In einer Facebook-Diskussion bin ich auf einen interessanten Gedanken gestoßen (dort formuliert von einem Schweizer Filmwissenschaftler): Gewisse künstlerische Fähigkeiten wie zum Beispiel das Klavierspiel bringen den illusionistischen Aspekt des Kinos an seine Grenzen. Man mag sich ohne weiteres darauf einlassen, dass ein Schauspieler auf der Leinwand zu einem Ritter wird, der im 15. Jahrhundert eine Festung belagert, oder zu einem wissenschaftlichen Genie, das mit einer bahnbrechenden Erfindung Millionen von Menschen das Leben rettet; aber wenn derselbe Schauspieler in einem Film beim Klavierspielen gezeigt wird, dann frage ich mich unweigerlich: kann der das wirklich oder tut er nur so? Ganz so, als wäre das „so tun als ob“ nicht die Grundlage jeder Schauspielkunst.
Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es sich beim Klavierspielen um eine verkörperlichte Fähigkeit handelt. Weil ich weiß, dass es Jahre schwerer Anstrengung bedarf, um mittelschwere Musikstücke auch nur einigermaßen flüssig vortragen zu können, fühle ich mich betrogen oder bin zumindest leicht irritiert (jedenfalls: bemerke es), wenn die Fingerbewegungen offensichtlich nicht zu den Klängen auf der Tonspur passen.
Es scheint da ein basales, kaum einmal offen artikuliertes Realismus-Bedürfnis zu geben, das auf einem Abgleich mit der eigenen Körperwahrnehmung aufbaut. Und dem das Kino mit hochgradig artifiziellen Mitteln begegnet, etwa in dem Chopin-Biopic „A Song to Remember“ (1945). Der zeitlebens von Krankheiten gezeichnete Komponist und Musiker wird von dem äußerst agilen, kräftigen Cornel Wilde verkörpert - keine allzu naheliegende Wahl, aber ich habe mich ohnehin ganz auf das Klavierspiel konzentriert.
In dieser Hinsicht macht Cornel Wilde seine Sache gut. Die Körperhaltung ist glaubwürdig, und die Finger rasen flink über die Tasten. Man könnte fast meinen, dass er die Musik, die auf der Tonspur zu hören ist, tatsächlich selbst spielt. Was er selbstverständlich nicht tut. Eingespielt wurden die im Film zu hörenden Klavierstücke von José Iturbi. Und wenn die Hände des Kino-Chopins in Großaufnahme zu sehen sind, dann gehören sie nicht Wilde, sondern Ervin Nyiregyházi, einem weiteren Pianisten. Schließlich war noch ein weiterer Musiker an dem Film beteiligt: Der Russe Victor Aller hatte Wilde Unterricht gegeben, damit er in den nahen und amerikanischen Einstellungen, für die keine Body-Doubles verwendet werden können, eine gute Figur macht.
Es sind also insgesamt acht Hände an den Klavierszenen des Films beteiligt: die des Schauspielers, die seines Trainers, die seines Doubles und die des Studio-Pianisten. Den Realismus-Erwartungen des Publikums begegnet das Kino nicht mit einer Geste der Authentifizierung, sondern mit einer Vervierfachung des Künstlers.
Die Textreihe "Konfetti" entsteht im Rahmen des Siegfied-Kracauer-Stipendiums. Mehr Informationen hier.
Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es sich beim Klavierspielen um eine verkörperlichte Fähigkeit handelt. Weil ich weiß, dass es Jahre schwerer Anstrengung bedarf, um mittelschwere Musikstücke auch nur einigermaßen flüssig vortragen zu können, fühle ich mich betrogen oder bin zumindest leicht irritiert (jedenfalls: bemerke es), wenn die Fingerbewegungen offensichtlich nicht zu den Klängen auf der Tonspur passen.
Es scheint da ein basales, kaum einmal offen artikuliertes Realismus-Bedürfnis zu geben, das auf einem Abgleich mit der eigenen Körperwahrnehmung aufbaut. Und dem das Kino mit hochgradig artifiziellen Mitteln begegnet, etwa in dem Chopin-Biopic „A Song to Remember“ (1945). Der zeitlebens von Krankheiten gezeichnete Komponist und Musiker wird von dem äußerst agilen, kräftigen Cornel Wilde verkörpert - keine allzu naheliegende Wahl, aber ich habe mich ohnehin ganz auf das Klavierspiel konzentriert.
In dieser Hinsicht macht Cornel Wilde seine Sache gut. Die Körperhaltung ist glaubwürdig, und die Finger rasen flink über die Tasten. Man könnte fast meinen, dass er die Musik, die auf der Tonspur zu hören ist, tatsächlich selbst spielt. Was er selbstverständlich nicht tut. Eingespielt wurden die im Film zu hörenden Klavierstücke von José Iturbi. Und wenn die Hände des Kino-Chopins in Großaufnahme zu sehen sind, dann gehören sie nicht Wilde, sondern Ervin Nyiregyházi, einem weiteren Pianisten. Schließlich war noch ein weiterer Musiker an dem Film beteiligt: Der Russe Victor Aller hatte Wilde Unterricht gegeben, damit er in den nahen und amerikanischen Einstellungen, für die keine Body-Doubles verwendet werden können, eine gute Figur macht.
Es sind also insgesamt acht Hände an den Klavierszenen des Films beteiligt: die des Schauspielers, die seines Trainers, die seines Doubles und die des Studio-Pianisten. Den Realismus-Erwartungen des Publikums begegnet das Kino nicht mit einer Geste der Authentifizierung, sondern mit einer Vervierfachung des Künstlers.
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