Saturday, July 27, 2013

The Inside Story, Allan Dwan, 1948

Wer noch Geld hat, nach dem Krieg, hat es in der Bank liegen. Da nutzt es der Gesellschaft nichts, es muss raus, in die Zirkulation. Und wer kein Geld hat, soll eben jenen Kredit aufnehmen, auf dem Amerika sein Nachkriegswirtschaftswunder aufbauen wird. In The Inside Story wird das vorexerziert, rückprojiziert in die Wirtschaftskrise der Vorkriegszeit, als vorderhand etwas schwerfällige Gesellschaftskomödie (dasselbe Team wie zwei Jahre davor im meisterlichen Rendezvous with Annie; die Dialoge kommen trotzdem nie so recht in Schwung, außer in den Szenen, in denen Allen Jenkins und William Haade als tumbe Gangster eine großartige Show nach der nächsten abziehen), die gleichwohl auf einer auch humortheoretisch genialen Idee beruht: In einen Kleinstadtsafe werden 1000$ eingelagert, für einen Farmer eigentlich. Ohne, dass jemand das aktiv anstoßen würde, beginnt das Geld zu zirkulieren, löst Problem um Problem durch seine bloße Zirkulation.

Dass am Ende, wenn man genau hinschaut, als realwirtschaftlicher Mehrwert nur ein potthässliches Gemälde herauskommt, ist der beste Witz des Films. Denn natürlich ist der entscheidende Effekt der Geldzirkulation nicht in Gebrauchswerten, nicht einmal mehr in Tauschwerten zu messen, sondern in einer Verflüssigung von Besitz- und Identitätsverhältnissen, die im Virtuellwerden des Geldes ihren ökonomischen Ausdruck findet; die aber gleichzeitig die Komödie antreibt, beziehungsweise eigentlich erst hervorbringt, die The Inside Story ist: Humor als Kredit, den die Gesellschaft auf sich selbst aufnimmt.

Thursday, July 11, 2013

Il Cinema Ritrovato 2013: Ratings

*****Silver Lode (Allan Dwan, 1954)
*****Rendezvous with Annie (Allan Dwan, 1946)
*****Three Comrades (Frank Borzage, 1938)
*****While Paris Sleeps (Allan Dwan, 1932)
*****Ani imoto (Sotoji Kimura, 1936)
*****Kochiyama soshun (Sadao Yamanaka, 1936)
*****Zaza (Allan Dwan, 1923)
*****Pechki-lavochki / Happy Go Lucky (Vasiliy Shukshin, 1972)
*****The Iron Mask (Allan Dwan, 1929)
*****Akanishi kakita / Capricious Young man (Mansaku Itami, 1936)
*****Fifteen Maiden Lane (Allan Dwan, 1936)
*****Vera Cruz (Robert Aldrich, 1954)
*****The First Days (Humphrey Jennings, 1939)
*****Manhandled (Allan Dwan 1924)
*****The Farmer's Wife (Alfred Hitchcock, 1928)
*****Sakasu goningumi / Five Men in the Circus (Mikio Naruse, 1935)

****Enoken seishun suikoden / Romantic and Crazy (Yamamoto Kajiro, 1934)
****Il Signor Max (Mario Camerini, 1937)
****Beatrice Cenci (Riccardo Freda, 1956)
****Ongaku kigeki horoyoi jinsei / Tipsy Life (Sotoji Kimura, 1933)
****Spare Time (Humphrey Jennings, 1939)
****The Pleasure Garden (Alfred Hitchcock, 1925)
****Dial M for Murder (Alfred Hitchcock, 1954)
****Iyulskiy dozhd / July Rain (Marlen Khutsiyev, 1966)
****The Inside Story (Allan Dwan, 1948)
****The Invisible Man (James Whale, 1933)
****Ikarie XB 1 (Jindrich Polak, 1963)
****East Side, West Side (Allan Dwan, 1927)

***Sekido koete (Eiji Tsuburaya, 1936)
***S.S. Ionian (Humphrey Jennings, 1939)
***L' aine des Ferchaux / Magnet of Doom (Jean-Pierre Melville, 1963)
***Fedkina pravda / Fedka's Truth (Olga Preobrazhenskaya, 1925)
***Anja / The Mystery of Ania Grey (Olga Preobrazhenskaya, 1927)
***Ongaku eiga: Hyakumannin no gasshu / Chorus of a Million People (Atsuo Tomioka, 1935)
***Campanadas a medianoche / Chimes at Midnight / Falstaff (Orson Welles, 1965) w/o

**Champagne (Alfred Hitchcock, 1928)
**Downhill (Alfred Hitchcock, 1927)

*Etudes sur Paris (Andre Sauvage, 1928) w/o
*Szegenylegenyek / Round-Up (Miklos Jancso, 1966)

(italics: known pleasures)

Wednesday, July 10, 2013

Il Cinema Ritrovato 2013: Rendezvous with Annie, Allen Dwan, 1946

One thing is clear: No money whatsoever should go to the civil war museum...

