Wednesday, September 20, 2017

Festival des deutschen Films auf der Parkinsel in Ludwigshafen am Rhein, Preisverleihung, 16.10.2017

Alle Redner, die auf die Bühne und ans Podium treten, werfen einen Schatten auf die Leinwand, vor der Bühne wie Podium aufgebaut sind. Der Schatten ist einem Spotlight zu verdanken, das frontal auf die Sprechenden gerichtet ist, weshalb er sich klar konturiert auf dem Weiß der Leinwand abzeichnet. Während die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen spricht, kommen mindestens drei Besucher, die in den Reihen vor mir sitzen, unabhängig voneinander (zumindest glaube ich das, vielleicht haben sie es auch einander abgeschaut) auf die Idee, nicht die Oberbürgermeisterin, sondern ihren Schattenwurf  zu fotografieren, der auch in der Tat aufgrund ihrer ausladenden Frisur mehr hermacht als der der übrigen Redenden - fast ausnahmslos Männer mit kaum ernst zu nehmendem Haarwuchs. Allerdings haben alle drei Silhouettenfotografen mit dem Autofokus zu kämpfen, der stets andere, zufällig im Weg stehende, Bühnenelemente fokussieren möchte anstatt des die Leinwand beherrschenden, aber dem privatfotografischen Zugriff sich entziehenden Schattenwesens.

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Ein wenig später wird auf die Leinwand ein Zusammenschnitt aller Filme projiziert, die für den Filmkunstpreis der Festivals nominiert sind. Das Podium wird währenddessen nicht abgebaut sondern steht störend im Bild herum. Die Montage gönnt jedem einzelnen Film höchstens 20 Sekunden, und diese 20 Sekunden sind dann in den meisten Filmen auch keine "integralen" Filmszenen, sondern Minitrailer. Insofern wird da ein gleich doppelt konzentriertes Substrat des deutschen Kino- und Fernsehjahrgangs 2016/17 abgespult. Man könnte aus dieser Melange vermutlich eine ganze Reihe von Leitmotiven extrahieren, aber eines stellt alle anderen in den Schatten: Der Deutsche Film wird von kriminalistischen Untersuchungen dominiert, und zwar vor allem von solchen, die die Suche nach vermissten Personen betreffen. Mehmals werden Tatorte mit rotweißem Plastikband abgesperrt. Das markiert nicht unbedingt einen Ausnahmezustand, aber eine problembehaftete Normalität, die von der Sorge um die Vollständigkeit umgetrieben zu werden scheint. Sind wir noch alle da? Oder fehlt jemand in Deutschland? Lieber noch einmal genau nachzählen.

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