Thursday, November 16, 2006

Der schöne Tag, Thomas Arslan, 2001

Der schöne Tag scheint auf den ersten Blick "Authentizität" in extremer Form zu versprechen: Ein einzelner Tag einer jungen Frau in Berlin soll erzählt werden, ein mehr oder weniger zufällig ausgewählter Abschnitt aus dem Leben. Noch dazu ist Deniz Deutsch-Türkin, auch der Regisseur hat einen türkischen Vater. Der 3-Sat Trailer vor der Videoaufnahme - "jung, deutsch, türkisch" - macht die damit verbundenen Erwartungen klar. Arslans Film jedoch dekonstruiert alle Ansprüche, die an das Werk gestellt werden können, mit Leichtigkeit.
Die 24 Stunden, die Der schöne Tag erzählt, formen sich eben gerade nicht zu einem wie auch immer repräsentativen Tag aus dem Leben eines mehr oder weniger beliebigen Menschens. Statt dessen wird die filmische Konstruktionsarbeit in fast jeder Einstellung deutlich. In Der schöne Tag sind alle Sequenzen aufeinander mit dem Ziel abgestimmt, die Lebenswelt Deniz' möglichst umfassend abzubilden. Arslans Film behandelt nacheinander dei Trennung vom Freund, die Arbeit, die familiäre Situation, eine neue Liebe usw. Die Beschränkung der Erzählung auf einen einzigen Tag dient so vor allem dazu diese Konstruktionsarbeit auf Seiten des Regisseurs (bzw des Drehbuchautors) sowie die Rolle der ästhetischen Vermittlung allgemein deutlich zu machen.
Die Distanz zum exotizistischen 3-Sat Trailer ist mindestens ebenso deutlich. Deniz definiert sich nie über die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe. Zwar ist Der schöne Tag in mancher Hinsicht durchaus ein Film über den Alltag von Migranten in Deutschland. Ganz nebenbei stellt Arslan verschiedene Entwürfe des Umgangs mit der eigenen Herkunft - bzw der Herkunft der Vorfahren - nebeneinander: Die Nachbarskinder, die Mutter, die scheinbar völlig assimilierte Schwester. Allerdings vermeidet der Film konsequent alle Klischees, alle emblematischen Bilder (Kopftücher etc), ganz allgemein jeglichen kulturellen Essentialismus. Der Umgang mit Ethnien erscheint ganz im Gegenteil eher spielerisch, zumindest von Seiten der Regie: Bilge Bingul als Diego ist wohl vor allem deshalb Portugiese, weil er in Petzolds Die innere Sicherheit Jeanne genau dort kennen lernt.
Auch an einzelnen formalen Eigenschaften lässt sich ablesen, wie der Film stets auf das eigene Konstruktionsprinzip verweist. Beispielsweise durch die Offenlegung der filmischen Konventionen in Gesprächsszenen, deren Auflösung in der Schuss / Gegenschuss Technik durch eine extreme Betonung von Bickachsen geprägt ist. Der Wechsel auf die andere Seite der Achse - die 180-Grad Regel wird mit aller Penetranz befolgt - wird durch eine aufdringliche laterale Kamerafahrt illustriert. In einer anderen Szene schaut Deniz einer U-Bahn hinterher. Die Kopfdrehung nimmt die Bewegung der Bahn mit klinischer Präzision auf - allerdings fährt der Zug in der "falschen" Richtung aus dem Bahnhof heraus.

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