Fuzen no tomoshibi / Danger Stalks Near, Keisuke Kinoshita, 1957
Kono ten no niji / The Eternal Rainbow, Keisuke Kinoshota, 1958
Die mal melodramatisch-sentimental, mal satirisch-komisch flektierten (die erste Flektion ist mir ohne jeden Zweifel die liebere) Beziehungsgeschichten, aus denen das Werk Kinoshitas hauptsächlich besteht, haben etwas Modularisches. In zweierlei Hinsicht: Einerseits sind die Beziehungsgeflechte (intern) modularisch aufgebaut, lassen sich scheinbar nach Belieben erweitern, durch Anbauten, Spiegelungen, Abspaltungen, hier ein hinzugefügter begehrlicher Blick, dort eine weitere kratzbürstige Tante. Andererseits machen sie sich selbst auch (extern) modularisch verfügbar: Sie lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise in die Kinoshita-Filme einbauen. Das filmisch ausformulierte Beziehungsgeflecht alleine macht noch keinen Film (bzw natürlich auch: noch kein Produkt), es braucht wenigstens vorher einen Vorspann und hinterher das schöne japanische Schriftzeichen für "Ende". Manchmal gibt es zusätzlich andere, extravagantere Rahmungen.
In Danger Stalks Near besteht die Rahmung aus drei Jungs (aus drei denkbar harmlosen, milchbubihaften Jungs), die ein Haus ausspionieren, das sie auszurauben planen. Nur: Immer dann, wenn sie gerade loslegen wollen, weil zum Beispiel eine Person das Haus verlassen hat, trifft eine weitere, andere Person ein. Dass es im Film nicht eigentlich um die Jungs geht, merkt man schnell. Stattdessen geht es um die Hausbewohner, bzw vor allem um die über drei Generationen verteilten, sich gegenseitig das Leben zur Hölle machenden, alle sozialen Gesten ohne Umschweife in Yen-Beträge umrechnenden Hausbewohnerinnen. Zumindest in der ersten halben Stunde schneidet Kinoshita trotzdem immer wieder nach draußen: Eine Panoramaaufnahme des Hauses, dem sich schon wieder irgendeine Verwandtschaft geschäftigten Schrittes nähert. Dann ein Kommentar der Jungs: Mist, schon wieder nichts. Gedacht ist das wohl als gesellschaftssatirische Pointe: Das Kleinbürgertum beutet sich gegenseitig derart erbarmungslos aus, dass es auf die vergleichsweise naiven, unschuldigen Banditen gar nicht angewiesen ist. Besser gefällt mir die narratologische Pointe: Der narrative drive besiegt die kriminelle Energie, dem Raubzug kommt immer wieder ein neues Kapitel der modularen Fortsetzungserzählung in die Quere. Oder machen die Jungs einfach eine andere Art von Beute? Andere Lesart: Das Erzählen - vielleicht: das Kino - hat seinen Ort im neugierigen Aufschub der Begehrensbefriedigung ("ich habe Hunger", meint einer sogar einmal, und trotzdem schaut er weiter zu), im interessierten Verzicht...
The Eternal Rainbow gehört zu den außergewöhnlichsten Arbeiten Kinoshitas. Der Film beginnt mit einer gut zehnminütigen dokumentarischen Passage über Stahlherstellung. Noch bevor auch nur eine einzige fiktionale Person eingeführt ist, lernt man so einiges über Funktion und Mechanik von Hochöfen, über die verschiedenen verwendeten Maschinen, über die Arbeitsschritte, die nötig sind, um eine amorphe organische Masse erst in eine rot glühende, dampfende Masse zu verwandeln, und diese anschließend in diverse harte, kompakte Objekte umzuformen. Zwischendurch fokussiert der Film mal hier, mal da einzelne Arbeiter, aber es dauert eine ganze Weile, bis tatsächlich einer als handelnde Figur individualisiert wird. Die Fiktion nimmt schließlich doch noch Überhand; allerdings wird sie auch im Weiteren immer wieder für kurze Maschinenportraits unterbrochen. Zufällig hatte ich kurz vor The Eternal Rainbow King Vidors An American Romance gesehen, einen anderen fiktionalen Film mit dokumentarischem Stahlindustrieüberschuss - allerdings verwendet Kinoshita das dokumentarische Material auf komplett andere Art und Weise. Bei Vidor sind die dokumentarischen Einschübe, die die Handlung unterbrechend kommentieren, Metaphern fürs aktive Handeln des homo oeconomicus. Die Tatsache, dass er Stahl "in Form bringen" kann, zeigt, dass der Mensch buchstäblich alles zu leisten in der Lage ist. Bei Kinoshita dagegen steht das Dokument am Anfang, als ein quasiobjekthaftes Monument, als ein Spektakel aus Stahl, Feuer und Mechanik, das den Menschen nicht er-, sondern entmächtigt. Die nicht nur sozialen, oft eher einer allgemeineren Moral verpflichteten Normen, an denen in Kinoshitas Werk die akkumulierenden Gefühlswogen sich Film für Film unbarmherzig brechen, sind in The Eternal Rainbow nicht wie sonst in den Figuren verankert, internalisiert, sondern haben für einmal eine äußerliche, sozusagen gesteigert physische Existenz gewonnen.
