Monday, August 21, 2006

Timecode, Mike Figgis, 2000

Ein Film als Plädoyer für eine empirische Filmwissenschaft, ein Film als reines kognitionspsychologisches Experiment: wie schnell folgen die Augen dem Signal, das die Tonspur übermittelt, wenn sich die für die narration entscheidende Handlung von einem Bildabschnitt in einen anderen verlagert? Wie schnell lernt man, die Stimmen zuzuordnen? Welche visuelle Reize sind dafür geeignet, das Auge auch dann zu lenken, wenn der Dialog woanders stattfindet? Wie verhält sich der Blick in den Sequenzen mit extradiegetischer Musik, in der die Handlung in allen vier Ausschnitten zum Stillstand kommt? Wie verhält sich das Auge zu statischenGroßaufnahmen im Vergleich zu nervösen Kamerafahrten? Man möchte sich am liebsten selbst verkabeln, wenn man Timecode sieht. Noch lieber möchte man natürlich andere verkabeln, am besten möglichst viele und am besten mit möglichst vielen Kabeln. Wie gesagt: das perfekte Plädoyer für eine empirische Filmwissenschaft. Aber irgendwie gerade deshalb auch gefährlich.
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Beim ersten Ansehen ist man zwangsläufig vor allem damit beschäftigt, die technische Raffinesse des Films zu bestaunen und gleichzeitig zu versuchen, den Anschluss nicht zu verlieren, einen Überblick über die räumliche Struktur zu gewinnen und natürlich der Handlung zu folgen und gleichzeitig die hervorstechendsten Gegenüberstellungen innerhalb der Split-Screen Technik zu bewundern (naja, oder zumindest ein oder zwei obiger Vorsätze halbwegs konsequent umzusetzen). Einem zweiten Versuch wird es vorbehalten bleiben, genau auf die Filmpassagen zu achten, die wenig beachtenswert erscheinen, eben weil sie sich im Normalen Erzählfilm zwischen den Einstellungen befinden, durch die Montage unsichtbar gemacht. Szenen, in denen die Schauspieler allein durch die Strasse laufen oder minutenlang im Vorzimmer warten, meist in extremen Großaufnahmen von der Kamera beobachtet. Einigen Figuren scheinen fast nur solche, im Sinne der Logik des Erzählkinos insignifikante Einsätze zu haben, der Wachmann vor dem Studio etwa.

