Wednesday, October 15, 2014

Haru no yume aka Spring Dreams, Keisuke Kinoshita, 1960

Ein im Wohnzimmer kollabierender Kartoffelverkäufer bringt den Gefühlshaushalt einer mit den Gefühlen sorgsam haushaltenden großbürgerlichen Familie samt Personal durcheinander. Eine Art sozialdemokratisches Teorema, eine im Großen und Ganzen auf Versöhnung zielende Satire. (Versöhnung von Generationen, Geschlechtern, Klassen... wobei der Streik vor dem Fenster einfach nicht enden will... die sich gemeinsam, rhythmisch wiegenden, singenden Arbeiter... der Film, der mit ihnen solidarisch ist, die Kamera, die trotzdem auf Seiten der Macht bleibt, bleiben muss...) . Nichts, was mich ganz besonders interessieren würde erst einmal... dann stellt sich Spring Dreams aber als ein bezaubernder Film voller moralischer und sonstiger Exzentrik heraus (und gleich schon wieder als ein Film mit einer wunderbaren, viel genutzten Treppe).

Ein Vorläufer im Werk ist Morning for the Osone Family, ein 1946, in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstandenes hoffnungsvolle Portrait einer bourgeoisen Großfamilie. Da ist noch alles im Lot, zu sehr eigentlich, wenn man die Jahre vorher mitbedenkt. 14 Jahre später sind die gutartigen nation builder leider alle durchgeknallt. Dafür dürfen sie jetzt durch sorgfältig befestigte Cinemascopebilder und eine ausladende Villa huschen, die durchweg unbewohnt ausschaut - erst denkt man, das liegt daran, dass kaum Möbel und Kram (sondern nur fragwürdige Holzstatuen) herumsteht, während an der Wand rosa und hellgrüne Lichtfelder sich breit machen wie besonders geschmackvoller Schimmel, aber wenn dann andere Räume auftauchen, die mit Möbel und Kram vollgestopft sind, sieht die Villa noch weniger bewohnbar aus.

Scope und Villa vertreiben alle Wohnlichkeit, aber schaffen Manövrierfläche. Gleich am Anfang, wenn der Kartoffelverkäufer am Boden liegt, bleibt die Einstellung minutenlang starr, im Vordergrund liegt der Eindringling, dahinter machen sich alle möglichen Figuren zu schaffen. Jeden im Bildraum unterbringen und mit Manövrieroptionen zu versorgen (passend dazu die resolut, aber ohne dramatische spitzen vor sich hin dröhnende Cembalomusik, die einen Takt, aber keine Inhalte vorgibt): Das ist die Aufgabe, die sich der Film setzt. Im Kern geht es um Selbstexpression. Die narrativen Einengungen, die er daneben ab und an vornimmt, die Geheimnisse, die ans Licht kommen etc, resultieren in den schwächeren Momenten des Films.

Alle durchgeknallt, manche mehr, manche weniger. Bei einigen sieht man's sofort (der bebrillte, irgendwo zwischen dem frühen Jerry Lewis und Vulgärexistenzialismus stecken gebliebene Sohn, der erst nur ein überspanntes Verhältnis zu Nahrungsmitteln und -aufnahme hat, später aber eine Liebesgeschichte im Schnelldurchlauf hinter sich bringt; die alte Jungfer, in der es gärt). Bei anderen erst mit der Zeit: Die schönste Figur ist eine ebenfalls bebrillte Sekretärin, die wider eigenes Erwarten die Liebe entdeckt und dadurch ins Stolpern gerät. (Und schließlich die Brille abnimmt, bevor sie unsicheren, aber stolzen Schrittes die Treppe herunterflaniert).













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2 comments:

Ekkehard Knoerer said...

Warum hast du denn kein Label "Treppe"? Wird höchste Zeit.

Lukas Foerster said...

Da hast du natürlich recht; ich habe dann auch entdeckt, dass ich einmal ein Label "Treppen" eingeführt und dann wieder fallen gelassen hatte. Das ist jetzt reaktiviert.