Wednesday, May 31, 2017

Somewhere in Time, Jeannot Szwarc, 1980

Der Film ist ganz Mise en scene und die Mise en scene ist ganz Christopher Reeve. Christopher Reeve wird Bild wird Film. Einen Kopf größer als anderen läuft er durch den Film, der sich für ihn interessiert und für alles andere nur insoweit, wie es sich zu ihm in Beziehung setzen lässt.

Das gilt vor allem für die Geschichte: Reeve bekommt von einer alten Frau eine Uhr geschenkt, die ihn auf die Fährte einer verstorbenen Schauspielerin lenkt; aber das Portrait der Schauspielerin ist nur dazu da, um im Gegenschuss Reeves Gesicht zum Leuchten zu bringen.

Er unternimmt dann sogar, nach einer halben Stunde Filmlaufzeit, die sich um ihn und immer nur um ihn dreht, eine Zeitreise, um mit der Schauspielerin zusammenzukommen - irritierenderweise vergisst der Film diese Zeitreise wenige Minuten, nachdem sie geschieht, komplett. Reeve ist jetzt einfach in einer anderen Zeit, aber da der Film sich nur für ihn interessiert, ist diese andere Zeit jetzt eben die Gegenwart des Films. Reeve ist der Gegenwartsmodus des Films.

Alles, was an dem Film nicht Mise en scene ist, ist fürchterlich unbeholfen, regelrecht knarzig. Und auch alles, was Reeve macht, wenn er sich nicht einfach damit begnügt, ein Bildelement (DAS Bildelement) zu sein, ist fürchterlich unbeholfen. Aber Reeve scheint im Großen und Ganzen zu wissen, dass er keine Figur ist, sondern Mise en scene. Christopher Reeve ist ein Axiom, aber gerade nicht als Bewegung, sondern als Stillstellung. Es geht darum, wie er den Bildraum ausfüllt, nicht darum, wie er die Frau zu erobern versucht.

Es gibt nach der Zeitreise eine Eifersuchtsgeschichte, die ist fürchterlich doof und zäh, der Nebenbuhler hat einen uninteressanten Bart und nervt auch sonst. Die Frau (Jane Seymour) dagegen nervt nicht, weil sie auch dann noch, wenn sie leibhaftig auftaucht, in erster Linie Bild ist.

Eine gesonderte Erwähnung allerdings verdient dieses Kind:

Friday, May 26, 2017

My Little Sentimental Friend, Annette Sham, 1983

Es sollte natürlich sowieso mehr Filme von Frauen geben; aber auch: mehr Filme von Frauen über Männer. In My Little Sentimental Friend spielt Eric Tsang eine Figur, die in fast jedem anderen Film zum bloßen punching bag verkommen wäre: ein von der Welt gedemütigter, aber gleichzeitig gutmütig-naiver Kindsmann, der ausgerechnet den Namen Rocky trägt und gleich zu Beginn von seiner Frau verlassen wird; die Nachricht erreicht ihn per VHS-Botschaft, vor dem Scheidungsgericht wird dann seine Impotenz vor der Welt ausgebreitet. My Little Sentimental Friend hält sich jedoch kaum mit den Demütigungen aus, sondern widmet sich in geradezu rührender Manier der Aufgabe, die Hauptfigur wieder aufzupäppeln. Selbst die Nymphomanin, die ihn mit ihren raubtierhaften Avancen überfordert, meint es eigentlich nur gut mit ihm. Es geht nicht darum, aus dem Männchen wieder ein Mann zu machen, sondern darum, dem Männchen als Männchen zum Glück zu verhelfen. Und nicht nur Rocky, sondern allen Männchen dieser Welt. Einmal trifft Rocky einen seinesgleichen, der eine hübsche Frau geheiratet hat. Er erkennt in ihm sofort Seinesgleichen und gratuliert ihm überschwenglich. Die beiden sind auf Anhieb ein Herz und eine Seele.

Der Film interessiert sich dabei kaum für die psychologische Ebene, für Selbstbilder: Rocky scheitert nicht an einem Macho-Ideal, sondern er ist einfach wie er ist. Es geht einfach nur darum, dass eine Frau (Victoria Lam) die Schönheit und Würde von Eric Tsangs weichem, rundem Gesicht erst erkennt, und dann gegen die Welt verteidigt. Ein typisches Nebendarstellergesicht ist das, als solches toll, aber eben nicht die Art von Gesicht, von dem ein Film normalerweise besessen ist. Aber My Little Sentimental Friend ist besessen von Tsangs Gesicht. Es gibt eine Szene, in der Tsang erst jubilierend durch die Gegend tanzt und sogar auf Autodächern herumspringt - und die mit einer 20 Sekunden lang ausgehaltenen Großaufnahme seines glücklich enthemmten Gesichts endet.

