Friday, June 12, 2009

Star Trek, J.J. Abrams, 2009

Wie der Film gleich in den Eingangssequenzen nach der ersten Schlacht zwischen "Iowa" und "Vulkan" nonchalant hin und her springt, markiert nur durch kurze Texteinblendungen oben links im Bild, das hat mir bereits klar gemacht, dass der Film bei mir auf der guten Seite landen wird. Es gibt dann in diesem Science-Fiction-"Iowa" (in dem ein Gebäude, das von außen wirkt wie ein typisches Midwest-Diner, innen sehr wohl aussehen kann wie eine Großraumdisco im Star-Wars-Universum aussehen würde) eine schöne Szene, die die Struktur des Films zusammenzufassen scheint: James T. Kirk ist zum jamesdeanesquen Motorradjüngling herangereift und beschließt, nach einigem Zaudern, die Weltraumkarriere einzuschlagen. Er steht dann in seiner Motorradkluft vor der Starfleet Academy (eventuelle Fehler in der Terminologie bitte ich zu entschuldigen, ich kenne außer diesem und zwei anderen Filmen praktisch nichts aus dem Franchise) und blickt auf ein glitzerndes, leuchtendes, psychedelisch-farbenfrohes Durcheinander, das die Academy darstellen soll, durchaus aber auch als ein stand-in für den gesamten Film gedacht werden kann: Eine dezidiert räumliche Organisation ohne Anfang und Ende ist Abrams' Star Trek, eine räumliche Organisation ohne referentiellen Gehalt im engeren Sinne und ohne eine echte zeitlich-historische Dimension. Zwar definiert sich das Reboot vorderhand über sein Verhältnis zur Genealogie des gesamten Franchises, aber Kategorien wie Fortschritt, Regression etc sind in diesem ewig gleichen lens-flare-Wunderland bedeutungslos. Zeitsprung, Zeitresie und andere Manipulationen der Zeitachse werden konsequent verräumlicht, einmal öffnet sich eine "alternative Welt", die selbstverständlich identisch aussieht wie die, von der sie sich abspaltet.
Sean Cubitt beschreibt in seinem oft konfusen, aber in dieser Hinsicht sehr lesenswerten Buch The Cinema Effect das moderne Hollywoodkino (beziehungsweise einige Tendenzen innerhalb desselben) als eines, in dem sich nicht mehr aktive Helden in einer offen gedachten Zeit durch eine prinzipiell veränderbare Welt bewegen (die Welt als Funktion der Bewegung des Helden in der Zeit), sondern eines, in dem die Welt von Anfang an determiniert ist und die Aufgabe des Helden darin besteht, seinen Platz innehalb derselben zu suchen (das "Schicksal" des Helden mit seiner zwangsläufigen Zeitstruktur als Funktion der Welt). Star Trek ist einerseits ein Musterbeispiel für diese nicht nur zeit-, sondern auch subjektfeindliche Erzähllogik, andererseits ein Spezialfall, weil das Schicksal und die Welt in diesem Fall schon vor Filmbeginn determiniert sind. Die leicht faschistoid anmutende, studenteverbindungsartige Enterprise-Besatzung (wie Starship Troopers, freilich ohne Verhoevens satirische Absicht, zelebriert Abrams' Film eine Form von Neofaschismus, die ethnische wie Geschlechtsgrenzen überwunden hat) befindet sich bereits am Ort ihrer Bestimmung, noch aber wird nur vorsichtig ausprobiert, wie sich der Kommandosessel anfühlt (passend dazu nutzt Abrams Gesichter, die noch nicht voll vom Starsystem erfasst worden sind).
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Möglicher Grenzverlauf im Blockbusterkino:

Zeit als Tiefe, Genealogie, Ursprungserzählung (Fortschreibungen in Psychologie, Moral etc):
Spider-Man
Lord of the Rings
X-Men
The Dark Knight
Harry Potter?

Raum, Oberfläche, Geschwindigkeit (Geschwindigkeit der Körper wird zur Geschwindigkeit der Gedanken):
Jumper
Pirates of the Caribbean
Transformers
Ghost Rider
National Treasures (Geschichtsschreibung konsequent verräumlicht)
Star Trek

11 comments:

Unknown said...

Ich finde nicht uneinleuchtend, was Du schreibst. Aber warum genau landet diese Form von subjektfeindlich-deterministischem Neofaschismus eigentlich auf der guten Seite? (Das ist auch eine Frage an mich selbst, die sich mir aber erst nach der Lektüre Deines Textes so stellt.) Anders gefragt: Ist es nicht auch hoch verdächtig, dass uns die zweite der von Dir schematisch entworfenen Kategorien auf Anhieb sympathischer ist? Und müsste man nicht eine ästhetische Ausarbeitung einer Subjekt-Rest-agency-freundlichen Raum-Zeit-Handlungsfähigkeit-Auffassung wünschen, die auf alteuropäische Psychologisierungen und Genealogie-Essentialisierungen zu verzichten versteht? Oder: Gibt es das? (So wie Simon in Cargo Kathryn Bigelows "Hurt Locker" beschreibt, klingt das fast so. Ich habe den Film noch nicht gesehen.) Oder sind das rein nostalgische Anwandlungen?

