Feuer, Chaim Noll. Ein Nachtrag, ist schon etwas länger her, dass ich das Buch gelesen habe. Warum ist mir ausgerechnet dieses durchgerutscht? Vielleicht, weil es wenig seinesgleichen gibt im Sample, wenig Bücher, die sich der Fiktion als etwas dezidiert Ausgedachtem, nicht eins zu eins an empirischen Erfahrungswelten Abgleichbarem nähern und sich gleichzeitig nicht in schnödem World Building verlieren. Fiktion ist keine Gegenwelt (mit Tendenz zur Verhärtung, Verkapselung im eigenen Regelwerk), sondern ein Sprachspiel. Das vor allem in der ersten Hälfte des Buches mich in seinem Bann hält: eine Gruppe von Menschen unterwegs in einem weitgehend abstrakten Endzeitszenario, der Text verzichtet komplett auf eine Masterperspektive, springt von einer Figur zur anderen und tatsächlich verschiebt sich die Konstellation mit jedem Sprung, jeder Blick bringt seine eigenen Erhellungen und Verdunklungen mit sich. Da der Welt um die Figuren herum alle Sicherheiten, alle fixen historischen Wegmarkierungen abhanden gekommen sind, könnte das immer so weiter gehen. Noll allerdings setzt einen harten Schnitt in die (strukturelle) Mitte seines Buches, die zweite Hälfte spielt in der Post-Postapokalypse und installiert ein freilich gleichermaßen abstraktes Kontrolldispositiv. Weiter springt der Text von Figur zu Figur, wird komplexer, verliert jedoch an Griffigkeit, denn es geht nicht mehr um differierende Weltprojektionen, sondern um die geteilte und doch nicht ganz geteilte Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies der temporären Freiheit. Ändert nichts dran: tolles Buch.
Land in Sicht, Ilona Hartmann. Kann ich nicht viel zu sagen. Eine Flussfahrt als biografischer Wiederganzmachungstrip. Wenn man sich aufs Programm einlässt, gibt es garantiert ein bisschen emotionalen Payoff. Ich konnte nicht, was zuvorderst an den despektierlichen Beschreibungen der Kreuzfahrtgäste und teils auch -besatzung liegt. Wirkt wie eine Aneinanderreihung von Facebook-, teils auch Twitterminiaturen, die auf like-Beifall von Gleichgesinnten spekuliert, nicht mal richtig edgy (sachte Inzest-Vibes zwischendurch, gibt sich schnell wieder), immer auf der geschmackssicheren Seite. Ein Buch, das geschrieben wurde um ein Buch zu schreiben.
Mandels Büro, Berni Meyer. Auch das hier: not for me, sorry. Geschrieben in einem rumkumpelnden Tonfall, der mich an Rita Falks Hannes erinnert und mich bei Meyer genauso nervt, beziehungsweise fast noch mehr, weil er in Mandels Büro weniger den Charakter einer eigengesetzlichen Kunstsprache erhält, bloße Ranschmeißerei bleibt. Interessant hingegen, dass der Erzähler selbst eine Nebenfigur ist, beziehungsweise ein klassischer Sidekick der Hauptfigur Mandel, zu dem er treu ergeben, fast eher ein Hündchen als ein Kumpel, aufblickt. Kein Aufbegehren, kein Versuch, sich selbst in den Mittelpunkt zu drängen, selbst eine zwischenzeitliche Sexgeschichte des Erzählers lässt ihn nicht zum Protagonisten werden. Das sprachliche Wie ist alles in allem dennoch spannender als das narrative Was - ein Krimi ist's, durchaus mit Whodunit-Qualitäten aber reichlich fahrigem Storytelling. Meyer gibt sich einigermaßen Mühe, das Popmusikmilieu, in dem das Buch spielt, erfahrungssatt auszugestalten und doch bleibt die Band, deren Sänger zu Beginn gekillt wird, ein sonderbares Zwischending aus Rammstein und, hm, Tote Hosen? Ton Steine Scherben? Egal.