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Friday, October 18, 2013

Fussballmanager (Erinnerte Computerspiele 3)

Zu den Spielen, die ich am intensivsten gespielt habe, gehören mindestens zwei Fußball-Managersimulationen: Bundesliga Manager Hattrick (BMH) und Anstoss 2 (oder 1, da bin ich mir nicht mehr sicher; ich weiß nur noch, dass ich Teil 3 dann schon fürchterlich fand). BMH hatte mich schon wegen des Menüaufbaus begeistert: lauter kleine Quadrate, die man frei auf dem Bildschirm verteilen konnte, und das Ganze sollte dann ein Büro darstellen.

Besonders seltsam an den Spielen (die man ansonsten sehr schnell durchschauen und "beherrschen" konnte) sind im Rückblick die "Spielszenen". In den beiden Versionen, die ich am häufigsten gespielt habe, waren diese noch nicht in Echtzeit berechnet (was mich bei ein, zwei späteren, kurzen Begegnungen mit dem Genre schwer irritierte), sondern bestehen vor allem aus einer abstrakten Stadiongrafik, einer Uhr, die die Minuten herunterzählt und vorberechneten "cut scenes", die Chancen, Tore, schwere Fouls und Ähnliches zeigen. In Anstoss (dem ohnehin schon unsympatischeren, weil ironieverseuchteren der beiden Spiele) wurden diese Szenen von einem bedauernswerten Sportreporter kommentiert, was erst recht die Unterlegenheit der damaligen Technik gegenüber ihrem offensichtlichen Vorbild, der Fernsehübertragung, herausstellte.

Mir scheint, dass diese Spielszenen einen ganz eigenen Bildtyp darstellen: Einerseits waren sie Produkt meiner Arbeit, meiner Einkaufs- und Trainingsstrategie, meiner taktischen Anweisungen (In Anstoss konnte man jeden einzelnen Spieler millimetergenau auf einem schematischen Spielfeld platzieren), andererseits wurde mir die Kontrolle mit Anpfiff weitgehend entzogen. Man kann (was mir immer inkonsequent vorkam) zwar Auswechslungen und Taktikänderungen vornehmen, bleibt aber doch hilflos den Algorithmen ausgeliefert. Und ein Sklave der Wiederholung: Es gibt eine begrenzte Anzahl von Szenen, die man schon nach fünf, sechs Spielen in- und auswendig kennt; in manche sind, zumindest in Anstoss, regelrechte Suspense-Techniken eingebaut: Zweimal wird die absolut, pixelgenau identische Flanke in den Strafraum geschlagen, der anschließende Kopfball trifft bei der ersten das Tor, ein anderes Mal nicht. Die paar Dutzend Animationen aus Bundesliga Manager Hattrick dürften tatsächlich die Bewegungsbilder sein, die ich in meinem Leben am häufigsten gesehen habe.

Wednesday, July 20, 2011

Jump'n Run (Erinnerte Computerspiele 2)

