Monday, November 21, 2011

Into the Abyss, Werner Herzog, 2011

Ein ergreifender Film. Ein Pfarrer, der vor nummerierten aber namenlosen Kreuzen steht, kurz bevor er eine Exekution begleiten wird und der über ein Eichhörnchen erzählt, das er durch einen Golfplatz hat rennen sehen. Zwei Männer, die für einen Dreifachmord im Gefängnis sitzen, einer in der Todeszelle, einer lebenslang, beziehungsweise mindestens bis 2041, es scheint wenig Zweifel daran zu geben, dass beide schuldig sind, unklar ist höchstens, wer welchen Teil der Schuld trägt, aber dafür interessiert sich Herzog nicht besonders. Der Vater des letzteren, der im "Gefängnis gegenüber" sitzt und nicht davon ausgeht, noch einmal in Freiheit leben zu können und auf dessen Gesicht sich die Umrisse des Gefängnisgitters so eindringlich abzeichnen, als würden sie sich auf dem Körper selbst einschreiben. Der damals zuständige Polizist, über dessen Erzählungen Herzog gelegentlich Polizeivideos legt, die während der Ermittlungen entstanden waren, die in Into the Abyss aber keine Beweisstücke mehr sind, in denen statt dessen die Irreversibilität der Zeit unmittelbar Bild zu werden scheint. Der Bruder eines Toten, die Schwester und Tochter zweier anderer, beide sprechen über ihre Erfahrungen mit dem Verlust und Herzog gelingt es, selbst dann nicht unangemessen aufdringlich zu wirken, wenn er direkt nach emotionalen Zuständen fragt. Ein Freund eines Gefangenen, der der Kamera seine schwieligen Hände zeigt und erzählt, wie er im Gefängnis lesen gelernt und danach einen Job gefunden habe. Und dass er, wenn er sich doch einmal von seiner derzeitigen Freundin trennen würde, hinter das Tattoo an seinem Unterarm einfach nur "sucks" setzen müsste. Das Auto einer der Toten, wegen dem - möglicherweise - drei Menschen sterben mussten, das jetzt auf einem impound lot vor sich hin rostet und dessen Boden vor einiger Zeit von einem Baum durchstoßen wurde, der durch es hindurch gewachsen war. Gut möglich, dass Herzog sich an dieser Stelle zurückhalten musste, er fragt zumindest nicht weiter nach diesem Baum, wie er auch die Sache mit dem Eichhörnchen am Anfang nicht so weit verfolgt, wie er es in einem anderen Film vielleicht getan hätte. Into the Abyss stößt immer wieder auf die Art von Abzweigungen, die in anderen Herzogfilmen zum Beispiel zu Reptilien in Reaktorabwässern führen, der Film nimmt diese Abzweigungen aber nicht, sondern bleibt ganz im Bann der Tat und der Hinrichtigung, deren Vollzugsprotokoll die Kamera ebenfalls abtastet. Die bilderlose Leerstelle, um die herum sich viele Dokumentarfilme Herzogs organisieren ist in diesem Fall der Tod selbst, sowohl der der Mordopfer als auch der des Verurteilten. Der "glimmer of hope", mit dem der Film (fast) endet, ist dann ein medial mehrfach vermitteltes Bild eines unwahrscheinlichen neuen Lebens: die Ultraschallaufnahme eines mithilfe aus dem Gefängnis geschmuggelten Spermas durch künstliche Befruchtung erzeugten Embryos auf einem Mobiltelefon.

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