Das Kino mag einiges von seiner einstigen Definitionsmacht über die Popkultur oder gar über die Gesellschaft an sich verloren haben, aber gelegentlich bringt es doch noch Objekte hervor, an denen sich Diskussionen, die im öffentlichen Raum viel Platz einnehmen, beispielhaft kristallisieren. Ein solches Objekt sind die High Heels, die Bryce Dallas Howard als Claire Dearing durch den Film Jurassic World getragen hatte. In zahllosen Kritiken, Facebookdiskussionen und Twitterthreads wurde die Schuhwahl thematisiert und zumeist heftig attackiert: High Heels im Dschungel sind unrealistisch, hieß es da zumeist, erst recht, wenn Dinosaurier hinter einem her sind. Außerdem ist es, wurde dann zumeist noch angefügt, emanzipatorischen Bemühungen abträglich, wenn ein Film zeigt, dass eine Frau sich selbst in einer solch gefährlichen Situation dem Schönheitsdiktat fügt und sich derart unpraktisch anzieht. Die wenigen Gegenargumente, unter anderem von Howard selbst vorgebracht, gehen in eine ähnliche Richtung: Eine toughe Karrierefrau wie Claire müsse nun einmal, um sich in der Männerwelt durchsetzen zu müssen, High Heels tragen, sie hätte nach der Dinosaurierattacke schlichtweg keine Zeit gehabt, sich umzuziehen und überhaupt sei es ja ein Zeichen von Emanzipation, dass Frauen inzwischen anziehen können was sie wollen, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Ganz davon abgesehen, dass eine Frau, die Dinosauriern in High Heels die Stirn bietet, selbstverständlich noch einmal ein gutes Stück bewundernswerter ist als eine, die dabei Turnschuhe trägt, zeigt diese Diskussion, dass Kinobilder im diskursiven Raum doppelt überdeterminiert sind: Sie werden zum einen nach den Vorgaben eines alltäglichen, lebensweltlichen Realismus beurteilt, der selbst noch in fantastischen Genres gilt (Kino 2018 heißt: Dinosaurier sehen und nicht gefressen werden, aber dabei bitte bequeme Schuhe tragen); zum anderen werden sie abgeglichen an sozialen Rollenmustern, denen eine Definitionsmacht über realweltliches Verhalten unterstellt wird. Anders ausgedrückt: Die Bilder werden gleichzeitig daran gemessen, wie die Welt ist und daran, wie die Welt sein soll. In den Hintergrund rückt dabei die Fähigkeit des Kinos, eigene Welten zu erschaffen.
Man muss gleich dazu sagen: Diese Entwicklung ist nicht nur die Schuld einer fantasielosen, buchhalterischen Kulturkritik. Sie spiegelt sich auch in den Filmen selbst wieder. Die Diskussion um Howards Schuhe etwa entwickelte eine derartige Dynamik, dass sie jüngst anlässlich der Fortsetzung des Films neu aufgelegt wurde - und eben auch im Film, in Juan Antonio Bayonas Jurassic World: Das gefallene Königreich, einen Niederschlag fand. Der neue Film legt wert darauf, seinem Publikum mitzuteilen, dass Howard zwar nach wie vor hochhackige Schuhe trägt solange sie sich in einem passenden Umfeld bewegt, dass sie diese aber inzwischen ablegt, wenn es in den Dschungel geht.
Vielleicht ist die Idee einer Autonomie des Ästhetischen überhaupt in eine Krise geraten. Die Verkürzungen, die dadurch entstehen, werden besonders deutlich, wenn man sich anschaut, wie über Figuren im Film, und erst recht, wie über Schauspielerinnen und Schauspieler geschrieben wird. Wenn Filmkritik Darstellerinnen und Darsteller nur als Figuren beschreibt, und Figuren nur als psychologisch konstruierte Subjekte, die Handlungsoptionen haben und wahrnehmen, (welche dann, dann, im nächsten Schritt, ideologisch beurteilt werden können), übersieht sie etwas Entscheidendes am Kino: Wie alle anderen Elemente des Films sind Schauspieler im Kino in erster Linie zum Anschauen da.
Dass Menschen, sobald sie vor die Kamera treten, zumindest auch ästhetische Objekte sind, ist ein ewiger Skandal des Kinos. Primär sind alle Menschen, die auf der Leinwand erscheinen, nicht Subjekte einer Handlung, sondern Objekte der Schaulust. Grundsätzlich gilt das für beide Geschlechter gleichermaßen, aber bei Frauen ist der Skandal offensichtlicher, und er wird deshalb auch expliziter thematisiert, wenn es um die Darstellung von Frauen geht. Oft läuft das auf die Forderung hinaus, dass Schauspielerinnen nicht auf ihr Äußeres reduziert werden sollen. Dazu passt, dass in den meisten Filmkritiken nichts oder fast nichts über das Äußere (insbesondere über körperliche Merkmale) von Schauspielerinnen und auch von Schauspielern zu lesen ist. Das ist einerseits nachvollziehbar, weil solche Überlegungen unweigerlich an höchstpersönlichen, erotischen Vorlieben rühren würden, aber andererseits: Die Kamera fängt qua Technik nun einmal nicht Inner-, sondern Äußerlichkeiten ein. Natürlich folgt daraus nicht, dass Kritik an sexistischen Darstellungskonventionen illegitim wäre. Filme, die Frauen nicht anders denken können denn als passive, sexualisierte Blickobjekte (und das Publikum nur als ein männlich-voyeuristisches) sind schließlich auch in ästhetischer Hinsicht zumeist fürchterlich öde.