Am liebsten gespielt habe ich Adventure-Games, am häufigsten und längsten aber vermutlich die jump'n run-Klassiker: Super Mario Brothers, Kirby's Dreamland, Donkey Kong, Prince of Persia. Computerspiele sind - das zu erkennen, macht einen noch nicht zum Kulturpessimisten - immer auch Ersatzbefriedigung, gleichzeitig Symptom und Agent der Entfremdung von Natur und physischer Erfahrung. Nirgends sind sie das so eindeutig wie im jump'n run, nicht, weil diese Spiele besonders eskapistisch wären, sondern, ganz im Gegenteil, weil sie die Differenz durch Minimierung, durch Mimesis an die tatsächlichen Fähigkeiten, die Erfahrungswelt des Spielers, erst sichtbar, vielleicht in Maßen für den Spieler selbst prozessierbar machen: Anstatt draußen zu springen und zu rennen, sitzt man drinnen vor dem Computer oder vor dem Fernseher und lässt einen Avatar springen und rennen. Es ist nur ein Schritt (der Druck eines Knopfes) von drinnen nach draußen (auf dem Gameboy, den ich selber nie besessen, aber bei anderen exzessiv mitbenutzt habe, stellt sich das noch einmal deutlicher dar); die Bewegung auf dem Bildschirm fließt manchmal tatsächlich wieder in echte Bewegung zurück. Auch umgekehrt: Wie kann der Schritt von draußen nach drinnen prozessiert werden? Vielleicht auch als Reflexion der eigenen Bewegung / der eigenen Beweglichkeit? Auch die Unzulänglichkeiten der Simulation werden in diesem Abgleich viel direkter erfahren: Der digitale Sprung fühlt sich nicht wie der echte an, er ist immer defizitär, genau wie die Kästchenförmige Welt Marios, der ihre Programmiertheit direkt ästhetisches Programm geworden zu sein scheint (klar, in der Hinsicht sind die jump'n runs nicht alleine, das trifft fast noch stärker auf viele Strategiespiele zu), immer schon defizitär erscheint in Bezug auf die Wiesen, Bäche und Felder, die nur wenige Minuten vom Computer entfernt warten. Ich hatte das Glück, in einem Dorf aufwachsen zu können; die fast rührend naiven, exotischen Schauplätze der Spiele werden aber auch Stadtkindern kaum als echte Sehnsuchtsorte dienen können. (Die schönste Welt ist vielleicht das "dreamland" aus den Kirby-Spielen, das sich einsaugen, sich einverleiben und dann wieder ausspucken lässt; bleibt davon etwas übrig, wenn man das Spiel ausstellt und wieder nach draußen geht, von dieser Idee der Interaktion, der Selbstüberschreitung? Und funktionieren Träume am Ende tatsächlich so?)
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(Eine Einstellung in James Bennings Meisterwerk Ruhr kommt mir da in den Sinn, die zeigt eine gewöhnliche Straße, irgendwo in Bochum glaube ich. Die mehr oder weniger gleichförmig errichteten Häuser und Parkplätze auf beiden Seiten sind, das zu bemerken braucht die Zeit, die der Film einem gibt, gegenläufig symmetrisch angeordnet: wo auf der einen Seite ein Haus steht, ist auf der anderen ein Parkplatz und umgekehrt. Eine bedrückende, irgendwie ebenfalls "computerlogische" Modularisierung des urbanen Raums, der die Passanten, die immer wieder durchs - selbst ja auch digitale - Bild laufen, sehr grundsätzlich untergeordnet, unterworfen sind. Die traurigste, härteste Einstellung in einem traurigen, harten Film.)
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Jump'n runs scheinen eine durchlässigere Membran zur Welt zu haben als andere Formen des Computerspiels. Der jump'n-run-Spieler kapselt sich nicht ab, auf Netzwerkpartys (heute: auf den großen Onlineservern) wird nicht Super Mario Brothers gespielt, das glaube / hoffe ich zumindest. Jump'n runs sind primär für Joystick und Konsolen-Controller gemacht, also für Formen von Interface, die noch eher gleichzeitig auch Objekte im vollen Sinne sind - die verloren gehen, um die man sich streitet - als die Tastatur, die da so flach und passiv vor dem Computer liegt, als wolle / solle sie eigentlich gar nicht physikalisch existieren. (Fifa spielen zu zweit auf einer Tastatur)
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Pasolini: "Die Montage bearbeitet das Material des Films, wie der Tod das Leben bearbeitet". Ohne den Tod wäre das Leben deswegen eine unendliche Plansequenz. Und in dieser Hinsicht ist das jump'n run nicht nur nahe am, sondern auch ein Bild fürs Leben. Eine Serie ewiger Plansequenzen, pro Level / "Leben" eines. Die Kamera, die keine ist, hält gleichmäßig Abstand, zentriert auf den Avatar, sie ist dabei aber etwas träge, vollzieht nicht jede Bewegung nach. Das hat eher etwas vom falsch individualisierenden pan & scan der Kinoverschandlung im TV als von der "Ethik der Kamerabewegung" bei Ophüls oder den Stadtpassagen in Pasolinis Mama Roma. Die Plansequenzen des jump'n run könnnen nicht "bearbeitet" werden, wie das Leben durch den Tod oder der Film durch die Montage. Sie sind verdammt zur ewigen Wiederholung in ihrem eigenen Code (siehe auch das Autoren-Computerspiel The Passage).

