Monday, August 21, 2006

Fantasy Filmfest 06: Hausu, Obayashi Nobuhiko, 1977

Anhänger des Sleaze im Allgemeinen und des Exploitationfilms im Besonderen verteidigen "ihr" Kino gerne mit dem Hinweis auf "avantgardistische Techniken" oder "formale Experimente", die sie in den Werken meinetwegen Jean Rollins oder Dario Argentos ausfindig zu machen glauben. So sehr es zu begrüßen ist, dass die Diskussion solcher Streifen nicht vollständig dem ofdb-Forum und ähnlichen je-mehr-Blut-desto-gut Diskutanten überlassen bleibt, halte ich - der ich dem Kino selbstverständlich ebenfalls dann ganz besonders gewogen bin, wenn es sich möglichst weit jenseits jeder geschmacklichen Norm bürgerlicher Kultur befindet - es doch für wenig sinnvoll, den Exploitationfilm mit den Wertmaßstäben modernistischer Ästhetik salonfähig machen zu wollen. Was ja auch gar nicht funktioniert: ein Jump-Cut macht aus einem Women-in Prison Film noch lange keinen Godard und surreale Bilder bei Rollin sind zwar surreale Bilder aber noch lange kein Surrealismus. Müssen sie ja auch gar nicht sein, mehr noch: sollen sie überhaupt nicht. Denn schließlich ist die Idee, "Schmutzfilme" mit den Maßstäben eben jener Ästhetik, die ihr einen Platz am untersten Ende der Nahrungskette zugewiesen haben, wieder aufzuwerten, reichlich absurd. Die dem ästhetischen Diskurs der Moderne innewohnende Tendenz zum Be-, Auf- und Abwerten, hervorragend beschrieben von Cylde Taylor in seiner Diskussion des schwarzen Kinos, zur Kanonbildung und zum Scheuklappenblick gilt es nicht zu reformieren, sondern zu ignorieren.
Hausu, einsamer Höhepunkt des diesjährigen Fantasy Filmfests, mag als Beleg dafür dienen, dass ein beharren auf vorbelasteten Qualitätsstandarts wie "Avantgard" oder "formales Experiment" nicht weit führt, auch wenn es mir hier schwerlich gelingen wird, eine annehmbare Alternative vorzuschlagen. Doch der Versuch, Obayashis absolut wahnwitzigen Streifen dadurch adeln zu wollen, dass man ihm attestiere, Elemente der klassischen Avantgarde in den - hier sehr schlüpfrig inszenierten - japanischen Geisterfilm hineinzutragen und dadurch sagen wir mal Hoch- und Populärkino dialektisch zu verbinden osä, geht gerade in diesem speziellen Falle nicht nur vollkommen am Film vorbei, der Erkenntnisswert dieser Feststellung tendiert tatsächlich deutlich gegen Null. Vielmehr wäre etwa zu untersuchen, wie es Hausu gelingt, seine Diegese so wirkungsvoll gegen jeden Einbruch einer eventuell vorhandenen empririschen Realität abzuschotten, wie sich der filmische Bildraum, hier durchaus vergleichbar den ersten beiden Sasori-Filmen, in eine Art Bühnenraum verwandelt, der das indexikalische Potential des photografischen Bildes ad absurdum zu führen scheint´und durchaus selbstreflexiv ein Zeichensystem etabliert, das den direkten Zugriff auf die Welt für unmöglich erklärt und gleichzeitig die Vermittlungsinstrumente (Montage, Special Effects, Split Screen etc) immer wieder auf eben diese Wirklichkeit zurückbindet: die gemalten Kulissen sind in Wirklichkeit Plakatwände, die auf einer Wiese aufgestellt sind, den Blick auf die realen Bäume und Hügel verdeckend. Wie auch immer man eine genauere Analyse anzufangen gedenkt: Eine Argumentation, die doch wieder nur auf die klassische - und natürlich europäische - Avantgarde abhebt, wird einem Film wie Hausu nie und nimmer gerecht werden.

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