Eine Mutter meldet der Polizei, ihr Sohn sei von einem Afromerikaner entführt worden. Während der hektischen Ermittlungen entstehen bals Zweifel an dieser Version der Geschichte.
Polizisten mit heruntergeklapptem Visier stehen einer wütenden Gruppe Afroamerikanern gegenüber. Die Versuche des ebenfalls farbigen Polizisten Lorenzo Council (Samuel L. Jackson), die Lage zu beruhigen, scheinen erste Früchte zu tragen, als der während einem Verhör misshandelte Kleinkriminelle Rafik (Fly Williams) auf die zurückweichenden Uniformierten zustürmt und die Situation eskalieren lässt. Das Resultat: Chaos in New York.
Das Gesicht der Wahrheit ist ein Film über Rassismus und Polizeigewalt. Gleichzeitig erzählt Regisseur Joe Roth jedoch auch von der ehemaligen Drogenabhängigen Brenda Martin (Julianne Moore), die bei der Polizei angibt, ihr Kind sei von einem Farbigen entführt worden, woraufhin die Behörden den angeblichen Tatort hermetisch abriegeln und den Zorn der Einwohner auf sich ziehen. Mit der Zeit wachsen jedoch bei allen Beteiligten die Zweifel an Martins Geschichte. Ein schrecklicher Verdacht drängt sich nicht nur dem ermittelnden Kommissar Council auf.
Roths Film erzählt mindestens zwei unterschiedliche Geschichten, die zwar viele Berührungspunkte haben, sich jedoch gegenseitig oft im Weg zu stehen scheinen. Einerseits ist Das Gesicht der Wahrheit wie oben beschrieben ein – etwas halbherziger – Diskurs über die Logik der Gewalt, die aus ethischen Problematiken hervorgeht. Weder wird die Situation auf ihre Ursachen hin untersucht, noch ein Ausweg vorgeschlagen. So liefert der Film nicht mehr als die Klischees, die inzwischen allgemein bekannt sein dürften: Gewalt entsteht aus Intoleranz und erzeugt Gegengewalt.
Interessanter ist die Entführungsgeschichte. Von Anfang an ist die Beziehung zwischen Martin und Council seltam ambivalent. Gegen Ende fügt der Film dem ständig präsenten Rassismusthema eine psychosexuelle Dimension hinzu, die leider kaum ausgearbeitet wird und ebenso wie vieles andere in der Luft hängen bleibt.
Das Grundproblem von Das Gesicht der Wahrheit ist ein Strukturelles. Weder gelingt es Roth, den ansonsten solide inszenierten Film zu einem schlüssigen Ende zu führen, noch werden die einzelnen Erzählstränge ausreichend verknüpft und hierarchisiert. Vor allem jedoch ist Samuel L. Jacksons Figur eindeutig überfrachtet und scheint dazu auserkoren, nicht nur alle Probleme des Films, sondern der gesamten amerikanischen Gesellschaft in sich zu vereinigen. Statt den Film zusammenzuhalten, werden sowohl das persönlichen Drama Martins als auch die Rassismusproblematik nicht ausschöpfend behandelt und stattdessen auf Council projiziert.
Vor allem im Falles des letzteren ist dies ärgerlich. Zwar ist anzuerkennen, dass das kommerzielle amerikanische Kino inzwischen Themen wie Polizeigewalt und Diskriminierung für sich entdeckt hat. Der Modus der Auseinandersetzung ist aber, das beweist Freedomland genauso wie letztes Jahr L.A. Crash (Crash), meist wenig überzeugend.
Ursprünglich erstellt für critic.de, dort nie erschienen
1 comment:
Ich kenne FREEDOMLAND nicht - aber dieser Text verweist und erinnert mich betrübt an den enorm emporgehypten L.A.CRASH, und das löst keine guten Erinnerungen aus.
Diese lamoyante Sozialarbeiter-Haltung (Vater hat immer Sportschau geguckt und Mutter dabei gebügelt, der Junge musste einfach ein Vergewaltiger/Krimineller/Psychopath etc werden) hat Deutschland, nein: ganz Europa dahin gebracht, wo wir jetzt stehen: einen Schritt vor dem Abgrund.
Danke für die Warnung!
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