Friday, November 25, 2016

Das Verschwinden der Schwelle durch das Öffnen der Tür, Heidi Specogna / Thomas Schultz / Petra Heymann, 1986

Ein in den 1980er Jahren an der dffb entstandener, konzentrierter Montage-Interview-Film über das Asylverfahren - das schon vor Drittstaatenregelung und Ähnlichem auf Ausschluss, nicht auf Inklusion angelegt war. Im Film umreißen Vertreter der verschiedenen Institutionen, mit denen ein eingereister Ausländer, der Asyl beantragt, in Kontakt kommt, ihre jeweilige Tätigkeit. Fast alle Gespräche sind isoliert voneinander aufgenommen, höchstwahrscheinlich zumeist in den Räumlichkeiten der einzelnen Institutionen. Es fällt auf, dass insbesondere die Vertreter der Staatsmacht fast genauso viel kommunikative Energie wie auf die Beschreibung ihrer Tätigkeit darauf verwenden, diese spezifische Tätigkeit von anderen Tätigkeiten abzugrenzen. Die Person, die für den ungünstigen Verlauf des Verfahrens tatsächlich zuständig ist, sitzt immer irgendwo anders, im Zweifelsfall in der Politik. Besonders stark ist der Film, wenn er sich systemischen Schnittstellen widmet, die ansonsten selten in den Blick kommen. Zum Beispiel macht eine ganze Serie von Gesprächen zweifelsfrei klar, dass Abschiebungen mit den alltäglichen Prinzipien ziviler Luftfahrt ganz und gar nicht vereinbar sind; aber trotzdem weiterhin in sie eingebettet bleiben.

Die Leitdifferenz, die in fast allen Gesprächen auf die eine oder andere Art aufgerufen wird - und an dieser Stelle scheint er sehr seiner Zeit verbunden zu sein; ich kann mir kaum vorstellen, dass ein aktueller Film zum selben Thema ähnlich vorgehen würde - ist die zwischen formalem Recht und den Handlungsoptionen der Individuen innerhalb dieses Rechts. Das heißt zum einen: Aus dem tagtäglichen Missbrauch des formalen Rechts folgt die Forderung nach Transparenz, nicht die nach Rechtsbruch. Und zum anderen, auf einer allgemeineren Ebene: Der Film geht davon aus, dass alle dieselbe Sprache sprechen, dass die diversen Vertreter der Ordnungshüter und die Unterstützer der Flüchtenden (die selbst nicht zu Wort kommen, was man problematisch finden kann, im Konzept des Films aber Sinn ergibt) eben in der Rechtsordnung etwas Gemeinsames vorfinden, von dem aus Kommunikation möglich ist. Tatsächlich ist der Film zwar im Großen linear entlang eines (erfolglosen) Asylverfahrens montiert, im Kleinen schneidet er aber immer wieder "auf Argument", indem er einen Interviewten auf einen anderen "antworten" lässt.

Wednesday, November 23, 2016

in passing: dffb (2)

Manoeuvres d'Élégance, Jose van der Schoot, 1992

Zwei Frauen in einer Wohnung, die vor allem aus einem Ballettübungsraum zu bestehen scheint, aber auch ein Badezimmer und eine tolle Treppe enthält. Die Frauen ziehen sich selbst und sich gegenseitig an und um, schminken sich, duschen sich und reden über ihr Aussehen. Die Dialoge gleiten immer wieder ab ins Allgemeine, suchen nach Prinzipien, die das Verhältnis zum eigenen Körper regeln könnten. Aber die gibt es offensichtlich nicht. Eleganz kann nur als Manöver realisiert werden, nur für den Moment, und nur im Blick einer gedachten oder tatsächlichen Anderen; und die Differenz zwischen der gedachten und der tatsächlichen Anderen muss auch noch mitbedacht werden. Jedes Kleid bleibt fremd (eine der Frauen trägt für eine Weile einen fat suit), aber es ist auch nicht so, dass unter den Kleidern etwas echtes liegen würde, das von den Kleidern nur überdeckt würde. Man kann den Kleidern so wenig entfliehen wie der Sprache. Gesprochen wird französisch, nur einmal kurz deutsch. Das ist einer dieser scheiternden Fluchtversuche. Irgenwann wird es Nacht, dann kommen die Männer dazu und machen alles nur noch komplizierter.

