Tuesday, October 20, 2015

Black Sheep, Allan Dwan, 1935

"I drifted out of circulation..." singt der Crooner zur Montagesequenz, die Black Sheep eröffnet, den ersten Film, den Dwan nach seiner Rückkehr aus England für die Fox-B-Unit dreht. Montiert werden dynamische, hochgradig bewegliche Bilder einer Schiffsreise, genauer gesagt von Schiffsinterieurs und elegant gekleideten Passagieren. Zweimal kommt die Kamera während der Montagesequenz zur Ruhe und zeigt leinwandfüllend Hinweisschilder. Erst: "Second Class Passengers not Allowed Beyond This Point"; und dann: "Beware - Passengers are warned to take precautions against professional gamblers". Wie verhalten sich die beiden Warnungen zueinander? Die erste Warnung beschreibt eine Grenze, die zweite den einzigen Modus des Grenzübergangs: das Spiel. Tatsächlich wird die Grenze, der eher symbolisch mit einer Kette versehene Übergang von der zweiten in die erste Klasse, mehrmals im Film physisch überschritten, ohne dass sich irgendjemand daran stören würde. Es stört sich deshalb niemand daran, steht zu vermuten, weil alle wissen, dass die Überschreitung nur im Spiel geschieht, für die Dauer einer Schiffspassage.

Man könnte meinen, dass die beschwingte Kamera der Eröffnungsmontage die Bewegung des Meers aufnimmt. Tut sie aber nicht. Das Meer ist in diesem Film auf immer außen, hinter den Fenstern, jenseits der Reling. Dwans Kamera aktiviert den Raum und die Elemente des Raums auf andere Weise. Es geht ums andauernde Rearrangement, nicht ums Ineinanderfließen. Was vor allem heißt: Die Distanz bleibt.

Keine Distanz ist unüberwindlicher als die zwischen den beiden Hauptfiguren. Edmund Lowe findet immer neue Vorwände, Claire Trevor nicht zu küssen - und Dwan unterstützt ihn dabei, wo er nur kann. Die beiden lernen sich in der zweiten Klasse kennen. Da gibt es wenig Ablenkung. Sie lockt ihn zwar mit dem Feuerzeug an, doch nachdem sie die Zigaretten aufgeraucht haben, gibt es plötzlich nichts mehr zwischen ihnen. Damit die Distanz nicht kollabiert, muss Dwan sie in die erste Klasse verfrachten. Dort gibt es zunächst mehr Zeug, mehr Ablenkung. Vermittlung, die trennt. Männer und Frauen kommunizieren vermittels Zigaretten, Feuerzeuge, Spielkarten, Perlenketten, Pelzmäntel miteinander. Auch hat der Film eine Vorliebe dafür, Gespräche zwischen Tür und Angel stattfinden zu lassen - und besonders gern framet er die Gesprächspartner dabei so, dass die halb geöffnete Tür sich tatsächlich wie ein Keil zwischen das Paar schiebt. Und es gibt dann vor allem andere, dritte Figuren, bald auch ganze andere Geschichte, die sich zwischen das Paar schieben.

Die Distanz verfeinert und vervielfältigt sich. Aufgehoben wird sie an Land, in der letzten Einstellung. Mit dem Kuss erlischt der Film - sofort. Es gibt kein Bild jenseits der Distanz. (Aber: Bleibt die Frage, warum es dann gleich zu Beginn heißt: "I driftet out of circulation..."? Das deutet doch darauf hin, dass es eine Perspektive der aufgehobenen Distanz geben muss, von der aus auf die Schiffsreise zurückgeblickt werden kann. Eine Perspektive, aus der das Spiel nicht wieder auf Null gesetzt wird, aus der die Grenze tatsächlich überschritten wird und aus der der Distanzverlust in der letzten Einstellung mehr ist als nur das happy end der Konvention.)

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