Friday, May 23, 2014

The Shadow of Fear aka Neraweta otoko, Ko Nakahira, 1964

Eine Gasse in Ginza. Rechts und links Häuser, in denen es vor allem eng ist, das sieht man sofort, einen Horizont gibt es nicht, eh fast nirgendwo im Film, im Abspann vielleicht mal. (Liebe findet verschämt nach Feierabend hinterm Kneipentresen statt.) Einige Sekunden bleibt die Gasse, nachdem sich die Kamera auf ungefähre Augenhöhe gesenkt hat, ruhig, bzw alltagslaut. In Bewegung setzt sich der Film nicht durch einen Mord, sondern durch die Kunde vom Mord. Bzw durch die kommunikativen Kaskaden, die die Kunde vom Mord in Bewegung setzt: Ein spitzer Schrei, neugierige Nachbarn, die vor die Tür treten, sich gegenseitig anblicken, in Richtung Schrei eilen und so weiter. Vor einem der Häuser hängt eine sich unheilvoll drehende Spirale.

Bevor sich der Film auf eine Richtung festlegt, bewegt er sich erst einmal recht ungezwungen durch die Gasse in Ginza. Nicht ganz frei, immer entlang der Wege, Blicke, Gespräche der Bewohner. Soziales Montagekino: Jemand redet mit dem Polizisten / jemand beobachtet den Redenden / der Beobachtende gibt seine Beobachtung an einen Dritten weiter. Später setzt sich das Prinzip bis ins Innere der Personen fort, als Rückblende. Der Polizist müsste eigentlich mitmachen, müsste den Spuren, die der Film für ihn vorzeichnet, folgen. Aber das klappt nicht. Wenn er, ganz in schwarz, durch die Gasse in Ginza geht, verschwinden alle in ihren Häusern. Er bleibt für die Menschen in der Gasse ganz Funktionsträger, für den Film ganz Funktion; sobald die Verhältnisse halbwegs geordnet, ein Verdächtiger identifiziert ist (und sich dann aber zu wehren beginnt), hat sich die Aufgabe des Polizisten erübrigt.

In der Gasse in Ginza wohnen fragwürdige Gestalten: "perverts", "toy boys", Möchtegerngangster, ein Einäugiger, der das zweite Opfer wird (eine tolle Szene: wie eine Mülltonne nach dem dabei verschütt gegangenen Auge durchforstet wird, und dabei dieses erst nicht, dafür aber alle möglichen anderen Alltagsschätze zu Tage gefördert werden). Der Mörder, lernt man später, ist aber dann gerade einer, der anständig tut. Er verrät sich dadurch, dass er brutal auf einen Hund eintritt. Sein Gegenspieler ist der sanftgesichtige Hauptverdächtige, ein "ex-con", der sich falscher Anschuldigungen erwehren muss.

Manchmal brechen die Schnitte-, Blick und Handlungskaskaden ab und der Film intimisiert, musikalisiert sich. Eine lange, atmosphärische Szene über dem Fluss, mit einer ersten, albtraumartigen Rückblende. Das brutale, klaustrophobische Finale (insbesondere gibt es da einen Armdurchschuss, der irgendwie unheimlich lakonisch wirkt), dessen düstere Konsequenz von einem komischen Epilog wieder halb durchgestrichen wird. 68 Minuten nur braucht Nakahira für das alles.

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