Sunday, May 14, 2017

Maybe It's Love, Angela Chan, 1984

A "desperate housewifes of the New Territories" expose slowly taken over by a Rear Window plot. Which in turn gradually morphs into an Our Gang murder mystery while also serving as an anti-bullying message picture. On top of that: a Cherie Chung workout montage, a Cherie Chung aerobic montage, a prolonged softcore sex scene, animals popping up at weird moments, and a subplot chronicling the sexual self-discovery of the local white guy.

To be sure, except for the very 80s Cherie Chung as visual pleasure stuff none of this works like intended - with the thriller plot at several points turning into a complete trainwreck. But still... there's so much going on, in every single scene... There's a disturbing undertone of sexual violence, an underlying rape threat which seems to throw all social relations off balance, maiming the women, but also unsettling the men. It doesn't really lead anywhere, but still it adds up to a sense of hysteria which is in a strange way only enhanced by the fact that the film doesn't manage (or even try) to transform it into a coherent aesthetic form.

Thursday, May 11, 2017

raus damit

Immanuel Kant über den Vertragscharakter der Ehe: “Es ist nämlich, auch unter Voraussetzung der Lust zum wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigenschaften, der Ehevertrag kein beliebiger, sondern durchs Gesetz der Menschheit notwendiger Vertrag (...)” Ein Vertrag also, aber ein nicht beliebiger, der also auch nicht eines fortgesetzten, dynamischen Aushandelns bedarf, sondern nach den “Rechtsgesetzen der reinen Vernunft” notwendig ist, um mit dem Skandal umzugehen, dass im Geschlechtsakt zwei Personen sich einander wechselseitig “gleich als Sache” hingeben.

So fragwürdig bis unerträglich, exklusorisch, autoritär verfügend, die entsprechenden Passagen in Die Metaphysik der Sitten heute anmuten, bleibt doch festzuhalten, dass Kant Ehe und Familie gerade nicht auf die Bedingung der Möglichkeit von Zeugung und anschließendem Aufziehen von Nachkommen reduziert. Sondern sie als ein “natürliches Erlaubnisgesetz” beschreibt, das in seinem Kern auf die Ermöglichung von Geschlechtsverkehr auch abseits des Zwecks der Fortpflanzung zielt. Sexuelles Begehren emanzipiert sich vom Zweck der Zeugung und wird explizit als ein Genuß zugelassen, solange die Verbindung als wechselseitig, ausschließlich und irreversibel gedacht ist.

Anders ausgedrückt: Begehren wird zugelassen, solange es statisch gedacht wird. Die Stillstellung des Begehrens, seine Festlegung auf ein einzelnes Objekt wird jedoch nicht als eine sittliche, die Gemeinschaft betreffende Vorschrift gefasst, sondern leitet sich aus einer nur einzelne Individuen betreffenden Überlegung ab: Begehren wird zugelassen, solange es sich in ein (ehe-, beziehungsweise in der Erweiterung familienförmiges) interpersonelles System fügt, das garantiert, dass die beteiligten Individuen im “Gebrauch” der Geschlechtsteile des jeweils anderen, sich zwar einerseits zur Sache, zum Besitz machen, aber immer schon gleichzeitig “ihre Persönlichkeit wieder her[stellen]” können, eben weil es sich um einen wechselseitigen Gebrauch handelt - und weil der Akt im Bewusststein der Wechselseitigkeit vollzogen wird, weil also der Genuss des jeweils anderen vorausgesetzt werden kann. Kurzum: Im Kern beschreibt Kant Sex als einen kommunikativen, oder wenigstens kommunikationsähnlichen Akt, der - vielleicht in erster Linie - dazu dienen soll, Intimität herzustellen.