Mise-en-scene, Jose van der Schoot, 1991

Der Schauspieler soll auf die Schauspielerin einreden und im Reden gleichzeitig um die Spüle herumgehen, an der sie sich zu schaffen macht. So will es der Regisseur, der das Dispositiv von Anfang an so sehr unter Druck setzt, dass es sich erst gar nicht richtig etablieren kann. Er funkt so lange von außen in die Szene hinein, bis er irgendwann in ihr drin ist, und sowieso ist nie ganz klar, ob es noch um eine Probe, schon um den Dreh oder überhaupt um etwas drittes geht. Nebenan ist grundsätzlich immer Lärm, aber es muss weiter gehen, immer weiter, immer noch ein take, noch eine Kulisse; wenn etwas nicht passt, wird einfach ein weiterer Liebhaber ins Drehbuch geschrieben, aber das Drehbuch hat eh keine allzu große Durchschlagskraft, wenn die Darstellerin das falsche Kleid anzieht, ist es auch schon wieder passé.

Wie alle Filme von van der Schoot, die ich bisher gesehen habe, könnte das ewig weitergehen, es gibt keine natürlichen Grenzen, keine Fluchtpunkte in ihrem Kino, nur Kommunikationspattern, die sich in ewiger Transformation gleich bleiben. Umso überraschender, dass sich am Ende doch eine Tür öffnet, aus der ewigen Kulissenschieberei heraus ins Freie. Der Regisseur steht an der falschen Tür, und das Klackern der Pferdehufe hört sich verdächtig nach Kokosnüssen an.

Monday, November 21, 2016

in passing: dffb

A la orilla del rio, Ricardo Iscar, 1990

Eine behelfsmäßige Roma-Siedlung am Rand einer spanischen Stadt. Zelte, Wellblech, Frauen bei der Hausarbeit, spielende Kinder, Männer, die manchmal in Richtung der Brücke gehen, hinter der die Stadt liegt. Ein schwarz-weiß-Film in rohem, aber glasklaren 16mm. Ein Film, der seine eigenartige Kraft aus der Subtraktion gewinnt. Fast aller Klang ist der Situation entzogen, was doch noch hörbar ist, verweist auf das Elementare an der Lebenssituation. Das Wasser des Flusses, der in der Nähe vorbeifließt, der Wind, der die Kleider trocknet. Das Brodeln im Kochtopf bei der Essenszubereitung. Am Ende zwei Versuche, doch noch etwas hinzu zu addieren. Brüchig-minimalistische Gitarrenklänge zu einer abendlichen Tanzszene, nach dem letzten Titel dann ein Klagegesang, der unnötigerweise versucht, den Affekten, die die Bilder unweigerlich aufrufen, eine Form zu geben; der diesem wunderbaren Film aber nicht viel anhaben kann.

Bäume, Ricardo Iscar, Jose van der Schoot, 1990

Ein Film über Bäume im Zustand ihrer Umzingelung. Architektonisch umzingelt von der Stadt, in die sie eingepflanzt sind, instrumentell umzingelt von Bewässerungsanalagen, die diesen eigentümlichen Film ziemlich genial rhythmisieren, semantisch umzingelt von narrativen Miniaturen: jemand huscht in Tarnuniform durch den Wald, eventuell gehen Geister um. Dennoch kein Spiel-, aber auch kein Dokumentar- und auch kein Essayfilm. Vielleicht eine Art Lexikoneintrag, verfasst von Aliens, deren Interesse an unserem Planeten uns fremd ist. Ein Film ohne Platz im System der bewegten Bilder, und deshalb genau die Art von Film, für die es sich lohnt, Filmschulen zu gründen.

