...kein Internet, deswegen weiter wenig Neues. Das aktuelle deutsche Fernsehprogramm verfolge ich nur einmal im Jahr: während der Weihnachtstage und gelegentlich - wie diesmal - auch noch in der folgenden Woche. Es ist jedesmal seltsam, sich durchs Fernsehprogramm beschränkt zu sehen, wenn man gewöhnt ist, ein sehr viel reichhaltigeres Archiv (bzw Archive) zur Verfügung zu haben. Als befristetes Experiment gefällt mir die Situation, ich sehe da stets Filme (und erst recht: Serien, Shows etc), auf die ich sonst niemals stoßen würde. Die beiden Höhepunkte dieser Urlaubszeit hätte ich vermutlich allerdings früher oder später such so entdeckt. Zum einen war das die amerikanische Lowbrow-Komödie Beerfest; ein politischer Film, wenn es je einen gegeben hat, amerikanische Nerds siegen im Trinkwettbewerb über generalstabsmäßig organisierte deutsche - in diesem Fall stimmt die Bezeichnung tatsächlich: - Kampftrinker. Ab sofort ist der Film mein Gegengift für all die schwarz-rot-goldenen Fahnenschwenkevents, vor denen man ja inzwischen leider selbst in Kreuzberg nicht mehr sicher ist.
Vor allem war da aber Across the Wide Missouri, ein Western von William Wellman aus dem Jahr 1951. Wellman hatte ich eigentlich schon vor zwei, drei Jahren für mich entdeckt, als ich einige seiner Precode-Tonfilme gesehen hatte, mein Favorit war damals nicht der natürlich auch großartige Depressionsfilm Heroes for Sale, sondern das obskure Melo Safe in Hell, in dem ein Barmädchen auf eine Karibikinsel flieht. Unter anderem habe ich in dem Film die eindrucksvollste Darstellung einer schwarzen Frau entdeckt, die ich überhaupt im Hollywoodkino gesehen habe. Across the Wild Missouri enstand zwar zwei Jahrzehnte später und ist eine MGM-Produktion, aber sie fühlt sich ähnlich an wie die Cheapies der frühen Dreißiger und sie ist mit 75 Minuten Laufzeit auch nicht viel länger.
Wellman verfügt über seine Figuren, wie ein Kind über seine Spielzeugcowboys und -indianer verfügt, er gruppiert und ordnet schnell und etwas sprunghaft, trotzdem bleibt alles organisch, er zieht ihnen immer wieder neue Kleider an, schickt sie mal in eine Slapstickschlägerei, mal in eine dramatische Abenteuergeschichte, mal in einen Travelogue (toll, wie er es schafft, die Schwierigkeit zu filmen, einen steilen Berg zu erklimmen, die Tour de France-Übertragung scheitert daran bis heute), ohne, dass daraus Brüche resultieren würden. Solche Stimmungswechsel gehören von Anfang an zum Modus des Films. Aber gleichzeitig ist Wellman so großzügig mit und so liebevoll zu seinen Figuren, wie Kinder es in ihren Spielen wohl doch eher selten bis nie sind. Sorgfältig sucht und findet er ihre Eigenheiten und Ticks, in genuin demokratischer Manier versammelt er neben dem Schrot-und-Korn-Amerikaner Clark Gable (Siehe Bert Rebhandl ind er aktuellen Cargo) mehrere Indianer, einen Franzosen, gleich zwei Schotten und viele andere mehr. Wo im Gegenwartskino (beileibe nicht nur: wo in Hollywood) gäbe es heute noch Platz für einen solchen Film über ethnische Heterogenität, ohne Bosheit einerseits und Kitsch andererseits? Die schönsten (und vielleicht auch: häufigsten) Einstellungen zeigen einzelne Figuren in amerikanischer oder halbnaher Einstellung, nicht nur Gesichter, sondern auch Körper, deren betont individuellen Gestus, das Verhältnis zur Umwelt ist mitkommuniziert. Eine Indianerin darf lange, mindestens 15, 20 Sekunden lang erste Versuche machen, auf einer Mundharmonika zu spielen.
Natürlich hätte ich den Film lieber im Kino gesehen und in der originalen Sprachfassung, aber vielleicht zeichnen sich die besten Filme doch dadurch aus, dass sie immer funktionieren, in jeder Größe, in jeder Sprache.
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