Thursday, June 15, 2006

S-21, la machine de mort Khmere rouge, Rithy Panh, 2003

S-21 arbeitet sich an den Folterungen und Morden der Roten Khmer mit unterschiedlichsten Methoden ab, die nicht darauf zielen, den Gegenstand sichtbar zu machen (dies wäre im Kontext des Werkes illusorisch), sondern damit beschäftigt sind, die Grundlage für einen wie auch immer gearteten Zugriff auf die Vergangenheit zu finden. Der Film ist sich dabei der Unmöglichkeit der direkten, unmittelbaren Repräsentation von Wirklichkeit schon alleine aufgrund der spezifischen Schwierigkeiten des Projekts bewusst. Nicht nur beschreibt der Film vergangene Ereignisse, von welchen kaum Bild- oder Tonaufnahmen vorhanden sind, sondern behandelt auch ein Thema, welches im heutigen Kambodscha, wie die ehemaligen Gefangenen selbst berichten, aus den Diskussionen der Öffentlichkeit verdrängt wird.
Zu Beginn benutzt Panh das klassische Idiom des Dokumentarfilms, Offkommentare, alte Filmaufnahmen und zeitgenössisches Musikmaterial. Doch bereits nach wenigen Minuten bricht diese erzählung ab und weicht einem offeneren Konzept.
Ein Versuch der Annäherung stellen Gemälde dar (die Comiczeichnungen relativ ähnlich erscheinen). Die spezifische Möglichkeit dieses Mediums scheint in gezielter Akzentuierung zu bestehen. In dem ersten Bild, das der ehemalige Gefangene malt, hebt er durch zusätzliche Färbung aus der Reihe der gefesselten Häftlinge eine Person heraus. Diese Figur wird nicht personalisiert sondern verdeutlicht nur die individuelle Perspektive, die in jeder Erzählung eingeschrieben ist, in den Gefangenenlisten jedoch ausgeblendet wird. Auch diese Strategie ist im Grunde filmisch, erinnert etwa an die Eröffnungssequenz aus Psycho.
Die ungewöhnlichste Methode, die der Film anwendet, um den Betroffenen Zugriff auf ihre eigene Geschichte zu gewähren, besteht jedoch in absurd erscheinenden Rollenspielen, in welchen die ehemaligen Wächtern ihren Tagesablauf während der Terrorzeit rekapitulieren, mit dem einzigen Unterschied, dass die Gefangenen diesmal abwesend sind. Die leeren Rituale und sinnlosen Gewaltandrohungen in den ehemaligen Gefängnissen, die nun unbewohnt leer stehenzeigen eindrucksvoll den Konstruktionsprozess, der nicht nur in der Gesamtgesellschaft sondern in jedem einzelnen Individuum nötig ist, um die eigene Existenz zu rechtfertigen. Die Retorik der Gewalt funktioniert auch ohne Objekt, ist auch nicht zwingend abhängig von einer spezifischen Körperlichkeit oder historischen Situation. Und diese Ansammlung und diskursive Anordnung scheinbar geschichtsloser Zeichen – die Wächterhandlungen könnten genauso in Ausschwitz oder in sowjetischen Gulags stattfinden – legt den Blick auf die Schwierigkeiten der historischen Repräsentation offen und bildet gleichzeitig, zumindest im Kontext dieses Filmes, die einzige Möglichkeit der Geschichtsschreibung jenseits teleologischer Modelle und bloßer individueller Erinnerung.

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