Thursday, October 08, 2015

Zirkus Renz, Arthur Maria Rabenalt, 1943

Mitten im zweiten Weltkrieg dreht die Ufa einen Film, in dem am Anfang ein Bär ausbricht, kurz stürmisches Chaos verursacht, aber sofort wieder eingefangen, von gleich vier Häschern aus dem Off in die Bildmitte zurück geführt wird.

Zwei Artisten, eine Reiterin und ein Haufen Tiere gründen wenig später am Lagerfeuer den Zirkus Renz, der nach dem soldatisch durchformteren der beiden Artisten benannt ist und von Rene Deltgen verkörpert wird. Deltgen träumt von einem Zirkus, der auf den "Respekt für die Leistung" setzt, nicht auf tendenziell ausländische Schauwerte. Ein Zeitsprung ermöglicht ihm den Traum, er darf dann noch das Zirkuszelt erfinden und einen französischen Kontrahenten vertreiben.

Deltgen spielt Renz als einen astreinen Psychotiker, der selbst in den Entspannungsphasen des Films verbissen wirkt und jederzeit ohrenbetäubend laut, schneidend losbellen kann. Das Zirkuszelt soll eigentlich den Zirkus mobil machen. Aber es geht eher um das Zelt der Kaserne als als um das Zelt des wandernden Volks. Und Zirkus Renz bleibt sowieso in Berlin, dient sich dem König an. In einer gut gemachten Actionszene wird das Zelt im Berliner Schlamm verankert, auf dass es sich nie wieder löse.

Die Reitszenen sind stark, alle Beteiligten scheinen sich mit den Pferden wohl zu fühlen. Auch verbindet sich da das Dokumetarische (während einiger Dialogszenen im backstage-Bereich sieht man im Bildhintergrund die Reiter an einer Planenöffnung vorbeirauschen) auf schöne Weise mit Studioartifizialität (Die Großaufnahmen der Artisten auf den Pferderücken sind offensichtlich Rückprojektionen).  Auch ansonsten widerspricht der Film dem Renz'schen Leistungsethos insofern, als er durchaus ein Bewußtsein für den schönen Schein des Showgeschäfts hat - die letzte, exotistische, äußerst aufwändige Prachtvorstellung des Zirkus Renz überrascht sogar mit bloßen Frauenbrüsten.

Der Ringkampf im römischen Stil, den die beiden Hauptfiguren austragen, ist lachhaft in seiner verbissenen Niedlichkeit. Eher angsteinflößend als komisch sind dagegen die Vorstellungen, die sich der Film von Zirkusclowns macht.

Alles, was an dem Film Zeitbild des 19. Jahrhunderts sein will, ist fürchterlich hölzern. Dass in einer Nebenhandlung ausgerechnet die Litfaßsäule erfunden wird, passt ins Bild. Der Film erzählt nicht von einem Zeitalter des Aufbrauchs, sondern von einem der Verhärtung.

Deltgen ist unzweideutig Agent dieser Verhärtung. Der Widerstand, den sein Ko-Star, Paul Klinger, leistet, ist nur ein scheinbarer. Frisur und Bart sind etwas kecker, die Schulter breiter, die ganze Statur gleichzeitig muskulöser und unförmiger. Wo Deltgen seine Kräfte präzise einteilt, gibt es bei Klinger einen beständigen Überschuss, der freilich stets nur weggegrinst wird. Am Ende, wenn von allen Beteiligten gründlich durchverzichtet wird, ist sein Bart verschwunden.

Weniger leicht einhegbar ist Angelika Hauff als Reiterin und love interest Klingers, der sie "Bachkatze" nennt und zähmen möchte, der dann aber selbst gezähmt wird, allerdings nicht von ihr. Alle wirklich guten Szenen des durchaus zu ein wenig punktueller Eleganz fähigen, aber in den großen erzählerischen und motivischen Bögen fürchterlich unbeweglichen Films gehören ihr, oder handeln wenigstens von ihr (an einen schönen, beiläufigen Eifersuchtsdialog der beiden Hauptfiguren erinnere ich mich vor allem).

Hauff agiert weder als Figur, noch als Darstellerin taktisch... aber sie ist eben auch nicht die instinktgesteuerte Bachkatze, für die Klinger sie hält. Sie bleibt lediglich stets pragmatisch und gegenwartsbezogen, sowohl als Artistin, als auch als sinnliches Wesen, damit kommt der stählern in die Zukunft blickende Renz genauso wenig klar wie der phony Melancholiker Klinger. Die schönste Szene des Films: Sie dehnt sich an einer Stange, biegt dabei ihren ganzen Körper in kreisrunde Formen; dann kommt ein Zirkushandlanger und beginnt ein Gespräch mit ihr. Sie läßt sich nicht beirren, dehnt sich sprechend weiter, besteigt schließlich mitten im Gespräch das neben ihr stehende Pferd und reitet davon. Alles in einer Einstellung gedreht.

Zwei Sätze aus dem Film:
"Ich bin stolz, weil ich jetzt ein Pferd besitze."
"Ich fahre nach Wien. Dort kaufe ich einen weiteren Zirkus"

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