Monday, June 22, 2015

Paul kommt zurück, Peter F. Bringmann, 1978

In einer seiner ersten Rollen nach seiner Ausreise aus der DDR überquert Manfred Krug zu Beginn die Grenze zur Bundesrepublik - allerdings kehrt er nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen, genauer aus Luxemburg in die BRD zurück. Noch genauer wird er zum Leben in Westdeutschland verdonnert: Gemeinsam mit Tilo Prückner wird er von Beamten an der Grenze ausgesetzt und rübergescheucht. Auf der anderen Seite atmet Prückner theatral auf und erfreut sich an der frischen Luft der BRD - es kommt dann aber gleich ein Polizist von links ins Bild: "Die Pässe bitte!"

Prückner ist als Sidekick des einen Kopf größeren, eine Schultelänge breiteren Krug angelegt - eine bewegliche, hagere Nervensäge, die um den melancholischen Fels in der Brandung herumschwirrt. Das funktioniert gut, weil Prückner sein Spiel nie ganz ins Pittoreske umkippen lässt und weil von Anfang an klar ist, dass er in erster Linie traurig und erst in zweiter ein Clown ist.


Die Resozialisation misslingt. Krug sieht sich bald gezwungen, einen Safe auszurauben. Während er mit dem Schweissbrenner hantiert, blättert sein Komplize in Pornoheften und meint dann, als er sich ertappt fühlt nervös, man raube hier wohl gerade einen "Sexverrückten" aus. Im Safe findet sich eine Kultstatue mit Riesenpenis, sonst aber nicht das Erwartete. Die Sache wird komplizierter - bis Hoenig am Ende mit einem Zuckerrübentransporter kollidiert.

Paul kommt zurück ist den "undruchdringlichen Verwicklungen" auf der Plotebene zum Trotz ein glasklar, fast überdeutlich artikulierter Film, die Dialoge sind im Kleinen zwar höchst amüsant, bleiben aber stets höchst funktional - und werden, vor allem von Prückner und Heinz Hoenig, mit einer Attitüde vorgetragen, die offensichtlich vom großen amerikanischen Kino abgeschaut, aber keineswegs verinnerlicht ist. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu erkennen, dass das kein Nachteil sein muss. Tatsächlich besteht der Reiz gerade darin, dass einerseits erst einmal alles im Film so schrecklich (manchmal auch: so wunderbar) provinziell und bundesdeutsch ausschaut, dass alles, was an amerikanischen Genrekinozeichen an diese Bundesrepublik herangetragen wird (Trenchcoats, Knarren, Schweißbrenner, weiße Geckenhandschuhe) ihr komplett äußerlich zu bleiben scheint; und dass sich dann aber andererseits herausstellt, dass das alles doch irgendwie funktioniert, dass man im Köln der 1970er, wo Krug und Prückner bald ankommen, durchaus eine Neo-Noir-Erzählung auf die Beine stellen kann, wenn man nur lang genug an den richtigen Orten (schäbige Eckkneipen, Turnhallen (!), Badezimmer mit bräunlichen Wandfließen) nach den richtigen Bildern sucht, wenn Krug nur stur genug den Trenchcoat an- und am besten noch den Schlapphut aufbehält (überhaupt ein Film der Männeraccessoires: Krugs Hut, Prückners Halstuch, Hoenigs Handschuhe). Nicht Deutschland amerikanisch machen, sondern mithilfe von Amerika Deutschland sich selbst fremd werden lassen. Das Finale spielt in einem Märchenschloss.

Vor allem aber ist der Film ein zum Glück nicht allzu hektisches animiertes Fotoalbum westdeutscher Entgleisungen.












Das solide Kartenspiel



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