela de la Haine, Olivier Meyrou, 2005
Er ist ja gut gemeint, der Film. Und dummerweise auch noch weitgehend gut gemacht, besser zumindest als vieles andere vage oder konkret politisches im Forum. Warum bleibt am Ende trotzdem ein ungutes Gefühl? Aufschluss gibt eine Diskussionsfrage, die nicht nur den Regisseur, sondern auch die wieder einmal völig deplazierte Moderatorin (zugegebenermaße auch aufgrund eines Übersetzungsproblems) gehörig aus dem Konzept bringt. Die Frage bezieht sich auf die Tatsache, dass im Film immer wieder darauf verweisen wird, die Skinheads hätten erst einen Homosexuellen angegriffen, nachdem sie vergeblich einen Araber gesucht hätten. Was wäre nun mit dem Film geschehen, wenn sie schneller fündig geworden wären und das Opfer kein weisser Mittelstandssohn gewesen wäre?
Regisseur beleidigt, Moderatorin hektisch, Übersetzerin konfus, da wurde wohl ein neuralgischer Punkt getroffen. Und in der Tat enthüllt diese Frage, deren Antwort sich im üblichen "alle Menschen sind gleich, alle gehören zur Gemeinschaft, die Lösung heißt universelle Toleranz" erübrigte, das Problem des Films.
Die homophobe Gewalt wird aus den Biographien hergeleitet und somit mit anderen Formen diskriminativer Angriffe gleichgesetzt. Nicht gestellt wird die strukturelle Frage. Denn mag auch auf einer Ebene sowohl Homophobie als auch Rassismus, Sexismus und ähnliches auf einem gleichartigen "Hass auf alles andere ausser mir" basieren (und selbstverständlich sind alle diese Verhaltensweisen gleich abscheulich und dämlich), bleibt doch festzuhalten, dass auf anderen Ebenen diese Phänomene alles andere als Gleich sind. Sie resonieren auf völlig unterschiedliche Art und Weise in der Gesellschaft, zeigen unterschiedliche Organisationsmuster, dienen unterschiedlichen politischen Zwecken, werden von unterschiedlichen Seiten ausgebeutet, gehen höchstwahrscheinlich auch auf unterschiedliche psychologisch Mechanismen zurück usw. Eine Gesellschaft, die diese Probleme nur zusammen denken kann, kann als Lösung nur etwas anbieten, was keine ist: allumfassende Toleranz, vermittlung allgemeingültiger Werte, deren ideologische Aufgabe ebensowenig hinterfragt wird, wie die ideologischen Substrukturen der Neonaziszene, die eben nicht nur dadurch entsteht, dass es Alkoholiker gibt, die ihre Kinder schlagen.
Schuss!, Nicolas Rey, 2005
Schön ist es dagegen, nach all den - oft jämmerlichen - Versuchen, politisches Bewusstsein zu erzeugen, einen Film sieht, der dieses dekonstruiert, beziehungsweise in klassisch ideologiekritischer Manier der Konstruiertheit von Oberflächenphänomenen auf den Grund geht.
So ein Film darf es sich auch durchaus herausnehmen, dem Publikum ordentlich auf die Nerven zu gehen. Und das tut Nicolas Reys Film oft genug. Bild und Ton immer unsynchron, minutenlange, flackernde Aufnahmen von fast gar nichts, nicht die Spur eines stringenten zeitlichen oder räumlichen Gefüges, dabei über zwei Stunden lang. Es geht um die Wintersportindustrie einerseits, die Aluminiumprodktion andererseits. Rey zeigt eindrucksvoll, dass die Konsumgesellschaft vor allem auf Arbeit basiert, die unsichtbar ist. Diese Arbeit kann auch die Form von Politik, Bürokratie, Kolonialismus und vielem anderen annehmen, bleibt jedoch immer erkennbar, wenn man nur genau genug hinschaut. Dieser orthodox ideologiekritische Akt (Sichtbarmachung von aus ideologischen Gründen versteckter Arbeit), der sich unter anderem in den Bildern der Talstation des Skigebiets widerfindet, die den Fim zusammenhalten (die Talstation ist das Gebäude, an dem die Arbeit am wenigsten verschleiert werden kann, hier finden sich Relaisstationen, große Stromaggregate, Wartungspersonal, usw, gleichzeitig ist dies jedoch auch der Ort, der am wenigsten Oberfläche ist und meistens so in das Gesamtgefüge integriert wird, dass die Skifahrer ihn jeden Tag nur einmal durchlaufen müssen), wird auch in der Filmform sichtbar, indem Rey, durchaus im Sinne Baudrys oder Comollis, das Filmmaterial und seine Bearbeitung, resp. die Arbeit im Filmlabor usw sichtbar macht.
Soweit, so eigentlich schon tausendmal dagewesen und irgendwo in den 70er Jahren steckengeblieben (was Rey allerdings frisurentechnisch auch tatsächlich ist). Die Pointe des Films trägt diesen jedoch weit über klassisch strukturalistisch-marxistische Positionen hinaus: Ski werden gar nicht aus Aluminium hergestellt. Die Strukturen sind so komplex, dass eine ein einfaches Basis-Überbau Modell zum Scheitern verurteilt ist. Rey wählt vielmehr ein allegorisches Modell: Industriegeschichte erläutert Konsumismus und umgekehrt. Dabei ist er weniger auf der Suche nach einer Tiefenstruktur, es geht um partielle argumentative Parallelen, die es in ihrer Gesamtheit vielleicht ermöglichen, die Position des Individuum in der Welt so zu gestalten, dass aktives Handeln mögich ist. Oder so ähnlich.
Er ist ja gut gemeint, der Film. Und dummerweise auch noch weitgehend gut gemacht, besser zumindest als vieles andere vage oder konkret politisches im Forum. Warum bleibt am Ende trotzdem ein ungutes Gefühl? Aufschluss gibt eine Diskussionsfrage, die nicht nur den Regisseur, sondern auch die wieder einmal völig deplazierte Moderatorin (zugegebenermaße auch aufgrund eines Übersetzungsproblems) gehörig aus dem Konzept bringt. Die Frage bezieht sich auf die Tatsache, dass im Film immer wieder darauf verweisen wird, die Skinheads hätten erst einen Homosexuellen angegriffen, nachdem sie vergeblich einen Araber gesucht hätten. Was wäre nun mit dem Film geschehen, wenn sie schneller fündig geworden wären und das Opfer kein weisser Mittelstandssohn gewesen wäre?
Regisseur beleidigt, Moderatorin hektisch, Übersetzerin konfus, da wurde wohl ein neuralgischer Punkt getroffen. Und in der Tat enthüllt diese Frage, deren Antwort sich im üblichen "alle Menschen sind gleich, alle gehören zur Gemeinschaft, die Lösung heißt universelle Toleranz" erübrigte, das Problem des Films.
Die homophobe Gewalt wird aus den Biographien hergeleitet und somit mit anderen Formen diskriminativer Angriffe gleichgesetzt. Nicht gestellt wird die strukturelle Frage. Denn mag auch auf einer Ebene sowohl Homophobie als auch Rassismus, Sexismus und ähnliches auf einem gleichartigen "Hass auf alles andere ausser mir" basieren (und selbstverständlich sind alle diese Verhaltensweisen gleich abscheulich und dämlich), bleibt doch festzuhalten, dass auf anderen Ebenen diese Phänomene alles andere als Gleich sind. Sie resonieren auf völlig unterschiedliche Art und Weise in der Gesellschaft, zeigen unterschiedliche Organisationsmuster, dienen unterschiedlichen politischen Zwecken, werden von unterschiedlichen Seiten ausgebeutet, gehen höchstwahrscheinlich auch auf unterschiedliche psychologisch Mechanismen zurück usw. Eine Gesellschaft, die diese Probleme nur zusammen denken kann, kann als Lösung nur etwas anbieten, was keine ist: allumfassende Toleranz, vermittlung allgemeingültiger Werte, deren ideologische Aufgabe ebensowenig hinterfragt wird, wie die ideologischen Substrukturen der Neonaziszene, die eben nicht nur dadurch entsteht, dass es Alkoholiker gibt, die ihre Kinder schlagen.
Schuss!, Nicolas Rey, 2005
Schön ist es dagegen, nach all den - oft jämmerlichen - Versuchen, politisches Bewusstsein zu erzeugen, einen Film sieht, der dieses dekonstruiert, beziehungsweise in klassisch ideologiekritischer Manier der Konstruiertheit von Oberflächenphänomenen auf den Grund geht.