Fantasy Filmfest 06: Hausu, Obayashi Nobuhiko, 1977

Anhänger des Sleaze im Allgemeinen und des Exploitationfilms im Besonderen verteidigen "ihr" Kino gerne mit dem Hinweis auf "avantgardistische Techniken" oder "formale Experimente", die sie in den Werken meinetwegen Jean Rollins oder Dario Argentos ausfindig zu machen glauben. So sehr es zu begrüßen ist, dass die Diskussion solcher Streifen nicht vollständig dem ofdb-Forum und ähnlichen je-mehr-Blut-desto-gut Diskutanten überlassen bleibt, halte ich - der ich dem Kino selbstverständlich ebenfalls dann ganz besonders gewogen bin, wenn es sich möglichst weit jenseits jeder geschmacklichen Norm bürgerlicher Kultur befindet - es doch für wenig sinnvoll, den Exploitationfilm mit den Wertmaßstäben modernistischer Ästhetik salonfähig machen zu wollen. Was ja auch gar nicht funktioniert: ein Jump-Cut macht aus einem Women-in Prison Film noch lange keinen Godard und surreale Bilder bei Rollin sind zwar surreale Bilder aber noch lange kein Surrealismus. Müssen sie ja auch gar nicht sein, mehr noch: sollen sie überhaupt nicht. Denn schließlich ist die Idee, "Schmutzfilme" mit den Maßstäben eben jener Ästhetik, die ihr einen Platz am untersten Ende der Nahrungskette zugewiesen haben, wieder aufzuwerten, reichlich absurd. Die dem ästhetischen Diskurs der Moderne innewohnende Tendenz zum Be-, Auf- und Abwerten, hervorragend beschrieben von Cylde Taylor in seiner Diskussion des schwarzen Kinos, zur Kanonbildung und zum Scheuklappenblick gilt es nicht zu reformieren, sondern zu ignorieren.
Hausu, einsamer Höhepunkt des diesjährigen Fantasy Filmfests, mag als Beleg dafür dienen, dass ein beharren auf vorbelasteten Qualitätsstandarts wie "Avantgard" oder "formales Experiment" nicht weit führt, auch wenn es mir hier schwerlich gelingen wird, eine annehmbare Alternative vorzuschlagen. Doch der Versuch, Obayashis absolut wahnwitzigen Streifen dadurch adeln zu wollen, dass man ihm attestiere, Elemente der klassischen Avantgarde in den - hier sehr schlüpfrig inszenierten - japanischen Geisterfilm hineinzutragen und dadurch sagen wir mal Hoch- und Populärkino dialektisch zu verbinden osä, geht gerade in diesem speziellen Falle nicht nur vollkommen am Film vorbei, der Erkenntnisswert dieser Feststellung tendiert tatsächlich deutlich gegen Null. Vielmehr wäre etwa zu untersuchen, wie es Hausu gelingt, seine Diegese so wirkungsvoll gegen jeden Einbruch einer eventuell vorhandenen empririschen Realität abzuschotten, wie sich der filmische Bildraum, hier durchaus vergleichbar den ersten beiden Sasori-Filmen, in eine Art Bühnenraum verwandelt, der das indexikalische Potential des photografischen Bildes ad absurdum zu führen scheint´und durchaus selbstreflexiv ein Zeichensystem etabliert, das den direkten Zugriff auf die Welt für unmöglich erklärt und gleichzeitig die Vermittlungsinstrumente (Montage, Special Effects, Split Screen etc) immer wieder auf eben diese Wirklichkeit zurückbindet: die gemalten Kulissen sind in Wirklichkeit Plakatwände, die auf einer Wiese aufgestellt sind, den Blick auf die realen Bäume und Hügel verdeckend. Wie auch immer man eine genauere Analyse anzufangen gedenkt: Eine Argumentation, die doch wieder nur auf die klassische - und natürlich europäische - Avantgarde abhebt, wird einem Film wie Hausu nie und nimmer gerecht werden.

Monday, August 14, 2006

Fantasy Filmfest 06: SPL, Wilson Yip, 2005

Das Hong-Kong Kino scheint den Ort aus den Augen verloren zu haben, von dem es spricht. SPL spielt fast ausschließlich in nicht spezifizierbaren Büros, die wenigen Szenen, die tatsächlich auf der Strasse situiert sind, sind so gewählt, dass es absolut unmöglich ist, einen Eindruck des sozialen Umfelds zu gewinnen - unter einer Autobahnbrücke, in den engen, unpersönlichen Gassen der Bürokomplexe. Die einzigen Szenen, die den Ort der Handlung festschreiben, spielen auf einem Hochhaus und zeigen die Skyline der Stadt. Diese emblematische Situierung der Filmhandlung unterscheidet sich deutlich von dem stets in spezifischen sozialen Zusammenhängen situierten klassischen Hong-Kong Kino der Achtziger und frühen Neunziger und erinnert vielmahr an Hollywoodstrategien, "exotische" Lokationen zu kenntzeichnen, bzw eher zu brandmarken: der Eiffelturm für Paris, überfüllte S-Bahnen für Tokyo etc. Letztlich beliebige Bezüge anstelle einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit der emoirischen und vor allem physikalischen Wirklichkeit. Das Ende des Sonderstatus Hong Kongs 1997 scheint eine bis heute nicht gelöste Krise im regionalen Selbstzverständnis ausgelöst zu haben, das lässt sich auch an Produktionen wie Time and Tide oder Infernal Affairs ablesen.
Abgesehen davon ist SPL dennoch eine Rückkehr zur alten Form für das Hong-Kong-Kino. Nach einer etwas unsicheren Eingangsphase mit mießem Vorspann und stilistisch etwas unsicherem Prolog niummt der Film vor allem Dank eines grandios aufgelegten und noch grandioser gealterten Sammo Hung bald Fahrt auf, und auf einmal ist wieder (fast) alles wie Ende der Achtziger / Anfang der Neunziger. Knallharte, handwerklich sauber abgefilmte Actionsequenzen gehen bruchlos in melodramatische Szenen über (nur ein ordentliches Love Interest fehlt der Story leider), ein Plottwist jagt den nächsten und das Ganze gipfelt in zwei großartigen Endkämpfen, die endgültig klarstellen, dass die HK-Industrie noch nichts verlernt hat, gerade der erste Kampf zwischen Donnie Yen und dem - daran kann kein Zweifel bestehen - nächsten großen Actionstar Jacky Wu gehört schon fast in eine Reihe mit den ganz großen Momenten des HK-Kinos.
Noch besser: bei einem solchen ende kommen die Produzenten um einen zweiten Teil nicht herum. Ich freue mich jetzt schon.