Folgt man Kants Konzeption, so lassen sich Ehe und Familie also nicht auf den gesellschaftlichen Nutzen der biologischen und sozialen Reproduktion reduzieren. Eher sind sie notwendig, um das Individuum mit seinem eigenen sexuellen Begehren zu versöhnen. Dieses Begehren ist ein Problem, sobald als Begehrende vernunftsbegabte, nicht mehr ihren Instinkten ausgelieferte Individuen vorausgesetzt werden. Und zwar, weil im sexuellen Begehren ein Besitzanspruch angemeldet wird, der eine andere Person betrifft, die gleichfalls als ein vernunftsbegabtes, nicht seinen Instinkten ausgeliefertes Individuum vorausgesetzt werden muss. Um die Anmaßung, die darin besteht, einen Anderen im Augenblick des Begehrens wie eine Sache besitzen zu wollen (bzw. im Geschlechtsakt auch tatsächlich zu besitzen) angemessen zu begegnen, bedarf es der Ehe und der Familie als einer vertragsartig organisierten Ausschließlichkeitsgemeinschaft, die auf diese Weise von den Beteiligten nicht als Zwang erfahren, sondern als Bedingung der Möglichkeit des eigenen Begehrens (und vor allem dessen Genießens) internalisiert wird.

Kants Argumentation lässt nachvollziehen, warum die Familie sich selbst nicht als eine Zwangsgemeinschaft beschreibt, wie es ihr gelingt, die eigentlich kontingenten (weil nicht auf biologische An- oder Abstoßungskräfte rekurrierenden) Aus- und Einschließungsmechanismen, die ihrer Genese zugrunde liegen, komplett zu naturalisieren: Sie werden in das Innere aller beteiligten Individuen hinein kopiert. Überhaupt entfernt Kant aus seiner Konzeption von Familie alle Verweise auf Macht und Gewalt. Er zeigt, dass die Familie, wie er sie versteht, auch faktisch keine Zwangsgemeinschaft in dem Sinne ist, dass ihre Genese eine Reaktion auf etwas ihr selbst Äußerliches darstellen würde. Eine derart gedachte Familie (und das heißt: eine Familie aus dem Geist der Neuzeit, der Aufklärung) entsteht nicht, um einen Schutzraum gegen eine als feindlich gedachte Umwelt zu verteidigen. 

Monday, May 08, 2017

I Love Lucy S03E03

Chaos strebt zur Ordnung. Zunächst muss das Baby als ein sitcomfremdes Element entfernt werden.




Voila. Rahmen und Sitzordnung sind etabliert.



Ordnung will zur Symmetrie hin ornamentalisiert werden. Das Dekor gibt die Richtung vor, Lucys Geste verweist freilich schon hier auf einen Überschüss ins Imaginäre.


Solidarische Symmetrie








Warum trägt Ricky Lucys Mantel, aber Fred nicht Ethels?



Unsolidarische Symmetrie






Thursday, May 04, 2017

The Ranch

Nur kurz durchgegeben, dass mir die netflix-original-Serie The Ranch sehr gut gefällt. Eine traditionsbewußte Sitcom mit sonderbar aufgeplustertem Vorspann (aber tollem Titellied), außerdem eine Art heimlicher Widergänger von That 70s Show: Ashton Kutcher und Danny Masterson vor, David Trainer hinter den vier Kameras (Masterson nervt ein bisschen mit seinem Sexgelaber, aber auch seine Figur hat Potential; eigentlich fehlt nur noch Laura Prepon, die die Serie sehr gern von Orange Is the New Black abwerben darf... als zickige Cousine könnte ich sie mir sehr gut vorstellen) und sogar die Sets ähneln sich bisweilen; vor allem gibt es auch in The Ranch einen großartigen, wiederkehrenden Schauplatz vor dem Haus, der Freiheitssehnsucht impliziert: Man könnte ja eigentlich einfach in das Auto, das da die ganze Zeit im Bild herumsteht, einsteigen und wegfahren. Macht natürlich niemand, oder jedenfalls nicht für lange.

Es geht, soweit ich das nach einer Handvoll Episoden sehe, nicht mehr wie in That 70s Show um den Generationenkonflikt, sondern um einen Begriff von persönlicher Autonomie, der sich vor allem in Sam Elliotts Figur manifestiert, aber auch in den anderen drei Hauptfiguren (seine Frau spielt Debra Winger!), auf jeweils unterschiedliche Weise, spiegelt. Die Episode 1.05 "American Kids" bringt das auf den Punkt: das Unbehagen, den Jägersitz mit einem anderen Menschen teilen zu müssen, die Versuchung, mit der Waffe anstatt auf die Enten auf das Familienmitglied anzulegen.