So ein Film darf es sich auch durchaus herausnehmen, dem Publikum ordentlich auf die Nerven zu gehen. Und das tut Nicolas Reys Film oft genug. Bild und Ton immer unsynchron, minutenlange, flackernde Aufnahmen von fast gar nichts, nicht die Spur eines stringenten zeitlichen oder räumlichen Gefüges, dabei über zwei Stunden lang. Es geht um die Wintersportindustrie einerseits, die Aluminiumprodktion andererseits. Rey zeigt eindrucksvoll, dass die Konsumgesellschaft vor allem auf Arbeit basiert, die unsichtbar ist. Diese Arbeit kann auch die Form von Politik, Bürokratie, Kolonialismus und vielem anderen annehmen, bleibt jedoch immer erkennbar, wenn man nur genau genug hinschaut. Dieser orthodox ideologiekritische Akt (Sichtbarmachung von aus ideologischen Gründen versteckter Arbeit), der sich unter anderem in den Bildern der Talstation des Skigebiets widerfindet, die den Fim zusammenhalten (die Talstation ist das Gebäude, an dem die Arbeit am wenigsten verschleiert werden kann, hier finden sich Relaisstationen, große Stromaggregate, Wartungspersonal, usw, gleichzeitig ist dies jedoch auch der Ort, der am wenigsten Oberfläche ist und meistens so in das Gesamtgefüge integriert wird, dass die Skifahrer ihn jeden Tag nur einmal durchlaufen müssen), wird auch in der Filmform sichtbar, indem Rey, durchaus im Sinne Baudrys oder Comollis, das Filmmaterial und seine Bearbeitung, resp. die Arbeit im Filmlabor usw sichtbar macht.
Soweit, so eigentlich schon tausendmal dagewesen und irgendwo in den 70er Jahren steckengeblieben (was Rey allerdings frisurentechnisch auch tatsächlich ist). Die Pointe des Films trägt diesen jedoch weit über klassisch strukturalistisch-marxistische Positionen hinaus: Ski werden gar nicht aus Aluminium hergestellt. Die Strukturen sind so komplex, dass eine ein einfaches Basis-Überbau Modell zum Scheitern verurteilt ist. Rey wählt vielmehr ein allegorisches Modell: Industriegeschichte erläutert Konsumismus und umgekehrt. Dabei ist er weniger auf der Suche nach einer Tiefenstruktur, es geht um partielle argumentative Parallelen, die es in ihrer Gesamtheit vielleicht ermöglichen, die Position des Individuum in der Welt so zu gestalten, dass aktives Handeln mögich ist. Oder so ähnlich.
Dave Chapelle`s Block Party, Michel Gondry, 2005
So, die Berlinale ist zum Glück vorbei, ein bisschen Nachlese muss aber noch sein...
Michel Gondry ist der Mann, der die Berlinale gerettet hat, so viel steht fest. Nicht nur stammt der mit weitem Abstand beste mir bekannte Wettbewerbsbeitrag von ihm, auch diese kleine, aber sehr lohnende Musikdokumentation gehört zu den Hihlights des Programms, weisst sie doch einen Weg aus dem verkrampften Problemgefilme des Forums einerseits und ästhetizistischen Spielereien, die große Teile des Wettbewerbs bestimen, andererseits.
Und zwar mithilfe schwarzer Musik, die hier noch einmal eindrucksvoll ihre beispiellose Integrationsfähigkeit vorführt. In Deutschand ist diese oft nicht immer ganz leicht nachvollziehbar, da die entsprechenden Parties oft ins wahlweise Nervige oder Verkrampfte abgleiten, je nach Publikum. Chapelles Block Party ist keines von beiden, sie ist einfach nur der richtige Ort zur richtigen Zeit mit den richtigen Menschen. So schön könnte die Welt sein.
Freilich sind die Musiker, die Chapelle auswählt, auch das mehrheitsfähigste, was das Genre zu bieten hat - für sein New Yorker Publikum zumindest. Manches - genauer gesagt die Fugees - ist für meinen Geschmack sogar etwas zu mehrheitsfähig. Dafür sind auch die derzeit großartigsten Rapper dabei, Dead Prez, die nicht nur jede Publicity angesichts Mtv Boykotts und ähnlichem gebrauchen können, sondern mit (Bigger than) Hip Hop auch den vielleicht besten Rapsong seit den Hochzeiten NWAs und Public Enemys aufgenommen haben, der vollkommen zurecht im Mittelpunkt des Films steht. Hier findet sich auch die Anschlussstelle in eine andere Richtung, hin zum Gangsterrap und all dem, was an schwarzer Kultur auch heute noch subversiv sein kann und muss. Dead Prez neuestes Album heisst nicht umsonst Revolutionary but Gangster.
Michel Gondry ist der Mann, der die Berlinale gerettet hat, so viel steht fest. Nicht nur stammt der mit weitem Abstand beste mir bekannte Wettbewerbsbeitrag von ihm, auch diese kleine, aber sehr lohnende Musikdokumentation gehört zu den Hihlights des Programms, weisst sie doch einen Weg aus dem verkrampften Problemgefilme des Forums einerseits und ästhetizistischen Spielereien, die große Teile des Wettbewerbs bestimen, andererseits.
Und zwar mithilfe schwarzer Musik, die hier noch einmal eindrucksvoll ihre beispiellose Integrationsfähigkeit vorführt. In Deutschand ist diese oft nicht immer ganz leicht nachvollziehbar, da die entsprechenden Parties oft ins wahlweise Nervige oder Verkrampfte abgleiten, je nach Publikum. Chapelles Block Party ist keines von beiden, sie ist einfach nur der richtige Ort zur richtigen Zeit mit den richtigen Menschen. So schön könnte die Welt sein.
Freilich sind die Musiker, die Chapelle auswählt, auch das mehrheitsfähigste, was das Genre zu bieten hat - für sein New Yorker Publikum zumindest. Manches - genauer gesagt die Fugees - ist für meinen Geschmack sogar etwas zu mehrheitsfähig. Dafür sind auch die derzeit großartigsten Rapper dabei, Dead Prez, die nicht nur jede Publicity angesichts Mtv Boykotts und ähnlichem gebrauchen können, sondern mit (Bigger than) Hip Hop auch den vielleicht besten Rapsong seit den Hochzeiten NWAs und Public Enemys aufgenommen haben, der vollkommen zurecht im Mittelpunkt des Films steht. Hier findet sich auch die Anschlussstelle in eine andere Richtung, hin zum Gangsterrap und all dem, was an schwarzer Kultur auch heute noch subversiv sein kann und muss. Dead Prez neuestes Album heisst nicht umsonst Revolutionary but Gangster.
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Friday, February 17, 2006
Zweimal Iran
Zemestan, Rafi Pitts, 2005
Zemestan besteht aus zwei Arten von Bildern. Einmal gibt es da die, die dem Film das Prädikat "Neorealismus" eingebracht haben, was auch immer das - im allgemeinen und hier im speziellen - bedeuten mag. Es sind dies halbwegs naturalistische, freilich immer extrem komponierte Stadtansichten oder Bilder von /in Fabriken, immer begleitet von einem schrecklich aufdringlichen Klangteppich, der die einzelnen Einstellungen verbindet und ihnen entgültig jede dokumentarische Qualität raubt.
Die andere Bildsorte schreit schon von weitem Poesie. Oft befindet sich hier ein einzelner Mensch genau in der Mitte des Bildes, hat den Kopf gesenkt, während der Hintergrund sich dank Weichzeichnereinsatz aus dem Staub machen darf.
Zwischen diesen beiden, gleichermaßen widerlichen visuellen Ebenen blitzt manchmal eine dritte auf, eine, in der die Poesie spröde genug bleibt, um nicht von falscher Emotionalität erschlagen zu werden und die Darstellung der sozialen Realität des Iran mehr ist als nur Behauptung. Genau die Ebene also, die das iranische Kino vor allem in den 80er Jahren zu einem der fruchtbarsten überhaupt machte. Diese kurzen Ahnungen eines um so viel besseren Films tragen um so mehr dazu bei, Zemestan, dieses widerlich ästhetizistische Rührstück, zu dem unerträglichen Film zu machen, der er ist.
Überhaupt scheint das iranische Kino genau in dem Moment, in dem es von der Berlinale - natürlich viel zu spät - entdeckt wird, dazu überzugehen, typische Festivalfilme zu produzieren, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen Sozialrealismus und Allerweltspoesie zu verlieren drohen. Auch der langweilige Forumsbeitrag Another Morning führt in eine ähnliche Richtung. Und selbst der eigentlich recht überzeugende Gradually... zeigt einige Besorgnis erregende Symptome.