Sunday, August 13, 2006

Fantasy Filmfest 06: Shadowless Sword / Mu-Yeong-Gum, Kim Young-jun, 2005

Eine kleine Überraschung ist dieser erstaunlich solide koreanische Martial-Arts Film. Der Werbetext in der FFF-Broschüre ließ einen überproduzierten Flattertuchfilm erwarten, eventuell sogar einen Totalausfall Chen-Kaige-Style. Diesbezügliche Befürchtungen bestätigten sich dann glücklicherweise nicht, bis auf ein paar überflüssige und extrem amateurhafte Albernheiten während ein, zwei Kampfszenen (Photoshopartige Digitalnachbearbeitung, die in einer Großproduktion dieses Formats nun wirklich nichts zu suchen hat) und einigen schlecht ein- und ausgeführten Rückblenden ist Shadowless Sword handwerklich äußerst gelungen und versucht gar nicht erst, Heros Grandiosität zu erreichen. Stattdessen gibt sich der Regisseur viel Mühe, die melodramatische Geschichte zu entwickeln, die in einem schön sentimentalen, und tatsächlich recht durchdachten Finale gipfelt.
Das koreanische Kinos scheint drauf und dran zu sein, auch im Flattertuchsektor die Führungsrolle einzunehmen. Shadowless Sword zumindest ist von einem grundsoliden Handwerkergeist durchdrungen, den Produktionen anderer Länder im martial-Arts Sektor in den letzten Jahren vermissen ließen und ist gleichzeitig, anders als die - natürlich auch sehr sympathischen - Oldschool-Knüppler aus Thailand, durchaus auf der Höhe der Zeit. Mehr davon, bitte!

