Monday, March 20, 2006

Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?, Gerhard Benedikt Friedl, 2004

Im letzten Drittel findet sich urplötzlich ein Bild, das für einen Moment den ganzen Film zu komprimieren scheint: einige mit unsichtbaren Kräften angetriebene Riemen drehen sich ohne zu stocken immer weiter, umgeben von tendenziell ekelhaften Schaumstoffmassen und Schmutzwasser. Ziehmlich unappettitlich das Ganze und undurchschaubar erst recht - man möchte nicht wirklich wissen, was das denn genau ist, das das Wasser so brauntrübe einfärbt. Das entscheidend ist sowieso, dass sich die Maschine weiterbewegt, wie und mit welchen Kollateralschäden bleibt im Dunkel.
Gerhard Benedikt Friedl durchquert in seinem beeindruckenden und beängstigenden, vor allem aber irritierenden Filmessay zweimal die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts vage entlang der Zeitachse, mit vielen Sprüngen und stets extrem willkürlichen Verbindungen. Im Mittelpunkt stehen ganz konsequent die großen Unternehmerfamilien mit ihren urdeutschen Namen, Adelstitel und fast inzestuösen Verwandschaftsverhältnissen, eine Welt, deren Macht man nicht mehr wahrhaben möchte, die aber immer noch in vielen entscheidenden Positionen in diesem Land fest im Sattel sitzt.
Der Off-Kommentar, der durch den Film führt, übernimmt die Diktion der regionalen Tageszeitungen, unaufgeregte, teilweise extrem sinnentleerte Hauptsätze stehen nebeneinander, dabei wechselt der Sprecher unvermittelt zwischen Wirtschaftsnachrichten und Boulevard, alles erhält dieselbe Aufmerksamkeit, Hierarchien gibt es keine.
Das Verwirrendste ist das Verhältnis zwischen Bild und Ton. Sind die einzelnen Sätze untereinander nach einem noch halbwegs einsichtigen Assoziationsprinzip miteinander verbunden, verweigert sich das Bild einer festen Position im Zeichensystem. Oft sehen wir Panoramaschwenks durch bundesdeutsche Indestrielandschaften, die Motive passen sich immer wieder der Erzählung an, driften aber ebenso schnell wieder in andere, oft dezidiert nichtssagende Richtung. Und auch wenn das Bild einmal eine deskriptive Funktion einzunehmen bereit zu sein scheint, untergräbt es jede Zuordnung sofort wieder, einmal ist beispielsweise während der Erläuterung eines Bankenbankrotts eine ebensolche zu sehen - nur eben eine ganz andere, die im weiteren Verlauf des Films nie auftauchen wird.
Die politische Schlagrichtung des Films bleibt nur dann unklar, wenn man ihm eine solche unterstellt. Funktionell erscheint der Film jedoch eher, wenn man ihn nicht als Offenlegung gesellschaftlicher sondern narrativer Problemstellungen liest. Ein Film vor dem Einbruch der Kausallogik in das Arbeitsmaterial, der die Verschränkungen und Verengungen offenlegt, die zur Erzeugung einer funktionalen Erzählung nötig sind. Ein Film der sich weigert, festzulegen, was Denotat und was Konnotat ist.

Monday, March 13, 2006

Negresco**** - Eine tödliche Affäre, Klaus Lemke, 1968

Auch auf die Gefahr, den einen oder anderen FAZ-Leser aus meinem Blog zu vertreiben: Ab jetzt finden sich hier - zumindest manchmal - Bilder (Nachtrag Jahre später: vielleicht irgendwann und das hier war ein sehr bescheidener Anfang).

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Klaus Lemkes zweiter Spielfilm, entstanden zwischen seinem Meisterwerk 48 Stunden bis Acapulco und den ersten Fernseharbeiten, konnte mich nicht, wie die 48 Stunden (oder Rocker), auf den ersten Blick und sofort begeistern. Zu beliebig erscheint über weite Strecken die B-Movie Handlung, Lemkes Freude am Pulp ist zwar ebenso deutlich wie im Vorgänger, der Modus der Auseinandersetzung scheint sich jedoch etwas geändert zu haben. Möglicherweise auch, weil die Distanz zu den Vorgängern geschrumpft ist - nicht mehr Film Noir und Nouvelle Vague stehen Pate, sondern vielmehr europäischer Edeltrash der Sechziger, selbst manche vage James-Bondige Sequenzen sind zu finden. Jedenfalls scheint sich die Regie über weite Strecken damit zu begnügen, die Physiognomie der Bösewichte und das Make-Up Ira von Fürstenbergs zu feiern (was zugegebenermaßen beides ganz gut gelingt).enttäuschend erscheint vor allem die bildliche Auflösung Südfrankreichs, die wenig Euphorie und kaum Dekadenz transportieren kann. Kein Vergleich leider zum Mexiko oder Italien aus dem Vorgänger, diesen phantastisch-surrealen Orten, deren Herkunft vielleicht im kollektiven Unbewussten der Filmgeschichte zu suchen ist. Solch beeindruckende Imaginationskraft findet Lemke erst am Ende wieder, als er seine Liebenden in die Alpen schickt, die dann tatsächlich wieder genauso aussehen, wie sie aussehen sollen.Möglicherweise wird sich Negresco bei näherem Hinsehen doch noch als das Meisterwerk entpuppen, das ich mir erhofft hatte. Möglicherweise war der Film aber auch ein notwendiger Übergang im Gesamtwerk Lemkes. Denn die in 48 Stunden noch hermetisch verschlossene, selbstgenügsame Diegese beginnt hier erste Risse zu zeigen, die Figuren begnügen sich zu oft nicht mehr damit, sich ins Bild einzufügen, scheinen nach Möglichkeiten zu suchen, der Instrumentalisierung durch den Spielfilm zu entgehen. In Rocker wird ihnen dies auf eindrucksvolle Art und Weise gelingen.