Stephanie Bart, Deutscher Meister Schön: Recherchearbeit, die komplett aufgeht in literarischer Form. Kein Überschuss an bloß Angelesenem bleibt zurück, die Figuren werden zu keinem Moment zu bloßen Krücken eines ihnen äußerlichen Mitteilungsdrang, sie sprechen eine Sprache, die nur die ihre ist und auch ihre Konstellierung wirkt nicht forciert. Ein Mosaik des Sozialen, tatsächlich ist der Effekt oftmals der einer Verräumlichung. Ein Buch wie gute Genremalerei. Erstaunlich nicht zuletzt, wie es Bart gelingt, einen komplett einseitigen Boxkampf zwölf Runden lang abwechslungsreich zu gestalten. Nicht ganz verfliegt bei alldem freilich der Eindruck des allzu Selbstzweckhaften. Ein Buch, das sich wie die Fiktion eines (ausgezeichneten) historischen Magazinbeitrags liest, der leider mehrere Jahrzehnte zu spät kommt.
Thorsten Nagelschmidt, Arbeit. Dass dieses Buch aber so was von gar nicht meins ist, merke ich schnell, bereits in der ersten längeren Episode mit dem Dealer. Genauer gesagt nervt mich die "filmische" Beschleunigungsmontage am Ende des Kapitels: wenn plötzlich nur noch einzelne Satzfetzen aneinander gereiht werden - und dann schnappt sich der vorher cleane Dealer den Stoff und pfeift ihn sich doch selbst rein. Auf rhetorische Aufdringlichkeiten wie diese stoße ich fortan an allen Ecken und Enden. "Arbeit" ist ein "toughes Berlinbuch" im Stil einer Geisterbahn - jeder einzelne Handlungsstrang von Anfang an auf billigen, melodramatischen Effekt gebürstet. Der kleinste gemeinsame Nenner von City Symphony und Soap Opera (ein Berliner "LA Crash"?) - und das alles, für mich macht das die Sache nur noch schlimmer, ziemlich genau in jenen Berliner Straßen, in denen ich selbst jahrelang fast täglich unterwegs war. Nun denn, ich weiß jetzt wenigstens ziemlich genau, was ich von Gegenwartsliteratur nicht will.
Dorfpunks, Rocko Schamoni. In diesem Fall: nothing whatsoever wrong with it aber schlicht nicht mein Bier. Weiß nicht, ob es an fehlenden persönlichen Bezüge zu Norddeutschland und Punk liegt, das meiste scheint doch auf eher niederschwelligere Formen von Wiedererkennbarkeit zu zielen: die inhärente Beengtheit homosozialen Abhängens, die trotzdem natürlich befreiende Entdeckung der eigenen Lust am Scheißebauens, halbbewusste Angst vor Sexualität und so weiter. Dazu, vielleicht ist das mein Problem, die mitschwingende Grundüberzeugung, dass das alles letztlich schon gut und richtig war damals. Gesten der autobiographischen Beglaubigung: da ist also der Ursprung von "Rollo Aller!", hier habe ich zum ersten Mal Campino und die Hosen getroffen. Viel zu selten und viel zu kurz die Ausflüge ins Phantasmagorische, in Unvernunft und Größenwahn, die doch zum Jungsein, wenn man es schon eins zu eins abbilden zu müssen meint, dazugehören.
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