Monday, November 04, 2019

Innenhöfe

Die Verbindung wurde garantiert bereits irgendwo in der Literatur nachgezeichnet, aber mir ist sie beim jüngsten Wiedersehen von Rear Window zum ersten Mal aufgefallen: Man könnte sich den Film einmal genauer zusammen mit der The Goldbergs anschauen, der Sitcom, die nur wenige Jahre vorher gestartet ist und ein komplett anderes Bild vom Leben in einem New Yorker Mietshaus zeichnet.  Die Art vor allem, wie in der Serie der Innehof ein diskursiver, konversationeller, sozialer Raum ist, und im Film, nur wenige Jahre später, ein paranoider, forensischer, visueller. Die Differenz ist die zwischen Fernsehen und Kino, aber auch die zwischen 1949 und 1954 sowie die zwischen der BRonx und Greenwich Village. (Ein unschöner Gedanke: muss Thorwald vielleicht vor allem deshalb aus dem Haus vertrieben werden, weil er nicht cool genug ist?)

Natürlich sind beides Überwachungsdispositive, und auch wenn es bei Hitchcock eine Sehnsucht nach den in der Architektur noch gespeicherten älteren Formen von Sozialisation gibt, so ist die weiche, organische Form der nachbarschaftlichen Goldberg-Überwachung keineswegs harmloser als die harte, technologisch-distanzierte, atomisierte Überwachung in Rear Window. Was beim Schritt zu Hitchcock, zum Kino und in die kleinbürgerliche Boheme-Moderne wegfällt, ist die direkte Ansprache des Publikums durchs "Fenster zum Hof". Bei den Goldbergs bezeichnet der Innenhof den natürlichen Ort des Publikumsblicks, in Hitchcocks Film sind wir dagegen zumindest imaginär überall, nur nicht im Hof.

Auch interessant (und sicherlich schon oft kommentiert), dass das Fernsehen in Rear Window noch keine Präsenz hat. Bereits zwei, drei Jahre später wäre das wohl ein krasser Anachronismus gewesen.

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