Men at Work, Mani Haghighi, 2005
Umso schöner, dass immerhin ein iranischer Film neue Wege beschreitet und gleich beide Pole, zwischen denen sich das persische Kino seit langem bewegt, weiträumig umfährt. Men at Work ist digital produziert und bereits die alles andere als perfekte Technik des Films verhindern den Aufbruch in Richtung Poesie. Haghighi erzählt in extrem reduziertem Setting eine sehr effektive Geschichte. Eine Gruppe von Freunden will auf dem Weg in den Urlaub einen Felsen zu Fall bringen, der provokant erektiv in der Gegend herum steht. Die Freudschen Bezüge des Werkes sind unübersehbar, in ihrer Offensichtlichkeit aber durchaus interessant und auf überzeugende Weise mit den persönlichen Problemen der Männer verbunden. Men at Work zeichnet das Bild einer iranischen Mittelschicht, deren Probleme - Frauen, Autos und natürlich Potenz - sich nicht allzu sehr von denen der Pendants in anderen Ländern unterscheidet. Zwar gelingt es dem Regisseur nicht, seine Geschichte über die volle Laufzeit in Schwung zu halten und gegen Ende ist er gezwungen, eine allzu gewöhnliche Auflösung der Geschichte zu finden, doch insgesamt ist sein Werk sicherlich eines der gelungeneren - und vor allem überaschenderen - der diesjährigen Berlinale.
Zemestan besteht aus zwei Arten von Bildern. Einmal gibt es da die, die dem Film das Prädikat "Neorealismus" eingebracht haben, was auch immer das - im allgemeinen und hier im speziellen - bedeuten mag. Es sind dies halbwegs naturalistische, freilich immer extrem komponierte Stadtansichten oder Bilder von /in Fabriken, immer begleitet von einem schrecklich aufdringlichen Klangteppich, der die einzelnen Einstellungen verbindet und ihnen entgültig jede dokumentarische Qualität raubt.
Die andere Bildsorte schreit schon von weitem Poesie. Oft befindet sich hier ein einzelner Mensch genau in der Mitte des Bildes, hat den Kopf gesenkt, während der Hintergrund sich dank Weichzeichnereinsatz aus dem Staub machen darf.
Zwischen diesen beiden, gleichermaßen widerlichen visuellen Ebenen blitzt manchmal eine dritte auf, eine, in der die Poesie spröde genug bleibt, um nicht von falscher Emotionalität erschlagen zu werden und die Darstellung der sozialen Realität des Iran mehr ist als nur Behauptung. Genau die Ebene also, die das iranische Kino vor allem in den 80er Jahren zu einem der fruchtbarsten überhaupt machte. Diese kurzen Ahnungen eines um so viel besseren Films tragen um so mehr dazu bei, Zemestan, dieses widerlich ästhetizistische Rührstück, zu dem unerträglichen Film zu machen, der er ist.
Überhaupt scheint das iranische Kino genau in dem Moment, in dem es von der Berlinale - natürlich viel zu spät - entdeckt wird, dazu überzugehen, typische Festivalfilme zu produzieren, die sich irgendwo im Niemandsland zwischen Sozialrealismus und Allerweltspoesie zu verlieren drohen. Auch der langweilige Forumsbeitrag Another Morning führt in eine ähnliche Richtung. Und selbst der eigentlich recht überzeugende Gradually... zeigt einige Besorgnis erregende Symptome.
Men at Work, Mani Haghighi, 2005
Umso schöner, dass immerhin ein iranischer Film neue Wege beschreitet und gleich beide Pole, zwischen denen sich das persische Kino seit langem bewegt, weiträumig umfährt. Men at Work ist digital produziert und bereits die alles andere als perfekte Technik des Films verhindern den Aufbruch in Richtung Poesie. Haghighi erzählt in extrem reduziertem Setting eine sehr effektive Geschichte. Eine Gruppe von Freunden will auf dem Weg in den Urlaub einen Felsen zu Fall bringen, der provokant erektiv in der Gegend herum steht. Die Freudschen Bezüge des Werkes sind unübersehbar, in ihrer Offensichtlichkeit aber durchaus interessant und auf überzeugende Weise mit den persönlichen Problemen der Männer verbunden. Men at Work zeichnet das Bild einer iranischen Mittelschicht, deren Probleme - Frauen, Autos und natürlich Potenz - sich nicht allzu sehr von denen der Pendants in anderen Ländern unterscheidet. Zwar gelingt es dem Regisseur nicht, seine Geschichte über die volle Laufzeit in Schwung zu halten und gegen Ende ist er gezwungen, eine allzu gewöhnliche Auflösung der Geschichte zu finden, doch insgesamt ist sein Werk sicherlich eines der gelungeneren - und vor allem überaschenderen - der diesjährigen Berlinale.
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Thursday, February 16, 2006
Zweimal Afrika
L'Apell des Arenes, Cheikh Ndiaye, 2005
Deutlich an westlichen Boxer- / Gangsterepen angelehntes Drama im Ringermilieu. Insgesamt folgt der Plot etwas zu genau den vorgegebenen Schablonen, fügt nichts hinzu, nimmt nichts weg. Interessant ist der Film vor vor allem wegen seiner Körperbilder. Die Zelebrierung männlicher Kraft und Sinnlichkeit wird von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt und nimmt manchmal recht extravagante Formen an. Die Körperlichkeit ist sich (soweit es die Männer betrifft) selbst genug, entlädt ihre Kräfte in der Spiritualität und dem Wettkampf, selten nur in der Sexualität. Denn Frauenkörper haben eine ganz andere Funktion, ihnen ist der Zugang zur spirituellen Ebene versagt, sie haben bestenfalls ornamentale Funktionen oder funktionalisieren sich selbst zu Sexobjekten. In gewisser Weise scheinen sie in der symbolischen Ordnung gefangen, die die Männer nicht einmal zu betreten versuchen.
Sexistisch ist der Film sicher, wenn man europäisch/amerikanisch geprägte Begriffe auf den Film anwenden möchte (und die an Europa und Amerika geschulte Filmform legt nahe, dass ein solcher Bezug nicht ganz abwegig ist), doch der Körperdiskurs führt L'Apell immerhin stellenweise über die Genregrenzen hinaus.
Conversations on a Sunday Afternoon, Khalo Matabane, 2005
Politische Dokumentationen gibt es auf der Berlinale mehr als genug, Kosslicks Politisierungsversuch darf quantitativ als gelungen gelten. Wenig jedoch findet sich, was seine Vorführung vor dem (nunmal politisch meist wenig aktiven) Berlinalepublikum wirklich rechtfertigt. Conversations... ist eine von wenigen Ausnahmen. Dieser dekonstruierte Interviewfilm mit Flüchtlingen aus Südafrika gewinnt genau aus den Momenten, in welchen seine Konstruktion (und deren Schwächen) sichtbar wird, wenn Gespräche scheitern, oder sich in die falsche Richtung entwickeln, wenn die Kamera Bilder nur aufgrund ihrer Optik einfängt und Matabane gar nicht daran denkt, sie hinterher zu rechtfertigen. Die meisten politischen Dokumentationen auf der Berlinale zeichnen ihr Bild vor sicherem Hintergrund, zwar manchmal aus mehreren Perspektiven, doch immer mit klaren Hierarchien. Mögen alle diese Filme (selbst der blöde Wal Mart...) in ihrem speziellen Fall alle Berechtigung der Welt besitzen und möglicherweise nicht einmal ganz umsonst gedreht worden sein, auf der Berlinale haben sie meiner Meinung nach nichts verloren, aber auch gar nichts. Conversations... dagegen gelingt es, die eigene Rolle als Dokument und als photografisches Bild zu hinterfragen und ähnliches sollte das Festivalpublikum vielleicht in Bezug auf so manch andere Dokumentation auch einmal versuchen.
Deutlich an westlichen Boxer- / Gangsterepen angelehntes Drama im Ringermilieu. Insgesamt folgt der Plot etwas zu genau den vorgegebenen Schablonen, fügt nichts hinzu, nimmt nichts weg. Interessant ist der Film vor vor allem wegen seiner Körperbilder. Die Zelebrierung männlicher Kraft und Sinnlichkeit wird von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt und nimmt manchmal recht extravagante Formen an. Die Körperlichkeit ist sich (soweit es die Männer betrifft) selbst genug, entlädt ihre Kräfte in der Spiritualität und dem Wettkampf, selten nur in der Sexualität. Denn Frauenkörper haben eine ganz andere Funktion, ihnen ist der Zugang zur spirituellen Ebene versagt, sie haben bestenfalls ornamentale Funktionen oder funktionalisieren sich selbst zu Sexobjekten. In gewisser Weise scheinen sie in der symbolischen Ordnung gefangen, die die Männer nicht einmal zu betreten versuchen.
