Friday, January 15, 2021

Jürgen Enz (1941-2021)

Auf den Deutschen Herbst folgt die Herbstromanze. Während der Neue Deutsche Film sich, an den Wirren der Gegenwart scheiternd, langsam in seine Bestandteile auflöst und noch bevor sich die "geistig-moralische Wende" politisch durchsetzt (was filmästhetisch vor allem der Amalgamisierung von Kino und Fernsehen Vorschub leistet), flüchtet sich ein Gebrauchsfilmer namens Jürgen Enz in das verlorene Paradies des Heimatfilms, durch das nun allerdings der fiebrige Wind eines ungreifbaren Wahnsinns weht. Die alten Formen, die alten Postkartenbilder und die alten Figuren sind noch da, selbst Rudolf Lenz ist noch da, und doch stimmt plötzlich gar nichts mehr. Viel radikaler als jeder "kritische Heimatfilm" zeigt uns die ehrliche Hommage Herbstromanze das Nahverhältnis von Idylle und Lüge. Auf so etwas wollte sich seinerzeit niemand einlassen, das Publikum nicht und die Kritik schon gleich gar nicht. Darüber retrospektiv zu schimpfen führt nicht weit. Das Scheitern gehört bei Enz dazu, ist nicht zu trennen von der Schönheit seiner Filme. Passenderweise wurde Herbstromanze, sein erster und einziger ernsthafter Versuch, aus dem Sexfilmghetto auszubrechen, zu seiner größten Niederlage. Um diesem Film doch noch auf Augenhöhe begegnen zu können, bedurfte es eines neuen, distanzierten und gleichzeitig etwas wahnwitzigen Blickes. Oder andersherum: Herbstromanze allein wäre Grund genug gewesen, die Hofbauerkongresse zu erfinden.

Selbst im Hk-Kosmos blieb Enz freilich ein Sonderfall. Anders als Olsen, Billian oder auch Hofbauer selbst kann man ihn kaum als einen vulgar auteur feiern, der fernab der respektablen Filmkultur selbstbewußt seine eigene Handschrift kultiviert. Die eigene Handschrift gibt es schon, klar (einen Enz-Film erkennt man teils schneller als einen Hitchcock-Film), aber sie lässt sich eher negativ denn positiv bestimmen; als eine Dimmung der Grundenergie, als Verzicht auf Oberflächenlebendigkeit, wordurch freilich die Sonderbarkeiten des trotzdem gelebten Lebens umso deutlicher in den Blick kommen, als Verlust aller Selbstverständlichkeiten in der Art, wie wir uns bewegen, miteinander reden, uns berühren. Dabei gilt: je intimer die Situation desto sonderbarer, ungelenker, verworrener das Körperverhalten. Wer möchte da widersprechen.


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