Lukas Foerster said...

eine Antwort habe ich da selbstverständlich auch nicht. Sicher muss ich meinen eigenen Geschmack da hinterfragen.
Ich denke aber, man muss sich die Filme einzeln sehr genau ansehen, die Fascho-Camp-Elemente zB sind wahrscheinlich recht Star-Trek-spezifisch, selbst bei einem politisch so unsensiblen Regisseur wie Bay kann ich die schon nicht mehr wirklich finden.
Vor allem würde ich darauf bestehen, dass der Verzicht auf Genealogie und Individualpsychologie im Kino nicht unbedingt zu Baudrillards "Los Angeles Freeways" oder ähnlichem führt. Selbst Filme wie Star Trek oder Speed Racer werden das Problem der Referentialität nicht ganz los. Und vielleicht rettet der immer problematische aber nie hintergehbare Bezug zu dieser (auch im digitalen Kino) bildimmanenten Referentialität die Filme dann doch noch jedes Mal (insofern ist eine Formulierung in meinem Text etwas ungünstig). Auch gegen Cubitt könnte man vielleicht argumentieren, dass Filme, die einer räumlichen Logik der Oberfläche gehorchen (=die sich über die Oberfläche einer Welt bewegen, die ihre Verbindung zur realen nicht vollständig leugnen kann), den Weltbezug nie ganz aufgeben. (Während Filme, die fiktive Genealogien konstruieren, sich in dieser Hinsicht schon schwerer tun)

Unknown said...

Aber kann Referentialität per se schon die Rettung sein? Sollte man nicht einen konkreten, eingreifenden Bezug zur/in die Welt fordern dürfen oder müssen? Und braucht es dafür nicht eine historische Dimension, die ja keine wurzelsuchend-genealogische sein muss? Ist die Freude am fröhlichen Vor-Sich-Hin-Transformieren nicht eine irgendwie neoliberale Freude? Sind das Old-(Frankfurt)-School-Fragen? Und heißt das, man darf sie diesen Filmen nicht mehr stellen? (Ich rede weiter auch mit mir vor mich hin...)

Unknown said...

Oder man könnte vielleicht auch sagen: Es steckt hinter dieser Linie, die Du ziehst, die Idee, dass es nicht nur eine sinnlos sich an ihrer (eingebildeten) Nichreferentialität besaufende schlechte Blockubster-Postmoderne gibt (Michael Bay), sondern auch eine gute Postmoderne, die das Wissen um die Problematik der Referenz gegen eine reaktionäre Postmoderne, die pseudo-mythisch aufgemotztes Alteuropa ist (Herr der Ringe), auszuspielen versteht. Das Gute daran wäre erst einmal die Ablehnung des Reaktionären. Aber ist es nicht vernünftig, auf etwas zu hoffen oder zu setzen, das auf Referenz insistiert, ohne ontologisch zu werden; das auf Geschichtlichkeit insistiert, ohne gründungsmythisch zu werden; das auf Geografie setzt, ohne raum-essentialistisch zu werden; das auf Agency setzt, ohne subjektgläubig zu werden; das technisch an der vordersten Front ist, ohne die Technik zum Selbstläufer werden zu lassen; das Genrebewusstsein hat, ohne nostalgisch zu sein? Und wäre dann zum Beispiel Michael Mann die Chiffre für diese Hoffnung?

emergenzen said...

Klingt nach ner Jobbeschreibung für Joss Whedon. Ich glaube, in der letzten Firefly-Folge "Objects In Space" macht er diese Frontstellung innerhalb der "Postmoderne" auch ziemlich explizit- hab's leider gerade nicht parat.
Nur lassen sie den den letzten Schritt auf die Blockbusterebene nicht machen - rein kommerziell gesehen sicher berechtigterweise.

Unknown said...

Auf Joss Whedon wäre ich dabei nun gar nicht gekommen. Ich sehe bei ihm keinerlei Stringenz in den Sachen, die er so probiert. Es gibt da schon einen Ernst, aber es ist immer ein Ernst, der aus dem Kinderzimmer nicht rauskommt. Oder Jugendzimmer, vielleicht. Und mit dem ganzen Kinderzimmer-Kram, mit dem er hantiert, kann man halt doch die Welt nicht recht zu fassen bekommen, scheint mir. (Aber gut, ich bin über die erste "Buffy"-Staffel nicht rausgekommen, kenne nur den "Firefly"-Kinofilm und hatte auf "Dollhouse" auch recht schnell keine Lust mehr.)

emergenzen said...