Saturday, August 12, 2006

Fantasy Filmfest 06: Shadow: Dead Riot, Derek Wan, 2006

Möchte man Film auf Gesellschaft zurückbinden, tut man gut daran, abseits kanonisierter Werke auf Entdeckungsreise zu gehen. Oft sind es genau die Filme, die den Bodensatz der Gesamtproduktion ausmachen, die anderswo lantentes offenbaren. Die Poverty-Row B-Western der Dreissiger sagen über die Ausgrenzungsmechanismen innerhalb der amerikanischen Gesellschaft mehr aus als MGM Hochglanzproduktionen, die Sexploitation-Roughies Ende der 60er verdeutlichen die gesellschaftlichen Spannungen der damaligen Periode um einiges konsequenter als die kanonisierten Tabubrüche New Hollywoods und ein Film wie Zombie: Dead Riot sagt über die hybriden Kulturtechniken und ihre Vielfältigen Diversifizierungsstrategien, die Abbild einer zunehmend deterritorialisierten Bevölkerung sind, mindest ebensoviel aus wie Attraktionskino-Blockbuster oder postmoderne Autorenfilme.
Regisseur Derek Wan arbeitete als Kameramann in der goldenen Phase des Hong-Kong Kinos mit Jet Li und Tsui Hark zusammen und versucht seit Mitte der Neunziger, wie viele seiner Kollegen, sein Glück in Hollywood. Allerdings situiert er sich einige Stufen unter John Woo oder auch den nur mäßig erfolgreichen Ringo Lam und Ronny Yu. Mit Shadow: Dead Riot scheint er endgültig im oder kurz vor dem DTV Revier angekommen zu sein, einer praktisch unsichtbaren Filmparallelwelt, die paradigmatisch für vieles steht, was die aktuelle Filmlandschaft ausmacht. Hier richten sich Heerscharen Filmschaffender in Sub-Sub-Genres häußlich ein und kommunizieren nur noch nach innen, an die eigene Fanbase. Ein Diskurs über die gefestigten Grenzen der eigenen Werkparameter hinaus findet nicht mehr statt, Steven Seagals B-Action steht vielleicht im Regal der Videothek direkt neben Low-Budget Horror und lesbischen Softpornos, darüber hinaus haben die Genres keine Verbindung, keine gemeinsame diskursive Basis, gar nichts.
Und dass, obwohl sie in sich in höchster Weise hybrid sind. Shadow: Dead Riot verbindet nicht nur Cormans Women in Prison - Filme mit drittklassigem Zombiehorror, irgendwo spukt auch noch Story of Ricky durch die Korridore des mit drittklassigen und teilweise auffällig hässlichenSchauspielerinnen - welche gleichwohl, wie sich im Internet recherchieren lässt, über loyale Fans verfügen - bestückt sind. Der Einfluss der zahlreichen hongkongstämmigen Crewmitgleider lässt sich nicht übersehen, resultiert jedoch nicht in einer irgendwie durchdachten Fusion unterschiedlicher Stileme, sondern in einem additiver Logik gehorchendem (nebenbei trotzdem recht unterhaltsamen) Chaos. Weil sowieso alles egal ist und Braindead so schön war, taucht irgendwann noch ein Zombiebaby auf und die lesbische Wärterin heisst zwar nicht Ilsa, aber doch Elsa und mit Nachname tatsächlich Thorne...
Im abspann läuft dann Jean Grae anstatt des erwarteten New Metal. Irgendjemand im Team scheint guten Musikgeschmack zu besitzen...

Fantasy Filmfest 06: Meatball Machine, Yamaguchi Yudai / Yamamoto Junichi, 2005

Man hätte es natürlich wissen können: Wer beim drittklassigen Michael-Bay Imitator Kitamura als Drehbuchautor, aus dem kann in der späteren Filmkarriere nicht mehr viel werden. Dass Yamaguchis Meatball Machine jedoch so katastrophal schlecht ist, dass sich selbst die Werke des Lehrmeisters dagegen halbwegs erträglich anfühlen (naja, zuindest Versus...), war dann doch nicht zu erwarten.
Dieser auf angemessen schäbigem Digi Beta präsentierter Splatterfilm der untersten Schublade, der in Sachen Beleuchtung / Montage / Bildaufbau usw selbstvon Ittenbach noch das eine oder andere lernen könnte, ist in einer fast schon beängstigenden Weise frei von jedem Talent, jeder wie auch immer gearteten produktiven Inspiration (ein paarmal Tetsuo anschauen ist eben noch lange nicht produktiv), dafür angefüllt mit schlecht aufeinander abgestimmten Widerlichkleiten, dass vor allem die erste Hälfte des Streifens mich fast zur Flucht aus dem Kinosaal getrieben hätte - tatsächlich zum ersten Mal in meinem Leben. Letzten Endes hielten mich nur die 8 Euro, die mich die Karte gekostet hatte. Im zweiten Teil deuten einige einzelne Sequenzen dann an, dass die Mischung aus billigen Digitalaufnahmen, nach Feierabend zu hause zusammengestöpselten "Special Effects" und stumpfer Elektromucke durchaus funktionieren könnte - nach Austausch aller an diesem Projekt beteiligten und radikaler Kürzung des Streifens um mindestens 3/4 der Laufzeit.

