Friday, February 08, 2013

Grandmaster Pixelbrei

Thomas kommt am Ende seiner "The Grandmaster"-Kritik kurz darauf zu sprechen. Hier noch ein wenig ausführlicher.

Nikolaus und ich hatten während der Vorführung kurz überlegt, ob vielleicht tatsächlich eine BluRay eingelegt worden war. Schließlich saßen wir in der zweiten, eine halbe Stunde nach der ersten gestarteten Pressevorführung. Und es wäre ja möglich (wenn auch nicht wahrscheinlich) gewesen, dass nur eine vernünftige Kopie verfügbar war. Offensichtlich jedoch ging es allen anderen nicht besser, weder in der ersten Pressevorführung, noch bei der regulären Vorführung am Abend im Friedrichstadtpalast. Wer dort vorne gesessen hat, wird jedes Pixel einzeln begrüßt haben können. Man kann nicht viel drumherum reden: Die Projektionsqualität von "The Grandmaster" - immerhin der Eröffnungsfilm eines der drei wichtigsten Filmfestivals der Welt - war eine einzige Katastrophe.

Die größten Probleme kennt man vom eigenen Fernseher: Digital errechnete Bilder haben - zumindest derzeit noch - Probleme mit gewissen Abschnitten der Farbskala; vor allem mit den extrem dunklen Abschnitten. Eine gute DCP kann diese Schwächen halbwegs (nie ganz) verschleiern. Bei einer schlechten DCP verlieren die dunklen Partien der Leinwand alle Nuancen, bei noch schlechteren kommt es zur Artefaktbildung (Streifen etc). "The Grandmaster" wurde offensichtlich in einer derartigen noch schlechteren Version aufgeführt (wenn es nicht doch von Anfang an keine DCP, sondern ein minderwertiger Datenträger war; ich habe, ganz ehrlich, bessere DVD-Screenings gesehen). Die Gesichter dagegen fasern entweder an den Rändern in Pixelbrei aus, oder es ergeben sich, bei harten Kontrasten zum Hintergrund, gräßliche Scherenschnitteffekte. Bei einigen anderen Problemen war ich mir nicht ganz sicher, ob sie komplett der Projektion, oder teilweise doch der Postproduktion (color grading etc) anzulasten sind. Ein Abgleich mit einer korrekt projizierten 35mm-Kopie würde jedoch garantiert noch jede Menge weiterer Transferfehler offenbaren.

Das Ärgernis besteht eben nicht nur darin, dass eine schlechte bis unterirdische DCP vorgeführt wurde; sondern schon darin, dass überhaupt eine DCP vorgeführt wurde. "The Grandmaster" wurde, wie nicht mehr allzu viele zeitgenössische Filme, auf 35mm gedreht; und läuft bereits seit einem Monat in China, auf einem riesigen Filmmarkt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es da unmöglich gewesen wäre, wenigstens eine 35mm-Kopie aufzutreiben für den Festivaleinsatz. War dem Festival die Recherche zu aufwändig? Hätte man gar extra Untertitel anfertigen müssen? Man weiß es nicht... Jedenfalls wurde dann statt dessen einfach irgendetwas an den Projektor angeschlossen, auf dem "Grandmaster" steht. Ich vermute schon seit längerem, dass die Digitalisierung dem Kino primär nicht deshalb schadet, weil sie die unterlegene Technik ist (obwohl sie das, zumindest bislang, durchaus noch ist), sondern, weil sie eine oft geradezu unfassbare Sorglosigkeit zur Folge hat. Die analoge Technik garantierte, qua Apparat, zumindest ein gewisses Maß an Respekt für das Bild. Jetzt brechen alle Dämme.

2 comments:

david said...

Könnte es eventuell sein, dass gerade die Presse schlechte Digitalprojektionen vorgesetzt bekam (was auch so nicht besonders geschickt für die Außendarstellung des größten deutschen Filmfestivals wäre)? Oder liefen generell die meisten aktuellen Filme auf der Berlinale im DCP-Format?
Die Probleme der digitalen Projektion sind ja mittlerweile allseits bekannt – und gerade auch deswegen werden sie eben nicht weniger ärgerlich: Vorführungs-Verzögerungen aufgrund elektronischer Störungen, Pixel-Orgien, Kontrast-und-Helligkeits-Verwirrungen, you name it. Richtig gute, quasi-perfekte DCPs haben hingegen das Problem, dass das Bild zu „klinisch“ wirkt. Als würde man auf einen überdimensionierten Bildschirm und nicht auf eine Kino-Leinwand schauen. So frage ich mich immer noch, ob mir (der auf Film gedrehte) DJANGO UNCHAINED in 35mm-Projektion nicht wesentlich besser gefallen hätte.
Einen kleinen Lichtblick gibt es aber potentiell auch: Kinos können dank digitaler Projektion wohl einfacher und aufwandgünstiger parallel synchronisierte und OV/OmU-Fassungen nicht-deutschsprachiger Filme anbieten. Das erscheint mir besonders für die Provinz eine anregende Perspektive, etwa für meine heimatliche Cine-Wüste Thüringen (als deren OV/OmU-affine Bewohner man teilweise 200 Kilometer fahren müsste, um Filme zu schauen, die nicht vorher in Synchronhausen bearbeitet worden sind). Aber eben auch das ist im Grunde nur eine rein technische Möglichkeit, deren Ausnutzung letztlich von menschlichen Entscheidungen abhängt... Es läuft immer auf die Frage hinaus, wie Film an sich respektiert wird, oder eben nicht.

Thomas said...

Zur Frage nach der Anzahl der DCP-Projektionen: Fast alle Berlinale-Filme außerhalb der Retrospektive wurden auf digital projiziert. Die Zahl der 35mm-Kopien ist abseits der Retro meines Wissens nicht einmal zweistellig gewesen