Noch einmal ein - etwas ungeformter - Gedanke zur Frage nach der Dunkelheit im Kino. Relevant scheint sie mir, weil in gewisser Weise die Dunkelheit, nicht das Licht, die Basis des Kinos ist. Der Film alleine, ohne Kino, ist Lichtkunst, genauer gesagt Licht in Bewegung (bei analoger Projektion stimmt nicht einmal das; da sehen wir strenggenommen lediglich isolierte Lichtblitze, unterbrochen von Phasen der Dunkelheit). Aber nur, wenn dieses Licht in Dunkelheit eingelassen wird, befinden wir uns in einem Kino. Noch einmal anders ausgedrückt: Der Film trägt, in dem Moment, in dem er sichtbar wird, erst einmal nur eine Differenz in die Welt ein, zum Kino wird er durch die Entscheidung, diese Differenz zu rahmen und absolut zu setzen.
Dunkelheit wiederum muss produziert werden, sie ist nicht einfach da. Insofern ist es irreführend, sie als die bloße Abwesenheit von Licht zu definieren. Technisch mag das korrekt sein, aber Licht ist nun einmal unter irdischen Bedingungen, in der einen oder anderen Form, fast allgegenwärtig. Es auszusperren ist harte Arbeit. Es gibt für Menschen, habe ich vor ein paar Tagen erfahren, auf unserem Planeten nur zwei Möglichkeiten, die komplette Abwesenheit von Licht (das heißt natürlich: die komplette Abwesenheit von jener Art von Licht, die für Menschen sichtbar ist) zu erfahren. Zum einen unter Wasser, ab einer Tiefe von circa 60 Metern, zum anderen in Naturhöhlen beziehungsweise Bergwerken.
Erklärt wurde mir das von einem Höhlenführer, in den Tiefen eines touristisch erschlossenen Höhlensystems. Ich konnte dann, gemeinsam mit einer Höhlenerkundungstruppe, auch gleich die Probe aufs Exempel machen. Nachdem wir alle die Taschenlampen - hier, tief unter der Erdoberfläche, die einzigen Lichtquellen - abgedreht hatten, standen wir tatsächlich einige Minuten in absoluter Finsternis da. Das ist eine Erfahrung, die nicht zuletzt zeigt, wie wenig dunkel die Dunkelheit des Kinos eigentlich ist.
Dunkelheit wiederum muss produziert werden, sie ist nicht einfach da. Insofern ist es irreführend, sie als die bloße Abwesenheit von Licht zu definieren. Technisch mag das korrekt sein, aber Licht ist nun einmal unter irdischen Bedingungen, in der einen oder anderen Form, fast allgegenwärtig. Es auszusperren ist harte Arbeit. Es gibt für Menschen, habe ich vor ein paar Tagen erfahren, auf unserem Planeten nur zwei Möglichkeiten, die komplette Abwesenheit von Licht (das heißt natürlich: die komplette Abwesenheit von jener Art von Licht, die für Menschen sichtbar ist) zu erfahren. Zum einen unter Wasser, ab einer Tiefe von circa 60 Metern, zum anderen in Naturhöhlen beziehungsweise Bergwerken.
Erklärt wurde mir das von einem Höhlenführer, in den Tiefen eines touristisch erschlossenen Höhlensystems. Ich konnte dann, gemeinsam mit einer Höhlenerkundungstruppe, auch gleich die Probe aufs Exempel machen. Nachdem wir alle die Taschenlampen - hier, tief unter der Erdoberfläche, die einzigen Lichtquellen - abgedreht hatten, standen wir tatsächlich einige Minuten in absoluter Finsternis da. Das ist eine Erfahrung, die nicht zuletzt zeigt, wie wenig dunkel die Dunkelheit des Kinos eigentlich ist.
Tatsächlich ist die Höhle eine durchaus geläufige Metapher in der Filmtheorie, zumeist allerdings in Anlehnung an Platons Höhlengleichnis, das möglicherweise Aufschluss geben kann über den Illusionscharakter des filmischen Bildes. Aber vielleicht ist es interessanter, das Kino nicht von einer gleichnishaften, philosophischen Höhle her zu denken, sondern von einer echten?
Interessant ist in diesem Zusammenhang: Die Ähnlichkeit von Kino und Höhle ergibt sich nicht in der absoluten Finsternis tief unter der Erde, sondern erst, wenn ich die Taschenlampe wieder anknipse. In gewisser Weise stelle ich damit eine kinoartige Situation her: Der Lichtstrahl der Taschenlampe bringt eine sichtbare Welt hervor, einen relativ scharf umgrenzten Bildausschnitt, jenseits dessen der finstere Offscreenspace, in einem gewissen Sinne das absolute Nichts, lauert. Ich kann mit der Lampe einen Schwenk simulieren, der sich in das Nichts hineinfräst, wodurch einerseits eine Schneise der Sichtbarkeit geschlagen, andererseits aber auch laufend neue Unsichtbarkeiten produziert werden.
