Thursday, April 07, 2011

The Country Doctor, D.W. Griffith, 1909

Ein symmetrisch ausformuliertes, herzzerreißendes Melodram (das kleine Bett der Arzttochter, das größere Bett der anderen Kranken: alleine diese Differenz - wie Griffith die Differenz filmt - ist niederschmetternd), begrenzt durch zwei gegenläufige Kamerafahrten über das "Valley of Stillwater", die erste mit fröhlich stromernden Landarztfamilie, die zweite ohne. Was ist das für eine Art von Idyll, die Griffith aufruft? 1909 war das amerikanische Kino noch in den Kulturlandschaften der Ostküste zuhause, nur ein Jahr später zieht die American Mutoscope and Biograph Company nach Kalifornien um. Die beiden Kameraschwenks sind Teaser einer alternate film history, die es nicht ins Far Country zieht. (Die zweite Einstellung, in der die Arztfamilie aus dem wogenden Weizenfeld (?) auftaucht, wirkt auf den ersten Blick fast wie eine Antithese des Schwenks, der zweite Blick bleibt dann aber am mit Steinen befestigten Feldweg hängen.) Überhaupt film history: evolutionäre Filmgeschichtsmodelle müssen sich der Frage stellen, was die letzten 102 Kinojahrgänge diesem frühen Griffithfilm noch hinzufügen konnten.

Wednesday, April 06, 2011

Mad Men: Season 4

Natürlich bleibt Mad Men sehr schön, dennoch gefällt mir jede neue Staffel weniger gut als die jeweils vorherige. Die Serie klebt an der Zeitgeschichte, die Diegese entwickelt wenig Eigendynamik. Zwar gibt es in Mad Men jede Menge character development, aber verglichen mit anderen Pay-TV- oder Kabelserien (bestes Beispiel immer noch: Boomer in Battlestar Galactica) akkumulieren sich die fiktionalen Biografien weit weniger intensiv um die Figuren. Nicht unbedingt Don, aber doch mindestens Peggy Olson, Pete Campbell und Joan Harris sind in der vierten Staffel - nimmt man die erste als Maßstab - kaum wiederzuerkennen. Das heißt aber auch: Den Figuren prägt sich das, was die Serie ihnen in ihrer Fiktion zustoßen lässt, nicht allzu stark auf. Die Figuren sind stets zuerst Kinder ihrer Zeit: der madmenisierten dynamischen Sechziger. Selbstverständlich gehört ihr Geschichtsmodell zur Poetik der Serie und ist nicht etwa eine "dokumentarische" Vorbedingung, aber dennoch stößt das Modell den Figuren tendenziell von außen zu, es streicht die minutiae der Intrigen tendenziell durch. Historiografisch mag diese Erzählhaltung korrekt sein, im Kontext des hypernarrativen Qualitätsfernsehen zeitigt sie leise Frustration.