Sexistisch ist der Film sicher, wenn man europäisch/amerikanisch geprägte Begriffe auf den Film anwenden möchte (und die an Europa und Amerika geschulte Filmform legt nahe, dass ein solcher Bezug nicht ganz abwegig ist), doch der Körperdiskurs führt L'Apell immerhin stellenweise über die Genregrenzen hinaus.
Conversations on a Sunday Afternoon, Khalo Matabane, 2005
Politische Dokumentationen gibt es auf der Berlinale mehr als genug, Kosslicks Politisierungsversuch darf quantitativ als gelungen gelten. Wenig jedoch findet sich, was seine Vorführung vor dem (nunmal politisch meist wenig aktiven) Berlinalepublikum wirklich rechtfertigt. Conversations... ist eine von wenigen Ausnahmen. Dieser dekonstruierte Interviewfilm mit Flüchtlingen aus Südafrika gewinnt genau aus den Momenten, in welchen seine Konstruktion (und deren Schwächen) sichtbar wird, wenn Gespräche scheitern, oder sich in die falsche Richtung entwickeln, wenn die Kamera Bilder nur aufgrund ihrer Optik einfängt und Matabane gar nicht daran denkt, sie hinterher zu rechtfertigen. Die meisten politischen Dokumentationen auf der Berlinale zeichnen ihr Bild vor sicherem Hintergrund, zwar manchmal aus mehreren Perspektiven, doch immer mit klaren Hierarchien. Mögen alle diese Filme (selbst der blöde Wal Mart...) in ihrem speziellen Fall alle Berechtigung der Welt besitzen und möglicherweise nicht einmal ganz umsonst gedreht worden sein, auf der Berlinale haben sie meiner Meinung nach nichts verloren, aber auch gar nichts. Conversations... dagegen gelingt es, die eigene Rolle als Dokument und als photografisches Bild zu hinterfragen und ähnliches sollte das Festivalpublikum vielleicht in Bezug auf so manch andere Dokumentation auch einmal versuchen.
Wednesday, February 15, 2006
Zweimal Amerika
One Way Boogie Woogie / 27 Years Later, James Benning, 2005
James Benning, dessen Filme 10 Skies und 13 Lakes bereits heute, ein Jahr danach, Berlinale-Legenden sind, bringt dieses Mal (etwas) leichter verdauliche Kost mit, er selbst verglich den Film im Gespräch mit Mtv. One Way Boogie Woogie aus den späten Siebzigern bietet eine Reihe von Momentaufnahmen aus ich glaube Baltimore, jeweils ungefähr eine Minute lang und jede mit einer Pointe versehen. Diese erschließt sich nicht immer im Bild selbst, manchmal erst im Verhältnis zweier Bilder oder in der Differenz zwischen Bild und Ton. Der Humor, der sich entfaltet, erinnert stellenweise an Tati, nur, dass Benning ungefähr 1000mal lustiger ist. Die Absurditätem des urbanen Alltags finden sich tatsächlich an jeder Straßenecke, vor jeder noch so erbärmlichen Fassade.
Nun hat er den gleichen Film noch einmal gedreht, mit den gleichen Kameraeinstellungen an den gleichen Orten, sogar mit demselben Soundtrack. Hier funktionieren die Bilder vor allem als Markierung einer Differenz, die es nicht gibt. Die warmen Farben des Originals, sind einer sterilen Fernsehoptik gewichen (was wohl auch am veränderten Filmmaterial liegt), sonst hat sich nicht viel geändert. Die Natur scheint wieder etwas Land zurück gewonnen zu haben, wo im ersten Teil kaum eine einzige Pflanze zu sehen war, wuchert es 27 Jahre später hier und da ganz ordentlich. Sonst jedoch bleibt alles öde, auch die Gabelstaplertechnik scheint sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu weit entwickelt zu haben.
Pine Flat, Sharon Lockhart, 2006
Wo Benning straight in Richtung MTV zu schreiten glaubt, übernimmt Lockhart sein altes Terrain, die 10minütige Einstellung für ihren gigantischen Film Pine Flat. Wo Benning sich in seinem neuen Werk ganz auf Urbanität konzentriert, übernimmt sie den Naturbezug seiner vorherigen Filme. Pine Flats Thema ist das Verhältnis von Mensch und Natur einerseits, Filmemacher und Schauspieler andererseits. In beiden Fällen ist diese Beziehung brüchig, Harmonie muss erkämpft werden, da ein Teil dieser Kombination stets versucht, den anderen an sich zu reißen. So in der zweiten einstellung, der besten von allen: ein Mädchen sitzt auf der Wiese und liest in einem Buch, gezählte neun Seiten lang. Um sie herum weht das Gras im Wind, hinter ihr die Zweige der Bäume. Sie jedoch bleibt still, innerlich, gespannt. Auch die Präsenz der Kamera ist immer spürbar. Die Kamera möchte das Mädchen erobern, gefangen nehmen, dieses versucht sich zu entziehen, indem es jeden Blickkontakt, mehr noch, sich jeder Bewegung, die nicht dem Lesen dient, zu enthalten. Einmal funktioniert es nicht, sie kratzt sich am Hals. In diesem Moment bricht das System zusammen, in dem sich Natur, Mädchen und Lockhart befinden, nur um sich im nächsten Moment wieder zu etablieren.
Nicht jede einstellung ist so fantastisch wie diese, in der zweiten Hälfte wird der Film fast zu komplex, da stets mehrere Personen im Bild sind. Dennoch ist Pine Flat sicherlich einer der ganz wenigen wirklich großen Filme dieser Berlinale.
James Benning, dessen Filme 10 Skies und 13 Lakes bereits heute, ein Jahr danach, Berlinale-Legenden sind, bringt dieses Mal (etwas) leichter verdauliche Kost mit, er selbst verglich den Film im Gespräch mit Mtv. One Way Boogie Woogie aus den späten Siebzigern bietet eine Reihe von Momentaufnahmen aus ich glaube Baltimore, jeweils ungefähr eine Minute lang und jede mit einer Pointe versehen. Diese erschließt sich nicht immer im Bild selbst, manchmal erst im Verhältnis zweier Bilder oder in der Differenz zwischen Bild und Ton. Der Humor, der sich entfaltet, erinnert stellenweise an Tati, nur, dass Benning ungefähr 1000mal lustiger ist. Die Absurditätem des urbanen Alltags finden sich tatsächlich an jeder Straßenecke, vor jeder noch so erbärmlichen Fassade.
Nun hat er den gleichen Film noch einmal gedreht, mit den gleichen Kameraeinstellungen an den gleichen Orten, sogar mit demselben Soundtrack. Hier funktionieren die Bilder vor allem als Markierung einer Differenz, die es nicht gibt. Die warmen Farben des Originals, sind einer sterilen Fernsehoptik gewichen (was wohl auch am veränderten Filmmaterial liegt), sonst hat sich nicht viel geändert. Die Natur scheint wieder etwas Land zurück gewonnen zu haben, wo im ersten Teil kaum eine einzige Pflanze zu sehen war, wuchert es 27 Jahre später hier und da ganz ordentlich. Sonst jedoch bleibt alles öde, auch die Gabelstaplertechnik scheint sich in den letzten Jahrzehnten nicht allzu weit entwickelt zu haben.
Pine Flat, Sharon Lockhart, 2006
Wo Benning straight in Richtung MTV zu schreiten glaubt, übernimmt Lockhart sein altes Terrain, die 10minütige Einstellung für ihren gigantischen Film Pine Flat. Wo Benning sich in seinem neuen Werk ganz auf Urbanität konzentriert, übernimmt sie den Naturbezug seiner vorherigen Filme. Pine Flats Thema ist das Verhältnis von Mensch und Natur einerseits, Filmemacher und Schauspieler andererseits. In beiden Fällen ist diese Beziehung brüchig, Harmonie muss erkämpft werden, da ein Teil dieser Kombination stets versucht, den anderen an sich zu reißen. So in der zweiten einstellung, der besten von allen: ein Mädchen sitzt auf der Wiese und liest in einem Buch, gezählte neun Seiten lang. Um sie herum weht das Gras im Wind, hinter ihr die Zweige der Bäume. Sie jedoch bleibt still, innerlich, gespannt. Auch die Präsenz der Kamera ist immer spürbar. Die Kamera möchte das Mädchen erobern, gefangen nehmen, dieses versucht sich zu entziehen, indem es jeden Blickkontakt, mehr noch, sich jeder Bewegung, die nicht dem Lesen dient, zu enthalten. Einmal funktioniert es nicht, sie kratzt sich am Hals. In diesem Moment bricht das System zusammen, in dem sich Natur, Mädchen und Lockhart befinden, nur um sich im nächsten Moment wieder zu etablieren.