To make sure of this, to make sure, that the money belongs to the new, not to the old, everything must fall in its new place, not in its old place.

In Dwan's films, people are exchangeable. But that doesn't mean that they are expendable, it only means, that they are subject to change. Often, in Dwan, there's space left open in framing, and this space can be claimed by different people; sometimes by different people over time (and montage), sometimes by different people subsequently in the same shot. This is not a competition; one doesn't get expelled from Dwan's frame. One just leaves when one's impression on the situation has been made (no star close-ups in later Dwan, even Gloria Swanson isn't object to any gaze in the star vehicles of the 20s).

"A space left open" - that doesn't mean that there's something missing in the beginning, a lack that has to be filled. Dwan's compositions are equally harmonious before and after the arrival of the newcomer. The scenes in the cockpit in Rendezvous with Annie are perfect examples: No matter if two, three, or five guys are in the frame - looking through the door, talking, singing, fighting with each other: the sense of companionship is always the same. Dwan's films aren't motivated by (psychic, subjective) lack, by the invisible; but by tensions inside the visible, which are only observable from the outside (people are constantly observing each other, but there are hardly any real point-of-view-shots; very often, the observer and the observed are in the same frame).

The photograph in Rendezvous with Annie doesn't show Jeffrey Dolan, who at the moment the picture was taken bent down in order not to be seen. Now, he desperately wants to be seen, to be acknowledged. A amplification of the photograph doesn't render him visible - but it catches another witness redhanded, with his mistress: another man appears in the frame, in exchange for Jeffrey. And thereby saving him.

Then, there's the thing with the chocolate cake. (More here in German)




Im Schmierigen liegt die Wahrheit (American Eighties 32)

Ein paar einführende Worte zu einer Vorführung von Roger Donaldsons No Way Out, am 09.07. im Kino Arsenal.