Eine Schürze aus Speck, Ed Herzog, 1994

Der Spießbürger trägt seine Nacktheit wie eine Uniform. Eine wunderbare Saunaminiatur, lange Zeit dominiert vom fast terroristischen Quietschen der Badeschlappen, mit der Bernhard Marsch sich durch den Wasserdampf bewegt.

Gute Referenzen, Jose van der Schoot, 1994

Ein Bewerbungsgespräch, das ständig aus dem Ruder läuft, aber das deshalb nicht scheitert. Denn genau das ist sein Punkt: Es geht nicht darum, eine einzelne Person auf ihre Tauglichkeit für eine einzige Position hin zu überprüfen, sondern darum, ein allumfassendes, permanentes Dispositiv des Überprüfens, des Fähigkeitenabgleichs zu etablieren. Es geht nicht darum, dass Leute ein Gespräch über Themen führen, sondern um eine Gesprächssituation, oder besser um eine geschäftig-kommunikativer Grundzustand, die Leute und Themen rekrutiert, nach Belieben über sie verfügt. Ein neoliberaler Horrorfilm, gefilmt in einer Turnhalle.

Monday, November 14, 2016

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Elle a passé tant d'heures sous les sunlights..., Philippe Garrel, 1985

Shadows of shadows of shadows. This time, the autobiographic fragments that return again and again in Garrel's work never crystallize into at least somehow self-identical bodies (like they do in later films, and even in the previous L'ENFANT SECRET), but float around freely, as if they're up for grabs. He makes one of his most beautiful films by letting go of form, focus, fixed identities, body tension, and sometimes even texture - although I once again got the feeling, that it's just not possible to film a window in Paris without the result being beyond beautiful (of course, that feeling changes at once when leaving Garrel's world...). Every shot in this is at the same time part of an impenetrable illusory maze and completely transparent towards the moment of shooting.
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Garrel asking Doillon for advice on how best to film his son is the sweetest thing.

Monpti, Helmut Käutner, 1957

dubious plotting not only elevated, but thorougly blown up (not like a bomb, but like fireworks) by käutner's almost manic sense of mise en scene, buchholtz's elastic acting and schneider's hidden sadness. the result might at first be a bit annoying, because everyone involved seems to give in to his / her most baroque instincts, but in the end it turns out to be, i think, a bona fide meta-escapism masterpiece. artifice trumps artifice.

Nocturnal Animals, Tom Ford, 2016

Tom Ford has a knack for ass match cuts, but, unlike someone like Refn, he never commits to his own obscenity. Nor to his own sadism. Behind the meta fiction smoke-screen, the lifeless stylisation and the extremely stupid oppositions all boiling down to cruel nature vs rotten civilisation, this is all about setting up elaborate traps for the characters and then congratulating oneself (with another match cut) when they're taken in.

Gyllenhaal's decent performance adds some weight that feels completely unearned. All the other characters are so badly written, they're beyond saving anyway, so one can't really blame the actors for not even trying. Amy Adams especially has the most ungrateful leading lady role in recent memory - she spends most of the film being punished by a book. For being "not creative". Or for living in LA, who knows, who cares.

The Last Dragon, Michael Schultz, 1985

A very energetic popcultural curiosity that seems to switch between different levels of knowingness almost scene by scene. Michael Schultz's direction is always competent - and borders on genius when it comes to the Bruce-Lee-inserts - although the set-up is clearly too much out there (and too much entrenched in Motown's hit factory) for his down-to-earth approach to character and dialogue. Especially the central romance would've worked better with at least some groundings in reality. The weird supporting characters on the other hand are always way more fun than they have any right to be. My favorites are the three asian guys "guarding" the fortune cookie factory - there's not one bit of justification for their presence in the film, and still every time time they appear the screen lights up.

Also btw: In some ways, this might be the perfect counter-Trump movie, if released right now.

Ator l'invincibile, Joe d'Amato, 1982

in honor of the straub / huillet / ford series at austrian film museum 2004 i propose a supplement: straub / huillet / d'amato. this one would play beautifully alongside MOSES AND ARON.

