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Sunday, February 23, 2014

Berlinale 2014: Chiisai ouchi / The Little House von Yoji Yamada

Wie schon 2013 war auch 2014 der letzte aktuelle Film, den ich auf der Berlinale gesehen habe, ein neues Werk des japanischen Klassizisten Yoji Yamada. Anders als Tokyo Family ist The Little House nicht unbedingt ein Meisterwerk; aber doch ein schöner, kluger Erinnerungsfilm. Die Rahmungen (die am Ende auf interessante Art überhand nehmen), bezeichnen die inzwischen auseinandergebrochenen Familienbanden (eindrücklich vorgeführt in Tokyo Family) sehr beiläufig, ganz eigentlich erst im Kontrast mit der noch eng verbundenen Hausgemeinschaft der Rückblende.

Der Schließung der Hausgemeinschaft, um die es geht - eine junge Frau, die sich in ihrer Ehe unwohl fühlt, eine Affäre mit einem Kollegen ihres Mannes beginnt; der Mann, der nichts ahnend sich ausgerechnet für die Verheiratung des Liebhabers seiner Frau zuständig fühlt; schließlich die Erzählerin der Geschichte, die Großtante, die bei dem Ehepaar als Hausmädchen angestellt ist - entspricht die Schließung der melodramatischen Form. (Und demenstprechend laufen die in der Gegenwart angesiedelten Rahmungen ins Offene aus...) Die Erzählführung ist hochökonomisch; die Jugendzeit der Großtante im Norden Japans wird durch eine einzige Einstellung im meterhohen Schnee repräsentiert, fast unmittelbar danach wechselt der Film in das "kleine Haus", das er dann kaum noch einmal verlässt.

Nostalgisch ist wenig an der Rückblende, die sich als Erinnerung der uralten Großtante entfaltet, die allerdings, auch da sind die schachtelartigen Rahmungen sehr klug gewählt, gleichzeitig den ganzen Film über schon tot ist - fast scheint mir, dass alle Nostalgie auf den etwas außerweltlichen knallroten Glanz der Dachziegel des Hausdachs verschoben ist. Die Rückblende setzt ein während der frühen Phasen des Pazifikkriegs und endet (zumindest fast) mit der Bombardierung Tokyos, die wiederum in einer einzigen Einstellung repräsentiert wird; in einer ziemlich sonderbaren Einstellung, genauer gesagt, in der dieser sonst ganz besonders deutlich (nämlich durchaus im Sinn eines Aufrufens von klassischen Frauenmelodramen; zum Beispiel der Filme Mikio Naruses) am klassischen japanischen Erzählkino orientierte Film plötzlich für einen kurzen Moment in ein modernistisches Register zu wechseln scheint.

Nostalgisch ist wenig an dem Film, weil die Großtante in ihrer Erinnerung nicht die Vergangenheit (und damit den Militarismus) verklärt, sondern ihre höchstpersönlichen Erfahrungen gegen die Geschichte setzt. Der Großneffe, der der innerdiegetische Adressat der Erzählung (aber vielleicht der Co-Autor der Rückblende?) ist, wirft ihr genau das einmal vor: Du kannst nicht über Deine Jugend als eine glückliche Zeit sprechen, wenn parallel dazu die Gesellschaft faschistisch wurde und brutale Vernichtungskriege in China geführt wurden. Die Rückblende allerdings ist klüger, sowohl als die Nostalgie der Großtante, als auch als der Vorwurf des Großneffen: In ihr werden die Rituale und Alltagskonventionen des japanischen Faschismus, die "Banzai!"-Rufe, das Japanfahnenschwenken, das Marschliedergegröhle nicht etwa verborgen; sie nehmen im Gegenteil viel Platz ein im Film, werden aber konfrontiert mit Gesten der Intimität, die mit ihnen absolut unvereinbar sind - weil sie sich jeder Verallgemeinerung und Vergemeinschaftung entziehen: ein Kniff in den Oberarm, ein verstohlener Blick, eine gestreifte Berührung im Vorbeigehen. Und im Zentrum ein Begehren, das noch nicht einmal in solchen Gesten sich entäußern kann, weil es sich selbst nicht erkennt.

Thursday, February 28, 2013

Berlinale 2013: Tokyo kazoku, Yoji Yamada, 2013

Den schönsten Film der Berlinale, bisher mein Film des Jahres, gesehen am letzten Tag des Festivals, hier kurz notiert, da er ansonsten ein wenig untergegangen zu sein scheint: Yoji Yamada hat ein wunderschönes Remake von Ozus Tokyo monogatari gedreht. Tokyo kazoku folgt dem Original über weite Strecken überraschend genau, die wenigen Änderungen, die direkt ins Auge springen, erscheinen eher als spielerische Variationen, denn als Neuerungen, die Differenz markieren wollen: Zum Beispiel beginnt der Film nicht bei den Alten und ihren Reisevorbereitungen, sondern bei der jüngeren Generation und ihren Problemen, die Alten in Empfang zu nehmen; da reicht Yamada einfach nur etwas nach, was Ozus Film nicht zeigen konnte. Es ist ein Segen, dass der Klassizist Yamada das Remake verantwortet und nicht einer der modernistischen Nachfolger Ozus. Die sind für sich selbst betrachtet zT sogar bessere Regisseure: Hou und Kiarostami vor allem. Aber vom emotionalen Kern speziell dieses einen Films (oder vermutlich: jedes einzelnen Films) wäre bei ihnen nicht viel übrig geblieben. Dennoch hat auch Yamada natürlich nicht einfach noch einmal denselben Film gedreht. Die kleinen Akzentverschiebungen, die sich aus jeder einzelnen Besetzung, aus jedem Dialogsatz ergeben, summieren sich zu einer großen: Tokyo kazoku ist ein Film nicht mehr über upward, sondern über downward mobility. Die Eltern sind nicht mehr die abgehängten Relikte aus der noch kaum industrialisierten Vorkriegszeit, sondern im Gegenteil die Vertreter einer Japan AG, die längst aus dem Takt geraten ist. Peinlich sind sie den Jungen höchstens, weil sie in ihrem ganzen Auftreten für bessere, wohlhabendere Zeiten einstehen; selbst das Besäufnis des Großvaters wirkt wie eine Spur in ein anderes, ökonomisch sichereres Japan, als man noch so fest in den Firmenkörper integriert war, dass das gemeinsame Sich-Abschießen nach Feierabend als risikoarmer Lastenausgleich durchging. Es gibt auch keine Setsuko Hara mehr, auf die man die ganze Wucht der Generationenkonflikte abladen könnte. Das ist dann doch eine zentrale Änderung: Der jüngste Sohn ist nicht gestorben, die Frau, die er zu heiraten gedenkt, ist zwar unverkennbar nach Setsuko Hara modelliert, aber doch nur bis zu einem gewissen Grad; opfern wird sie sich nicht, nicht für den Sohn, schon gar nicht für die Eltern. Yamada bezieht sich nicht einfach nur ehrfurchtsvoll, sondern regelrecht zärtlich aufs Original. Das kann man bis in die einzelnen Einstellungen nachverfolgen; wobei Yamada natürlich kein "metrischer Regisseur" ist wie Ozu, was an seinem Film streng ist, ist streng nicht, um sich in ein System zu fügen, sondern, um schließlich doch dem Gefühl zu weichen: als Fallhöhe. Manchmal gibt die (ansonsten wie im Original unbewegte) Kamera dem Film ein wenig nach, erlaubt sich einen kurzen Schwenk, der ein Gefühl registriert, einen Affekt aufgreift, der bei Ozu im starren frame gefangen geblieben wäre.