Das ist wirklich ne sehr unglückliche Auswahl (besonders die ersten - glaube fünf - Dollhouse-Folgen, von denen sich Whedon sogar distanziert hat). Es liegt mir aber fern, Stringenz und Reife von Whedons Kreationen zu verteidigen (mit der eventuellen Ausnahme Firefly - der Serie). Oft kriegt er auch die Balance zwischen Genre und Allegorie nicht hin.
Aber ich meine, wenn wir schon von einer Grenze zwischen X-Men und Transformers reden - da finde ich schon, dass Whedon interessant zwischen und jenseits dieser beiden jeweils auf ihre Art reaktionären Alternativen agiert und einen Raum öffnet, in dem das Pop-Kino /-Fernsehen doch mal das eine oder andere relevante Thema verhandeln kann. (Gerade die Agency-Frage wird in einigen Dollhouse-Folgen, auch bei der leider sehr unebenen späten "Buffy" auf jeden Fall interessant auseinandergefaltet.)

emergenzen said...

Und wie die Firefly-Serie SF und Western - auch durchaus inspiriert und nicht einfach nur, weil's eben geht- ineinander verschraubt, find ich auch sehr gelungen. Leider kriegt man im Film nicht viel davon mit.

Ekkehard Knoerer said...

Das sehe ich, nach allem, was ich so gelesen habe, ein, dass ich Whedon mit meiner Zufallsauswahl eher von seinen schwachen Seiten kennengelernt habe. "Dollhouse" fand ich potenziell sehr interessant, sah nur nicht, dass das die spannenden Richtungen, die es nehmen könnte, auch nimmt. (Es kommt dazu, dass ich mit diesen attraktiv-verhuschten Heldinnen auch wenig anfangen kann. Seltsam schwach-starke Frauen, Buffy und die Dollhouse-Heldin; ich müsste aber länger darüber nachdenken, was für Subjekt/Gender-Konstruktionen das eigentlich so genau sind.) Und habe dann wohl zu früh aufgegeben. Ich steige da noch mal ein. Welche "Buffy"-Staffel ist denn die beste?

emergenzen said...

Diese Whedon-Heldinnen sind halt der Versuch, Identifikationsvorlagen als Gegenmodell zu den männlichen Geek-Comic-Superhelden anzubieten - als schon neuartige, aber immer noch als spezifisch "weiblich" erkennbare Genderkonstruktionen. Gerade in Buffy werden über die gesamte Serie verschiedene Coming-Of-Age-Modelle für junge Frauen durchgespielt. Oft ist es allerdings so, dass im weiteren Verlauf die weniger auf die Hauptheldin fixierten Stränge die interessanteren sind (bei Buffy wie bei Dollhouse). (Oder vielleicht: wenn die z.B. Buffysche Heldenreise zur Folie für ein ganz anderes Thema oder eben formale Experimente wird)
Auf jeden Fall strange ist der Hang Whedons, seinen Heldinnen immer noch einen väterlichen Ratgeber/Beschützer zur Seite zu stellen - selbst im sonst nicht so heldinnen-zentristischen "Firefly" zu beobachten.

Zu Buffy: Bin jetzt kein so großer Buffyloge und hab die frühen Staffeln nur als Fragmente gesehen, als man sich Fernsehen noch im Fernseher angesehen hat - zweifelhafte Synchronisation eingeschlossen.
Würde mal sagen: Staffel 3 ist der Zenit der Serie als Pop-Phänomen, die sechste Staffel ist die experimentierfreudigste und offenste. Die siebte ging recht vielversprechend los, zeigt aber in der 2.Hälfte Auflösungserscheinungen.
Für das komplette Buffyversum muss man sich eigentlich zusätzlich mit fünf Staffeln "Angel" beschäftigen, die sich mit Buffy teilweise sogar verschränken - das wird dann anstrengend und ist eben teilweise schon eher U23.

Dann gibt's noch ein paar herausragende, eher experimentelle Konzeptepisoden, die man sich auch ohne den ganzen Kontext mal ansehen kann, ich nenne mal
Hush (4x10)
Once More With Feeling (6x07)
Normal Again (6x17)

Anonymous said...

Der Neofaschismus, wie er hier genannt wird ist definitiv NICHT Star Trek-spezifisch. Ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen.
Abrams versteht die Welt einfach nur zu schlecht um diese Elemente, die in der Gegenwart immer präsenter werden und ihm daher normal vorkommen, kritisch zu reflektieren oder aus Star Trek, was Abrams genauso wenig versteht, raus zu halten.