Wednesday, November 09, 2016

Zwischen Betäubung und Euphorie

Vanessa, Hubert Frank, 1976

Mitte der 1970er setzen sich Hardcore-Pornos im Kino langsam durch, in den USA und auch in einigen europäischen Ländern. Der nicht-explizite Sexfilm, der das kommerzielle Kinoprogramm seit Mitte des vorherigen Jahrzehnts dominiert, überlebt noch eine Weile, u.a. indem er extravaganter wird. Nackte Brüste auf der Alm reichen nicht mehr aus, auch die scheinheilig erhobenen Zeigefinger der Reportfilme verlieren langsam ihren Reiz. Stattdessen werden Hochglanz- und Exotiksexfilme produziert, manchmal beides in einem. Geprägt sind diese Filme von Weichzeichner, von Sex der nicht nach Sex aussieht (soll heißen: der noch einmal weniger nach Sex aussieht wie in anderen Filmen). Oft spielen sie im High-Society oder Showbiz-Setting, sehen aber gleichzeitig ziemlich billig aus.

Diese Filme laufen in den 1990er Jahren besonders häufig, häufiger jedenfalls als die Alm- und Reportfilme, im Nachtprogramm der Privatsender, insbesondere am Wochenende auf Kabel 1 und VOX. In meiner Generation waren das prägende Sendeplätze. Besonders beliebt war auch da ein Subgenre des Sexfilms, das man vielleicht als kinematografischen Sextourismus beschreiben kann: Filme, die an fernen Sandstränden oder in fernen Urwäldern spielen, die “exotische” Sexualität als Attraktion ausstellen, und darin auch eine Nähe zum Mondofilm aufweisen.

Das Schema eines Großteils dieser Filme ist simpel: Eine junge Frau reist zumeist alleine in ein fernes Land - die Gründe für die Reise sind egal oder jedenfalls austauschbar -, um dort erotische Abenteuer teils selbst zu erleben, teils zu bestaunen. Oft geht es dabei darum, dass die weibliche Hauptfigur angesichts der tropischen Sinnlichkeit lernt, ihre europäischen Hemmungen abzulegen. Auf Vanessa trifft das allerdings nicht wirklich zu, das ist vielleicht bereits ein Hinweis darauf, was an dem Film besonders ist.

Am Anfang der Welle steht ein anderer Titel: Emmanuelle, eine französische Produktion, 1974 mit Sylvia Kristel in der Haupt- udn Titelrolle realisiert, basierend auf einem Buch von Emmanuelle Arsan. In dem Fall ist die Hauptfigur eine Diplomatengattin, die nach Thailand fliegt. Die amerikanische Tagline zeigt, worum es geht: “Emmanuelle let's you feel good without feeling bad”. Gediegene Wohlfühlerotik steht auf dem Programm, befreit von allem Dreck und Schmutz, für ein bürgerliches Publikum, vielleicht für Pärchen, die nach dem Kino noch ein gutes Glas Wein trinken gehen, bevor sie selbst höchstens ein klein wenig enthemmt unter die Bettdecke schlüpfen.

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der außerordentliche Erfolg von Emmanuelle tatsächlich auf solche softpornografischen Gentrifizierungsmaßnamen zurückzuführen ist. Mir kommt es ganz im Gegenteil so vor, als mache der Versuch, die Filme mit vermeintlich hochklassigen, manchmal sogar hochkulturellen - es entstehen im Genre auch Literaturadaptionen wie Lady Chatterley’s Lover - Attraktionen aufzuwerten, machen sie freilich nur noch schmieriger. Man denke da zum Beispiel an den fauligen Edelschmier von italienischen Filme wie Desiderando Giulia; der jedenfalls ist verkommener als jeder Report-Film.