“The Real Eighties: Neo-Noir” ist diese kleine Filmreihe benannt. “Neo-Noir” kann vieles bedeuten: ein bloßes stilistisches Zitat, eine narrative Struktur, die sich an der hartgekochten crime fiction der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts orientiert, oder eine komplette, fetischisierende Nachinszenierung eines historischen Filmstils. Immer geht es darum, das Kino der jeweiligen Gegenwart mit einer seiner Vergangenheiten in Verbindung zu setzen: mit der, die sich in den Vierziger und Fünfziger Jahren in einigen atmosphärischen amerikanischen Kriminalfilmen formiert hatte. Die Filme in unserem Programm tun das auf sehr unterschiedliche Weise. Der Film des heutigen Abends ist unter dem Aspekt des Neo-Noir vielleicht der interessanteste: Einerseits ist er, würde ich behaupten, stärker als die meisten der Filme, die sie hier sehen können, seiner Gegenwart, der Gegenwart der späten 1980er-Jahre verhaftet, andererseits unterhält er von allen Filmen des Programms die direkteste Beziehung zu dem historischen Phänomen film noir. No Way Out basiert auf dem Film The Big Clock aus dem Jahr 1948, einem düsteren Thriller von John Farrow; beziehungsweise auf dessen literarischer Vorlage von Kenneth Fearing. 
Der Film übernimmt von den Vorlagen vor allem die Ausgangssituation: Es geht um einen Mann, der nach einem Mord, den ein anderer begangen hat, dazu gebracht wird, Jagd auf sich selbst zu machen; genauer gesagt soll er Jagd auf einen fiktionalen Wiedergänger seiner selbst machen, der im Fall von No Way Out auf den Namen Yuri hört und ein sowjetischer Agent ist. Ansonsten nehmen sich Donaldson und sein Kameramann Robert Garland viele Freiheiten. Die entscheidende Differenz betrifft den Schauplatz: Wo Ray Milland in der ersten Verfilmung noch als Reporter in einem großen Redaktionshaus beschäftigt war, spielt No Way Out in der Politikszene von Washington DC und in der zweiten Filmhälfte fast durchweg im Pentagon. Wo im klassischen Noir eine gigantische Weltzeituhr noch lediglich metaphorisch für eine weltumspannende Totalität stand, begibt sich das Remake direkt ins Zentrum der geopolitischen Macht. Diese Vereindeutigung ist nicht plump, sondern Strukturprinzip des Films: Alles, was in der Vorlage latent und ambivalent geblieben war, drängt an die Oberfläche und treibt dort wilde Blüten. Duchaus auch die problematischeren Aspekte des Films, wie seine nun nicht mehr latente Homophobie. 
Roger Donaldson, der Regisseur, stammt aus Australien, drehte seine ersten Filme in Neuseeland, No Way Out ist sein zweiter amerikanischer Film. Anders als die meisten anderen Filmemacher, die in unserer Reihe auftauchen, hat er seine Karriere relativ bruchlos, oft auch ein wenig profillos bis in die Gegenwart fortsetzen können. Man könnte ihn als typischen Regiehandwerker abtun, der in allen Genres und Produktionszusammenhängen gleichermaßen zuhause zu sein scheint... andererseits finden sich gerade in solch beliebig anmutenden Filmografien oft die absonderlichsten Filme: Bei Donaldson muss man da nur auf den direkten Nachfolgefilm Cocktail mit Tom Cruise schauen, einen Film, der die ideologischen und ästhetischen Verirrungen der Achtziger wie kaum ein zweiter in sich aufhebt. 
Und hinter dem generischen Titel "No Way Out" verbirgt sich einer der frenetischsten Filme des Jahrzehnts. Ein Film aus der und über die Schlussphase des kalten Kriegs, der die Räume der Macht mit einem alles umgreifenden Begehren kurzschließt. Und dieses Begehren scheint sich wiederum direkt aus politischem Zynismus zu speisen: "Lucky it's not a bullshit detector or none of us would get in", meint Sean Young, nachdem ihr Körper von oben nach unten auf Metall gescannt wurde. Kevin Costner blickt ihr aufgeregt hinterher, sie lächelt zurück, das ist die erste Begegnung, die Sache ist eigentlich schon entschieden. "You're pretty cynical" sagt er ein paar Blick- und Wortwechsel später, 1987 scheint das als Pickup-Spruch funktioniert zu haben. 
Kevin Costner, dem mit diesem Film und Brian de Palmas im selben Jahr erschienen The Untouchables der Durchbruch gelang, war nie besser als in No Way Out: Man meint ihm durch sein offenes Gesicht hindurch direkt in die Seele blicken zu können. Seine Figur verfügt über keinerlei Impulskontrolle, sein Begehren ist durch nichts zu bändigen, eben auch nicht durch die im klassischen Noir theoretisch noch intakte Familie. Statt dessen greift es Schritt für Schritt über auf den gesamten Film; erst auf Sean Young, die anfangs noch als die zynische, im Grunde keusche femme fatale des klassischen Noir auftritt, die sich aber schnell in eine manische Genießerin verwandelt. Dann auf andere Figuren, schließlich auf das gesamte Pentagon. Besonders zu den Pentagon-Szenen eine Nebenbemerkung: No Way Out ist der letzte Film des Kameramanns John Alcott, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Stanley Kubrick bekannt wurde; und auch ohne die berühmten Steadicam-Exzesse kann man erkennen, wie sich das im Studio nachgebaute Pentagon, mit seinen paranoid überformten Fluren, Schritt für Schritt in einen Widergänger des Hotels aus The Shining verwandelt. 
Wie das sexuelle Begehren, das sich aus Politikverachtung zu speisen scheint, schließlich unvermittelt wieder ins Politische zurückgebogen wird, in einem dann endgültig wahnwitzigen Filmende, das möchte ich hier nicht vorwegnehmen. Schließen möchte ich mit einer zentralen Erkenntnis, die man aus dem Film - vielleicht - gewinnen kann: Gerade im Schmierigen liegt die Wahrheit. Ein besonders schönes Bild dafür gibt es in einer Taxifahrt recht früh im Film: Costner und Young vergnügen sich auf dem Rücksitz, der Taxifahrer verfolgt das Schauspiel hocherfreut im Rückspiegel. Schließlich bittet Costner ihn dann doch, den Sichtschutz zu schließen; aber nicht, ohne vorher auch dieses Begehren, ein rein voyeuristisches Begehren, im Grunde ein Kinobegehren, als ein berechtigtes anzuerkennen.