Nicht jede einstellung ist so fantastisch wie diese, in der zweiten Hälfte wird der Film fast zu komplex, da stets mehrere Personen im Bild sind. Dennoch ist Pine Flat sicherlich einer der ganz wenigen wirklich großen Filme dieser Berlinale.
Tuesday, February 14, 2006
Borei kaibyo yashiki, Nakagawa Nobuo, 1958
Das Katzenhorrorgenre hat in Japan mindestens zwei Meisterwerke hervorgebracht, die es durchaus mit Tourneurs Cat People (und Wises Curse of the Catpeople, obwohl der nichts mit Katzen zu tun hat), aufnehmen können. Zum einen Kaneto Shindos Kuroneko, zum anderen Nakagawas wunderbaren Katzenfilm, der seiner Zeit in vieler Hinsicht voraus wahr (und den ich in einer wunderbaren Kopie auf riesengroßer Leinwand sehen durfte).
Vieles verdankt der Film natürlich den angelsächsischen Vorbildern, die das Hounted House Genre schließlich zwischen den 20er und 50er Jahren bis zum Exzess durchgespielt hatten. Und dennoch weißt Nakagawas Werk weit darüber hinaus. Freilich nicht auf Inhaltsebene, die ist, trotz doppelter Rückblendung wenig originell. Stilistisch aber weiss der Film genau, was er macht. Unübersehbar ist der Quantensprung in der Filmtechnik, der dem regisseur irgendwann in der Mitte der 50er Jahre geklückt sein muss (ein Großteil des Qualitätszuwachses wird wohl auch auf die Proffessionalisierung des japanischen Filmgeschäfts insgesamt, die nun auch den Exploitationmarkt erfasste, zurückzuführen sein). Borei... steckt voller herrlicher Bildideen, die teilweise weit voraus weisen, auf den japanischen Horrorfilm unserer Tage und durchaus die These stützen, dass bestimmte Ikonographien eine kulturabhängige Wurzel aufweisen, die jenseits von intertextuellen Bezügen liegt (aber bitte nicht zu weit jenseits...).
Nakagawas film macht die Kamera auf sonderbare Art und Weise spürbar. Seine Besondere Spezialität in diesem Film ist die Bildschaukel. Die Kamera nähert sich in einer Kurvenbahn an und fährt auf derselben wieder zurück. Der Effekt ist gigantisch und korrespondiert mit anderen Kamerabewegungen ebenso wie mit den reduzierten Dekors und dem plötzlischen Einbruch des surrealen Anderen im letzten Drittel.
Nicht alles ist perfekt an diesem Film (und auch deshalb funktioniert er so hervorragend als Mitternachtkino). Der größte Schwachpunkt ist sicherlich die Musik, die 1:1 einem Universal-Horror-Epos entnommen zu sein scheint, was so gar nicht zu einem Film passen will, der eben ganz anders funktioniert, sich einen Dreck um seine Figuren (bzw das, was diese Repräsentieren) schert und seine Effekte bewusst auf der Oberfläche ansiedelt. Mit einem stärkeren Soundtrack, wage ich zu behaupten, wäre Borei... vielleicht tatsächlich besser als Cat People.
Vieles verdankt der Film natürlich den angelsächsischen Vorbildern, die das Hounted House Genre schließlich zwischen den 20er und 50er Jahren bis zum Exzess durchgespielt hatten. Und dennoch weißt Nakagawas Werk weit darüber hinaus. Freilich nicht auf Inhaltsebene, die ist, trotz doppelter Rückblendung wenig originell. Stilistisch aber weiss der Film genau, was er macht. Unübersehbar ist der Quantensprung in der Filmtechnik, der dem regisseur irgendwann in der Mitte der 50er Jahre geklückt sein muss (ein Großteil des Qualitätszuwachses wird wohl auch auf die Proffessionalisierung des japanischen Filmgeschäfts insgesamt, die nun auch den Exploitationmarkt erfasste, zurückzuführen sein). Borei... steckt voller herrlicher Bildideen, die teilweise weit voraus weisen, auf den japanischen Horrorfilm unserer Tage und durchaus die These stützen, dass bestimmte Ikonographien eine kulturabhängige Wurzel aufweisen, die jenseits von intertextuellen Bezügen liegt (aber bitte nicht zu weit jenseits...).
Nakagawas film macht die Kamera auf sonderbare Art und Weise spürbar. Seine Besondere Spezialität in diesem Film ist die Bildschaukel. Die Kamera nähert sich in einer Kurvenbahn an und fährt auf derselben wieder zurück. Der Effekt ist gigantisch und korrespondiert mit anderen Kamerabewegungen ebenso wie mit den reduzierten Dekors und dem plötzlischen Einbruch des surrealen Anderen im letzten Drittel.
Nicht alles ist perfekt an diesem Film (und auch deshalb funktioniert er so hervorragend als Mitternachtkino). Der größte Schwachpunkt ist sicherlich die Musik, die 1:1 einem Universal-Horror-Epos entnommen zu sein scheint, was so gar nicht zu einem Film passen will, der eben ganz anders funktioniert, sich einen Dreck um seine Figuren (bzw das, was diese Repräsentieren) schert und seine Effekte bewusst auf der Oberfläche ansiedelt. Mit einem stärkeren Soundtrack, wage ich zu behaupten, wäre Borei... vielleicht tatsächlich besser als Cat People.
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Container, Lukas Moodyson, 2006
Lukas Moodyson ist größenwahnsinnig geworden. Eine andere Schlussfolgerung kann man aus Container unmöglich ziehen. Dieser lyrisch-poetische Alptraum, kommentiert von einer Frauenstimme, deren Klangbild auf vorhergegangenen Drogenkonsum schließen lässt, verweist in erster Linie auf gar nichts und in zweiter auf einen Regisseur, der sich mindestens für einen neuen Kubrick hält. Nicht, dass der Film völlig reizlos wäre. Auf seine krude, paranoide Art entwickelt das zusammenhangslose Gestammel (was ist das visuelle Gegenstück zu "Gestammel"?), das sich auf der Leinwand entfaltet eine Sogwirkung, der zumindest ich mich nicht entziehen konnte (ein großer Teil des Restpublikums aber anscheinend schon, angeblich verließen bei der ersten Vorführung 2/3 der Zuschauer das Kino).
Die dekonstruierte Filmform als mimetische Darstellung eines schizoiden, sexuell desorientierten Subjekts? Wahrscheinlich, und soweit natürlich erstens banal und zweitens auch reichlich konservativ. Die Unordnung kommt immer von Innen, schon alleine deshalb, weil es kein aussen gibt, die Projektion des Geisteszustandes über die reale Welt entzieht der Kultur jede Bedeutung, aber geschenkt, Schluss mit der Ideologie, mir hat der Film ja dennoch gefallen, als Artefakt eines seltsam ungerichteten Genie-sein-wollens, als das Werk eines offensichtlich vollkommen durchgeknallten Möchtegernmodernisten, der doch bisher für - freilich auf ihre Art und Weise durchaus gelungene - Moralfilmchen wie Fucking Amal zuständig war. Schon alleine die Radikalität der Absage an jedwede Form von Unterhaltungskino bzw. Geld verdienen ddurch eintrittskarten statt durch Fördergelder, macht mich eigentlich fast schon zu einem fanatischen Fan des Films - auch wenn ich natürlich nicht verteidigen könnte ... denn dumm ist er schon.
