Eine Zeichentrickdame möchte Perlen und Gebiss im Safe verstauen, doch der ist schon voll. Dann fällt ihr Blick auf eine Gruppe von zwölf Stühlen. Einer schiebt sich in den Vordergrund, wird neue Heimat der Diamanten und ist hinfort mehr als nur ein Stuhl. Oder vielleicht auch weniger, denn sich einfach auf ihn draufsetzen, das geht jetzt nicht mehr. Zumindest wenn man weiß, was im Bezug versteckt ist.
Wahrscheinlich schon an die 20 Verfilmungen hat Ilya Ilf und Jevgeni Petrovs Roman hinter sich (nicht nur Mel Brooks hat sich an dem Stoff versucht, sondern - Oh Gott! - auch Ulrike Ottinger). Gesehen habe ich keine davon, auch das Buch kenne ich nicht. Aleas Adaption zumindest ist großartig.
Das Intro ist animiert und sicherlich auch ein Stilzitat (in der Geschichte des Animationsfilms kenne ich mich kaum aus, da vage ich keine Vermutung worauf diese ebenso plumpe wie plump gezeichnete Figur sich bezieht), später dann wildert Alea hemmunglos in der Filmgeschichte, insbesodere in der Stummfilmästhetik. Der eigentliche Reiz des Films aber liegt nicht im souveränen Umgang mit visuellen Klischees und Filmgeschichte, ja überhaupt nicht im Bereich des Formalästhetischen. Da ist Aleas Film nur höchst solide.
Mehr als ein gut geöltes Stück Neo-Slapstick wird Las doce sillas, wenn man den Film in seinem historisch-ideengeschichtlichen Kontext sieht. Denn Las doce sillas ist in erster Linie eine Allegorie auf die kubanische Revolution, die sich in zweiter Linie dann langsam aber sicher in eine Allegorie auf beziehungsweise in eine Bearbeitung des marxschen Fetischbegriffs verwandelt. Und bleibt dabei immer Komödie.
Zunächst sind die Stühle historisch und sie bleiben es auch bis zum Ende. Verteilt in der Bevölkerung sind sie keine Statussymbole mehr, sondern werden reduziert auf ihren Gebrauchswert für die postrevolutionären Individuen. Und der ist gering, denn sie taugen nicht viel. Für den alten Aristokraten, der von den Diamanten weiß, sieht alles ganz anders aus. Der Wert der Stühle steigt für ihn in einer Gesellschaft, die nicht mehr um den Tauschwert herum organisiert ist, ins Unermessliche und ist nicht mehr kategorlial zu erfassen. Sein Versuch, die Stühle auf einer Auktion zurück zu kaufen, scheitert denn auch kläglich.
Las doce sillas materialisiert und isoliert den Warenfetisch als groteskes, absurdes Artefakt und versucht ihn zumindest für die Dauer eines Filmes zu überwinden. Der Warenfetisch veralbert, mit Messern zerschlissen und zu guter Letzt sogar von einem Löwen aufgefressen.
Was der Film sonst noch alles macht (und er macht viel), werde ich vor einer zweiten Sichtung nicht richtig zu fassen bekommen, deshalb möchte ich es hier gar nicht erst versuchen. Besonders interessant erscheint mir die Abwesenheit eines ideologisch/erkenntnistheoretischen Zentrums, das die Allegorie und das politische Traktat eindeutig perspektivieren würde. Die Hauptfigur ist zwar durchaus klassisch Identifikationsfigur und durchläuft einen Bildungsroman, eine höhere Form von Klassenbewusstsein kommt dabei am Ende aber nicht heraus. Statt dessen spielt sie mit einigen Kindern Baseball.
1 comment:
Gruss von deinem D. :)
Post a Comment