Tuesday, October 18, 2011

Community, Season 2

Community kann einem auf die Nerven gehen: bei aller erzählerischer Freiheit (die manchmal in platte Beliebigkeit umschlägt: nachdem der erste Versuch in 1.19 schon eher daneben gegangen war, folgt in der zweiten Staffel gleich eine Paintball-Doppelfolge: 2.23 und 2.24) ist das vor allem eine hypersmarte Serie, übersättigt mit pop culture und skurrilen Nebenfiguren, die auf fragwürdige Weise ausgebeutet werden ("Fat Neil"), wie überhaupt Sitcomfiguren ja nicht automatisch runder oder interessanter werden, wenn sie wissen, dass sie Sitcomfiguren sind. Trotzdem gefällt die Serie mir immer besser, je mehr ich von ihr sehe. Gerade am Ende der zweiten Staffel findet sie zwar auch keine Ausgänge aus dem, aber doch gelegentlich sehr interessante Wendungen im postmodernen Spiegelkabinett.
Episode 2.21 "Paradigms of Human Memory" ist as meta as it can get: Eine Parodie auf jene Art von "Filler-Episoden" in Sitcoms, die keine neue Geschichten erzählen, sondern aus komischen oder rührenden Highlights früherer Folgen zusammengesetzt sind. Community trifft zunächst sehr gut den spielerisch-nostalgischen Tonfall dieser Vorlagen, nur um dann deren komischen Elemente durch sture Wiederholung ins Leere laufen zu lassen und die nostalgischen Elemente in Zeitlupen zu zerdehnen. Ein weiterer Clou ist, dass die Szenen, an die die Serie sich "erinnert" dem Zuschauer gar nicht bekannt sind. Manche zeigen "unbekannte" Szenen bekannter Episoden, andere gänzlich neue Abenteuer. Insgesamt spielt die Episode in grandioser Manier mit verschiedenen Mechanismen der Generierung von Sinn: einerseits durch Rekombinationen innerhalb des akkumulativen Zeichensystems "Community", andererseits kuleshovexperimentartig direkt in Montage und Schnitt.
Noch deutlich besser gefallen hat mir allerdings 2.19 "Critical Film Studies", eine Episode die sich in Tempo und Erzählgestus deutlich vom Rest der Serie unterscheidet. Wo normalerweise schnell zwischen zwei bis drei parallelen Handlungssträngen hin und her geschnitten wird, dominiert hier eine einzige Erzählung, ja sogar ein einziges Gespräch. Es geht in der Episode darum, dass eine Figur sich plötzlich verändert zu haben scheint. Abed ist normalerweise ein popkulturversessener Außenseiter, der den Kontakt zur Welt nur über sein Wissen um Filmzitate und Sitcomkonventionen aufrecht erhalten kann. Jetzt sitzt er mit Jeff, der Hauptfigur der Serie, in einem teueren Restaurant und verhält sich "normal", kommuniziert direkt, scheint seinen popkulturellen Besessenheiten abschwören zu wollen. Am Ende stellt sich heraus, dass auch das "heildende Gespräch" mit Jeff eine Inszenierung war, modelliert nach Louis Malles My Dinner with Andre.
Das schöne an der Episode ist, dass sie sich nach ernsthafter Abwägung der Alternativen ganz auf die Seite des Nichtauthentischen, der sozialen Maskerade schlägt. Jeff sagt Sätze wie: "Conversation was invented by humans to conceal reality" oder auch "emotional breakthroughs are overrated". Nur, wer die Komplexität moderner Identitätsbildung und sozialer Interaktion ohne Rückgriff auf absolute Kategorien wie Persönlichkeitskern oder Identität aushält, lebt ein Leben, das dieser Serie und unserer Zeit angemessen ist.

1 comment:

Ciprian said...

Schöne Beobachtungen, danke!

Vor zwei Wochen wurde ich mit Community angesteckt und verbreite es jetzt fleißig weiter.