Die dekonstruierte Filmform als mimetische Darstellung eines schizoiden, sexuell desorientierten Subjekts? Wahrscheinlich, und soweit natürlich erstens banal und zweitens auch reichlich konservativ. Die Unordnung kommt immer von Innen, schon alleine deshalb, weil es kein aussen gibt, die Projektion des Geisteszustandes über die reale Welt entzieht der Kultur jede Bedeutung, aber geschenkt, Schluss mit der Ideologie, mir hat der Film ja dennoch gefallen, als Artefakt eines seltsam ungerichteten Genie-sein-wollens, als das Werk eines offensichtlich vollkommen durchgeknallten Möchtegernmodernisten, der doch bisher für - freilich auf ihre Art und Weise durchaus gelungene - Moralfilmchen wie Fucking Amal zuständig war. Schon alleine die Radikalität der Absage an jedwede Form von Unterhaltungskino bzw. Geld verdienen ddurch eintrittskarten statt durch Fördergelder, macht mich eigentlich fast schon zu einem fanatischen Fan des Films - auch wenn ich natürlich nicht verteidigen könnte ... denn dumm ist er schon.
Elementarteilchen, Oskar Röhler, 2006
Man hätte es sich ja denken können, spätestens nach dem Filmplakat.
Röhlers Elementarleichen ist nicht mehr als eine unter vielen Eichinger-Produktionen. Mag man dem Film auch zugute halten, dass ihm der Übergang zwischen dem komödiantischen ersten und dem melodramatischen zweiten Abschnitt leidlich gut gelingt (ein Übergang, der wieder einmal äußerst eindrucksvoll Röhlers Sexfeindlichkeit ausstellt), (Nachtrag Jahre später: hier stand was und jetzt ist es weg, für immer, hihi) so bleibt doch am Ende - nichts. Nun habe ich die Vorlage weder gelesen, noch weiss ich aus dem Stehgreif, wie sich der Autor schreibt, aber in diesem Fall bleibe ich gerne Kulturbanause, denn über diesen Film möchte ich nun kein Wort mehr verlieren...
Röhlers Elementarleichen ist nicht mehr als eine unter vielen Eichinger-Produktionen. Mag man dem Film auch zugute halten, dass ihm der Übergang zwischen dem komödiantischen ersten und dem melodramatischen zweiten Abschnitt leidlich gut gelingt (ein Übergang, der wieder einmal äußerst eindrucksvoll Röhlers Sexfeindlichkeit ausstellt), (Nachtrag Jahre später: hier stand was und jetzt ist es weg, für immer, hihi) so bleibt doch am Ende - nichts. Nun habe ich die Vorlage weder gelesen, noch weiss ich aus dem Stehgreif, wie sich der Autor schreibt, aber in diesem Fall bleibe ich gerne Kulturbanause, denn über diesen Film möchte ich nun kein Wort mehr verlieren...
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Thursday, February 09, 2006
John & Jane, Ashim Ahluwalia, 2005
Ein seltsamer, kleiner Film, der im Festivalstrubel wahrscheinlich hoffnungslos untergehen wird und auch meine Aufmerksamkeit voll nur langsam erringen konnte. Ahluwalia erzählt von sechs Mitarbeitern eines amerikanischen Callcenters in Indien, beobachtet sie bei der Arbeit, lässt sie über ihre Zukunftspläne reden, zeigt sie in ihrer privaten Umgebung. Alle träumen sie von Amerika, wollen am liebsten Amerikaner werden, färben sich schon mal die Haare blond oder führen die Ehefrau in den wenigen gemeinsamen freien Minuten zu McDonalds.
Was den Film von anderen seiner Art abhebt, ist das Fehlen einer dritten Perspektive. Weder werden die Amerikaträume mit der sozialen Realität Indiens (oder auch Amerikas) abgeglichen, noch findet ein kultureller Diskurs statt - im ganzen Film fällt kein einziges Wort in Hindi, die Bilder der Stadt sind fast aller lokalen Zeichen beraubt, die Callcenterfirma und ihre Mitarbeiter scheinen tatsächlich bereits in einer Welt jenseits der Geschichte angelangt zu sein.
In John & Jane geht es nicht um innerindische Gesellschaftskritik oder Kulturimperialismus. Stattdessen zeigt der Film von der ersten bis zur letzten Minute capitalism at work. Die Callcenteragents leben die neoliberale Ideologie so überzeugend nach, dass John & Jane streckenweise tatsächlich als Kapitalismuswerbeclip funktionieren könnte. Anfangs werden zwei Arbeiter portätiert, die mit dem Alltag im Callcenter nicht zurecht kommen, der eine gibt gar die Stelle auf und wird Tanzlehrer. Doch im folgenden siegt Amerika, und zwar immer überzeugender bis zur blondierten Pseudoamerikanerin samt Pseudoemanzipation. Unterlegt ist das Ganze mit sphärischen, erfrischen dezenten Ambientklängen, die dem gleichen utopischen Fluchtpunkt entgegen zu streben scheinen wie die portätierten jungen Inder.
Was Ahluwalia durch die strikt subjektivierende Perspektive auf das Objekt erreicht, erscheint zumindest stellenweise nicht weniger zu sein als eine Phänomenologie des Kapitalismus, als dessen immanentes Strukturprinzip die Utopie deutlich hervortitt. John & Jane ist gerade angesichts Dutzender auf der Berlinale vertretener politischer Kampfdokus, die ebenso nutzlos verpuffen werden wie die Abertausenden vor ihnen, ein sehr bemerkenswerter Film.
Was den Film von anderen seiner Art abhebt, ist das Fehlen einer dritten Perspektive. Weder werden die Amerikaträume mit der sozialen Realität Indiens (oder auch Amerikas) abgeglichen, noch findet ein kultureller Diskurs statt - im ganzen Film fällt kein einziges Wort in Hindi, die Bilder der Stadt sind fast aller lokalen Zeichen beraubt, die Callcenterfirma und ihre Mitarbeiter scheinen tatsächlich bereits in einer Welt jenseits der Geschichte angelangt zu sein.
In John & Jane geht es nicht um innerindische Gesellschaftskritik oder Kulturimperialismus. Stattdessen zeigt der Film von der ersten bis zur letzten Minute capitalism at work. Die Callcenteragents leben die neoliberale Ideologie so überzeugend nach, dass John & Jane streckenweise tatsächlich als Kapitalismuswerbeclip funktionieren könnte. Anfangs werden zwei Arbeiter portätiert, die mit dem Alltag im Callcenter nicht zurecht kommen, der eine gibt gar die Stelle auf und wird Tanzlehrer. Doch im folgenden siegt Amerika, und zwar immer überzeugender bis zur blondierten Pseudoamerikanerin samt Pseudoemanzipation. Unterlegt ist das Ganze mit sphärischen, erfrischen dezenten Ambientklängen, die dem gleichen utopischen Fluchtpunkt entgegen zu streben scheinen wie die portätierten jungen Inder.
Was Ahluwalia durch die strikt subjektivierende Perspektive auf das Objekt erreicht, erscheint zumindest stellenweise nicht weniger zu sein als eine Phänomenologie des Kapitalismus, als dessen immanentes Strukturprinzip die Utopie deutlich hervortitt. John & Jane ist gerade angesichts Dutzender auf der Berlinale vertretener politischer Kampfdokus, die ebenso nutzlos verpuffen werden wie die Abertausenden vor ihnen, ein sehr bemerkenswerter Film.
Tuesday, February 07, 2006
Berlinale Hin- und Wegsehempfehlungen
Hinsehen:
Kaalpurush
Pflichtfilm 1. Siehe unten
We can't Go Home Again / Bokura mo kaeranai
Pflichtfilm 2. Siehe unten
Big Bang Love, Juvenile A
Pflichtfilm 3. Das einzig durchgängige an Miikes Werk bleibt seine Heterogenität. Nach seiner letzten, erstmals recht budgetintensiven Produktion geht es diesmal wieder in Richtung Underground. Big Bang Love wirkt teilweise mehr arsty als alles, was Miike bisher gemacht hat, ziehmlich sick ist es natürlich trotzdem...
In Between Days
Pflichtfilm 4. Trotz einiger Unsauberkeiten ein wunderschöner Film. Die Kamera geht extrem nah an die Figuren, die sich in den digitalen Bildern genauso zu verleiren drohen wie in ihren eigenen Spiegelungen.
Lucy
Berlinfilm einmal anders: nicht hippe Prenzlbergkünstler, sondern Menschen, die man vielleicht auch im echten Leben gern kennenlernen würde (zumindest teilweise).
De Particulier a Particulier
Der Mysterythriller erinnert in seinen besten Momenten tatsächlich an Rivette. Zwar konzentriert sich der Film eindeutig zu wenig auf die Thrillerhandlung und nicht jede der oft esoterischen Wendungen kann überzeugen, trotzdem: insgesamt sehr schön.