Sean Young - No Way Out Film Clip von gabtor 

Monday, July 01, 2013

Il Cinema Ritrovato 2013: in passing

Ani imoto, Sotoji Kimura, 1935

The film starts and ends in some kind of penal camp: sweating, tattooed men, only wearing loincloth, working at a river; hard to say what kind of work, it seems to involve some kind of rafts, but also stones, which are put inside the rafts. Next to the camp (and somehow connected do it), a family melodrama develops: two sisters, one well-behaved (and almost completely absent from the film), one running wild (and the unrivaled center of attention: getting pregnant, miscarrying, and subsequently not only enjoying her sex life, but also talking about it), a concerned mother, a working-class dad, who wants to beat up the father of the stillborn child, when he finally comes back; but when he sees, that the former suitor of his daughter is upper class, he changes into better shoes and sits down quietly, civilized, over-civilized. There's also a bullheaded son, constantly railing against his "slutty sister", but the film, and finally even the mother, sides with the slut and her psychosexual drive for freedom.

In a way, the film plays it out both ways: it still functions as a fallen woman melodrama (complete with several perfectly timed tracking shots, many of which play with subjectivity in interesting ways), but at the same time it lays bare, by way of its communicational mode, some social foundations of the genre.

There are also some ducks swimming through the film: they live in the stream behind the family home and they get one "big" scene, when they are observed by someone (if I remember right, by the returning upper-class guy) crossing below a bridge, in a pov-shot. In several other scenes, they form part of the background, swimming across the stream, walking across the grass, forming another family next to the human one, maybe figuring also as an ideal in a world broken up first by patriarchy, then again by - and this time, as the slutty sister shows: broken up for very real reasons - modernity.

Sakasu goningumi, Mikio Naruse, 1935

The ducks rather arbitrarily connect this film to Mikio Naruse's Sakasu goningumi, a film made in the same year and by the same studio. In the Naruse, a group of almost identically looking waterfowl appears in one short scene only. Other than that, there's not much room for animals - especially not for non-domesticated animals, because the film is set in and around a circus. A very loosely constructed narrative, Sakasu goningumi follows a troup of travelling performers, who lead an even less settled life than the circus performers - who after all manage to form a union and go on strike. The travelling performers, who usually offer their services as a brass band, jump in and develop a series of naive, amateur acts, that might be seen as a stand-in for the film as a whole.

It's a smart film about the coming of sound, too; many scenes can be described as reactions of the image to sound. One of the most interesting shots (sometimes this one looks more like a collection of interesting shots than like a completely formed narrative feature) shows the subsequent reaction of several girls to a vinyl record: a cascade of gazes, triggered by the intrusion of music.

Sakasu goningumi has a very relaxed feel to it, is structured in a very anecdotical way - and isn't very concerned, when one or two of these anecdotes actually leed nowhere. In the end, even the parting of the performers isn't treated melodramatically - although all is set up for tears and last minute revelations: one girl joins them, another one stays, the film cuts from the one staying behind to the withdrawing group, the gap gets bigger and bigger... and then the film simply ends, with this almost prosaic statement: some girls go, some girls stay.

Silver Lode, Allan Dwan, 1954

Just a few words on a masterpiece deserving much more...

"It's a long way to Discovery" - the fictional town "Discovery", where an alleged murder took place, which in turn destabilizes "Silver Lode", another fictional town, is far away; as is the end of the film Silver Lode and the resolution of the storyline when these words are being spoken. The whole film is as openly reflexive as this dialogue line - the villain, who slanders an innocent man and infuses mob violence, is named McCarty. And at the same time, Alan Dwann's Silver Lode is a straightforward midscale western with several impressive action scenes, a classical character line-up and very effective uses of studio sets.

Silver Lode is a film about community constituting and deconstituting itself directly on the screen: single persons and groups of people replacing / substituting each other in the frame, vying for dominance in and of the image, splitting and ultimately destabilizing its compositions (especially obvious in the early wedding scene with the villain intruding between bride and groom).

From the very first cut - the villanous intruders replacing a group of children on festive main street, decorated for the Fourth of July ceremony - the film announces itself as about society as a whole, and it never betrays that ambition. The first movement through the city, alongside the bad guys, constructs a synthetic social space of society through simple reframings, later in the film, a magnificent tracking shot individualizes this same space as the space of the lone hero as a space against society