Tuesday, May 24, 2011

Die Siedler (Erinnerte Computerspiele 1)

Das Deutsche am Deutschtum kann man durchaus bestimmen (zum Beispiel als einen Traditionszusammenhang und den spezifischen Modus seiner Aktualisierung, wobei letzterer möglicherweise das größere Problem darstellt); aber was ist das Tümelnde am Deutschtum? Vielleicht zeigt es sich in der deutschen Computerspielserie Die Siedler als "Wuseln". Das "Wuseln" auf dem Bildschirm, von dem damals die Computerspielkritik sehr angetan war und das unbestritten ästhetischen Reiz hat, ist kein ungeordnetes, auch kein kreatives Chaos, sondern Effekt einer wohlgeordneten Strukturierung. Das gilt in mancher Hinsicht für alle Strategiespiele, schon wegen des zugrundeliegenden Codes, doch Die Siedler weißt einige Besonderheiten auf. Zum einen sind die Spielfiguren ganz eindeutig zunächst als Menschen ausgewiesen, erst hinterher werden sie ausdifferenziert und verschiedenen zivilen und militärischen Berufungen zugeführt. Nicht einfach Spiel-, sondern Menschenmaterial ist verfügbar. Zum anderen gibt es allerdings eine spezifische Form der Verfügbarkeit. Man kann die Figuren (mit Ausnahme der Militärs in Die Siedler 3, spätere Versionen kenne ich nicht) nicht direkt anwählen und steuern. Die Figuren werden als Menschen, aber nicht als Individuen gedacht, unter anderem fällt dadurch die identifizierende Rückmeldung ("Yes, Sir!", "Zu Befehl") weg, die viele Echtzeitstrategiespiele prägt. Statt dessen werden die Figuren anhand einer manipulierbaren Prioritätenliste einzelnen Funktionen zugewiesen, denen sie dann vollautomatisch nachgehen. In Die Siedler 2 musste man den Figuren noch Wege bauen, im dritten Teil entstehen diese von alleine: oft begangene Strecken wechseln durch Abnutzung ihre Farbe und erleichtern damit ihre eigene Benutzung. Ein selbstverstärkendes System.
Die Eigenart des "Wuselns" liegt in dieser Doppelfigur: unbedingte, auf cuteness ausgelegte Vermenschlichung der Figuren auf der einen Seite, komplette Entsubjetivierung der Figuren durch indirekte Steuerung auf der anderen. Der Siedler-Spieler verfügt über Menschen, aber er spricht sie nicht an, muss sich nie vor einem (und sei es noch so fiktiven) Individuum rechtfertigen; statt dessen lässt er die Gesamtheit der Figuren zu dem volksgemeinschaftlich wuselnden Ornament werden, das dem Deutschtum als Projektionsfläche zugehörig ist (gut, über den letzten Punkt muss ich mir wohl noch einmal genauer Gedanken machen).
(Das exakte Gegenteil wäre die großartige Civilizations-Reihe, die auf der Ebene der Systemelemente vom Menschen radikal abstrahiert, aber jedes einzelne Element dem Spieler direkt - und eben auch nicht in der immer grenzfaschistischen Echtzeit, sondern mit der Möglichkeit der Reflektion des rundenbasierten Strategiespiels - unterstellt.)