Der riesige Erfolg von Emmanuelle löste eine Schwemme von Sequeln und Nachahmern aus. Was “Django” in den späten 1960er Jahren für den Italowestern ist, ist “Emmanuelle” ein Jahrzehnt später für den Hochglanz-Softsexfilm. Soll heißen: Es entstehen wie am Fließband Sequels und Knock-offs, die allesamt die in einem weiblichen Vornamen geronnene Marke für sich nutzbar zu machen versuchen.

In den Folgejahren entstehen unter anderem:

Emmanuelle - Garten der Liebe

Emmanuelle - Amazone des Dschungels

Emanuelle und Lolita

Emmanuelle geht nach Cannes

Emmanuelle in Soho

Seoul Emmanuelle

Emmanuelle Tropical

Mach’ weiter, Emmanuelle

Wilde Emanuelle im Paradies der Lust

Emanuelle in Oberbayern
(Alternativtitel von Nackt und keß am Königssee)

Ein Spezialfall ist die Black Emanuelle-Serie mit Laura Gemser, einer Darstellerin, die das Original bald an Popularität überbietet; und die unter anderem in folgenden Werken auftaucht:

Black Emanuelle - Stunden wilder Lust

Emanuelle im Sexrausch

Skandalöse Emanuelle - Die Lust am Zuschauen.


Spätestens diese Filme haben auch nichts mehr mit Wohlfühlerotik zu tun, das ist dann wieder Bahnhofskino pur.

Auf dem Videomarkt und im amerikanischen Privatfernsehen war der Emmanuelle-Serie ein noch einmal deutlich längeres Nachleben vergönnt. Noch bis in dieses Jahrtausend entstanden dort Filme wie:

Eine ganze Serie von Emmanuelle in Space-Filmen

Emmanuelle the Private Collection: Emmanuelle vs. Dracula

Emmanuelle Through Time: Sex, Chocolate & Emmanuelle


Selbstverständlich fanden die Produzenten schnell heraus, dass der Trick auch mit anderen Frauenvornamen funktioniert:

Emanuela - Dein wilder Erdbeermund

Nea - Ein Mädchen entdeckt die Liebe

Felicity - Sündige Versuchung

Annie Belle - zur Liebe geboren


Sowie, vielleicht der beste Titel der Filmgeschichte:

Joy - 1 ½ Stunden wilder Lust

Vanessa kommt freilich ganz ohne Zusatz aus, der Name ist sich offensichtlich selbst genug. Die zugehörige Tagline: "Vanessa fängt da an, wo Emmanuelle aufhört".

Eine weitere Besonderheit: Die Emmanuelle-Welle war zwar ein weltweites Phänomen, und brachte unter anderem auch philippinische und brasilianische Genrebeiträge hervor; die meisten Filme stammen jedoch aus Frankreich und Italien. Deutschland war eher wenig vertreten. Die schwüle, etwas träge, zerdehnte Erotik der Filme im Fahrwasser von Emmanuelle hat es im deutschen Sexfilm eher schwer, genau wie die barocke visuelle Opulenz, die zumindest die ambitionierteren Beiträge auszeichnet. Im deutschen Sexfilm geht es meistens rustikaler zu, ein Kontrastprogramm wäre zum Beispiel Drei Schwedinnen in Oberbayern.

Es gibt aber auch mindestens einen deutschen Meister der Emmanuellesploitation: Hubert Frank. Frank drehte zwischen 1960er und 1980er um die 20 Filme, fast nur Sexfilme, in den unterschiedlichsten Tonarten. Seine größten Erfolg Ende der 1970er, Anfang 1980er mit exotischen Softpornos, die meisten mit festem Team:

Produzent Karl Spiehs

Kamera Franz X. Lederle

Und ganz wichtig:

Musik: Gerhard Heinz, der König des Pornofunk.

Auch Franks Filme haben hervorragende Titel: Teufelscamp der verlorenen Frauen, Die Insel der 1000 Freuden, Taifun der Zärtlichkeit, und eben, als erster in dieser Serie: Vanessa.