Tuesday, August 08, 2006

Superman Double Feature

Superman, Richard Donner, 1978

Selten gelang es dem phantastischen Film, seiner ja eigentlich offenkundig inhärenten Bestimmung zum Traumartigen, Poetischen so konsequent einzulösen, wie in diesem zurecht legendären ersten Supermanfilm der neuen Serie. Von den wundervollen Eröffnungssequenzen auf Krypton, diesem im Art-Deco-Stil ausgestatteten und von mit gleissend weissen Gewändern bekleideten, esoterischen Blödsinn redenden Bewohnern, über die zauberhafte Szene, in welcher Lois Lane zum ersten Mal mit Superman fliegen darf - irgendwann endet der Dialog und sie beginnt, einen halluzinatorischen, delirierenden Off-Kommentar zu sprechen - bis hin zum ausgedehnten Schlusskampf, der zuerst ein auf irdischer Zeitlichkeit beruhendes Dillemma heraufbeschwört ("Du kannst nicht beide Raketen gleichzeitig aufhalten") und dadurch Superman scheinbar in irdische Ursache-Wirkungs Prinzipien einzubinden scheint, nur um anschließend zu zeigen, wie Christopher Reeve sich dann ohne mit der Wimper zu zucken, und selbstverständlich ohne jede Erklärung eine rein additive Lösung herbeiführt, indem er einfach von einem Ort zum anderen fliegt und ein Problem nach dem anderen löst, dies alles gehorcht einer derart einleuchtenden Nichtlogik, wie ich sie sonst nur in Träumen finde.
Die Filmtechnik unterstützt diese durch die Erzählstruktur etablierte halluzinatorische, träumerische Erzählstruktur perfekt: Superman ist einer der wenigen Filme (ein weiterer ist der sträflich unterschätzte 1977er King Kong), in welchem Hollywood sich nicht nur ein wenig vom naiven Anspruch auf "Realismus" und "Glaubwürdigkeit" entfernt, sondern tatsächlich einen Paradigmenwechsel wagt: die Special-Effects Szenen werden nicht durch Naturalisierungsverfahren dem Rest des Films angepasst, aber auch nicht angeberhaft ausgestellt, sondern veredeln den Film als ausgestelltes Kunsthandwerk, das nicht seine spezifische Beschaffenheit, wohl aber seine strukturelle Funktion durchaus selbstreflexiv offenbahrt. Die Traumfabrik war selten ehrlicher als in diesem Film.

Superman 2, Richard Lester / Richard Donner, 1980

Der zweite Teil, wiewohl von ausgesuchter Komik, besitzt nicht mehr die runde Vollkommenheit des ersten Filmes. Zwar ist auch Superman 2 poetischer, phantasievoller als so ziehmlich alles, was das Genre seither hervorgebracht hat (und auf jedenfall phantasievoller als die im direkten Vergleich doch recht bescheiden erscheinenden Batman-Märchenstunden Tim Burtons), doch die Poesie bleibt auf einzelne Sequenzen beschränkt, die sich nicht mehr so recht zu einem geschlossenen Ganzen schließen mögen.
es sind denn auch vor allem einzelne Montagesequenzen und die Vielzahl an komischen, gut untereinander abgestimmten Einzelheiten, die gefallen. Besonders gelungen ist eine ausgedehnte Parallelmontage: einerseits zerlegen die drei wunderbaren Space-Bösewichte um Zod eine amerikanische Hinterwäldlerkleinstadt mit derselben Lust am puren, jedoch deutlich potenzgesteuerten Kaputtmachen, die einige Jahre später die Bösewichter in RoboCop an den Tag legen, wenn sie mit ihren neu erworbenen Monsterwaffen/Penisprothesen minutenlang einfach in der Gegend herumballern, andererseits feiert Superman mit Lois Lane in seiner nun rosa ausgeleuchteten Festung der Einsamkeit Kitschhochzeit.
Auch Superman 2 ist selbstreflexiv, allerdings in ganz anderer Art: er thematisiert seine Finanzierung. Der Film ist möglicherweise einer der ersten, die exzessives Product Placement betreibt, und, da Superman nunmal der nach Captain America amerikanischste aller Superhelden ist, sind Coca cola und Marlboro natürlich besonders präsent. Dies hindert Christopher Reeve jedoch nicht daran, einen der Bösewichter direkt hintereinander in eine riesige und so ganz unsubtil plakative Marlborowerbung und eine noch größere Coca Werbebande krachen zu lassen. Ähnlich emblematisch tritt in amerikanischen Filmen (und in der Tat auch in Superman 2 selbst) sonst nur die amerikanische Nationalflagge auf.