Aber die Körperlichkeit und auch die Kleidung seiner Darsteller ist dem Kino nichts Äußerliches - sondern eines seiner wichtigsten Materialien. Es stände der Filmkritik gut zu Gesicht, wenn sie den Filmen einerseits, wenn es um Fragen der Äußerlichkeit (also: um die entscheidenden Fragen) geht, ein wenig Gestaltungsspielraum einräumen, und vor allem nicht immer gleich mit alltagsrealistischen Vorgaben um die Ecke kommen würde; und wenn sie andererseits diesen Äußerlichkeiten da, wo es angemessen ist, auch die entsprechende Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen würde. Bryce Dallas Howard zum Beispiel ist schlicht und einfach durchweg großartig angezogen in Jurassic World.
Die Textreihe "Konfetti" entsteht im Rahmen des Siegfied-Kracauer-Stipendiums. Mehr Informationen hier.
Ganz davon abgesehen, dass eine Frau, die Dinosauriern in High Heels die Stirn bietet, selbstverständlich noch einmal ein gutes Stück bewundernswerter ist als eine, die dabei Turnschuhe trägt, zeigt diese Diskussion, dass Kinobilder im diskursiven Raum doppelt überdeterminiert sind: Sie werden zum einen nach den Vorgaben eines alltäglichen, lebensweltlichen Realismus beurteilt, der selbst noch in fantastischen Genres gilt (Kino 2018 heißt: Dinosaurier sehen und nicht gefressen werden, aber dabei bitte bequeme Schuhe tragen); zum anderen werden sie abgeglichen an sozialen Rollenmustern, denen eine Definitionsmacht über realweltliches Verhalten unterstellt wird. Anders ausgedrückt: Die Bilder werden gleichzeitig daran gemessen, wie die Welt ist und daran, wie die Welt sein soll. In den Hintergrund rückt dabei die Fähigkeit des Kinos, eigene Welten zu erschaffen.
Man muss gleich dazu sagen: Diese Entwicklung ist nicht nur die Schuld einer fantasielosen, buchhalterischen Kulturkritik. Sie spiegelt sich auch in den Filmen selbst wieder. Die Diskussion um Howards Schuhe etwa entwickelte eine derartige Dynamik, dass sie jüngst anlässlich der Fortsetzung des Films neu aufgelegt wurde - und eben auch im Film, in Juan Antonio Bayonas Jurassic World: Das gefallene Königreich, einen Niederschlag fand. Der neue Film legt wert darauf, seinem Publikum mitzuteilen, dass Howard zwar nach wie vor hochhackige Schuhe trägt solange sie sich in einem passenden Umfeld bewegt, dass sie diese aber inzwischen ablegt, wenn es in den Dschungel geht.
Vielleicht ist die Idee einer Autonomie des Ästhetischen überhaupt in eine Krise geraten. Die Verkürzungen, die dadurch entstehen, werden besonders deutlich, wenn man sich anschaut, wie über Figuren im Film, und erst recht, wie über Schauspielerinnen und Schauspieler geschrieben wird. Wenn Filmkritik Darstellerinnen und Darsteller nur als Figuren beschreibt, und Figuren nur als psychologisch konstruierte Subjekte, die Handlungsoptionen haben und wahrnehmen, (welche dann, dann, im nächsten Schritt, ideologisch beurteilt werden können), übersieht sie etwas Entscheidendes am Kino: Wie alle anderen Elemente des Films sind Schauspieler im Kino in erster Linie zum Anschauen da.
Dass Menschen, sobald sie vor die Kamera treten, zumindest auch ästhetische Objekte sind, ist ein ewiger Skandal des Kinos. Primär sind alle Menschen, die auf der Leinwand erscheinen, nicht Subjekte einer Handlung, sondern Objekte der Schaulust. Grundsätzlich gilt das für beide Geschlechter gleichermaßen, aber bei Frauen ist der Skandal offensichtlicher, und er wird deshalb auch expliziter thematisiert, wenn es um die Darstellung von Frauen geht. Oft läuft das auf die Forderung hinaus, dass Schauspielerinnen nicht auf ihr Äußeres reduziert werden sollen. Dazu passt, dass in den meisten Filmkritiken nichts oder fast nichts über das Äußere (insbesondere über körperliche Merkmale) von Schauspielerinnen und auch von Schauspielern zu lesen ist. Das ist einerseits nachvollziehbar, weil solche Überlegungen unweigerlich an höchstpersönlichen, erotischen Vorlieben rühren würden, aber andererseits: Die Kamera fängt qua Technik nun einmal nicht Inner-, sondern Äußerlichkeiten ein. Natürlich folgt daraus nicht, dass Kritik an sexistischen Darstellungskonventionen illegitim wäre. Filme, die Frauen nicht anders denken können denn als passive, sexualisierte Blickobjekte (und das Publikum nur als ein männlich-voyeuristisches) sind schließlich auch in ästhetischer Hinsicht zumeist fürchterlich öde.
Aber die Körperlichkeit und auch die Kleidung seiner Darsteller ist dem Kino nichts Äußerliches - sondern eines seiner wichtigsten Materialien. Es stände der Filmkritik gut zu Gesicht, wenn sie den Filmen einerseits, wenn es um Fragen der Äußerlichkeit (also: um die entscheidenden Fragen) geht, ein wenig Gestaltungsspielraum einräumen, und vor allem nicht immer gleich mit alltagsrealistischen Vorgaben um die Ecke kommen würde; und wenn sie andererseits diesen Äußerlichkeiten da, wo es angemessen ist, auch die entsprechende Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen würde. Bryce Dallas Howard zum Beispiel ist schlicht und einfach durchweg großartig angezogen in Jurassic World.
Die Textreihe "Konfetti" entsteht im Rahmen des Siegfied-Kracauer-Stipendiums. Mehr Informationen hier.
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