Dass Kritiker_innen immer schon embedded sind, Teil dessen, was sie zu kritisieren vorgeben, darauf wird heute oft genug verwiesen. Mir scheint, dass die Argumente einer solchen Kritikkritik oft auf einer von zwei Schienen verlaufen: Entweder heißt es, diese oder jene kritische Praxis "reproduziere Strukturen", aufgrund dieser oder jener (oft identitätspolitisch gedachten) Setzung; oder aber, sie sei bloße Elfenbeinturmschreiberei, selbstbezügliches Insidertum, deshalb nutzlos und von Anfang an Teil des Problems. Beide Schienen haben für die auf sie Gesetzten den Vorteil, dass die Kritikkritik nicht, oder höchstens rhetorisch, zur Kritikselbstkritik ausgebaut werden muss. Die Reproduktion von Strukturen anzuklagen heißt schon fast automatisch, sich selbst aus dieser Reproduktion auszuklammern, was vor allem deshalb funktioniert, weil die Strukturen als reine Sprachstrukturen gedacht sind, weshalb sich jede Kritik automatisch performativ selbst bestätigt. Die Elfenbeinturmschreiberei zu kritisieren heißt hingegen zu insinuieren, dass eine Nichtelfenturmschreiberei möglich sei und bereits in der Anrufung dieser Möglichkeit virtuell geleistet werde.
Adorno sind diese Auswege verschlossen. Die Kritik ist bei ihm nicht aufgrund einer spezifischen sozialen Positionierung Teil des Problems, sondern sie wird es durch den Akt des Kritisierens selbst; beziehungsweise: die problembehaftete soziale Positionierung jeder Kritik entspringt einer Aporie im Herzen des Begriffs der Kritik. Dass und wie diese Aporie wiederum gesellschaftlich vermittelt, aber gleichzeitig unüberwindbar ist, scheint die zentrale Fluchtlinie der Argumentation zu sein.
Der Text ist einer der negativsten, pessimistischsten, den ich bisher von Adorno gelesen habe. Zumeist läuft seine Argumentation doch auf eine, wie sehr auch immer von Paradoxien und Praxisvorbehalten verstellte Errettungsfiktion zu. Hier jedoch taucht die Vision einer befreiten Welt, die keiner separaten Sphäre der Kultur und damit der Kulturkritik bedarf, nur einmal kurz zwischendurch auf, als Nebenbemerkung, die gar nicht mehr an Realisierung denken lässt; stattdessen zerstören sich im zweiten Teil des Essays, nachdem das Problem einmal angemessen allumfassend dystopisch ausformuliert ist, die (ideologiekritisch-)transzendentale und die immanente Kulturkritik gegenseitig, ohne dass eine, wiewohl ebenfalls kurz angedeutete dialektische Integration beider Momente in Sicht wäre.
Mir scheint, dass die Einwände gegen die erste Methode heute driftiger sind, vielleicht nur deshalb, weil die zweite, immanente, sich ohnehin mit dem Begriff von Kultur, auf den sie sich bezieht (Kultur als eine autonome, wie vermittelt auch immer doch stets Idealen von Schönheit und Harmonie verpflichteten Geistessphäre), erledigt hat.
Oder erhält sie gerade dadurch, durch die Obsoletheit ihres Objekts in Bezug aufs realexistierende Gesellschaftssystem, ein widerständiges Moment? Adorno hätte einen solchen Gedanken vermutlich eiskalt abgeschmettert; sein Ablehnung des vermeintlich Anachronistischen, die wiederkehrende Rede vom "Stand der geistigen Produktivkräfte", ist mir nicht immer ganz geheuer, wirkt manchmal doch wie ein Fetisch höherer Ordnung.
Wie gesagt, mich überzeugt die Kritik der Ideologiekritik mehr: Wenn immer, automatisch, zunächst nach dem Sprecherstandpunkt gefragt wird, erhält Ideologiekritik etwas Sortierendes, Polizeiliches, Mechanisches (mechanisch: deshalb vielleicht langweilt mich Bourdieu, dem ich sicher trotzdem Unrecht tue) - und das ist vielleicht nicht einmal das Hauptproblem. Der viel beängstigendere Gedanke besteht darin, dass es vielleicht längst nichts mehr zu Sortierendes gibt. Die Argumente gegen eine transzendentale Ideologiekritik, die Kultur abstrakt als falsches Bewusstsein durchschauen will und die stets zumindest implizit einen ideologie-, deshalb auch kulturfreien Naturzustand herbeisehnt, sind vor allem deshalb so schlüssig, weil der Prozess der Entsubstantialisierung von Ideologie, den Adorno beschreibt, heute noch einmal deutlich weiter fortgeschritten sein düfte als in dem Nachkriegsdeutschland, über das Adorno schreibt.