Kono ten no niji / The Eternal Rainbow, Keisuke Kinoshota, 1958
Die mal melodramatisch-sentimental, mal satirisch-komisch flektierten (die erste Flektion ist mir ohne jeden Zweifel die liebere) Beziehungsgeschichten, aus denen das Werk Kinoshitas hauptsächlich besteht, haben etwas Modularisches. In zweierlei Hinsicht: Einerseits sind die Beziehungsgeflechte (intern) modularisch aufgebaut, lassen sich scheinbar nach Belieben erweitern, durch Anbauten, Spiegelungen, Abspaltungen, hier ein hinzugefügter begehrlicher Blick, dort eine weitere kratzbürstige Tante. Andererseits machen sie sich selbst auch (extern) modularisch verfügbar: Sie lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise in die Kinoshita-Filme einbauen. Das filmisch ausformulierte Beziehungsgeflecht alleine macht noch keinen Film (bzw natürlich auch: noch kein Produkt), es braucht wenigstens vorher einen Vorspann und hinterher das schöne japanische Schriftzeichen für "Ende". Manchmal gibt es zusätzlich andere, extravagantere Rahmungen.
In Danger Stalks Near besteht die Rahmung aus drei Jungs (aus drei denkbar harmlosen, milchbubihaften Jungs), die ein Haus ausspionieren, das sie auszurauben planen. Nur: Immer dann, wenn sie gerade loslegen wollen, weil zum Beispiel eine Person das Haus verlassen hat, trifft eine weitere, andere Person ein. Dass es im Film nicht eigentlich um die Jungs geht, merkt man schnell. Stattdessen geht es um die Hausbewohner, bzw vor allem um die über drei Generationen verteilten, sich gegenseitig das Leben zur Hölle machenden, alle sozialen Gesten ohne Umschweife in Yen-Beträge umrechnenden Hausbewohnerinnen. Zumindest in der ersten halben Stunde schneidet Kinoshita trotzdem immer wieder nach draußen: Eine Panoramaaufnahme des Hauses, dem sich schon wieder irgendeine Verwandtschaft geschäftigten Schrittes nähert. Dann ein Kommentar der Jungs: Mist, schon wieder nichts. Gedacht ist das wohl als gesellschaftssatirische Pointe: Das Kleinbürgertum beutet sich gegenseitig derart erbarmungslos aus, dass es auf die vergleichsweise naiven, unschuldigen Banditen gar nicht angewiesen ist. Besser gefällt mir die narratologische Pointe: Der narrative drive besiegt die kriminelle Energie, dem Raubzug kommt immer wieder ein neues Kapitel der modularen Fortsetzungserzählung in die Quere. Oder machen die Jungs einfach eine andere Art von Beute? Andere Lesart: Das Erzählen - vielleicht: das Kino - hat seinen Ort im neugierigen Aufschub der Begehrensbefriedigung ("ich habe Hunger", meint einer sogar einmal, und trotzdem schaut er weiter zu), im interessierten Verzicht...
The Eternal Rainbow gehört zu den außergewöhnlichsten Arbeiten Kinoshitas. Der Film beginnt mit einer gut zehnminütigen dokumentarischen Passage über Stahlherstellung. Noch bevor auch nur eine einzige fiktionale Person eingeführt ist, lernt man so einiges über Funktion und Mechanik von Hochöfen, über die verschiedenen verwendeten Maschinen, über die Arbeitsschritte, die nötig sind, um eine amorphe organische Masse erst in eine rot glühende, dampfende Masse zu verwandeln, und diese anschließend in diverse harte, kompakte Objekte umzuformen. Zwischendurch fokussiert der Film mal hier, mal da einzelne Arbeiter, aber es dauert eine ganze Weile, bis tatsächlich einer als handelnde Figur individualisiert wird. Die Fiktion nimmt schließlich doch noch Überhand; allerdings wird sie auch im Weiteren immer wieder für kurze Maschinenportraits unterbrochen. Zufällig hatte ich kurz vor The Eternal Rainbow King Vidors An American Romance gesehen, einen anderen fiktionalen Film mit dokumentarischem Stahlindustrieüberschuss - allerdings verwendet Kinoshita das dokumentarische Material auf komplett andere Art und Weise. Bei Vidor sind die dokumentarischen Einschübe, die die Handlung unterbrechend kommentieren, Metaphern fürs aktive Handeln des homo oeconomicus. Die Tatsache, dass er Stahl "in Form bringen" kann, zeigt, dass der Mensch buchstäblich alles zu leisten in der Lage ist. Bei Kinoshita dagegen steht das Dokument am Anfang, als ein quasiobjekthaftes Monument, als ein Spektakel aus Stahl, Feuer und Mechanik, das den Menschen nicht er-, sondern entmächtigt. Die nicht nur sozialen, oft eher einer allgemeineren Moral verpflichteten Normen, an denen in Kinoshitas Werk die akkumulierenden Gefühlswogen sich Film für Film unbarmherzig brechen, sind in The Eternal Rainbow nicht wie sonst in den Figuren verankert, internalisiert, sondern haben für einmal eine äußerliche, sozusagen gesteigert physische Existenz gewonnen.
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