Dear Pyongyang
Politisch etwas naive, filmisch aber sehr überzeugende persönliche Sokumentation über einen Koreaner, der in Japan lebt und dessen Reisen nach Pyongyang. Vor allem die Bilder aus Zombieland Nordkorea sind einen Blick wert.
Brothers of the Head
Auch für Punkverächter wie zB mich sehenswerte Pseudodoku über britisch/siamesische Punkzwillinge.
Be ahestegi...
Qualitätskino aus dem Iran. Hochemotional wie immer mit starkem neorealistischem Einfluss.
Mal sehen:
Strange Circus
Der Berlinale-Nasty: Audition mit mehr Blut und ohne Hirn. sehr eklig und sehr dumm. Als Kontrastprogramm zum recht biederen Restprogramm unter Umständen trotzdem zu empfehlen.
Parineeta
Bollywood vom feinsten mit viel Gefühl, Musik, Tanz und einem Bösewicht, der doch tatsächlich Hitler heißt.
The Last Communist
Politmusical mit leicht zu durchschauender Struktur aber einigen recht interessanten Passagen.
Tertium non datur / Visul lui Liviu
Zweimal Kunstkino aus Rumänien: einmal realistisches Drama aus der verarmten Provinz, einmal Politavantgarde, deren Sinn mir bitte mal jemand erklärt. Aber nicht langweilig.
Host and Guest
Beginnt als ganz nette Komödie über einen Filmwissenschaftsloser und Möchtegernregisseur, endet aber als moralisierendes Traktat.
Close to Home
Eigentlich sehr guter Film über patroullierende weibliche Soldaten in Jerusalem, dem es jedoch nicht ganz gelingt, sein Thema zu transzendieren bzw. diesem etwas Substantielles hinzuzufügen.
Vacationland
Funktioniert am Anfang recht gut, vor allem über die Musik. Danach wird das Schwulendrama aber etwas öde, alles nimmt den gewohnten Verlauf, glüvklich darf keiner werden.
The Notorious Bettie Page
Wird dem Thema nicht gerecht. Was übrigbleibt ist ein ganz netter Unterhaltungsfilm, der vor allem aufgrund seiner Vergebenen Möglichkeiten ärgert.
Stay
Stylish wie Sau aber dumm wie Brot. Siehe unten.
Wegsehen:
37 Uses for A Dead Sheep
Theoretisch interessante Dokumentation über Kirgisen in der Türkei. Scheitert an Experimentierwut.
Kinetta
Erbärmlicher Kunstfilmversuch, der nüchtern kaum zu ertragen ist - unter Drogen eröffnen sich aufgrund der schrecklich nervösen Kameraarbeit eventuell ganz neue Perspektiven. Für Masochisten.
Inatteso
Wenig inspirierte Politdoku über Flüchtlinge und so.
The Peter Pan Formula
Typischer Arthaus Quatsch mit "schönen" Bildern (stimmt natürlich gar nicht, nicht einmal die Bilder sind schön). Das angesichts der gewaltigen koreanischen Filmproduktion ausgerechnet sowas ausgewählt wird, spricht nicht für das Forum.
Monday Morning Glory
Noch mehr langweiliges Politgefilme. Diesmal aus Malaysia.
Lenz
In ganz wenigen Momenten ist der Film lustig. Sonst nervt er nur, vor allem aufgrund des äußerst unsympathischen Hauptdarstellers (Typ: manisch-depressiver Künstler mit sexuellen Problemen)
4 etoiles
Mittelmäßige französische Komödie mit nerviger Hauptdarstellerin. Lieber zu hause bleiben und Louis de Funes schauen.
Derecho de familia
Hat den Panorama Publikumspreis wahrscheinlich schon sicher. Ist aber nur ein ödes, familialistisches Drama, das die Welt wirklich nicht braucht.
Wal-Mart: The High Cost Of Low Price
Und nochmal Politkino, diesmal aus Amerika. Als Anschauungsunterricht für Verblendete Neoliberale wahrscheinlich ebenso nutzlos wie in jeder anderen Hinsicht - zumindest auf der Berlinale.
4:30
Typisches asiatisches Arthaus Kino: Langsam, (fast) lautlos, langweilig
No.2
Öde Familienzusammenführungskomödie, die irgendwo in der Südsee spielt, dadurch aber nicht origineller wird.
Der Rote Kakadu
Ein Film über den Mauerbau. Was solls.
Kaalpurush
Pflichtfilm 1. Siehe unten
We can't Go Home Again / Bokura mo kaeranai
Pflichtfilm 2. Siehe unten
Big Bang Love, Juvenile A
Pflichtfilm 3. Das einzig durchgängige an Miikes Werk bleibt seine Heterogenität. Nach seiner letzten, erstmals recht budgetintensiven Produktion geht es diesmal wieder in Richtung Underground. Big Bang Love wirkt teilweise mehr arsty als alles, was Miike bisher gemacht hat, ziehmlich sick ist es natürlich trotzdem...
In Between Days
Pflichtfilm 4. Trotz einiger Unsauberkeiten ein wunderschöner Film. Die Kamera geht extrem nah an die Figuren, die sich in den digitalen Bildern genauso zu verleiren drohen wie in ihren eigenen Spiegelungen.
Lucy
Berlinfilm einmal anders: nicht hippe Prenzlbergkünstler, sondern Menschen, die man vielleicht auch im echten Leben gern kennenlernen würde (zumindest teilweise).
De Particulier a Particulier
Der Mysterythriller erinnert in seinen besten Momenten tatsächlich an Rivette. Zwar konzentriert sich der Film eindeutig zu wenig auf die Thrillerhandlung und nicht jede der oft esoterischen Wendungen kann überzeugen, trotzdem: insgesamt sehr schön.
Dear Pyongyang
Politisch etwas naive, filmisch aber sehr überzeugende persönliche Sokumentation über einen Koreaner, der in Japan lebt und dessen Reisen nach Pyongyang. Vor allem die Bilder aus Zombieland Nordkorea sind einen Blick wert.
Brothers of the Head
Auch für Punkverächter wie zB mich sehenswerte Pseudodoku über britisch/siamesische Punkzwillinge.
Be ahestegi...
Qualitätskino aus dem Iran. Hochemotional wie immer mit starkem neorealistischem Einfluss.
Mal sehen:
Strange Circus
Der Berlinale-Nasty: Audition mit mehr Blut und ohne Hirn. sehr eklig und sehr dumm. Als Kontrastprogramm zum recht biederen Restprogramm unter Umständen trotzdem zu empfehlen.
Parineeta
Bollywood vom feinsten mit viel Gefühl, Musik, Tanz und einem Bösewicht, der doch tatsächlich Hitler heißt.
The Last Communist
Politmusical mit leicht zu durchschauender Struktur aber einigen recht interessanten Passagen.
Tertium non datur / Visul lui Liviu
Zweimal Kunstkino aus Rumänien: einmal realistisches Drama aus der verarmten Provinz, einmal Politavantgarde, deren Sinn mir bitte mal jemand erklärt. Aber nicht langweilig.
Host and Guest
Beginnt als ganz nette Komödie über einen Filmwissenschaftsloser und Möchtegernregisseur, endet aber als moralisierendes Traktat.
Close to Home
Eigentlich sehr guter Film über patroullierende weibliche Soldaten in Jerusalem, dem es jedoch nicht ganz gelingt, sein Thema zu transzendieren bzw. diesem etwas Substantielles hinzuzufügen.
Vacationland
Funktioniert am Anfang recht gut, vor allem über die Musik. Danach wird das Schwulendrama aber etwas öde, alles nimmt den gewohnten Verlauf, glüvklich darf keiner werden.
The Notorious Bettie Page
Wird dem Thema nicht gerecht. Was übrigbleibt ist ein ganz netter Unterhaltungsfilm, der vor allem aufgrund seiner Vergebenen Möglichkeiten ärgert.
Stay
Stylish wie Sau aber dumm wie Brot. Siehe unten.
Wegsehen:
37 Uses for A Dead Sheep
Theoretisch interessante Dokumentation über Kirgisen in der Türkei. Scheitert an Experimentierwut.
Kinetta
Erbärmlicher Kunstfilmversuch, der nüchtern kaum zu ertragen ist - unter Drogen eröffnen sich aufgrund der schrecklich nervösen Kameraarbeit eventuell ganz neue Perspektiven. Für Masochisten.
Inatteso
Wenig inspirierte Politdoku über Flüchtlinge und so.
The Peter Pan Formula
Typischer Arthaus Quatsch mit "schönen" Bildern (stimmt natürlich gar nicht, nicht einmal die Bilder sind schön). Das angesichts der gewaltigen koreanischen Filmproduktion ausgerechnet sowas ausgewählt wird, spricht nicht für das Forum.