Ein (rätselhafter, faszinierender) Schlüsselsatz im Text dazu: "Kulturkritik wird zur gesellschaftlichen Physiognomik" (25). Das Verhältnis von Kultur zu Ökonomie ist nicht mehr zu denken als das von Ursache zu Wirkung, sondern als das blinde Ineinandergreifen zweier eng miteinander verschalteten Teile einer Maschine. Ideologie wird hermetisch durch ihre Transparenz, weil die divergierenden Ideologeme nichts mehr verbergen, ausser der Tatsache, dass Kultur in Zeiten der modernen Massengesellschaft, das ist die vielleicht erstaunlichste Formulierung des Textes, "in all ihren Stücken gleich nah dem Mittelpunkt" (25) ist.
Adorno sind diese Auswege verschlossen. Die Kritik ist bei ihm nicht aufgrund einer spezifischen sozialen Positionierung Teil des Problems, sondern sie wird es durch den Akt des Kritisierens selbst; beziehungsweise: die problembehaftete soziale Positionierung jeder Kritik entspringt einer Aporie im Herzen des Begriffs der Kritik. Dass und wie diese Aporie wiederum gesellschaftlich vermittelt, aber gleichzeitig unüberwindbar ist, scheint die zentrale Fluchtlinie der Argumentation zu sein.
Der Text ist einer der negativsten, pessimistischsten, den ich bisher von Adorno gelesen habe. Zumeist läuft seine Argumentation doch auf eine, wie sehr auch immer von Paradoxien und Praxisvorbehalten verstellte Errettungsfiktion zu. Hier jedoch taucht die Vision einer befreiten Welt, die keiner separaten Sphäre der Kultur und damit der Kulturkritik bedarf, nur einmal kurz zwischendurch auf, als Nebenbemerkung, die gar nicht mehr an Realisierung denken lässt; stattdessen zerstören sich im zweiten Teil des Essays, nachdem das Problem einmal angemessen allumfassend dystopisch ausformuliert ist, die (ideologiekritisch-)transzendentale und die immanente Kulturkritik gegenseitig, ohne dass eine, wiewohl ebenfalls kurz angedeutete dialektische Integration beider Momente in Sicht wäre.
Mir scheint, dass die Einwände gegen die erste Methode heute driftiger sind, vielleicht nur deshalb, weil die zweite, immanente, sich ohnehin mit dem Begriff von Kultur, auf den sie sich bezieht (Kultur als eine autonome, wie vermittelt auch immer doch stets Idealen von Schönheit und Harmonie verpflichteten Geistessphäre), erledigt hat.
Oder erhält sie gerade dadurch, durch die Obsoletheit ihres Objekts in Bezug aufs realexistierende Gesellschaftssystem, ein widerständiges Moment? Adorno hätte einen solchen Gedanken vermutlich eiskalt abgeschmettert; sein Ablehnung des vermeintlich Anachronistischen, die wiederkehrende Rede vom "Stand der geistigen Produktivkräfte", ist mir nicht immer ganz geheuer, wirkt manchmal doch wie ein Fetisch höherer Ordnung.
Wie gesagt, mich überzeugt die Kritik der Ideologiekritik mehr: Wenn immer, automatisch, zunächst nach dem Sprecherstandpunkt gefragt wird, erhält Ideologiekritik etwas Sortierendes, Polizeiliches, Mechanisches (mechanisch: deshalb vielleicht langweilt mich Bourdieu, dem ich sicher trotzdem Unrecht tue) - und das ist vielleicht nicht einmal das Hauptproblem. Der viel beängstigendere Gedanke besteht darin, dass es vielleicht längst nichts mehr zu Sortierendes gibt. Die Argumente gegen eine transzendentale Ideologiekritik, die Kultur abstrakt als falsches Bewusstsein durchschauen will und die stets zumindest implizit einen ideologie-, deshalb auch kulturfreien Naturzustand herbeisehnt, sind vor allem deshalb so schlüssig, weil der Prozess der Entsubstantialisierung von Ideologie, den Adorno beschreibt, heute noch einmal deutlich weiter fortgeschritten sein düfte als in dem Nachkriegsdeutschland, über das Adorno schreibt.
Ein (rätselhafter, faszinierender) Schlüsselsatz im Text dazu: "Kulturkritik wird zur gesellschaftlichen Physiognomik" (25). Das Verhältnis von Kultur zu Ökonomie ist nicht mehr zu denken als das von Ursache zu Wirkung, sondern als das blinde Ineinandergreifen zweier eng miteinander verschalteten Teile einer Maschine. Ideologie wird hermetisch durch ihre Transparenz, weil die divergierenden Ideologeme nichts mehr verbergen, ausser der Tatsache, dass Kultur in Zeiten der modernen Massengesellschaft, das ist die vielleicht erstaunlichste Formulierung des Textes, "in all ihren Stücken gleich nah dem Mittelpunkt" (25) ist.
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