Thursday, December 01, 2011

Coming Attractions

The Muppets, James Bobin, 2011

Auch wenn die Muppets, wie der Film nicht müde wird, einem unter die Nase zu reiben, in der heutigen Populärkultur anachronistisch wirken, scheinen sie in Amerika doch noch bis zu einem gewissen Grad zur Allgemeinbildung zu gehören. An mir als komplettem Muppet-Außenseiter dagegen sind die im Kino frenetisch bejubelten Insiderwitze gleich dutzendfach vorbeigerauscht. Leider nicht vorbeigerauscht sind die dann tatsächlich anachronistische Selbstreflexivität ("You just revealed a major plot point"), der etwas zu genau abgezirkelt campige Humor des Films und Jason Segels overacting, das in diesem einen Fall, vielleicht hauptsächlich aufgrund der artifiziellen, uneigentlichen Welt, in die es eingelassen ist, leider eher opportunistisch-ranschmeißerisch als naiv-ehrlich wirkt. Gefallen haben mir trotz allem die Muppets selbst, von denen es ja tatsächlich unglaublich viele zu geben scheint. Kermit vor allem natürlich, ein Star erst wider Willen (mit einer wundervollen, zerbrechlichen Stimme), der das Startum dann aber als moralische Verpflichtung auf sich nimmt.
Vermutlich ist diese Melanche aus wohlfeiler Nostalgie (ganz schlimm in der ersten Musical-Szene), smarter Intertextualität und jeder Menge Cameo-Auftritte genau das richtige, um ein schwächelndes Franchise wiederzubeleben. Wer herausfinden möchte, was an den Muppets (als Versuch, die Popkultur von innen heraus moralsich zu erneuern, zum Beispiel, aber das ist natürlich nur Spekulation) einmal interessant gewesen sein könnte, ist in dem Film leider weniger gut aufgehoben.

Hugo, Martin Scorsese, 2011

Eigentlich mag ich den späten Scorsese, aber Hugo ist leider ziemlich unerträglich. Der Film fühlt sich an wie eine hohle, aber mit poserhaften Power-Point-Folien aufgemotzte Vorlesung zur Früh- und Technikgeschichte des Kinos. Mit großer Geste konstruiert der Film seine Welt als eine Verschaltung unterschiedlicher technologischer Innovationen (Uhrwerk, Eisenbahn, künstliche Gehhilfen, ein Automaton vor allem, um den Hugo viel Gewese macht) und immer wieder sucht Scorsese nach "Symbolbildern" für den technisch vermittelten Blick, den das Kino erlaubt. Besonders oft wird durch das Ziffernblatt einer Uhr hindurch ein hübsch zurechtgemachtes Postkartenparis bewundert. Später dann jede Menge frühes Kino, wobei Scorsese nicht einmal davor zurückschreckt, den Lumierezug dreidimensional nachzubearbeiten, so dass der dann halt tatsächlich ins Publikum zu rauschen scheint. Die Hauptfigur Hugo ist ein "Waisenkind des Kinos", angelehnt vielleicht an Truffaut beziehungsweise dessen alter ego Antoine Doinel.
Das hört sich alles interessanter an, als es ist, der Film ist vor allem reichlich abgeschmackt in den Figurenzeichnungen und in technischer Hinsicht aufdringlich, wobei die 3D-Effekte, die laut Scorsese ja mit jeder Einstellung "Kino neu denken" sollen, haargenau gleich funktionieren, wie in allen anderen 3D-Filmen auch. Jede Menge in den Kinosaal geblasene Schneeflocken.

J. Edgar, Clint Eastwood, 2011

Gefallen hat mir dagegen Eastwoods neuer Film. Die private files of J. Edgar Hoover lässt der Regisseur im Aktenschrank schräg hinter dem Schreibtisch des FBI-Chefs - beziehungsweise in dem anderen und zugegebenermaßen in politischer Hinsicht deutlich wagemutigeren Hoover-Biopic von Larry Cohen. Eastwood versucht sich dagegen an einer eher sanften Dekonstruktion eines Medienstars, ähnlich wie in Flags of Our Fathers geht es um die Macht von Bildern, um Projektionen und Propaganda. Auch J. Edgar ist dabei filmhistorisch ambitioniert, anders als Scorsese fährt Eastwood aber kein ganzes Archiv auf, sondern beschränkt sich auf zwei ikonische James-Cagney-Momente. Ein anderer Strang des Films beschäftigt sich, durchau in Oliver-Stone-Manier, mit den unterstellten psychologischen Triebkräften Hoovers, mit verdrängter Homosexualität und einem nicht verarbeiteten Mutterkomplex vor allem. Eastwood ist dabei weniger aufdringlich als Stone, wenn sich Hoovers langjährige Sekretärin mehr und mehr in ein Ebenbild der verstorbenen Mutter verwandelt, reibt der Film einem das nicht mehr als nötig unter die Nase. Und der erste Auftritt des verleugneten Lovers als Silhouette hinter der Milchglasbürotür ist großartig.
Der Film sieht super aus, insbesondere die Szenen, die im Büro (plus Vorzimmer) spielen. Mit zunehmender Dauer wird J. Edgar zu einem reinen Schattenfilm, die Kamera tastet wieder und wieder di Caprios Umrisse ab, beleuchtet nur noch vom fahlen Licht einer selbstfabrizierten Geschichte, über die der alte FBI-Chef langsam aber sicher die Deutungshoheit verliert

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