Monday Morning Glory
Noch mehr langweiliges Politgefilme. Diesmal aus Malaysia.
Lenz
In ganz wenigen Momenten ist der Film lustig. Sonst nervt er nur, vor allem aufgrund des äußerst unsympathischen Hauptdarstellers (Typ: manisch-depressiver Künstler mit sexuellen Problemen)
4 etoiles
Mittelmäßige französische Komödie mit nerviger Hauptdarstellerin. Lieber zu hause bleiben und Louis de Funes schauen.
Derecho de familia
Hat den Panorama Publikumspreis wahrscheinlich schon sicher. Ist aber nur ein ödes, familialistisches Drama, das die Welt wirklich nicht braucht.
Wal-Mart: The High Cost Of Low Price
Und nochmal Politkino, diesmal aus Amerika. Als Anschauungsunterricht für Verblendete Neoliberale wahrscheinlich ebenso nutzlos wie in jeder anderen Hinsicht - zumindest auf der Berlinale.
4:30
Typisches asiatisches Arthaus Kino: Langsam, (fast) lautlos, langweilig
No.2
Öde Familienzusammenführungskomödie, die irgendwo in der Südsee spielt, dadurch aber nicht origineller wird.
Der Rote Kakadu
Ein Film über den Mauerbau. Was solls.
Sunday, February 05, 2006
Russ Meyer über europäische Arthausfilmchen
The new school of Bergman type film-makers had better lift up their Freud-fraught sex symbols and run for the hills. An American film-maker is hot on their tales with some "message" of his own.
zitiert nach: Jack Stevenson: And God createtd Europe. In: Fleshpot. Manchester: 2000
Dem ist eigentlich nur hinzuzufügen, dass heute die Gefahr wohl eher vom amerikanischen Film selbst ausgeht, wie man beim Betrachten von Qualitätsschrott wie Crash (2005) leidvoll erkennen muss. Eine ordentliche Re-Russ-Meyerisierung der amerikanischen Filmproduktion ist höchste Zeit.
zitiert nach: Jack Stevenson: And God createtd Europe. In: Fleshpot. Manchester: 2000
Dem ist eigentlich nur hinzuzufügen, dass heute die Gefahr wohl eher vom amerikanischen Film selbst ausgeht, wie man beim Betrachten von Qualitätsschrott wie Crash (2005) leidvoll erkennen muss. Eine ordentliche Re-Russ-Meyerisierung der amerikanischen Filmproduktion ist höchste Zeit.
Friday, February 03, 2006
Bokura wa mo kaeranai, Toshi Fujiwara, 2006
"In memoriam Nicholas Ray and Jean Renoir" - mit dieser Widmung endet das Spielfilmdebut des jungen japanischen Regisseurs Fujiwara Toshi. Der Verweis auf die beiden Cineastenlieblinge par excellence macht Bokura... nicht nur völlig zu Unrecht des Größenwahns hochgradig verdächtig, sondern führt auch in anderer Hinsicht in die vollkommen falsche Richtung. Denn Toshios Ambitionen erschöpfen sich nicht in der Nutzbarmachung der Filmgeschichte (obwohl diese durchaus eine wichtige Rolle innerhalb des Werkes spielt) oder truffouesker Cinephilie, sondern gehen viel weiter.
Bokura... erscheint streckenweise wie eine dreckige Low-Budget-Version eines Iwai Junji Films. Zwar sind die handelnden Figuren dezidiert uncool: hässliche, nerdige, verklemmte Loser, die es nie zu etwas bringen werden und ihr Glück immer nur in jämmerlich kurzen Momenten genießen können. Doch Toshi lässt ihnen ihr Leben genauso wie Iwai seinen coolen, aktiven Jugendlichen das ihre, ohne es unter das Diktat der Handlungslogik, oder, weit schlimmer, einer Moral zu stellen. Der ungelenke Filmfreak, der seine extrem unattraktive Freundin demütigt, wird nicht bestraft, bekommt keine Lektion erteilt, um am Ende bildungsromanmäßig vorangekommen zu sein. Stattdessen dreht er einen Film, und wahrscheinlich gar keinen schlechten.
Doch Toshis Werk - und auch hier ähnelt es denen Iwais - ist alles andere als ein typischer Episodenfilm, der aus mehreren Handlungssträngen ein gesellschaftliches Panorama oder ähnliches zu erstellen versucht. Die einzelnen Geschichten stehen hier nicht gleichberechtigt nebeneinander, im Grunde gleicht die Struktur des Werkes viel eher der des Slasherfilms. Eine Figur nach der anderen wird aus der Handlung eliminiert. Die beiden Überlebenden (das heißt, diejenigen, deren Leben es wert ist, verfolgt zu werden) sind denn auch die einzigen, denen es gelingt, ein Leben jenseits der alltäglichen Sinnzuweisungen zu führen, deren Willkürlichkeit Toshi eindrucksvoll vorführt.
In technischer Hinsicht scheint Bokura... auf den ersten Blick denkbar weit entfernt von den stylishen Hochglanzwerken Iwais. Die Bilder bleiben größtenteils naturalistisch dreckig, bilden das abwechslungsarme Leben der Figuren ab. Dass Toshis Filmsprache deswegen nicht weniger ambitioniert ist als die seines Kollegen, merkt man vor allem der Tonspur an, die ebenso dezent zauberhaft ist wie die Erzählstruktur. Aus Alltagsgeräuschen entstehen ebenso unmerklich Melodien, wie sie sich wieder in Nichts (oder in anderen Melodien) auflösen, dennoch bleiben die verschiedenen Ebenen des Soundtracks immer unterscheidbar. Die Konstruiertheit jeder sozialen Identität als eigentliches Thema des Films, wenn man denn eines definieren möchte, wird so auf subtile Weise auf der Tonspur reproduziert.
Kurz und gut: ein Meisterwerk.
Bokura... erscheint streckenweise wie eine dreckige Low-Budget-Version eines Iwai Junji Films. Zwar sind die handelnden Figuren dezidiert uncool: hässliche, nerdige, verklemmte Loser, die es nie zu etwas bringen werden und ihr Glück immer nur in jämmerlich kurzen Momenten genießen können. Doch Toshi lässt ihnen ihr Leben genauso wie Iwai seinen coolen, aktiven Jugendlichen das ihre, ohne es unter das Diktat der Handlungslogik, oder, weit schlimmer, einer Moral zu stellen. Der ungelenke Filmfreak, der seine extrem unattraktive Freundin demütigt, wird nicht bestraft, bekommt keine Lektion erteilt, um am Ende bildungsromanmäßig vorangekommen zu sein. Stattdessen dreht er einen Film, und wahrscheinlich gar keinen schlechten.
Doch Toshis Werk - und auch hier ähnelt es denen Iwais - ist alles andere als ein typischer Episodenfilm, der aus mehreren Handlungssträngen ein gesellschaftliches Panorama oder ähnliches zu erstellen versucht. Die einzelnen Geschichten stehen hier nicht gleichberechtigt nebeneinander, im Grunde gleicht die Struktur des Werkes viel eher der des Slasherfilms. Eine Figur nach der anderen wird aus der Handlung eliminiert. Die beiden Überlebenden (das heißt, diejenigen, deren Leben es wert ist, verfolgt zu werden) sind denn auch die einzigen, denen es gelingt, ein Leben jenseits der alltäglichen Sinnzuweisungen zu führen, deren Willkürlichkeit Toshi eindrucksvoll vorführt.
In technischer Hinsicht scheint Bokura... auf den ersten Blick denkbar weit entfernt von den stylishen Hochglanzwerken Iwais. Die Bilder bleiben größtenteils naturalistisch dreckig, bilden das abwechslungsarme Leben der Figuren ab. Dass Toshis Filmsprache deswegen nicht weniger ambitioniert ist als die seines Kollegen, merkt man vor allem der Tonspur an, die ebenso dezent zauberhaft ist wie die Erzählstruktur. Aus Alltagsgeräuschen entstehen ebenso unmerklich Melodien, wie sie sich wieder in Nichts (oder in anderen Melodien) auflösen, dennoch bleiben die verschiedenen Ebenen des Soundtracks immer unterscheidbar. Die Konstruiertheit jeder sozialen Identität als eigentliches Thema des Films, wenn man denn eines definieren möchte, wird so auf subtile Weise auf der Tonspur reproduziert.
Kurz und gut: ein Meisterwerk.
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