Wie wenig amerikanische Filme ehrlich über Armut sprechen, habe ich noch einmal bemerkt, als ich im Laufe der Achtziger-Sichtung auf einige gestoßen bin, die es immerhin versuchen: Country von Richard Pearce zum Beispiel, oder Hard Country von David Greene. Und heute? In ihrer jeweiligen Niedertracht einander perfekt ergänzend: Killer Joe von William Friedkin und Beasts of the Southern Wild von Benh Zeitlin.
Der erste ist ein Film, der nicht nur noch einmal nachtritt, wenn einer am Boden liegt, sondern der dazu auch noch lustigen upbeat-Rock'n-Roll spielt. Ich glaube, das war die Szene, in der mir klar wurde, dass der Film tatsächlich selbst so schäbig ist, wie er mit viel Lust aussieht. Danach wird der trailer trash einer unbarmherzig stumpfen Theatermechanik ausgeliefert, das ist alles, mehr fällt Friedkin nicht ein zum Amerika des Jahres 2011. Exploitation, die nichts öffnet, sondern sich in sich selbst verschließt. Der eine ist ein Film, der Stolz darauf ist, keine Empathie für niemanden zu haben.
Der andere ist ein Film, der so tut, als würde jedes Bild überfließen vor Empathie für das, was es zeigt. Und der dann gleichzeitig jede Gefühlsregung einerseits auf das perfekte Andere der anvisierten Zuschauerschaft projiziert (auf das kleine schwarze Mädchen in der Hippiekommune, die Krustentiere von Hand knacken kann) und sie so weit verallgemeinert, dass sie doch wieder niemandem gelten kann. Arthauskosmologie, in der schlimmen Tradition von Iñárritu und Haggis: "Im Universum hängt alles mit allem zusammen" - und weil das so ist, muss man sich nicht mehr darum kümmern, ob und wie das eine mit dem anderen dann auch ganz konkret zusammenhängen könnte, die Hippiekommune mit der Fabrik hinter dem Stauwall zum Beispiel.
(Und wo hätte das deutsche Kino, nach Slatan Dudow, auch nur versucht, über Armut zu sprechen?)
5 comments:
Finde ja nach wie vor, dass du "Killer Joe" in den falschen Hals bekommen hast. Der scheint mir viel zu sehr einem Pulp-Universum verhaftet (und von Pulp-Archetypen bevölkert, in lustvoller Eskalations-Dynamik aufgehend), als dass es mir ernsthaft in den Sinn käme, ihn als zynischen Film über Armut zu sehen. Aber da gehen die Meinungen ja vielerorts sehr gründlich auseinander. Bei "Beasts" bin ich wiederum ganz bei dir.
Zur letzten Klammer-Frage: So aus dem Stegreif natürlich immer schwer zu beantworten, das ein oder andere scheint es mir da aber schon zu geben. Würde spontan mal Marran Gosov in den Raum werfen, der etwa Dieter Augustin in "Wonnekloß", vor allem aber einigen seiner leider kaum sichtbaren Kurzfilme (besonders "Pfeiffer"), immer wieder Figuren spielen ließ, deren scheinbar lässiger Lebenskünstler-Habitus die dahinterstehenden prekären Lebensverhältnisse stellenweise umso bitterer durchbrechen lässt.
Btw: Ein sehr schöner US-Film anno 2012, der im Vorbeigehen über Armut spricht, ohne das je explizit und ausgestellt zum Thema zu machen: "Gimme the Loot" von Adam Leon.
(Fällt mir auf Anhieb nur KANAKERBRAUT von Uwe Schrader ein.)
@andreas: mir geht es eben so, dass ich schon die entscheidung, das white trash milieu in ein immer hermetischer verschlossenes pulp-universum zu verwandeln, für äußerst problematisch halte. aber wir müssen uns ja nicht bei jedem film einig sein:)
und an beide: danke für die hinweise!
"Killer Joe" als einen Film über Armut in den USA zu sehen, ist mir und wohl vielen anderen Zuschauern nicht eingefallen. Das ist sicherlich ein anderer Blick auf Friedkins Werk, muss aber fast geradezu zwingend letztlich enttäuschen.
Ihn als Thriller zu interpretieren, führt anscheinend ebenso oft zu Enttäuschungen.
Am ehesten scheinen die Zuschauer etwas mit dem Film anzufangen, die ihn als groteske Sexkomödie sehen... als ein Film, der Elia Kazans "Baby Doll" viel näher steht als einem Thriller oder einem Sozialdrama. So habe ich ihn auch gesehen und damit einen der besten Filme des aktuellen Jahres entdeckt.
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