Offensichtlich gibt es Parallelen zwischen der Höhlenerkundung per Taschenlampe und der Kinoerfahrung, ebenso offensichtlich auch Unterschiede, die vor allem mit einer Kontinuität von mir, meinem Blick und dem von mir Angeblicktem zu tun haben: In der Höhle blicke ich auf eine Welt, deren Teil ich bin und die ich im nächsten Moment betreten kann, im Kino gibt es eine ontologische Schranke zwischen mir und der Leinwand. Fasziniert hat mich tief unter der Erde etwas anderes: die Möglichkeit, das Feld des Sichtbaren mithilfe der Taschenlampe zu manipulieren. Denn es ist ja nicht einfach nur so, dass das Licht der Lampe die Höhle auf dieselbe Weise sichtbar macht, wie die Betätigung eines Lichtschalters ein vorher abgedunkeltes Zimmer. Ich sehe mithilfe einer Taschenlampe nicht das Ganze der Höhle, sondern nur einen kleinen Ausschnitt, und nicht nur meine Position in der Höhle, sondern auch der Winkel, in dem ich die Taschenlampe halte, bestimmen, was für ein Ausschnitt das ist. Ich kann in der Höhle nachvollziehen, wie schon kleine Bewegungen der Lampe die Welt, die sich vor mir eröffnet, grundlegend verändern. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Höhlen komplexe Räume sind, voller Tunnel, Spalte, Blickhindernissen, überraschenden Durchsichten.
Die Konturen des Raums, insbesondere seine Tiefendimension, aber auch die Verteilung von Licht und Schatten ändern sich in einer solchen Umgebung mit jeder kleinen Bewegung, die ich mache. Der Lichtstrahl meiner Taschenlampe bringt, in meiner unmittelbaren Erfahrung, nicht eine kontinuierliche, sondern eine kontinuierlich sich transformierende Welt hervor. Wobei beides, auch das zeigt die Erfahrung in der Höhle, nicht voneinander zu trennen ist. Denn selbstverständlich weiß ich, dass die äußere Form des Gesteins, das ich betrachte, dem dynamischen optischen Eindruck zum Trotz stabil ist. Mit einer Taschenlampe eine Höhle zu durchwandern heißt, die Welt gleichzeitig zu erkunden und beständig neu zu (ver-)formen. Und vielleicht ähnelt mein Blick in der Höhle gerade darin, in dieser Doppelung, weniger meinem eigenen Blick im Kino als dem Blick, den das Kino auf die Welt wirft.
Interessant ist in diesem Zusammenhang: Die Ähnlichkeit von Kino und Höhle ergibt sich nicht in der absoluten Finsternis tief unter der Erde, sondern erst, wenn ich die Taschenlampe wieder anknipse. In gewisser Weise stelle ich damit eine kinoartige Situation her: Der Lichtstrahl der Taschenlampe bringt eine sichtbare Welt hervor, einen relativ scharf umgrenzten Bildausschnitt, jenseits dessen der finstere Offscreenspace, in einem gewissen Sinne das absolute Nichts, lauert. Ich kann mit der Lampe einen Schwenk simulieren, der sich in das Nichts hineinfräst, wodurch einerseits eine Schneise der Sichtbarkeit geschlagen, andererseits aber auch laufend neue Unsichtbarkeiten produziert werden.
Offensichtlich gibt es Parallelen zwischen der Höhlenerkundung per Taschenlampe und der Kinoerfahrung, ebenso offensichtlich auch Unterschiede, die vor allem mit einer Kontinuität von mir, meinem Blick und dem von mir Angeblicktem zu tun haben: In der Höhle blicke ich auf eine Welt, deren Teil ich bin und die ich im nächsten Moment betreten kann, im Kino gibt es eine ontologische Schranke zwischen mir und der Leinwand. Fasziniert hat mich tief unter der Erde etwas anderes: die Möglichkeit, das Feld des Sichtbaren mithilfe der Taschenlampe zu manipulieren. Denn es ist ja nicht einfach nur so, dass das Licht der Lampe die Höhle auf dieselbe Weise sichtbar macht, wie die Betätigung eines Lichtschalters ein vorher abgedunkeltes Zimmer. Ich sehe mithilfe einer Taschenlampe nicht das Ganze der Höhle, sondern nur einen kleinen Ausschnitt, und nicht nur meine Position in der Höhle, sondern auch der Winkel, in dem ich die Taschenlampe halte, bestimmen, was für ein Ausschnitt das ist. Ich kann in der Höhle nachvollziehen, wie schon kleine Bewegungen der Lampe die Welt, die sich vor mir eröffnet, grundlegend verändern. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Höhlen komplexe Räume sind, voller Tunnel, Spalte, Blickhindernissen, überraschenden Durchsichten.
Die Konturen des Raums, insbesondere seine Tiefendimension, aber auch die Verteilung von Licht und Schatten ändern sich in einer solchen Umgebung mit jeder kleinen Bewegung, die ich mache. Der Lichtstrahl meiner Taschenlampe bringt, in meiner unmittelbaren Erfahrung, nicht eine kontinuierliche, sondern eine kontinuierlich sich transformierende Welt hervor. Wobei beides, auch das zeigt die Erfahrung in der Höhle, nicht voneinander zu trennen ist. Denn selbstverständlich weiß ich, dass die äußere Form des Gesteins, das ich betrachte, dem dynamischen optischen Eindruck zum Trotz stabil ist. Mit einer Taschenlampe eine Höhle zu durchwandern heißt, die Welt gleichzeitig zu erkunden und beständig neu zu (ver-)formen. Und vielleicht ähnelt mein Blick in der Höhle gerade darin, in dieser Doppelung, weniger meinem eigenen Blick im Kino als dem Blick, den das Kino auf die Welt wirft.
Die Textreihe "Konfetti" entsteht im Rahmen des Siegfied-Kracauer-Stipendiums. Mehr Informationen hier.