Zebraman, Takashi Miike, 2004

Zebraman ist sicher kein ganz großer Filom innerhalb Miikes Gesamtwerk; doch gerade in seinen kleineren, um ein, zwei abstruse Ideen herum entwickelten Streifen wird die Aussnahmestellung des Japaners deutlich: kaum einem regisseur in der Filmgeschichte ist es jemals gelungen, aus so wenig so viel zu machen.
Zebraman ist der ultimative Looser unter den Superhelden: seine Fernsehserie brachte es gerade einmal auf sieben Episoden, der Titelsong ist doof, seine Gegner (u.a. eine Art wandelndes Toastbrot - sehen cooler aus als er selbst und im wahren Leben ist er Grungschullehrer. Genau der richtige Superheld für Takashi Miike also. Fast schon zu perfekt, und natürlich ist die Zebraman-Serie auch eine Erfindung Miikes, sein Streifen von 2004 also die Kinoversion eines (leider) nie gedrehten TV-Spitzenprogrammes.
Zebraman ist eine zweifache Liebeserklärung, einmal an die phantasiereichen und budgetarmen japanischen Fernsehdurchgeknalltheiten a la "Kamen raida" oder "Ultraman", andererseits jedoch auch an die Internetgeekszene, die solche Obskuritäten ausgräbt und zu neuem Leben erweckt. Die bei Miike stets präsente Aussenseiterthematik wird ins groteske übersteigert: zwei Aussenseiter entdecken eine schrottige, vergessene Serie über einen selbst in seinem eigenen Universum reichlich deplaziert wirkenden Zebramenschen.
Der Film selbst funktioniert als Parodie auf gängige Superheldenfilme nicht nur auf stilistischer Ebene (obwohl gerade die Bösewichter in ihrer ganzen bizarr-clownesken CGI Pracht tatsächlich herrlich absurd und vor allem stilbrechend wirken), sondern auch strukturell: der noch für jeden Superheldenfilm obligatorische Entwicklungsroman findet hier alleinig auf der Ebene der schwarz-weiss gestreiften Kreatur statt: Zebraman muss fliegen lernen, koste es was es wolle. Was aus dem realen Grundschullehrer und seinen zahlreichen familiären Problemen wird, ist im Miike-Universum, das sich hier uneingeschränkt der Geek-Perspektive verschreibt, scheissegal.

Wednesday, August 02, 2006

Takeshis', Kitano Takeshi, 2004

Ein wunderbarer kleiner Film, aufgebaut nach einem etwas abgewandelten Akulina Prinzip: Jede Puppe, die in der größeren Puppe zum Vorschein kommt, sieht erst auf den zweiten Blick absolut identisch aus wie die erste.
Das vielleicht schönste an Takeshis' ist, dass es Kitano gelingt, sein Spielset komplett aus der eigenen, in divergenten Medien situierte und mit noch divergierenden Motiven spielenden Kunstwelt belässt. Figur und Rolle verschwimmen noch stärker, als in seinen anderen Filmen, das Gestrüpp aus Fernsehkomik, Gangsterattitüde, verträumtem Loosertum und fast schon trotzigem Stilwillen, das in der Gesamtheit sein Schaffen prägt, wird nicht nur in einem einzigen Film zusammengefasst, sondern auch noch vom auteur persönlich gegengelesen, was allerdings den Effekt hat, dass der auteur nicht nur hinter dem Werk verschwindet, sondern sogar von ihm umgebracht wird. Nicht umsonst wird die letzte Öffnung der Akulina durch ein Autogrammwunsch getriggert. Das Autorensubjekt, in der modernen Mediengesellschaft zwar markttechnisch unbedingt benötigt, aberselbstverständlich schon lange dekonstruiert, zerbricht hier tatsächlich am industriellen Charakter des künstlerischen Schaffens.
Vielleicht kann Takeshis' als konsequente Fortsetzung von Hana-Bi, Kitanos bisher wohl besten Arbeit, angesehen werden. Die Gemälde, die in Hana-Bi ein Eigenleben entwickelten, waren noch recht schnell zu zähmen, drangen noch nicht vollständig in die Struktur des Werkes ein. In Takeshis' befruchtet sich die Schöpfung ständig selbst und veschlingt am ende ihren Autor. Das mag etwas masturbatorisches haben. Aber filmische Masturbation war selten so schön wie hier.