Das erste Mal gesehen habe ich den Film 2014 auf dem 13. Hofbauerkongress im Nürnberger Filmhauskino. Als wir da nach dem Film zusammenstanden, war das eine eigenartige Stimmung, irgendwo zwischen wohliger Betäubung und Euphorie. Vor allem ist uns das Titellied nicht aus dem Kopf gegangen. In meinem Fall hat das bis heute nachgewirkt:

„Vanessa / You are the girl of my dreams / Vanessa / you’re haunting all my reveries“

Vor allem aber immer wieder ein Wort: Vanessa. Der Film ist regelrecht besessen von dem Namen und von dem Mensch, der ihn trägt.

“Vanessa” - das ist ein Lockruf, ein Zauberspruch, eine Beschwörung. Beschworen, regelrecht angebetet wird natürlich die Hauptfigur, Vanessa, gespielt von Olivia Pascal, die von Hubert Frank und Spiehs für Vanessa entdeckt wurde, bald darauf allerdings im öffentlich-rechtlichen Fernsehen landete.

Die Hauptfiguren in Filmen dieser Art sind meist kaum mehr als ausgezogene Schaufensterpuppen. Das ist in Vanessa anders, würde ich behaupten. Auch Vanessa ist nicht im geringsten eine psychologisch nachvollziehbare Figur. Aber man hat doch das Gefühl, dass der Film wirklich neugierig auf sie ist. Gleichzeitig bleibt sie sonderbar opak. Anders als die meisten Emmanuelles hat sie tatsächlich ein Geheimnis. Allerdings behält sie es für sich.

Tatsächlich ist das eine eigenartige Rolle, gerade für einen Softporno: Vanessa kommt nach Hongkong, um da eine Erbschaft anzutreten, sie wird von mehreren Männern bedrängt, driftet durch ein Rotlichtviertel, eigentlich dreht sich alles was sie macht um Sex, aber gleichzeitig hat man das Gefühl, dass sie das alles gar nichts angeht.

Sylvia Szymanski hat das so beschrieben: “Sex geht durch ihre Augen und die Seele, ohne ihren Körper zu berühren.”

Weiter schreibt sie über den Film:

“Wie in den schönsten erotischen Heftchenromanen, so zersetzen auch hier die Tropen das Gemüt der weißen Frauen. Sie lassen sich auf Dinge ein, an die zuhause nicht zu denken wäre. Die Hitze öffnet ihre Schenkel – das sagt der Film sogar zweimal. Lernen sie sich jetzt erst richtig kennen? Gehen sie sich selbst verloren? Es ist so schwindlig, schwer, so schwül und rauschgiftsüchtig.”

Tuesday, November 01, 2016

"Ich glaube wir gehen auch in diese Screenings, weil wir den Mumien der Leinwand gerne beim Sterben zusehen. Dem Kino, was wir noch gerade so erahnten, als es begann zu sterben. Der Übergang, den wir nicht wahrhaben wollen. Etwas, das wir noch verstehen, erfahren wollen bevor es zu spät ist." Das sehe ich auch so - einerseits. Andererseits würde ich sagen, dass "wir" da etwas am analogen Kino entdecken, das immer schon zu ihm gehört hat, das nur früher nicht so sichtbar war, weil es die den Tod verleugnenden digitalen Bilder noch nicht als allgegenwärtigen Vergleich gab: die ihm inhärente Morbidität. Kino war immer schon Schwund, Verschleiß, hatte immer schon einen Hang zum Verrotten und Vermodern. War außerdem immer schon eine Kopie von einer Kopie, das jungfräuliche Kameranegativ lag immer schon irgendwo im safe. Das hat nie jemanden gestört, wogegen es heute den Drang gibt, die "Rohdaten" möglichst 1:1 auf die Leinwand zu bringen. Film beginnt im Moment seiner Belichtung auch schon wieder zu zerfallen - Filme zeigen bedeutet sie zu zerstören, so radikal gibt es das bei keiner anderen Kunstform. Ich denke, das ästhetische Potential dieser eigentlich banalen Erkenntnis war außerhalb einiger kleiner Avantgardekreise bis vor kurzem völlig unbekannt; langsam beginnt sich das zu ändern.